Als ich dieses Buch zu schreiben begann und mit Thomas’ Tod durch die Spanische Grippe 1918 einsetzte, ahnte ich nicht, dass ich das Lektorat im landesweiten COVID-19-Arrest verbringen würde. Dass die Sätze über die unheimliche Stille auf den Straßen auf einmal eine sonderbare Realität gewinnen würden. So unterschiedlich die beiden Pandemien auch sind, das gelähmte Land ließ mich mein Manuskript mit anderen Augen sehen. Und wenn ich stundenlang einsam tippte, rückte die Geschichte mit ans Kaminfeuer.

Nicht immer stattet uns die Historie solche Besuche ab. Wie versprochen gibt es deshalb zum Schluss noch ein paar Hinweise zu intertextuellen Bezügen und historischen Fakten.

Publizist, Bruchpilot, Adrenalinjunkie – ganz klar, René spielt auf den großen Ernest Hemingway an. Das tut schon sein Nachname – es ist der von Hemingways erster Geliebter. Wenn Clara ihn in ihrer ersten gemeinsamen Szene fragt, ob jetzt schon die Kriegsberichterstatter sich für Literaten hielten, verweist das natürlich auf den Kriegsberichterstatter Hemingway. Als Bruchpilot hat René ein weiteres Vorbild: Tatsächlich berichtet Ernst Toller, dass er Anfang 1919 als Flugpassagier eine Bruchlandung erlebte. Erkennbar amüsiert beschreibt er, wie ihn der Pilot blutüberströmt, aber quietschfidel aus den Gurten befreite. Dieser Pilot stand ebenfalls Pate für René. Kein Wunder, dass Tollers und Renés Verhältnis deshalb ein wenig – nun, sagen wir: ambivalent ist.

Max Webers Vortrag in Kapitel 15 habe ich leicht gekürzt aus seinem Buch Wirtschaft und Gesellschaft (Kapitel 4, § 10: Merkmale der charismatischen Herrschaft) zitiert. Tatsächlich beschreibt sein Student Joseph Drexel, wie 1920 rechtsradikale Studenten eine seiner Vorlesungen störten und die Freiheit der akademischen Lehre in Frage stellten (auch an anderen Universitäten waren solche Vorfälle bereits vorgekommen). An diese Beschreibung wurde die Szene angelehnt. Max Weber litt wirklich an Binge Eating. «Mohrenkopf» ist übrigens der damals geläufige Markenname, der ohne abwertende Konnotation verwendet wurde.

Beinahe überflüssig zu sagen, dass alles, was ich über Ferdinand Sauerbruch schreibe – außer seinem Interesse für Antonia natürlich! – aus den historischen Quellen stammt, zum Teil aus seiner Autobiographie. Sauerbruch erwarb sich später unter den Nazis einen zweifelhaften Ruf. Für die Zeit, in der der Roman spielt, kann man nur sagen, dass er politisch konservativ und charakterlich dominant auftrat.

Die Szene, in der Clara vom ersten Treffen mit Tilda nach Hause fährt und sich die alten Herren in der Tram über ihr Make-up echauffieren, zitiert den Sketch Ein Wagen von der Linie 8 des Weiß Ferdl.

Ernst Tollers Flucht und Verhaftung sind eng angelehnt an seine eigene Beschreibung, an die Polizeiberichte und das Vernehmungsprotokoll. Das Fahndungsplakat und der Zeitungsartikel über seine Verhaftung (Neue Zeitung, 1. Jahrgang, Nr. 124 vom 5./6. Juni 1919, S. 2) sind Originaltexte. Bei der Beschreibung seiner Persönlichkeit habe ich mich an den Aussagen diverser Zeitgenossen (einschließlich medizinischer Gutachten) orientiert, wobei persönliche Bekanntschaften als Quellen im Vordergrund standen. Selbstkritisch berichtet Toller in seinen Memoiren auch über Verbrechen der eigenen Leute, etwa über Vergewaltigungen durch Rotgardisten – unschöne Wahrheiten, die andere als Feindpropaganda abzutun versuchten. Er kritisiert die Instrumentalisierung von Wissenschaftlern während des Krieges, die Antonia im zweiten Kapitel verspottet. Auch der Bericht über die Aufschrift am Tor des Gefängnisses Stadelheim stammt von ihm. Das Buch, das Clara ihm mitbringt, war eines seiner Lieblingsbücher. Die Aussagen über seine zerbrochenen Illusionen (vom Proletarier als «hohen Typus a priori»: «Sie mussten zerbrechen, weil sie im Acker ideologischer Engstirnigkeit wuchsen. Niemand ist deshalb ‹heilig›, weil er einer

Auch die Hausdurchsuchungen und der betreffende Befehl Rudolf Egelhofers sind authentisch, ebenso das brutale Vorgehen der Weißgardisten. Dass die Gaststätten während der Kämpfe um Giesing offenbar trotz der Schießereien geöffnet hatten, weiß ich aus erster Hand. Mein Großvater, der damals ein Kind war, erzählte, sein Vater sei in den Pausen zwischen den Schusswechseln immer über die Straße gerannt, um seinen Bierkrug in der Wirtschaft wieder füllen zu lassen.

Die Rolle der Zeitungen und ihre teils ins Propagandistische abgleitende Voreingenommenheit wird von Zeitgenossen vor allem aus dem linken und liberalen Lager immer wieder thematisiert. Kurt Eisner (der die von René zitierten Worte dazu tatsächlich schrieb, zitiert nach Ernst Toller: In memoriam Kurt Eisner), Ernst Toller, aber auch Thomas Mann verurteilten die einseitige Berichterstattung. Die Medien während der Weimarer Republik hatten ihrer Ansicht nach einen nicht unbedeutenden Anteil am Aufstieg der Nationalsozialisten. Umso wichtiger waren die mutigen Journalisten, die sich nicht instrumentalisieren ließen. Ihnen ist mein Protagonist René gewidmet.

Bei den Aussagen über die Wahrnehmung Hitlers und der NSDAP in dieser Zeit habe ich mich an zeitgenössischen Quellen orientiert. Dass man sie nicht ernst nahm, die gescheiterten Bemühungen, Hitler abzuschieben, die Zusammensetzung der Parteimitglieder, all das orientiert sich an den Aussagen von Zeitzeugen. Heute ist kaum noch bekannt, dass Hitlers Vater eigentlich Schicklgruber hieß und seinen Namen 1876 geändert hat.

Ferdinand Schwabingers Auftritt zitiert natürlich F. Scott Fitzgeralds The Great Gatsby. Das war ich Fitzgerald schuldig, nachdem ich Schwabinger als Isar-Gatsby bezeichnet habe. Und apropos Feste: Die Eröffnung des Deutschen Museums wird bisweilen als «letztes Fest der Weimarer Republik» bezeichnet. Ich habe mich an den Berichten und Fotos orientiert, bis hin übrigens zur Speisekarte.

Die Guglmänner gibt es wirklich: Ihre Kleidung, entwickelt aus der Büßertracht, war die der Totengarde der bayerischen Könige. Heute ist es die Tracht eines monarchistischen Geheimbundes. Offiziell ist nicht bekannt, wer diese Mitglieder sind, die überzeugt sind, dass Ludwig II. ermordet wurde.

William of Occam ist in Deutschland auch als Wilhelm von Ockham bekannt. Ich verwende die englische Schreibweise, der auch der Straßenname folgt.

Einige Ortsnamen sind heute nicht mehr allgemein bekannt: Das Oberwiesenfeld, ein zum Flugplatz ausgebauter Exerzierplatz, lag auf dem Gelände des heutigen Olympiazentrums. «Würmsee» war bis 1962 die offzielle Bezeichnung für den Starnberger See. Das Luitpoldgymnasium befand sich in der Müllerstraße und ist nicht identisch mit dem Gymnasium, das heute diesen Namen trägt.

Ein Dank an Anne Tente für den Hinweis auf das Kinderlied Petersilie, Suppenkraut, das möglicherweise ein Rezept für einen abtreibenden Sud thematisiert. Ebenfalls zu danken habe ich der Bibliothek und dem Archiv des Deutschen Museums sowie der Münchner Staatsbibliothek, dem Münchner Institut für Zeitgeschichte sowie der Ernst-Toller-Gesellschaft.

Zum Schluss noch eine Selbstverständlichkeit: Die Ansichten der Personen in diesem Buch spiegeln natürlich nicht zwangsläufig die der Autorin wider, sondern wurden aus dramaturgischen Gründen dem jeweiligen Charakter entsprechend eingeführt.