Kapitel 25

Zehn verführerische Stolperfallen

IN DIESEM KAPITEL

  • Was verführerisch klingt, hat einen hohen Preis
  • Wenn nicht so, wie denn dann?
  • Von der Aufgabe zur Hingabe

Dieses Kapitel dürfen Sie mit Humor lesen. Was ich hier liebevoll etwas auf die Spitze treibe, dringt anders in Ihre üblichen Gedanken und verwirrt Ihr Mindset. Die aufgeführten Alltags-Strategien wirken möglicherweise zunächst attraktiv. Vielleicht fühlen Sie sich auch ertappt beim ein oder anderen Punkt. Sehen Sie meine Aufforderungen als EINE mögliche Sichtweise und als Einladung zur gedanklichen Umkehr. Und Sie wissen ja: Einladungen dürfen Sie auch ausschlagen.

Bleiben Sie stets zweifelnd und kritisch

Als Lehrkraft ist es unzweifelhaft von Vorteil, kritisch zu sein. Sonst würden Sie womöglich noch alle gleich behandeln oder gar stets das Gute überall und in jedem sehen. Was wäre das für eine Arbeit, bei der die Begegnungen offen und wertfrei stattfinden? Gehen Sie stattdessen lieber davon aus, dass hinter jeder netten Geste eine Person steckt, die etwas von Ihnen will. Wer zweifelnd und kritisch bleibt, lässt sich nicht (ent)täuschen.

Entscheiden Sie spontan und unmittelbar

Sie treffen Hunderte von Entscheidungen im Laufe eines Vormittags. Da wollen Sie sicherlich nicht auch noch welche mit nach Hause nehmen. Außerdem leidet Ihre Außenwirkung enorm, wenn Sie sich Aufschub gewähren. Schließlich wird von Ihnen erwartet, dass Sie alles wissen und jederzeit souverän handeln. Im Laufe Ihrer Berufserfahrung werden Sie irgendwann alles erlebt haben. Was sollte Sie noch überraschen? Da reichen standardisierte Reaktionsmuster, die Sie spontan »liefern« können. Im schlimmsten Fall treffen Sie eine Fehlentscheidung, aber immer noch besser, als wenn jemand Sie für unfähig hält, nur weil Sie nicht spontan sind.

Erwarten Sie nichts, dann werden Sie nicht enttäuscht

Diese Haltung klingt doch logisch. Bleiben Sie mit Ihren Erwartungen so niedrig wie möglich. Das betrifft sowohl die Leistungen Ihrer Schüler als auch deren sozial-emotionale Verhaltensweisen. Es ist doch ohnehin bestätigt, dass die Kinder immer schlimmer werden und die Eltern gleich dazu. Was sollten Sie da überhaupt erwarten können? Wer nichts erwartet, gibt seinem Gegenüber maximalen Freiraum und damit stärken Sie indirekt die Autonomie. Schülern bleiben außerdem Ermahnungsreaktionen erspart, das stärkt deren Selbstwert. Wer braucht schon jemand, der an einen glaubt?

Halten Sie an Ihren Entscheidungen fest

Ändern Sie bloß nicht eine einmal getroffene Entscheidung. Damit öffnen Sie sämtliche Diskussionstüren für künftige Entscheidungen und der Basar ist eröffnet. Was sollen die Schüler von Ihnen denken, oder gar die Eltern? Das ist doch reichlich inkonsequent. Außerdem: Sie sind die Führungskraft. Punkt.

Kopieren Sie Ihr Material in der (5-Minuten-)Pause

Warum sollten Sie am Vortag länger bleiben, wenn Sie doch womöglich noch gar nicht so weit im Voraus wissen, was Sie morgen unterrichten werden? Sparen Sie sich diese Lebenszeit. Die Pausen sind wunderbar fürs Kopieren geeignet. Womöglich sind Sie auch die einzige Lehrkraft, die auf diese Idee kommt. So rechnen Sie am besten mit einem leeren Kopierraum, und da Ihre Kopierer bestimmt auf dem neuesten Stand der Technik sind, können Sie ja wohl davon ausgehen, dass diese auch funktionieren werden. Sonst kommen Sie eben später in Ihren Unterricht. Sie haben schließlich triftige Gründe dafür.

Machen Sie es lieber gleich selbst

Mal ehrlich: Sind Sie nicht auch manchmal der Meinung, dass Sie es lieber gleich selbst machen? Zum einen wird es dann ordentlich (zum Beispiel ein Anschrieb an der Infotafel, so gut kriegt das doch kein Schüler hin) und zum anderen geht’s meist auch schneller. Wer wartet schon gerne fünf Tage, bis die Schüler endlich mit dem neuen USB-Kabel kommen? Entlasten Sie lieber Ihre Schüler (die wollen doch auch nur ihre Ruhe; wer braucht schon das Gefühl, gebraucht zu werden?) und dadurch Ihre Nerven.

Nutzen Sie Ihre Pause für gemeinsames Klagen und gehen Sie erst im letzten Moment ins Klassenzimmer

Pausenzeiten sind wunderbar für den Austausch über all das Schreckliche, was Ihnen im Klassenzimmer widerfährt. Tauchen Sie ein in die Kraft des kollektiven Narrativs und freuen Sie sich, dass Sie nicht alleine sind mit Ihren pädagogischen Leidenserlebnissen. Psychohygiene ist wichtig. Und weil Sie sich Ihre Auszeit so richtig verdient haben, sollten Sie auch bis zur letzten Minute daran festhalten. Die Schüler sind schließlich auch nicht immer pünktlich. Dann sehen die mal, wie das ist.

Setzen Sie Ihre Regeln Top-down

Sie sind die Führungskraft, und was Sie sagen, gilt. Zu viel Mitwirkung öffnet dem Chaos die Tür. Da haben Sie hinterher umso mehr zu tun, das Chaos wieder zu beseitigen. Außerdem, wo bitte sollten Schüler denn mitentscheiden können? Das sind doch noch Kinder. Die haben eh nur ihre Interessen im Kopf.

Vergleichen Sie sich und Ihr Tun, wo immer Sie können

Da das Vergleichen ja ohnehin Teil Ihrer professionellen DNA ist, sollten Sie mit dieser verinnerlichten Eigenschaft grundsätzlich durchs Leben gehen. Also auch durch Ihr Privatleben. Dann werden Sie merken, wie viel mehr andere verdienen (natürlich für viel weniger Arbeit und viel mehr Anerkennung) und der Dienstwagen Ihres Nachbarn wäre eigentlich auch für Sie als Lehrkraft überfällig. Wo bitte ist denn die Wertschätzung für Ihren ganzen Einsatz?

Vermeiden Sie Privatgespräche

Lassen Sie Ihre Schüler bloß nichts Privates über Sie erfahren. Fragen nach Ihrem Vornamen sollten Sie sich verbitten, das ist schließlich grenzüberschreitend. Sie müssen professionell bleiben und daher vermeiden Sie, dass Ihre Schüler (oder Eltern) etwas Persönliches erfahren. Wo kommen wir denn da hin, wenn jetzt auch noch transparent würde, dass Sie Katzenfan sind? Womöglich hätten Sie dann plötzlich lauter Schüler, die Ihnen von ihrem Haustier erzählen möchten oder womöglich Fotos auf dem Handy zeigen wollen? Da lösen Sie ja eine ganze Lawine an Folgeschwierigkeiten aus.