Prolog

September 2008

Porthmellow.co.uk Blog Forum

Mecker-Minnie: Schon wieder ein Laden zu? Der dritte in einem halben Jahr! Dieser Ort geht vor die Hunde! Warum unternimmt denn keiner vom Stadtrat oder der Handelskammer was dagegen? Porthmellow wird ja bald zur Geisterstadt!

»Bestimmt säuft da bald einer ab«, verkündete der alte Troy Carman mit seinem breiten kornischen Akzent. »Und rate mal, wer den dann aus dem Hafenbecken fischen darf.«

Sam Lovell musste sich das Grinsen verkneifen, als sie die Miene ihres Nachbarn sah, der die Jugendlichen gegenüber vom Smuggler’s Inn beobachtete. Sie trugen Taucheranzüge und stachelten sich johlend und kreischend gegenseitig dazu an, von der Kaimauer ins tintenblaue Wasser zu springen. Von Frühling bis Herbst spielte sich jeden Sonntagabend das Gleiche ab in Porthmellow: Teenager hüpften ins Hafenbecken, während vor dem Pub die Brassband musizierte. Krönender Abschluss des Wochenendes, bevor alle am nächsten Morgen zur Arbeit oder in die Schule gehen mussten.

Sam stellte ihr Bierglas auf den splittrigen alten Holztisch. Wie vieles in Porthmellow hätte der Pub eine Aufhübschung gut gebrauchen können. »Bist du als junger Kerl nicht auch in den Hafen gesprungen?«

»Na ja, schon.« Troy schüttelte den Kopf, als die nächsten Wagemutigen mit schrillen Schreien auf die Mauer kletterten. »Aber wir hatten nicht so schicke Taucheranzüge. Bin in meiner Baumwollunterhose reingehopst. Meine Mum hat sich jedes Mal furchtbar aufgeregt, weil ich nur drei hatte. Eine war immer in der Wäsche, eine trug ich, und die dritte war für sonntags. Und Löcher hatten sie auch jede Menge, wenn Mum sie in der Mangel gehabt hat.«

»Ich hab dich echt lieb, Troy, aber das hätte ich jetzt nicht wissen müssen«, erwiderte Sam. Keinesfalls wollte sie sich vorstellen, wie ihr Nachbar in Unterhosen, schlammbraun wie das Hafenwasser, von der Kaimauer sprang.

Sam hielt das Gesicht der Septemberabendsonne entgegen, die ausnahmsweise auf die Terrasse des Pubs schien. Wegen des trüben Sommers waren in diesem entlegenen Teil von Cornwall in diesem Jahr die Touristen ausgeblieben. Viele Familien konnten sich wegen der miesen Wirtschaftslage sowieso gar keinen Urlaub leisten. Was nicht nur dem kleinen Fischerdorf übel zusetzte, sondern auch Sam selbst, die im Vorjahr ihren Job aufgegeben und eine kleine Catering-Firma namens Stargazey Pie gegründet hatte. Wer hätte denn auch den Börsencrash vorhersehen können? Sam ganz gewiss nicht. Sie hatte genug damit zu tun gehabt, ihre Familie zusammenzuhalten, nachdem sie binnen weniger Jahre drei geliebte Menschen verloren hatte.

Doch an Abenden wie diesem gelang es ihr beinahe, daran nicht zu denken.

Troy trank sein Proper Job aus und wischte sich den Schaum von der Lippe. Obwohl er schon siebzig war, arbeitete der alte Carman noch immer in Teilzeit als stellvertretender Hafenmeister, und niemand kannte die Gewässer rund um Porthmellow besser als er. Außer, dachte Sam mit verstohlenem Lächeln, der Mann, der jetzt gerade auf sie zusteuerte. Drew Yelland war ein paar Jahre älter als sie selbst und hatte sonnengebräunte Haut und strohblondes Haar. An seinem Ohr glitzerte ein Goldring.

»Hallo. Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme.« Drew begrüßte Sam mit einem Kuss auf die Wange und Troy mit freundlichem Nicken. »Wir sind erst spät zurückgesegelt. Hatte ’ne Gruppe Banker, die ihren Hintern nicht von ihrem Ellbogen unterscheiden konnten. Die Rezession schien denen keine Sorgen zu machen, die saufen bestimmt weiter ihr Craft Beer. Apropos … eure Gläser sehen leer aus. Ich brauch dringend einen Drink. Noch jemand?«

Troy grinste und rieb sich erfreut die Hände. »Hätte nix dagegen einzuwenden.«

»Ich helf dir tragen«, sagte Sam zu Drew und stellte die leeren Gläser auf ein Tablett. Sie wollte den Wirt entlasten, der wegen des Gästemangels gezwungen gewesen war, Personal zu entlassen. Und so konnte sie ungestört mit Drew reden.

»Wie läuft’s auf der Marisco?«, fragte sie, während Frank das Bier zapfte. Drew hatte ein altes Segelboot, mit dem er Törns für Touristen, aber auch für Jugendliche aus sozial schwierigen Verhältnissen unternahm.

»Könnte besser sein.« Drew reichte Frank einen Zwanzig-Pfund-Schein. »Seit dem Börsencrash sind die Buchungen drastisch zurückgegangen, und im Winter sieht’s ja ohnehin mau aus. Wir sind jetzt von Sponsoren und Spenden abhängig, um die Segeltrips für die Kinder zu finanzieren. Die Geschäftskunden streichen die Teambuilding-Ausflüge, und für Otto Normalverbraucher ist so ein Luxus wie Segeln lernen gar nicht mehr drin. Heißt im Klartext, dass wir uns die Törns mit den Kids nicht mehr leisten können. Dabei sind die Segeltouren echt Balsam für ihr Selbstvertrauen und ihre Geschicklichkeit.«

»Das tut mir total leid, Drew«, sagte Sam betroffen. »Ich weiß, wie wichtig dir das ist.«

»Tja. Was soll man machen. Und bei dir so?«

»Könnte auch besser sein. Essen müssen die Leute zwar zum Glück immer, aber Einbußen hab ich trotzdem. Hätte ich in die Zukunft schauen können, wär ich dieses Wagnis gar nicht eingegangen. Mein Job in der Landbäckerei war ja gut.«

»Aber würden wir überhaupt irgendetwas wagen, wenn wir in die Zukunft schauen könnten?«, wandte Drew ein und nahm das Tablett mit den Gläsern in Empfang.

Sam schüttelte den Kopf. »Ich bin froh, dass ich nicht ahnen konnte, was mit Mum und Ryan passieren würde.« Und mit Gabe, hätte sie fast noch hinzugefügt, wollte aber seinen Namen nicht aussprechen. Das tat noch immer viel zu sehr weh. Wenn du erleben musst, wie dein eigener Bruder von deiner großen Liebe an die Polizei verpfiffen wird und in den Knast wandert, während der Geliebte das Weite sucht … so was hinterlässt Spuren.

»Du hattest echt stressige Jahre, aber lass den Kopf nicht hängen. Stargazey wird bestimmt Erfolg haben. Wir müssen nur irgendwie den Sturm überstehen. Dass er kommt, können wir eben nicht verhindern.« Drew grinste. »Und das wird dir jeder sagen, der in Porthmellow geboren und aufgewachsen ist.«

Sam nickte und hielt ihm die Tür auf. Die Brassband schmetterte, was das Zeug hielt, und die Sonne glitzerte so grell auf dem Wasser, dass Sam nach dem Schummerlicht des Pubs geblendet blinzelte.

Sie blickte zu dem Fish-and-Chips-Laden hinüber, an dem ein »Zu vermieten«-Schild hing. In diesem Imbiss hatten Gabe und seine Eltern gearbeitet und im Obergeschoss gelebt, bis Sam und er sich getrennt hatten. Gabes Eltern waren in den Ruhestand gegangen und aufs Land gezogen, und seither stand der Imbiss leer.

Die Eisdiele neben dem Imbiss blieb geschlossen bis zum kommenden Frühjahr. Daneben befand sich Bryony Cronks Hundesalon, doch die beiden anderen Geschäfte in der Häuserzeile standen ebenfalls leer. Obwohl Porthmellow ein wenig verlassen wirkte, fühlte Sam sich in ihrem Fischerdörfchen pudelwohl. Sie liebte den Hafen und den malerischen Glockenturm, die strahlenden Sonnentage ebenso wie die wilden Winterstürme. Drew hatte recht: Niemand konnte das Klima vorhersagen, ökonomisch oder anderweitig. Und die Touristen konnte man nun mal nicht davon abhalten, sich andere Reiseziele zu suchen.

Inzwischen war Troys Frau Evie aufgetaucht. Da sie seit einiger Zeit an Arthrose litt, bewegte sie sich schwerfällig. Es war ein steiler Abstieg von der Stippy Stappy Lane, wo die Carmans in einem Reihenhaus wohnten, nicht weit entfernt vom Wavecrest Cottage, in dem Sam jetzt nur noch mit ihrer Schwester Zennor lebte, seit Ryan vor einem Jahr verschwunden war.

Drew bestellte Evie einen Gin Tonic, dann schauten wieder alle den Teenagern beim Hafensprung zu.

»Ist das da Zennor?«, fragte Evie und deutete auf ein großes schlankes Mädchen mit langen schwarzen Haaren, das auf der drei Meter hohen Kaimauer stand. »Hab meine Fernbrille nicht auf.«

»Ja, das ist sie«, antwortete Sam und zuckte unwillkürlich zusammen, als ihre Schwester mit lautem Platschen im Wasser landete. Dann tauchte sie mit Triumphgeheul wieder auf, und Sam seufzte erleichtert.

Zennor war genauso tollkühn wie ihr Bruder Ryan früher. Und auch Gabe war oft von der Hafenmauer gesprungen. Sie sah ihn noch vor sich, als schlanken Jungen in Shorts, wie er damals aus dem Wasser stieg und auf die Mauer kletterte, die olivfarbene Haut in der Sonne glänzend. Die anderen jubelten oder spornten ihn an, aber Gabe ließ sich nie beeinflussen. Die Meinung anderer war ihm damals schon einerlei – nur die von Sam nicht.

Sie hatte immer daneben gestanden und versucht, ruhig zu wirken, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. Wenn er nun mit dem Kopf auf einen Stein oder irgendwelchen Schrott im Hafenbecken prallte? Einmal blieb er viel länger als üblich unter Wasser, und Sam schrie vor Angst, worauf alle sie anstarrten. Dann kam Gabe plötzlich weit entfernt bei einem Boot in Sicht. Sie war damals bereit gewesen, selbst in den Hafen zu springen, alles zu riskieren, um ihn zu retten.

Diese Zeiten waren vorbei.

Sam war erst einundzwanzig, trug aber viel zu viel Verantwortung, um sich solchen Leichtsinn zu erlauben.

Ein schriller Schrei riss sie aus ihren Gedanken, gefolgt von lautem Gelächter.

Troy schnalzte mit der Zunge. »Verdammt gefährlich, dieser Quatsch. Der Hafenmeister würd’s gern verbieten, aber das wär ohnehin sinnlos. Die Kinder würden’s ja trotzdem machen.«

»Zennor ist kein Kind mehr«, sagte Sam. »Aber ich kann sie auch nicht davon abhalten. Man könnte allerdings meinen, dass sie inzwischen aus solchem Unfug rausgewachsen wäre.«

»Sie will doch nur ein bisschen Spaß haben«, warf Evie ein. »Wenn mir die Knie nicht so wehtäten, würd ich selbst noch mitmachen. Wie alt ist Zennor jetzt? Fünfzehn?«

»Gerade geworden«, antwortete Sam.

»Sobald Jungs auftauchen, hört sie schon von selbst auf«, warf Drew ein.

»Ist schon so weit. Da drüben steht Ben Blazey«, sagte Sam, als sie den schlaksigen Jungen entdeckte.

Evie lachte. »Den verspeist Zennor doch zum Frühstück. Der Bursche traut sich gar nix.«

»Macht aber mit seinem Motorroller jede Menge Krach«, brummte Troy. »Keine Ahnung, wie der es schafft, überhaupt lebendig von Mousehole bis hierher zu kommen.«

Drew schmunzelte, und Sam musste sich das Lachen verkneifen.

Evie erhob den Zeigefinger. »Danke, dass du meinem Gedächtnis auf die Sprünge geholfen hast, Troy.« Sie kramte etwas aus ihrer großen Einkaufstasche hervor. »Habt ihr das hier schon gesehen?«

»Was ist das?«

»Hab ich in der Stadt mitgenommen, als ich beim Computerkurs war«, antwortete Evie und legte einen zerknitterten Flyer auf den Tisch. »Hat jemand Lust, da hinzugehen?«

Sam studierte den Flyer. »Herbstfest in Mousehole am Kai. Folkbands. Spanferkel. Streetfood-Festival. Kochshows. Cider-Zelt. Klingt gut, ja.«

»Stimmt, hab ich auch schon von gehört«, sagte Drew zu Sam. »Möchtest du mit mir und Katya hinfahren? Connor können wir auch mitnehmen.« Katya war Drews Frau, Connor der kleine Sohn der beiden.

Sam wäre gerne zu dem Fest gegangen, vermutete aber, dass Drew sie nur aus Höflichkeit fragte. Er gehörte zu den Menschen, die sich nach dem Tod von Sams Mutter um ihre Familie gekümmert hatten. Drew war ein Freund für Sam, aber auch ein bisschen Bruderersatz.

»Weiß nicht. Am Samstag ist das? Da müsste ich eigentlich arbeiten …« Sam buk ihre typisch kornischen Pies, halbmondförmige Teigtaschen mit unterschiedlichen Füllungen, in einem kleinen Raum in einer Seitengasse und verkaufte sie direkt von dort aus oder bei Veranstaltungen an einem Stand. Sie hätte gar zu gerne einen Verkaufswagen gehabt, konnte sich das aber noch nicht leisten. Sechs Tage die Woche buk sie jeden Morgen, verkaufte auf Märkten in der Umgebung und freitagabends am Hafen von Porthmellow. Das Geld für einen gebrauchten Stand und einen kleinen Ofen zum Wärmen der Pies hatte sie mit Mühe und Not zusammengekratzt, und jetzt träumte sie von einem kleinen Streetfood-Truck. Aber vorerst musste sie zusehen, dass sie überhaupt genug einnahm, um die Miete für die Küche zu bezahlen. Für Extras blieb kaum etwas übrig.

»Wir könnten doch nachmittags fahren«, erwiderte Drew. »Machst du samstags nicht um zwölf zu?«

»Du musst dir auch mal was gönnen«, stimmte Evie ein.

Bevor Sam sich weitere Ausreden einfallen lassen konnte, kam Zennor angesprintet, barfuß, tropfnass und rot im Gesicht vor Aufregung. »Hallo, Leute! Macht einer von euch mit? Troy? Du sollst ja früher beim Hafenspringen der Hammer gewesen sein, hab ich gehört.«

Troy legte die Hand auf sein Glas. »Tropf nicht in mein Bier, Mädel. Ist schon wässrig genug.«

»Wir haben gerade darüber geredet, ob wir zum Herbstfest in Mousehole gehen«, sagte Sam, noch immer unsicher, ob sie Drews Angebot annehmen sollte. Sie vermutete, dass Katya keinen gesteigerten Wert darauf legte, kostbare Familienzeit mit einer anderen Frau zu teilen.

»Hab den Flyer gesehen. Bands klingen scheiße«, verkündete Zennor und schüttelte so heftig den Kopf, dass der Flyer nass wurde und die Druckerfarbe verwischte.

»Hey!«, knurrte Troy.

Sam sah ihre Schwester scharf an. »Zen.«

»Was denn? Das Wasser oder dass ich Schei…«

»Beides. Du solltest dich jetzt auch anziehen, es wird kühl.«

Zennor zuckte die Achseln. »Ich frier aber nicht.«

Sam verkniff sich nur mit Mühe weitere Anweisungen. Sie musste sich immer wieder vor Augen halten, dass sie nicht Zennors Mum, sondern ihre Schwester war, auch wenn sie die Mutterrolle mit neunzehn hatte übernehmen müssen.

»Also, wer hat denn nun Lust mitzukommen?«, fragte Drew erneut. »Die Einladung steht.«

Evie klatschte in die Hände. »Lasst uns doch alle zusammen fahren! Wir könnten uns ein Taxi teilen, dann kann jeder nach Lust und Laune feiern. Die Cyder Farm sponsort das Fest nämlich.«

Sam wäre Evie am liebsten um den Hals gefallen. Sie hatte vermutlich gespürt, dass Sam sich in einer Gruppe wohler fühlen würde, selbst wenn zwei Rentner mit von der Partie waren.

»Klingt schon besser«, bemerkte Zennor. »Wenn’s Cider gibt, bin ich dabei.«

»Du bist doch noch keine achtzehn, Mädchen«, gab Troy zu bedenken.

»Ein kleines Glas wird ihr nicht schaden«, widersprach Evie. »Außerdem können wir alle auf sie aufpassen.«

Zennor kicherte. »Kann Ben auch mitkommen? Er hat gerade eine scheiß… ’tschuldigung, eine echt blöde Zeit.« Sie warf ihrer Schwester einen hastigen Blick zu.

»Aber sicher«, sagte Drew. »Soll ich schon mal das Großraumtaxi buchen?«

Während die anderen aufgeregt durcheinanderredeten, griff Sam zu dem Flyer und hielt ihn gegen das Licht. Die Abendsonne schien durch das feuchte Papier, auf dem die Worte verschwammen: Bands, Streetfood-Festival, Kochshows …

Ihre Mutter hatte Feste, Musik und Tanz geliebt. Den Shantychor hatte Roz Lovell ebenso gern gehört wie die Brassband, und am schönsten fand sie immer, wenn am Ende alle einstimmten und mit Inbrunst die kornische Hymne »Trelawny« schmetterten. Sie genoss es in vollen Zügen, an einem heißen Sommerabend inmitten von Menschenmengen auf der Straße unterwegs zu sein, mit Ryan und den Mädchen beim Flora Dance in Helston oder beim Obby-Oss-Umzug in Padstow. Roz hatte die Kinder alleine großgezogen, der Vater hatte die Familie verlassen, als Sam noch klein gewesen war. Sam sah plötzlich ihre Mutter vor sich, wie sie bei Sonnenuntergang am Kai tanzte, einen Blütenkranz im Haar, die Töchter an den Händen haltend … Bei der Erinnerung an solche unbeschwerten Zeiten tat Sam regelrecht das Herz weh, und sie spürte eine schmerzhafte Sehnsucht danach, Porthmellow wieder so zu erleben, die Straßen voller Menschen, Musik, Lachen und Freude …

»Sam?« Evie legte ihr die Hand auf den Arm. »Alles in Ordnung? Du kommst doch mit?«

Sam zwang sich zu einem Lächeln. »Ja … ja. Na klar. Lasst uns zusammen dahinfahren. Aber … ich hab da noch eine Idee.«

»Was denn, Liebes?«, fragte Evie sanft.

Alle blickten Sam erwartungsvoll an, und bevor sie kneifen konnte, sprach sie die Gedanken aus, die sich in ihrem Kopf überschlugen.

»Das mag sich völlig verrückt anhören … aber wir könnten doch eigentlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zu dem Fest gehen und dabei gleichzeitig darauf achten, wie das alles gestaltet ist. Ich meine, schaut euch doch mal um. Es geht rapide bergab mit Porthmellow, und das zu einer Zeit, wo die Leute hier dringend Unterstützung bräuchten. Wir müssen mehr Touristen herlocken und dafür sorgen, dass dieser Ort wieder wahrgenommen wird. Ihn mit irgendetwas berühmt machen.«

»Haha«, tönte Zennor. »Womit willst du denn unser Dorf berühmt machen? Porthmellow ist nur ein kornisches Küstenkaff wie jedes andere, mit nervigen Möwen, schrulligen Einheimischen und Mistwetter.«

Sam musste grinsen. »Das stimmt doch gar nicht. Wir sind einzigartig. Porthmellow hat Charakter, kauzige Originale und dramatisches Wetter, das Schlagzeilen macht. Wir könnten genauso berühmt werden wie Padstow, Mousehole oder St Ives. Warum denn nicht?«

Drew stellte sein Bier ab. »Guter Gedanke, aber wie sollen wir das anstellen?«

»Indem wir auch ein besonderes Fest veranstalten.«

Drew und Evie machten große Augen, Zennor schnaubte, und Troy prustete. »Und wer soll das organisieren? Hört sich nach jeder Menge Arbeit und Unruhe an, Mädchen.«

Er hatte natürlich recht, aber es war zu spät. Die Idee hatte in Sams Kopf Wurzeln geschlagen und legte so schnell an Kraft und Tempo zu wie eine mächtige Welle. Sam konnte nicht von dem Gedanken ablassen, dass ihre Mutter sich mit Begeisterung in die Organisation gestürzt hätte. Als die Band jetzt »Trelawny« anstimmte, sah Sam vor ihrem inneren Auge, wie ihre Mutter strahlend am Kai tanzte.

Aber Evie hatte auch recht, und Roz hätte ihr auf jeden Fall beigepflichtet. Sam arbeitete wahrhaftig zu viel. Obwohl sie noch so jung war, trug sie förmlich die Welt auf ihren Schultern. Eine eigene Firma, eine jüngere Schwester, der sie bald ein Studium finanzieren musste, ein Bruder, der inzwischen zwar aus der Haft entlassen war, aber verschwunden blieb. Ein Festival zu organisieren würde viel Arbeit sein, aber auch Spaß machen. Und es konnte sowohl ein würdiges Andenken für ihre Mutter werden, als auch die Stadt attraktiver und Sams Leben spannender machen.

»Wir werden das auf die Beine stellen«, verkündete sie wild entschlossen. »Wir alle zusammen. Und es wird ein Riesenerfolg werden.« Sam warf Drew einen Blick zu. »Stürme hin oder her, wir müssen etwas für Porthmellow tun.«