Das war alles zu schön, um wahr zu sein.
Ich bewegte mich langsam auf ihn zu und wartete darauf, dass er lachen und zugeben würde, dass das alles nur eine Art von Verarsche war. Aber dann sah ich die Ehrlichkeit in seinen Augen. Sein Brustkorb hob und senkte sich und verriet, dass er vielleicht doch nicht ganz so ruhig und gefasst war, wie es den Anschein hatte.
„Ist so etwas nicht ein Tabu zwischen Professor und Student?“, fragte ich schwach.
„Ich habe deine Note bereits abgegeben. Ich bin auch nicht mehr dein Professor.“
Es stimmte. Ich hatte meine Noten eingesehen, bevor ich ins Hotel fuhr, und war nicht wirklich überrascht gewesen, wie gut ich in Evolutionsbiologie abgeschnitten hatte. Dr. Henry, der mich das ganze Semester über hart rangenommen hatte, hatte es geschafft, mich gründlich auf die Abschlussprüfung vorzubereiten.
Ich hatte sie mit Bravour gemeistert.
Und jetzt wollte mein knallharter Professor mir näher kommen ... für eine Umarmung? Was passierte hier bloß gerade?
„Ich dachte, Sie hassen mich“, platzte ich heraus.
Seine Augen verdunkelten sich, was meine Haut zum Kribbeln brachte. „Das ist das genaue Gegenteil von dem, was ich für dich empfinde, Jack.“
Als er meinen Namen laut aussprach, vollführte mein Magen Purzelbäume und ließ mich schwindlig werden. Es war schon ganz erstaunlich, wie viel Sehnsucht und Verlangen er in nur diese einzige Silbe packen konnte.
„W-warum?“ Ich hasste es, wie unsicher und verletzlich ich in diesem Moment klang, aber ich fühlte mich in der Tat sehr unsicher und verletzlich. Ich war noch nie gut darin gewesen, meine wahren Gefühle zu verbergen.
Professor Henry seufzte und sah auf seine Hände hinunter, die er in seinem Schoß gefaltet hielt. „Weil du schön und klug bist. Du bist lustig und warmherzig.“ Er sah zu mir auf. „Du bist genau die Art von Mann, von dem ich immer geträumt habe.“
Meine Atmung beschleunigte sich wieder, sodass ich mich fragte, ob ich gleich eine weitere Panikattacke bekommen würde. „Sie wollen mich jetzt verarschen“, entgegnete ich und blieb stehen, bevor ich ihm zu nahe kam.
„Sieht es für dich hier so aus, als würde ich dich verarschen wollen?“ Seine Augen blieben mit einer Intensität auf die meinen gerichtet, was mein ganzes Sichtfeld einnahm, und ich musste den Kopf schütteln.
„Ich will dich nicht unter Druck setzen oder irgendetwas tun, was du nicht willst. Also sag mir ... willst du, dass ich wieder gehe?“
Nein. Definitiv nicht. Nein. Nein, bitte.
„Ich weiß es nicht“, antwortete ich zähneknirschend.
Sein Körper blieb entspannt, aber sein Gesichtsausdruck war es nicht. Es war fast so, als ob er wollte, dass ich ihm zuhöre, dass ich ihn verstehe.
„Du bist mir schon vor Semesterbeginn aufgefallen“, erzählte er und überraschte mich mit seinem Geständnis. „Du warst auf dem Laufband und hast über irgendetwas auf deinem Handy laut gelacht. Ich konnte nicht aufhören, dich anzustarren.“
Mein Herz klopfte wie wild in meinem Hals. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, also blieb ich besser still.
„Du warst so verdammt sexy. Du hast vom Laufen geschwitzt und hattest diese kleinen Laufshorts an, die deine langen, muskulösen Beine und deinen knackigen Hintern betonten. Ich hätte fast einen Steifen bekommen, genau dort im Fitnessstudio bei den Studenten.“
Ich hoffte bei Gott, dass mein Atem nicht so unregelmäßig klang, wie er sich anfühlte.
Er fuhr fort. „Aber es war dein Lachen, was mich wirklich beeindruckt hat. Du konntest nicht aufhören. Und deine Freude erhellte den Raum um dich herum. Jedem, der es hörte, zauberte es ein Lächeln auf das Gesicht. Als ich an diesem Abend nach Hause ging, beschloss ich, wenn ich dich wiedersehen würde, dich zu fragen, ob du mal einen Nachmittag mit mir verbringen würdest ... oder einen Abend ... oder, verdammt, für immer, wenn ich dich noch einmal dort getroffen hätte. Aber du bist nie wieder in das Fitnessstudio zurückgekommen.“
„Ich bin über einen dieser Elektroroller gestolpert, die überall auf dem Campus herumstehen“, flüsterte ich. „Hatte mir den Knöchel verstaucht.“
„Als ich dich ein paar Tage später in mein Seminar kommen sah, ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Da warst du wieder, endlich , nur ...“
„Nur, dass ich jetzt Ihr Student war“, beendete ich für ihn.
Er nickte. „Und ich war dein Professor.“
Die Puzzlestücke fügten sich zusammen. Dass er mir aus dem Weg ging, dass er mir nicht in die Augen schaute, dass er auf meine Fragen nur knapp antwortete. Es ergab jetzt alles Sinn, oder ... es hätte Sinn ergeben, wenn er nicht in einer anderen Liga als ich spielen würde.
„Scheiße . Aber das war echt nicht fair“, beschwerte ich mich und spürte, wie Wut in mir hochkochte. „Sie hätten etwas sagen sollen. Ich dachte, Sie hassen mich. Ich dachte, ich könnte nichts richtig machen. Ich dachte ... ich dachte, ich wäre nicht für diesen Studiengang geschaffen!“
Professor Henry richtete sich auf, packte mich an den Schultern und beugte sich zu mir herunter, um mir in die Augen zu sehen. „Das bist du aber “, knirschte er mit zusammengepressten Zähnen heraus. „Du bist einer der klügsten Studenten deines gesamten Studiengangs, und wenn ich dich auch nur eine Sekunde lang daran zweifeln ließ, tut mir das noch mehr leid, als ich überhaupt mit Worten ausdrücken kann.“
Als ich hörte, wie er sich entschuldigte, fiel eine schwere Last von mir ab, von der ich gar nicht wusste, dass ich sie mit mir herumgetragen hatte. Ich respektierte ihn als Professor, und diese Anerkennung von ihm hatte für mich Gewicht. Wenn er daran glaubte, dass ich etwas zur Erforschung der Evolutionsbiologie beitragen konnte, dann konnte ich vielleicht aufhören, ständig an mir zu zweifeln.
Vielleicht könnte ich auch aufhören, immer noch auf die Meinung meiner Eltern zu hören.
„Professor ...“
„Ich bin nicht mehr dein Professor“, knurrte er. „Nenn mich River.“
River. Schon der Gedanke fühlte sich unglaublich intim an.
Äußerst intim.
„River“, sagte ich langsam, um die Silben zu testen.
Er atmete leise aus.
„Ich wünschte, du hättest mir davon erzählt.“
„Von Raintree oder von meiner Schwärmerei für dich?“
In seinen Mundwinkeln war die leiseste Andeutung eines Lächelns zu erkennen, und ich wollte es mit der Zungenspitze erkunden. Mir wurde fast schwindlig bei dem Gedanken, dass es dazu tatsächlich kommen könnte.
Ich schluckte. „Beides?“
„Und was hättest du getan, wenn ich dir das alles erzählt hätte?“ Er ließ seine Hände über meine Arme gleiten, bis er unsere Finger miteinander verschränken konnte. Mein Atem ging stoßweise.
„Äh ...“ Ich konnte nicht mehr klar denken, wenn er so nah bei mir stand, das Wasser lief mir im Munde zusammen und das Blut in meinen Schwanz.
Rivers Augen huschten zwischen den meinen hin und her, als ob er versuchte, aus ihnen zu lesen. Einer von uns rückte näher.
Ich atmete ein und nahm seinen Duft auf. Aftershave, das frisch und männlich roch. Ich wollte meine Nase an seinen Hals drücken und mehr davon aufsaugen.
„Ich weiß es nicht“, gab ich zu.
„Ich konnte dir nichts von Raintree erzählen. Ich konnte nur versuchen sicherzustellen, dass du nicht zu den Studenten gehörst, die er im Stich lassen wird. Ich war sogar rechtlich dazu verpflichtet, nichts zu erzählen ...“ Er holte tief Luft. „Du machst mich total verrückt“, fügte er noch leise hinzu.
Ich beugte mich vor, bis meine Stirn auf seinem Schlüsselbein ruhte. Er war gekommen, um mir Trost zu spenden, also wollte ich ihn auch annehmen.
„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du mich willst?“, fragte ich gegen sein Hemd.
Seine Arme legten sich um mich und zogen mich näher an sich heran. Ich atmete aus und spürte, wie mein ganzer Körper endlich nachgab und sich an ihn gelehnt entspannte.
„Ich wollte nicht, dass du das Seminar abbrichst“, gab er zu und schmiegte seine Wange an meinen Kopf. „Dich zu sehen, war der Lichtblick meiner Woche, und ich wollte das nicht verlieren.“
Ich neigte meinen Kopf nach oben, bis meine Nase die Haut seines Halses berührte. Gott, er roch so verdammt gut. „Ich wollte dich auch“, gab ich zu, bevor ich meine Lippen über seinen Hals streifen ließ.
„Jack“, hauchte er. „Ich bin hergekommen ...“ Seine Stimme brach ab. „Ich bin hierhergekommen, um dir platonischen Trost zu spenden.“
Ich umfasste mit meinen Händen sein Gesicht und sah ihm direkt in die Augen.
„Ich will es nicht mehr platonisch.“