Das erste Halbjahr ging langsam zu Ende, und ich war insgeheim recht zufrieden mit dem Fortschritt, den ich bei den Schülern gemacht hatte. Sicher, es gab Tage, an denen ich sie allesamt zum Teufel wünschte, aber meistens respektierten sie mich inzwischen. Einige der älteren Mädchen plauderten sogar mit mir über außerschulische Dinge. Und ich bildete mir ein, allmählich eine Beziehung zu ihnen aufzubauen.
An diesem Tag hatte ich Mittagspausenaufsicht. Ein paar Schüler und Schülerinnen setzten sich zu mir und erzählten mir von einem Wochenendausflug nach Bob’s Cove, einer Bucht auf halber Strecke zwischen Little Cove und Clayville. Ich fragte mich, was um Himmels willen man bei diesem trüben Wetter einem solchen Ausflugsziel abgewinnen konnte.
»Pam war ganz schön sauer auf Jimmy, Miss«, vertraute mir Roseanne diesmal an. »Sie ist total ausgeflippt.«
»Warum denn?«
»Er hat eine Ratte vor ihrem Gesicht baumeln lassen«, quiekte Beverley.
»War sie tot?«, fragte ich.
Kurz herrschte Schweigen, dann kreischten die Mädchen vor Lachen.
Ich verzog das Gesicht. Ich hatte keine Ahnung, was sie meinte, und war mir auch gar nicht mehr sicher, ob ich es wissen wollte.
Roseanne erklärte es mir, ganz langsam, wie einem kleinen Kind. »Er hat seine Hose runtergelassen und seinen Spatz vor ihr herumgeschwenkt.«
»Oh«, sagte ich. »Nun, das ist …« Mir fehlten die Worte. »Entschuldigt mich, Mädchen«, sagte ich dann. »Ich glaube, die Siebtklässler da drüben brauchen meine Hilfe.«
Während ich die Flucht ergriff, war weiter ihr Gekicher im Hintergrund zu hören. Trotz ihres abgelegenen Wohnorts und ihrer beschränkten Freizeitmöglichkeiten waren diese Mädchen wesentlich abgeklärter, als ich es in ihrem Alter war. Der erste »Spatz«, den ich zu sehen bekommen hatte, war der von Jake gewesen.
Wie sollte es auch anders sein, am Nachmittag wurde die Geschichte auf dem Flur zum Besten gegeben, natürlich mit der dazugehörigen Pointe: »Und dann hat Miss gefragt, ob sie tot war.« Ich schloss die Klassenzimmertür, um das Gelächter nicht mit anhören zu müssen.
Die Straße nach Bob’s Cove zweigte von der zwischen Little Cove und Clayville ab, und als ich später nach Hause fuhr, bog ich aus einer spontanen Regung heraus auf die Sandpiste ab, obwohl es bereits dunkel zu werden begann. Sie endete ein paar hundert Meter weiter in einer Sackgasse. Ich kramte die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und ging bis zum Rand der Klippe; Wellen klatschten an die schrammigen Felsen und zogen sich wieder zurück. Ein garstig böiger Wind hinderte eine einsame Seemöwe am Vorwärtskommen, und sie kreischte frustriert.
Ich duckte mich gegen den Wind und krabbelte den Pfad zu dem felsigen Strand hinunter, der den Schülern als Ersatz für einen Partykeller diente. Weiter vorn entdeckte ich die Überbleibsel eines Strandfeuers, die verkohlten schwarzen Scheite lagen wie umgestoßene Bowlingkegel im Schnee. Ein paar Felsen waren von den Scherben zerborstener Flaschen übersät.
Als der Lichtkegel meiner Taschenlampe etwas in der Ferne erfasste, das wie ein lebloser Körper aussah, hätte ich die Lampe beinahe vor Schreck fallen lassen. Vorsichtig näherte ich mich und sah, dass es sich um ein großes Stück Treibholz handelte. Links davon befand sich eine Höhle, vor Wind und Schnee geschützt. Das Licht der Taschenlampe offenbarte Zigarettenkippen und in einer Ecke eine zusammengefaltete karierte Decke. Als ich zu meinem Wagen zurückeilte, hallten mir Pfarrer Franks Worte in den Ohren, der von der nachlassenden Keuschheit unter den jungen Leuten gesprochen hatte.
Was genau trieben diese Jugendlichen hier unten? Jake und mir war es damals schwergefallen, geeignete Orte zu finden, als wir miteinander zu schlafen begannen. Wir schlichen viel herum, und ich erinnere mich noch an eine schmerzhafte Erfahrung in einem Boot auf dem See, an dem meine Familie ein Cottage besaß. Oder an die zahlreichen Begegnungen auf dem Rücksitz eines Autos, unter anderem eines Abends, als, wie mir jetzt wieder in den Sinn kam, ein Campus-Polizeibeamter an die Scheibe von Jakes Wagen klopfte und uns aufforderte, augenblicklich zu verschwinden. Mit Romantik hatte junge Liebe offenbar nicht viel zu tun, egal wo man wohnte.