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Hätte ich nicht bei Biddy übernachtet, hätte ich Dads Feuerzeug womöglich nie wiederbekommen. Das sagte ich ihr und lud sie zur Belohnung auf Fish and Chips ein.

»Oh, du verwöhnst mich! Normalerweise esse ich das nie.« Dann deutete sie zum Fenster, und ich sah, dass es zu regnen begonnen hatte. »Aber ich glaube nicht, dass ich bei diesem Wetter vor die Tür möchte. Könntest du uns vielleicht was nach Hause holen?«

Natürlich könne ich das, sagte ich und nahm ihr das Versprechen ab, auch das Tischdecken mir zu überlassen.

Als ich den Takeaway betrat, entdeckte ich Cynthia mit ihrer Mutter in einer Tischnische. Mrs O’Leary winkte mich zu ihnen hinüber, und wir unterhielten uns kurz. Ich versuchte, Cynthias Blick zu erhaschen, aber sie schaute stur auf ihren Teller.

Dann reihte ich mich in die Schlange vor dem Tresen ein. Obwohl drei Leute vor mir waren, rief Mrs Corrigan mit dröhnender Stimme hinter der Durchreiche hervor: »Was darf’s sein, Miss O’Brine?«

Ich rief ihr meine Bestellung zu, und die Leute vor mir wichen einen Schritt zur Seite, um mich zum Bezahlen vorbeizulassen.

»Das ist aber lieb von Ihnen, dass Sie sich um Biddy kümmern.« Mrs Corrigan wischte sich die Hände an der Schürze ab, kam aus der Küche hervor und stellte sich neben die Kasse, während Belinda meinen Bon eintippte.

»Biddy und Lucille waren von Anfang an so nett zu mir«, erwiderte ich. »Also ist es das Mindeste, was ich tun kann.« Im Übrigen, dachte ich, gehörte ich ja jetzt hierher, wie Eddie Churchill gesagt hatte.

»Und, wie geht es Biddy?«, fragte Mrs Corrigan.

Bildete ich es mir nur ein, oder wartete jeder in dem Raum gespannt auf meine Antwort? Ich dachte an das, was Doug über Klatsch und Tratsch gesagt hatte und dass Biddy so viel Wert auf ihr Privatleben legte.

»Es geht ihr ganz gut«, sagte ich, »den Umständen entsprechend.«

Biddy ließ sich den Backfisch und die Pommes schmecken und meinte schwärmerisch, sie müsse sich öfter Fish and Chips gönnen. Sie war viel lebhafter als am Vorabend, bat mich sogar, uns einen Sherry einzuschenken. Natürlich trank ich mit. Es wäre unhöflich gewesen, abzulehnen.

Als es Zeit war, ins Bett zu gehen, bat sie mich überraschenderweise, ihr ein weiteres Kapitel aus ihrem Buch vorzulesen – ein Wunsch, den ich ihr gern erfüllte. Ich wusste, dass inzwischen ein weiterer Roman von Maeve Binchy erschienen war, und beschloss, ihn für Biddy zu kaufen, falls er in Clayville erhältlich war. Und falls nicht – verdammt, ich war jetzt seit acht Monaten in Neufundland, vielleicht war es da an der Zeit, einmal nach St. John’s zu fahren.

Wieder schlief ich auf dem Tagesbett. In der Küche war es warm und gemütlich, und obwohl sich Biddys Zustand sichtlich gebessert hatte, wollte ich in Hörweite sein, falls sie nachts aufwachte und etwas brauchte.

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Ich blieb noch liegen und schaute mich in Biddys Küche um – und zwar zum ersten Mal ganz bewusst. Neben dem Tagesbett lag ein Stapel Bücher, und auf dem Tisch stand noch immer die kleine Schatztruhe. Biddys Teeservice, ordentlich in einem Regal verstaut, war aus echtem Porzellan. Auf dem Boden lagen drei Teppiche: einer vor dem Holzofen, einer vor dem Tagesbett und einer am Eingang. Ich war mit dem prächtigsten Quilt zugedeckt, den ich je gesehen hatte, auch wenn ich das Lucille gegenüber natürlich niemals äußern würde.

Das Klingeln des Telefons unterbrach meine Inventur, und ich nahm schnell ab, damit Biddy nicht wach wurde.

»Hallo«, sagte ich fast flüsternd.

»Wer ist dran?«, fragte eine Stimme, die mir nicht bekannt vorkam. »Wo ist Biddy?«

»Hier ist Rachel O’Brien«, sagte ich. »Biddy schläft noch. Ich bin …« Wieder dachte ich an Dougs Bemerkung über das Tratschen. »Ich bin übers Wochenende zu Besuch.«

»Besuch?« Die Stimme klang ungläubig. »Hier ist Elsie, Biddys Schwester.«

»Ach so«, sagte ich. »Ich wusste nicht, dass Sie es sind. Ich bleibe übers Wochenende bei Biddy, weil ich sie nicht allein lassen wollte nach dem …« Ich unterbrach mich, unsicher, wie ich mich am besten ausdrücken sollte.

»Ich habe von dem Unfall gehört. Klingt, als wäre sie auf dem Weg der Besserung. Normalerweise mag Biddy nichts lieber, als allein zu sein. Aber ich bin froh, dass Sie bei ihr bleiben können.«

»Es ist mir wirklich ein Vergnügen.«

»Hmpf«, kam nur als Antwort. »Wir kommen so schnell wie möglich nach Little Cove zurück, richten Sie ihr das bitte aus«, sagte Elsie. »Und dann schaue ich gleich bei ihr vorbei.«

Nachdem ich aufgelegt hatte, spähte ich in Biddys Schlafzimmer. Sie war wach, und ich fragte sie, ob sie ihren Tee im Bett trinken wolle.

»Ach, Liebes«, sagte sie, »was für ein Luxus, aber ja, gern. Und, jetzt werde ich wirklich übermütig, aber ist noch was von deinen Plätzchen übrig? Die sind so lecker.«

Zehn Minuten später tranken Biddy und ich Tee und aßen Plätzchen dazu, sie im Bett und ich im Schaukelstuhl. Als ich sie zwischendurch kurz ansah, hatte sie ein breites Lächeln im Gesicht.

»Warum strahlst du so?«, fragte ich.

»Mir ist gerade eingefallen, dass ich heute zum ersten Mal in fünfzig Jahren nicht in die Kirche muss«, sagte sie vergnügt. »Ich bin einfach noch zu schwach.«

»Oh«, sagte ich, »ich dachte, es ginge dir wieder besser.«

Sie grinste und kuschelte sich wieder unter die Decke.

»Also wenn du dich noch nicht gut fühlst, sollte ich vielleicht besser bei dir bleiben. Zur Sicherheit.«

»Kommt gar nicht infrage. Du musst dich in der Kirche blicken lassen. Die Leute wissen, dass du hier bist, und du musst als Lehrerin mit gutem Beispiel vorangehen.«

Mit einem Mal klang sie fast wie Father Frank.

Am Nachmittag packte ich meine Sachen in die Tasche und räumte die Küche und Biddys Schlafzimmer auf, während sie im Schaukelstuhl döste. Plötzlich flog die Tür auf, und Lucille platzte herein, gefolgt von Geri und einer Frau, die wie eine ältere, aber sehr gut erhaltene Version Geris aussah. Biddy war von dem Geräusch aufgewacht und streckte ihren gesunden Arm aus. Lucille rannte zu ihr und tätschelte ihre unversehrte Schulter, streichelte ihr die Wange und setzte sich dann auf den Stuhl neben sie. Sie fragte sie, wie es ihr gehe und was passiert sei, und schimpfte sie, meinte, wäre sie mit ihnen zur Hochzeit gekommen, wäre all das nicht passiert. Als Lucille zum ersten Mal eine Pause einlegte, um Luft zu holen, wirkte Biddy bereits erschöpft.

Geri untersuchte Biddys Kopf und zupfte ihre Schlinge zurecht. Dann füllte sie den Wasserkessel und setzte ihn auf. Elsie nahm neben mir auf dem Tagesbett Platz und stellte sich mir vor; sie erkundigte sich, wie es Biddy ginge. Ich fasste kurz alles für sie zusammen und zeigte ihr die Pillendose, bevor ich meine Sachen zusammenpackte, um unauffällig aus dem Haus zu schlüpfen.

»Rachel O’Brine!«

Ich drehte mich um, darauf gefasst, dass Lucille mich gleich wegen irgendetwas ausschimpfen würde, aber es war Biddy, die meinen Namen gerufen hatte. Sie winkte mich mit dem Zeigefinger heran, und ich trat zu ihr. Als ich mich zu ihr hinabbeugte, streichelte sie mir die Wange und sagte: »Du bist so ein Schatz, Rachel. Vielen Dank. Und jetzt fahr nach Hause und genieße den Frieden und die Ruhe in deinem gemütlichen Häuschen.«

Und das tat ich.