Die Autorin möchte anonym bleiben. Die 1970 geborene Germanistin lebt in Wien.
Eine Nacht im November vor vier Jahren. Ich wälze mich im Bett hin und her. Wieder kann ich nicht schlafen. Die Gedanken kreisen in meinem Kopf. Ich kann einfach nicht abschalten. Panik steigt in mir auf, wenn ich an den nächsten Tag denke. Ich habe einen ganztägigen Workshop zu leiten. Wie soll ich das nur schaffen? Wie kann ich mich vor Menschen stellen und reden, wenn ich niemandem zeigen darf, wie ich mich fühle? Ich will mich verkriechen. Nur keine Anforderungen mehr. Woher soll ich überhaupt die Kraft nehmen aufzustehen? Am Morgen fühle ich mich wie zerschlagen. Wie soll ich den Tag nur überstehen?
Es war nicht das erste Mal, dass ich vor Sorgen nicht schlafen konnte. Was war passiert? Meine Situation hatte sich in den vorangehenden Wochen zugespitzt. Immer stärker spürte ich, dass ich dem Leben nicht mehr gewachsen war. Hinter mir lag eine Zeit mit starken Belastungen. Im Frühjahr war eine Beziehung zu Ende gegangen. Damit hatten sich auch meine Zukunftspläne zerschlagen. Im Herbst desselben Jahres wollte ich mein Studium abschließen – ich hatte mich mit Anfang Dreißig noch einmal an die Uni gewagt –, es lag nur noch die Diplomarbeit vor mir. Neben dem Studium war ich berufstätig und engagierte mich ehrenamtlich in der Gemeinde im Bereich Seelsorge. Ich versuchte alles unter einen Hut zu bekommen, wollte in allem mein Bestes geben, nagte dabei aber an der gescheiterten Beziehung. Ich stand unter großem Druck: Bis September reichte mein Geld noch, dann musste ich mit allem fertig sein. Was, wenn ich es bis dahin nicht schaffte? Gleichzeitig hatte ich den Ehrgeiz, das Studium mit Auszeichnung abzuschließen. Da half nur noch: Augen zu und durch! Schon im Sommer spürte ich, wie mir die Kraft ausging. Ich sehnte mich nach Urlaub, nach Entspannung, nach Unbeschwertheit. Aber ein Urlaub war finanziell nicht drin, außerdem wollte ich ja das Studium rechtzeitig beenden. Also weitermachen und immer weitermachen. Völlig erschöpft schloss ich ein paar Monate später das Studium ab, mit ausgezeichnetem Erfolg. Aber auch jetzt war keine Entspannung in Sicht, da ich kein Geld mehr hatte. Ich bekam ein gutes Jobangebot, das ich annahm. Ich hätte unbedingt eine Auszeit gebraucht, aber ich dachte: Ich muss das irgendwie schaffen. Und so ein tolles Angebot – wann bekomme ich das wieder?
Im Nachhinein wurde mir bewusst, dass ich nicht erst seit diesem Jahr in der Krise war. Ich hatte mich eigentlich ständig überfordert und zu viel getan. Mein Leben war auch vor dem Burn-out nicht wirklich ausgeglichen. Ich ging immer wieder über meine Grenzen, spürte es aber erst, wenn ich völlig erschöpft war. Wenn es um Leistung ging, war ich grenzenlos. Ich hatte immer wieder Zeiten, in denen ich sehr viel leisten konnte, um dann wieder erschöpft Ruhe zu suchen. Auch Depressionen waren mir nicht fremd. Doch hatte ich immer wieder genug Kraft, die Tiefen zu überwinden, und dann ging es schon wieder weiter. Mein Pflichtbewusstsein war stark ausgeprägt, und mit Disziplin und Willenskraft konnte ich viel erreichen.
Im Herbst ging dann nichts mehr. Aber ich war im Rad drinnen und schaffte es nicht mehr, herauszukommen und mein Tempo herunterzuschrauben. Ich fand einfach keine innere Ruhe. Ich spürte zwar, dass ich mich nicht wohlfühlte, dass ich lustlos war und schnell in Tränen ausbrach, aber ich wusste nicht, was mit mir los war. Es war mir alles zu viel, ich war überfordert und fragte mich immer wieder: „Warum kann ich nicht mehr?“ Und dann dachte ich, dass ich auf gar keinen Fall langsamer machen könnte. Wer macht dann meine Arbeit? Wer sorgt für mich, wenn nicht ich? Wie soll ich als Selbstständige mein Geld verdienen, wenn ich nicht arbeite? Wer übernimmt meine ehrenamtliche Tätigkeit? Ich kann nicht einfach aufhören. Ich muss durchhalten!
Im November schrieb ich in mein Tagebuch:
„Ich bin müde, frustriert, unzufrieden. Ich hätte so gerne Urlaub. Ich sehne mich nach Gott. Und dennoch nehme ich mir keine Zeit für ihn. Ich bin von so vielem genervt. Bin nicht wirklich glücklich. Ich bin so müde, mich immer wieder zu überwinden. In die Gemeinde zu gehen, kostet Überwindung. Zu arbeiten kostet Überwindung. Das Seminar in der Gemeinde zu organisieren, kostet Überwindung. Ich mag einfach nur noch schlafen, fernsehen, stillsitzen, genießen. Ich bin innerlich leer. Ich habe so wenig Spaß am Leben. Alles kostet Überwindung. Ich kann nicht mehr.
Ich wusste, etwas stimmte nicht mit mir, ich war ständig müde, konnte es aber nicht einordnen, sondern fühlte mich schuldig, weil ich so wenig leistete. Mir war nicht bewusst, dass ich mich schon mitten in einer Erschöpfungsdepression befand. Ich versuchte, immer weiterzumachen, mich weiter anzutreiben. Dabei hatte ich innerlich eine starke Sehnsucht, nicht mehr getrieben zu sein, sondern getragen zu werden.
Wo war Gott in dem Ganzen?
Ich war Single, lebte alleine, meine Familie lebte 800 Kilometer entfernt. Konnte ich mich überhaupt tragen lassen, loslassen, fallen lassen? Ich hatte in der Vergangenheit gelernt, Vieles alleine zu tragen, selbständig zu sein, mein Leben allein zu gestalten, zu kämpfen und stark zu sein. Niemand merkte, wie schlecht es mir dabei ging. Eine Freundin ging selbst durch eine schwere Krise, bis hierhin hatte ich sie oft mitgetragen. Jetzt konnte ich nicht mehr. Mir wurde bewusst, dass ich gerne für andere da war – aber konnte ich auch meine eigenen Bedürfnisse äußern? Konnte ich mich anderen zumuten? Oder war ich eine Zumutung für andere? Welche Bedürfnisse hatte ich überhaupt? Sie waren mir auf meinem Weg irgendwie abhandengekommen. Ja, ich spürte noch die Sehnsucht, nur sein zu dürfen. Aber durfte ich sein? Was machte mir Spaß, wo bekam ich neue Kraft und Freude? Ich wusste es nicht mehr. Ich stand völlig neben mir, hatte mich selbst auf meinem Weg verloren.
Wer war ich überhaupt? War ich wertvoll, auch wenn ich nichts leistete? Worüber erhielt ich meinen Wert? All diese Fragen beschäftigten mich.
Im Dezember ging ich endlich zur Ärztin. Sie verschrieb mir ein leichtes Antidepressivum. Ich hatte drei Wochen frei, konnte mich in dieser Zeit aber nicht richtig erholen. Es tat zwar gut, Pause zu haben, aber ich fühlte mich nicht viel besser. Besonders wenn ich unter Leuten war, spürte ich, wie schlecht es mir ging. Ich war auf einer Geburtstagsfeier und merkte: Das überfordert mich total. Die Gespräche strengten mich an. Im Vergleich zu den anderen kam ich mir total langweilig vor. Viele Gäste waren um einiges jünger als ich. Ich sah, wie sie lebten, vor Begeisterung sprühten, dass sie Ziele für ihr Leben hatten. Ich dachte mir: Es gab mal eine Zeit, da hast du auch so gesprüht vor Lebensfreude. Wo ist das alles hin? Jetzt fühlte ich mich alt, müde, wollte mich nur vergraben, Winterschlaf halten.
Nach meinem Urlaub merkte ich, dass ich alleine nicht weiterkam und Hilfe brauchte. Interessanterweise rief gerade an diesem Tag eine Freundin an und fragte mich, ob ich schon einmal daran gedacht hätte, in Therapie zu gehen. Sie empfahl mir einen christlichen Therapeuten. Neue Hoffnung keimte auf. Ich fand einen sehr guten Therapeuten. Gott sorgte für mich, das konnte ich klar erkennen.
Die Therapie war mir eine große Hilfe auf meinem Weg aus dem Burn-out. Der Therapeut machte mir immer wieder Mut und war sehr geduldig mit mir. Ich erinnere mich noch, wie ich einmal Zweifel äußerte, ob ich noch einmal arbeiten und überhaupt noch einmal etwas leisten könnte. Er meinte daraufhin, dass ein Burn-out wie eine Krankheit sei – irgendwann sei ich wieder gesund. Dieser Satz machte mir Hoffnung. Immer wenn Zweifel kamen, ob ich noch einmal gesund werden würde, dachte ich an diesen Satz. Er fragte mich aber auch, ob ich denn überhaupt wieder so viel leisten wolle wie vor meinem Burn-out. Eine interessante Frage, die mich lange beschäftigte und auf die ich heute mit einem klaren Nein antworten kann.
In all dieser Zeit war Gott sehr, sehr treu. Ich habe ihn noch einmal ganz neu und anders kennengelernt. Sechs Jahre zuvor hatte ich zum Glauben gefunden. Gott hatte in dieser Zeit in meinem Leben schon sehr viel geheilt und wiederhergestellt, da ich ein sehr verletzter Mensch war. Was ich aber noch stark in mir hatte, war mein Leistungsstreben und ein Stück Minderwertigkeitsgefühl. Ich hatte in den letzten Jahren seit meiner Bekehrung Gott immer besser kennengelernt und begonnen, ihm zu vertrauen. Aber konnte ich ihm wirklich ganz vertrauen? Ihm mein ganzes Leben anvertrauen? Konnte ich die Kontrolle loslassen? Wie viel musste ich denn eigentlich selbst tun, und was tat Gott?
Ich war in dieser Zeit immer wieder sehr entmutigt. Zu erleben, dass ich keine Kraft mehr hatte, mein Leben zu gestalten und Pläne für die Zukunft zu schmieden, nahm mich sehr mit. Ich konnte mich auf mich selbst und auf meine Fähigkeiten nicht mehr verlassen. Ich war sehr verunsichert und spürte, dass ich mein Leben nicht mehr unter Kontrolle hatte, sondern ganz auf die Gnade Gottes angewiesen war. Ich zweifelte oft, dass das Leben noch etwas zu bieten hätte, dass ich jemals einen guten Beruf haben würde, dass ich jemals eine gesunde Partnerschaft leben könnte, dass ich mich wieder selbst versorgen könnte. Es ging um ganz existenzielle Fragen. Unverarbeitete Enttäuschungen brachen auf. Alles, was ich durch Arbeit bisher erfolgreich verdrängt hatte, brach sich Bahn. Ich spürte: Aus mir selbst heraus konnte ich wirklich nichts mehr tun.
Aber Gott war an meiner Seite. Anfangs lag ich nur auf der Couch und war froh, nichts mehr tun zu müssen. Stille war mir am liebsten. Nur kein Lärm, keine Belastung. Dann fing ich wieder an, Tagebuch zu schreiben. Ich entdeckte von Neuem den Spaß am Schreiben, etwas, das viele Jahre brachgelegen hatte. Ich nahm mir viel Zeit für Stille. Ich ließ mich füllen mit Gottes Gegenwart. Wie oft hatte ich mir zuvor sogar in der Stillen Zeit Druck gemacht, vieles war auch da Leistung gewesen, manchmal auch Krampf. Mir wurde auf einmal bewusst, dass Gott mehr möchte als meine Leistung. Vom Kopf her wusste ich das schon lange, aber nun durfte ich erfahren, dass ich nichts mehr zu geben hatte als mich selbst. Und das war beziehungsweise das ist genug. Er möchte mich. Er ist an meiner Person interessiert. Auch wenn ich gar nichts mehr vorzuweisen habe, darf ich zu ihm kommen, so wie ich bin. Es geht doch gar nicht darum, wie toll ich vor Gott bin. Zu allererst bin ich seine wertgeschätzte, geliebte Tochter! Ich darf seine Liebe annehmen und mich von ihm füllen lassen. Loslassen, ich selbst sein in seiner Gegenwart.
Meine Beziehung zu Gott begann sich zu verändern.
Manchmal wusste ich nicht, welche Gebete ich sprechen sollte, ich war innerlich leer. In dieser Zeit fing ich an, Psalmen zu lesen. Erst einmal, und dann ein zweites Mal: alle Psalmen dankend beten. Ich spürte, wie es mir Kraft und neue Hoffnung gab. Ich fing an, Gott zu preisen und dafür zu danken, was er bereits in meinem Leben getan hatte. Ich schrieb eine Liste mit all den Dingen, für die ich dankbar war. Damit schaffte ich es, meine Gedanken auf etwas anderes zu lenken als auf meine Depression. In Gedichten gab ich meiner Sehnsucht neuen Raum. Ich sprach mit Gott über meine Bedürfnisse. Etwas begann sich zu verändern, langsam brach etwas Neues auf. Ich spürte, dass ich noch nicht stabil war, ich hatte schon einige gute Tage, aber dann wieder schlechte Tage, an denen ich erschöpft und schlecht drauf war. Doch mit der Zeit lernte ich damit umzugehen. Ich lernte, dass es okay ist, schlechte Tage zu haben, und dass sie nicht ewig dauern.
Gott schenkte mir Heilung und Wiederherstellung. Das „Highlight“ war für mich die Versöhnung mit meiner Mutter und die Wiederherstellung der Beziehung zu ihr. Jahrelang hatte ich mit meiner Muttergeschichte gekämpft, hatte meiner Mutter auch schon einige Male vergeben. Aber verletzt war ich noch immer. Ich hatte mich von klein auf von meiner Mutter abgelehnt gefühlt: Nie konnte ich es ihr recht machen, nie war es genug, nie war ich genug. So hatte ich es zumindest für mich erlebt. Unsere Beziehung war lange sehr verkrampft. Gott machte uns beiden damals ein Riesengeschenk. Am Muttertag zeigte er mir im Gottesdienst ein Bild, das mir deutlich machte, dass ich meiner Mutter noch einmal vergeben müsse. Ich wusste tief in mir, dass dies ein Schlüssel zu meiner eigenen Heilung sein würde. Meine Mutter war selbst sehr krank in dieser Zeit; ich fuhr kurzentschlossen nach Deutschland, um sie im Krankenhaus zu besuchen. Es war das erste Mal in 39 Jahren, dass ich eine wirkliche Nähe zu meiner Mutter empfand. Ich bat sie um Vergebung für mein Verhalten, und es war das erste Mal, dass sie zugab, auch Fehler gemacht zu haben. Sie war so offen wie noch nie. Viel Heilendes ist seitdem geschehen. Ganz langsam entwickelte sich eine neue Mutter-Tochter-Beziehung. Ich konnte meine Mutter besser annehmen – und dadurch auch mich selbst. In den nachfolgenden Monaten spürte ich, wie die Bitterkeit aus meinem Leben wich und wie Heilung in mein Leben kam. Ich spürte, dass mein Leben ein neues Fundament bekam. Lebensfreude machte sich breit, Hoffnung, dass ich geliebt, gewollt und angenommen bin. Ich erlebte Gott in dieser Entwicklung sehr stark. Er war an meiner Seite, er meinte es gut mit mir, er konnte Beziehungen heilen, etwas was menschlich unmöglich schien. Da war so viel Kaputtes, so viel Leid. Was in diesen Monaten geschah, hat mich tief beeindruckt und mir eine neue Sicht dafür gegeben, wie groß Gott ist und dass er viel mehr tun kann, als wir uns überhaupt vorstellen können. Seine Gedanken sind höher als unsere Gedanken.
In der Zeit des Burn-outs habe ich sehr viel gelernt. Ich habe einiges an meinem Leben umgestellt. Manches hat gedauert, es war ein Training mit Höhen und Tiefen. Aber ich bin sehr dankbar, dass Gott mir die Kraft und Ausdauer geschenkt hat, Neues einzuüben und Altes, Unbrauchbares aus meinem Leben hinauszubefördern.
Ich habe gelernt, Grenzen zu setzen, mir selbst und anderen. Ja, ich bin begrenzt und das ist völlig in Ordnung. In der Zeit der Erschöpfung hatte ich sehr enge Grenzen. Ich konnte nicht viel unternehmen. Und doch war dies eine große Erleichterung für mich, ich musste langsam machen, und ich durfte Nein sagen zu vielen Anfragen und Herausforderungen. Es gab nur einen engen Raum, in dem ich mich bewegen konnte. Für mich als freiheitsliebender Mensch eigentlich eine schwierige Situation. Aber ich habe entdeckt, wie viel Freiheit es mir gibt, wenn ich mich in meinen Grenzen, in meinem Rahmen bewege. Ein Rahmen, den mir Gott gesteckt hat. Ich bin für das verantwortlich, was innerhalb meiner Grenzen liegt, und ich muss mich nicht um das kümmern, was außerhalb dieser Grenzen liegt. Was für eine Befreiung! Früher habe ich mich für Dinge verantwortlich gefühlt, für die ich keine Verantwortung trug. Ich habe vielleicht auch Gott gespielt. Wie viel entspannter ist das Leben, wenn ich mich immer wieder frage: Habe ich hier einen Auftrag? Oder Gott frage: Was möchtest du, dass ich tue? – statt aus Pflichtbewusstsein und schlechtem Gewissen heraus zu handeln.
In der Zeit des Burn-outs und auch besonders danach habe ich gelernt, klarer zu kommunizieren. Für mich als stetige, gewissenhafte Persönlichkeit sind klare Absprachen wichtig. Ich muss klären: Wo stehe ich, wo steht der/die andere? Wo sind meine Grenzen und wo sind die Grenzen des/der anderen? Seit ich das weiß und mich traue, meine Bedürfnisse zu äußern, gewinne ich Freiheit.
Ich lerne, meine Gedanken zu kontrollieren. Sorgen versuche ich an Jesus abzugeben. Sein Wort sagt: „Kommt her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Das nehme ich in Anspruch. Ich versuche, regelmäßige Zeiten der Ruhe in mein Leben einzubauen, Zeiten, in denen ich mich entspanne, in denen ich mit Jesus über das rede, was mich belastet, was ich erlebt habe, was mich freut. Heute erkenne ich viel früher, wenn ich aufgewühlt bin oder mir Sorgen mache, und ich versuche, dies bewusst an Jesus abzugeben. Früher habe ich das überhaupt nicht gespürt. Ich habe mich tagelang müde und erschöpft gefühlt, auch beschämt, aber ich habe erst reagiert, wenn ich ganz erledigt war. Heute habe ich ein viel besseres Gespür für mich selbst und meine Bedürfnisse.
Ich spüre sehr schnell, wenn ich überfordert bin, ich weiß, dass ich schneller als andere an meine Grenzen gerate, und ich darf gut auf mich aufpassen. Ich kann gar nicht mehr über mich und meine Bedürfnisse hinweggehen. Ich muss rechtzeitig gegensteuern. Manchmal ist das unbequem für mich und andere. Ja, ich darf mich anderen zumuten.
Beziehungen sind mir wichtiger geworden. Arbeit und Leistung nehmen nicht mehr einen so großen Stellenwert ein wie zuvor. Ich habe eine bessere Balance gefunden. Gerade als Single ist es eine Herausforderung, gute Beziehungen zu leben und der Arbeit den richtigen Stellenwert zu geben. Ich habe mich früher auch aus Einsamkeit in die Arbeit gestürzt. Heute weiß ich, wie wichtig es ist, gute Beziehungen zu leben, und es tut mir gut – obwohl es mir manchmal nicht leicht fällt. Wenn es mir nicht so gut geht, ziehe ich mich nämlich gern zurück und werde ein wenig eigenbrötlerisch. Eine gute Balance zwischen Rückzug und Gemeinschaft zu finden, ist etwas, das ich üben muss.
Ich achte auch auf eine ausgewogene Ernährung, auf ausreichend Bewegung und genügend Schlaf. Ich weiß, dass es mir gut geht, wenn ich etwa acht Stunden pro Nacht schlafe. Ausgedehnte Spaziergänge helfen mir, meine Gedanken zu ordnen. Bewegung tut mir gut. Die Natur wirkt sich positiv auf meine Seele aus. Ich verliere Energie und bekomme schlechte Laune, wenn ich Hunger habe. Also achte ich darauf, regelmäßig zu essen. Mittlerweile genieße ich es wieder so richtig, selbst zu kochen und gut zu essen.
Konstantin Wecker sagte einmal: „Wer nicht genießen kann, wird ungenießbar.“ Ich bin so dankbar, dass ich das Leben wieder genießen kann und Schönes um mich herum wahrnehme. Ich genieße das Leben jetzt in vollen Zügen. In der Freizeit widme ich mich den Dingen, die mir Spaß machen, die meine Seele nähren. Früher war ich von Arbeit, Studium und Ehrenamt so erschöpft, dass ich in meiner Freizeit oft nur schlafen oder abhängen wollte. Ich musste in der Zeit des Burn-outs wieder lernen, meine Zeit mit Dingen zu füllen, die meine Seele nähren, die mir Freude machen und neue Kraft bringen. Diese Zeiten sind mir besonders wichtig und wertvoll geworden, und ich plane sie bewusst ein.
Last but not least: Ich habe Gott neu kennengelernt als meinen Vater, meinen Versorger, meinen Tröster, meine Burg, meinen Halt, meinen Schutz, meine Sicherheit. Vieles, was ich im Kopf wusste, ist in mein Herz hineingerutscht. Die Beziehung zu Gott ist tiefer geworden. Ich weiß nun im Herzen, dass Gott mich liebt, dass ich einzigartig bin, wertvoll, wertgeschätzt, unendlich kostbar. Er hat mir besondere Fähigkeiten geschenkt, und die möchte ich einsetzen und leben. Ich muss nicht mehr den Erwartungen anderer entsprechen. Ich darf sein. Das Potenzial, das Gott in mich gelegt hat, darf sich mehr und mehr entfalten. Gott hat mir eine neue innere Freiheit geschenkt!