Das realistische Zeichnen und Malen ist reines Handwerk, und jeder Mensch kann das in wenigen Jahren erlernen. Es ist schlichtweg reine Übung, wie gut es gelingt, eine exakte Abbildung eines Motivs zu erstellen. Es gibt Regeln, Techniken und Formeln, die jeden Schritt vorgeben und dich leiten.
Ein Laie würde wahrscheinlich eine aufwendige realistische Zeichnung für weitaus anspruchsvoller halten als eine abstrakte Darstellung. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall – das Abstrahieren gehört zu den schwierigsten Formen der Kunst.
Die Schwierigkeit liegt darin, zu verstehen, wie der oder die Betrachter*in das Bild erkennt. Deshalb ist es wichtig, die Kernelemente zu übernehmen und vereinfacht darzustellen. Welche Dinge braucht es, damit man ein Gebäude oder Auto erkennen kann? Wenn man mal genau überlegt, dann reichen wenige Formen aus. Und genau darum geht es – mit wenigen Strichen MEHR darstellen.
Das Besondere bei einer Abstraktion ist, dass es dem*r Betrachter*in Raum gibt, die eigene Wirklichkeit mit einzubringen. Es kann bei jedem*r unterschiedliche und individuelle Gedanken und Gefühle auslösen und uns daher ganz anders fesseln, als es bei einer naturalistische Darstellung möglich wäre.
Um dir den Einstieg ins Abstrahieren zu erleichtern, habe ich dir hier einige Tipps und Tricks zusammengestellt.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir das Abstrahieren am leichtesten fällt, wenn ich ein Medium oder Tools verwende, die sich in meinem Alltag nicht oft wiederfinden. Um mich komplett frei zu machen und Abstand zu meiner täglichen Arbeit als Illustratorin zu gewinnen, nutze ich am liebsten große Papierformate und Pinsel. Alte, große Borstenpinsel oder Tinte aus dem Fass helfen mir dabei, loszulassen. Außerdem lässt der große Pinsel nur das Wesentliche zu, denn kleine Details kann ich damit gar nicht malen.
Was du beim abstrakten Malen in jedem Fall verhindern solltest: den Pinsel zu fest halten. Für eine lockere Illustration brauchst du auch ein lockeres Handgelenk. Ich halte den Pinsel oder Stift daher immer weit hinten am Stiel und ganz ohne Druck und nicht wie beim Schreiben fest zwischen den Fingern.
Alternativ kannst du auch mal versuchen, mit der ungewohnten Hand zu malen. Wenn ich mit der linken Hand male, habe ich so gut wie gar keine Kontrolle mehr über den Stift. So entstehen oft sehr spannende Zeichnungen, die mich noch mehr dazu ermutigen, den Perfektionismus hintanzustellen.
Den Pinsel locker zwischen den Fingern halten.
Oft verzetteln wir uns in Details oder denken zu sehr nach, während wir malen. Wenn du allerdings nur wenige Sekunden Zeit hast, um ein Objekt zu malen, fällst du automatisch aus deiner gewohnten Routine. Eine gute Übung ist daher, ein simples Motiv immer und immer wieder in 10 Sekunden zu sketchen.
Viele Motive lassen sich oft viel stärker vereinfachen, als wir denken. Doch um den höchsten Abstraktionsgrad zu erreichen, braucht es manchmal einige Schritte. Eine gute Übung dafür ist, ein Objekt in mehreren Stufen immer weiter herunterzubrechen. Du beginnst mit der ersten Zeichnung, die noch ausführlich ist, und verzichtest bei jeder weiteren auf mehr Details.