Als sich die Tür öffnete und Jack Wilde auf der anderen Seite erschien, hatte mein Herz einen lustigen kleinen Tanz der Verwirrung vollführt. Zuerst konnte ich nicht umhin, daran zu denken, wie unglaublich unangebracht es wäre, mich auf einen Kuschelabend mit einem Studenten einzulassen, aber dann erinnerte ich mich wieder daran, dass er nicht mehr einer meiner Studenten war.
Ich hatte bereits alle meine Noten für die Doktoranden abgegeben. Die einzigen Noten, die noch ausstanden, waren die für ein paar Studenten in ihrem nicht sehr anspruchsvollen Grundstudium.
Nachdem ich mich erfolgreich davon überzeugt hatte, dass eine unmoralische soziale Abhängigkeitsbeziehung hier nicht mehr besteht, wurde mir unbeschreiblich schwindlig.
Ich würde Jack Wilde die ganze Nacht lang in meinen Armen halten können.
Wenn er mich lassen würde.
Das war zu schön, um wahr zu sein. Ich hatte mich bereits drei Tage vor Semesterbeginn in diesen bestimmten Studenten total verknallt, als ich ihn beim Joggen auf dem Laufband im Fitnessstudio gesehen hatte, während er versuchte, einen schlimmen Anfall von Kichern über irgendetwas auf seinem Handy zu unterdrücken.
Es war ihm nicht gelungen.
Ich hatte beobachtet, wie er prustend vor Lachen fast vom Gerät stolperte. Jedes Mal, wenn er es fast geschafft hatte, sich zu beherrschen, schaute er wieder auf das Handy und fing erneut an zu lachen.
Er war magnetisch. Ich konnte meine Augen nicht von ihm lassen. Selbst jetzt wollte ich jede Facette seines schönen Gesichts in mich aufsaugen.
Aber er hatte Panik. Und ich konnte es ihm noch nicht einmal verdenken.
Ich hatte das ganze Semester über Angst gehabt, ihn zu bevorzugen, beim Anstarren erwischt zu werden oder schlimmer noch, vor der ganzen Klasse einen Steifen zu bekommen, weil er einfach so sexy war.
Seine Augen waren leuchtend blaugrün, und sein sandbraunes Haar war leicht verwuschelt und sah immer unordentlich aus, als wäre er nach einer durchzechten Nacht gerade erst aus dem Bett gekrochen. Er lächelte viel, machte sich schnell neue Freunde und konnte beruhigend auf andere einwirken.
Er war das heilige Dreigestirn aus lustig, süß und klug.
Ich wollte ihn mehr, als ich jemals jemanden zuvor gewollt hatte, einschließlich der Stars, für die ich als Teenager geschwärmt hatte.
Aber Jack Wilde war tabu.
Oder er war es gewesen. Jetzt hasste er mich einfach nur noch.
Ich hatte alles Erdenkliche getan, um ihm aus dem Weg zu gehen. Es war weder professionell noch elegant gewesen. Ich hatte den Blickkontakt zu ihm im Seminar vermieden. Ich hatte mich geweigert, ihn aufzurufen, weil ich befürchtete, dass ich ihn bevorzugen würde. Und ich hatte diese beschissene Empfehlung geschrieben, die ihn seinen Traum der Teilnahme an der Raintree-Expedition gekostet hatte.
Kein Wunder, dass er allein schon bei meinem Anblick einen Panikanfall bekam.
Ich setzte mich neben ihn aufs Bett, legte meinen Arm um ihn und drückte ihn an meine Brust. Wie sollte ich ihm das alles nur erklären? Wie sollte ich mich auch nur ansatzweise dafür entschuldigen?
Seine Stimme klang zunächst gedämpft, bis ich merkte, dass ich ihn zu fest umarmt hielt. „Was?“, fragte ich.
„Ich habe versucht, mich auf den Tennisschläger zu konzentrieren.“
„Es tut mir leid“, entgegnete ich und meinte es aufrichtiger als alles, was ich je zu einem anderen Menschen gesagt hatte. „Ich ... ich muss dir etwas erklären.“
Jacks Atmung verlangsamte sich endlich, und die Tatsache, dass er einen vollständigen Satz sagen konnte, war ein sehr gutes Zeichen.
„Es ist schon in Ordnung“, behauptete er. „Ich fühle mich schon besser.“
Er versuchte, sich aus meiner Umarmung zu befreien, aber ich drückte meine Arme einfach fester zusammen, ohne richtig darüber nachzudenken. „Nicht.“
Jack hob sein Gesicht zu mir. Seine Augen waren rot umrandet, aber immer noch leuchtend und schön. Die Spitze seiner Nase war rosa, weil sie gegen mein Hemd gepresst war. „Mir geht es gut“, wiederholte er erneut. Als ob das der einzige Grund wäre, warum ich ihn derart festhielt.
„Mir nicht“, gab ich leise zu.
Jack musterte mich eine Minute lang, bevor er sich wieder an meine Brust schmiegte und die Umarmung erwiderte. Wir verharrten lange Zeit einfach so und hielten uns gegenseitig fest, ohne ein Wort der Erklärung oder des Verstehens.
Außer ... außer, dass ich es doch verstand. Ich verstand, warum er das hier brauchte. Warum er ausgerechnet heute Trost brauchte.
Einer seiner Professoren hatte ihm regelrecht ein Messer in den Rücken gestoßen, indem er ihm einen Platz an genau der Forschungsexpedition verweigerte, den er sich so verzweifelt gewünscht hatte.
Ich löste mich von ihm und ging wieder vor ihm in die Hocke, damit ich sein Gesicht sehen konnte. Er sah überrascht und verwirrt aus, sagte aber nichts. Ich fragte mich, ob er verängstigt, verletzt oder wütend war.
Ohne nachzudenken, nahm ich seine beiden Hände in meine, was seinen Schock wieder zu verstärken schien. Seine Augen waren fast schon komisch groß.
„Ich muss dir etwas sagen“, fing ich an und biss mit den Zähnen auf meine Lippe. „Und ich konnte es dir bisher nicht sagen, weil ich dein Professor war und die Universität sich sehr bemüht hat, es geheim zu halten.“
Jack blinzelte, seine tintenschwarzen Wimpern waren noch feucht von den Tränen. „Was ... was ist es?“
„Es geht um deine Bewerbung“, begann ich.
Jacks Nasenlöcher weiteten sich und seine Lippen schürzten sich. „Oh.“
„Nein, warte“, ergänzte ich schnell und versuchte gleichzeitig zu denken. Spuck es einfach aus, Arschloch. „Es ist nicht so, wie du glaubst.“
„Wirklich? Denn ich glaube, Sie haben mich verarscht, indem Sie meine Bewerbung absichtlich sabotiert haben.“
Er konnte die Wahrheit in meinem Gesicht sehen, denn er riss seine Hände von meinen weg.
„Jack“, flehte ich. „Das habe ich. Aber lass es mich erklären.“
Er schubste mich, sodass ich über die Fersen zurückkippte und mit dem Hintern auf dem Boden aufschlug. Offensichtlich wollte er von mir weg. Anstatt ihm zum großen Fenster zu folgen, stand ich auf, lehnte mich an die Kommode und wartete.
„Gehen Sie schon“, sagte er nach einer Minute. Er drehte sich nicht zu mir um. Stattdessen schaute er aus dem Fenster, als ob die Skyline von Houston etwas Interessantes zu bieten hätte.
„Raintree ist in einen Betrug um Forschungsgelder involviert.“
Er drehte sich zu mir um. Sein Gesichtsausdruck war grimmig und trotzig. „Was? Niemals.“
Ich ballte meine Hände zu Fäusten, um nicht wieder zu ihm hinüberzugehen und ihn zu umarmen. Ich wollte ihn so verdammt gerne berühren. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, ihm die Erklärung zu geben, die er verdiente.
„Es ist wahr. Dr. Raintree hat den Großteil der Fördergelder in seine eigene Tasche gesteckt. Er bittet seine Studenten, ihm bei der Beantragung von Forschungsgeldern zu helfen, er erhält das Geld, und dann führt er die Forschung nur halbherzig durch und steckt den größten Teil des Geldes ein. In den letzten fünf Jahren wurden zwei Expeditionen wegen schlechten Wetters abgesagt, und das Geld wurde weder zurückerstattet noch für andere Forschungsprojekte verwendet.“
Jack starrte mich ungläubig an, während sein Gehirn verarbeitete, was ich da gerade gesagt hatte. Er war ein kluger Student. Ich wusste, dass er seine Nachforschungen über die Raintree-Expeditionen angestellt hatte und über die abgesagten Reisen Bescheid wusste.
„Woher wissen Sie davon?“, fragte er.
Ich seufzte und ließ mein Kinn auf meine Brust fallen. „Ich habe sein Treiben in den letzten vier Jahren beobachtet. Schließlich konnte ich es nicht mehr länger ertragen und habe dem Dekan davon berichtet. Wenn ... nein, sobald es sich herumspricht, wird es uns alle in ein schlechtes Licht rücken. Die Universität wollte Zeit gewinnen, um die Folgen abzumildern.“
„Sie haben ihn angezeigt?“, fragte er.
Ich nickte zaghaft. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob er mich für einen schrecklichen Menschen hielt, weil ich einen Kollegen verpfiffen hatte, oder für einen anständigen, weil ich versuchte, die Studenten und die anderen Forschungsprogramme zu schützen.
Er strich sich mit den Fingern durch die Haare und zog an den Spitzen. Ich merkte, dass er Zeit brauchte, um die Informationen zu verarbeiten. „Also ... was bedeutet das für die Fakultät? Wird Dr. Raintree gehen? Und was ist mit den Studenten, die mit ihm mitten in Forschungsprojekten stecken?“
„Ich weiß es nicht. Das muss der Dekan entscheiden.“
Meine Finger juckten danach, ihn endlich zu berühren. Jetzt, wo ich hier war, jetzt, wo ich wusste, dass er Berührungen wollte – nein, brauchte –, konnte ich nicht aufhören, mir meine Hände auf ihm vorzustellen.
„Komm her“, forderte ich ihn auf.
Jacks Augen weiteten sich. „W-warum?“
„Ich möchte dich halten.“
Mein Herz klopfte wie wild, obwohl ich mich bemühte, eine ruhige, kontrollierte Haltung einzunehmen.
„Warum?“, fragte er mit etwas höherer Stimme.
Anstatt ihm zu antworten, warf ich ihm einen Blick zu, der hoffentlich all die Sehnsucht und Frustration enthielt, die ich ein ganzes Semester lang unterdrückt hatte.
Jacks Brust hob und senkte sich, bevor er flüsterte: „Das können Sie nicht ernst meinen.“
„Doch. Ich wollte heute Abend jemanden umarmen. Es war eine höllische Woche. Ein höllisches Semester . Meine Kollegen kehrten mir den Rücken zu, als sie erfuhren, was ich getan hatte. Ich musste mir einen anderen Job suchen. Ich fühlte mich so isoliert und allein, dass ich bereit war, mich von einem Fremden trösten zu lassen. Aber jetzt, wo ich weiß, dass du derjenige warst, der diese Annonce geschrieben hat, will ich das noch mehr.“
Emotionen blitzten in seinen Augen auf. Überraschung, und wenn ich mich nicht täuschte, Leidenschaft. Mir wurde eng in meiner Brust.
„Bitte“, fügte ich noch leise hinzu.