KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

Neben Dominic steht Sean, und als ich ihn entdecke, werde ich in eine Realität der schlimmstmöglichen Art katapultiert. Ich springe auf und schaue ungläubig zwischen den beiden wütenden Männern hin und her, denen ich vor nicht allzu langer Zeit vollkommen verfallen war. Zwei Männer, ohne die ich glaubte, nicht leben zu können. Zwei Männer, die aufgehört haben zu existieren, nachdem sie mich auf offener Straße haben stehen lassen und weggefahren sind.

Dominics zorniger Blick durchdringt mich Schicht für Schicht.

Tobias und ich sind vollkommen entblößt, und die Schuld steht uns ins Gesicht geschrieben.

Seans Kiefer ist zusammengepresst, und sein Blick, mit dem er abwechselnd Tobias und mich mustert, ist durchzogen von Zorn.

Tobias steht auf und weicht einen Schritt zurück, um Abstand zwischen mir und ihm zu schaffen, aber es ist zu spät.

Vor Angst zitternd und sprachlos stehe ich den beiden gegenüber.

Ihr Blick bleibt unverändert kalt, und ihre Haltung ist so bedrohlich, wie ich es noch nie an ihnen erlebt habe.

Dominic ist der Erste, der spricht. »Ich wollte eigentlich vorschlagen, dass wir uns für ein kleines Update treffen, Bruder , aber jetzt sehe ich ja mit eigenen Augen, was du so getrieben hast. Oder sollte ich sagen, mit wem du es getrieben hast?«

»Wo wart ihr?«, stoße ich heiser hervor, schaue zwischen den beiden hin und her und lasse die Veränderungen auf mich wirken.

Dominics Haar ist kurz geschoren, und er ist noch muskulöser.

Sean trägt eine Baseball-Cap und ist ebenfalls durchtrainierter. Selbst ihr Benehmen scheint sich verändert zu haben. Nach ihren Gesichtern zu urteilen müssen sie die Hölle durchlebt haben.

Aus ein paar Metern Entfernung sieht mich Dominic voller Abscheu aus seinen silbergrauen Augen an, so als würde es ihm Qualen bereiten, seinen Blick auf mir ruhen zu lassen.

Schockiert angesichts ihrer plötzlichen Wiederkehr sinke ich mit rasendem Herzen zu Boden.

»Wo wir waren ?«, zischt Sean und wirft einen Blick über meine Schulter. »Willst du ihr die Frage beantworten, Tobias?« Er macht einen bedrohlichen Schritt in unsere Richtung, ballt die Hände an seinen Seiten zu Fäusten, öffnet und schließt sie. Dabei schaut er zwischen uns hin und her, als würde er überlegen, wem von uns er zuerst einen Schlag versetzen soll.

Ich drehe mich zu Tobias um. »Wovon redet er?«

Tobias schließt die Augen, als Sean weiterspricht. »Ist wohl gut, dass wir den früheren Flieger genommen haben, was, Dom?«

Tobias’ Miene wird kälter. »Spiel nicht den Unschuldigen, Sean.«

»Unschuldig? Nein, das behaupte ich gar nicht.« Er schnippt übertrieben mit den Fingern und zeigt auf Tobias. »Was hast du noch mal gesagt, bevor du uns weggeschickt hast?«, fragt er abfällig. »Wir müssen einen klaren Kopf bekommen. Also hast du uns für zehn verdammte Monate verbannt, um Pfadfinder zu spielen und für unsere Verbrechen zu bezahlen. Und was hast du in der Zeit gemacht?«

»Was soll das heißen, ihr habt einen früheren Flieger genommen?«, frage ich Sean.

Er ignoriert meine Frage und kommt einen Schritt näher. »Ich habe dich angefleht, mir zu vertrauen. Ich hab dir gesagt, dass ich es wieder geradebiege.«

»Dir vertrauen? Dir vertrauen? Du hast mir nichts gegeben, und mit nichts hast du mich auch zurückgelassen. Ihr beide.« Ich schaue wütend zwischen ihnen hin und her.

»Dann fickst du also meinen Bruder?«, fragt Dominic mit schneidender Stimme. »Das ist ziemlich mies, Babe.«

»Pass auf, was du sagst«, warnt Tobias.

Dominic lässt seinen Blick an ihm hinabwandern. »Herzlichen Glückwunsch, zumindest bleibt sie in der Familie.«

»Wage es bloß nicht!« Ich schlucke in einem Versuch, meine trockene Kehle zu befeuchten. Ich kann immer noch nicht glauben, wie verändert die beiden aussehen. Sie wirken wie Soldaten, nur in ihren Augen und in ihrem Blick kann ich noch die Männer erkennen, die ich von damals kenne. »Die Sache hat nicht gleich angefangen, als ihr weg wart, und auch nicht kurz danach. Ich habe euch monatelang hinterhergetrauert, ohne mich an irgendetwas klammern zu können, ohne ein Wort von euch!« Ich schaue Sean an. »Eines Tages ist nie gekommen.«

»Was, glaubst du eigentlich, ist das hier?« Er fährt sich mit der Hand über das Kinn.

»Es ist zu spät. Zu spät! Ich musste nach vorn schauen. Ihr habt mir keine Wahl gelassen. Ich bin fast durchgedreht und habe mich die ganze Zeit gefragt, ob es sich überhaupt lohnt, mir Sorgen zu machen. Ihr habt mir gesagt, ich soll nicht nach euch suchen, aber das hab ich trotzdem getan. Und ihr seid aus eurem Haus ausgezogen, habt die Werkstatt geschlossen, ihr seid beide spurlos verschwunden. Was sollte ich denn glauben?«

Keiner von beiden erwähnt die Kette, wahrscheinlich weil sie sich vor dem Mann fürchten, der neben mir steht. Und jetzt werde ich es nie erfahren.

Seans dröhnende Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. »Wir wurden verdammt noch mal gezwungen zu verschwinden. Waren von der Außenwelt abgeschottet, um dich vor ihm zu beschützen. Vor dem, was er jetzt ohnehin getan hat.«

Ich wende mich Tobias zu. »Ist das wahr?«

»Ja«, versetzt Dominic, und sein Tonfall ist genauso schneidend wie sein silberner Blick. »Und wieso glaubst du ihm mehr als uns?«

»Weil ihr mich mit nichts zurückgelassen habt!«

»Verfickte Scheiße!«, stößt Dominic aus und dreht sich auf dem Absatz um.

»Halt, Dominic.« Ich gehe auf ihn zu, aber Tobias hält mich am Arm zurück. »Bitte geh nicht, Dom«, flehe ich mit Tränen in den Augen.

Er bleibt abrupt stehen, aber dreht sich nicht zu mir um.

»Bitte sag mir einfach die Wahrheit«, sage ich.

»Die Wahrheit …«, murmelt er mit heiserer Stimme und dreht sich langsam um. »Die Wahrheit, Cecelia, ist, dass du und ich hinters Licht geführt wurden, aber ich von meinem eigenen Bruder!« Mit von Zorn entstelltem Gesicht geht er auf Tobias los.

Tobias tritt zwischen uns und schiebt mich ein Stück nach hinten, stellt sich seinem Bruder.

Sean packt Dom und schlingt die Arme um dessen Brust, flüstert ihm ins Ohr: »Lass es. Nicht hier. Nicht jetzt. Das ist nicht der richtige Ort. Wir regeln das auf unsere Art.«

Mein Herz schmerzt, als ich Tobias hilflos anschaue, doch sein Blick ist starr auf seinen Bruder gerichtet. Scham und Schuldgefühle lese ich darin.

Entschlossen schüttele ich den Kopf angesichts dieser Offenbarung. »Wollt ihr damit sagen, dass ihr die ganze Zeit darauf gewartet habt, zu mir zurückkehren zu können?«

Dominic stemmt sich gegen Seans Umklammerung, zerrt an dessen Armen, Mordlust blitzt in seinen Augen auf, als er Tobias wieder ansieht. »Ja, wir haben verdammt noch mal gewartet – auf das Okay, dass wir nach Hause kommen dürfen. Fick dich!« Er verzieht das Gesicht, scheint aufzugeben, und ich zerbreche innerlich angesichts des Schmerzes in seinen Augen. Dominic schüttelt den Kopf, und Sean hält ihn weiter fest, während er ihm etwas ins Ohr flüstert.

Dominic klopft Sean auf den Arm. »Schon gut. Du kannst mich loslassen.« Als Sean seinen Griff löst, wird Dominic beängstigend ruhig und tritt schließlich einen Schritt näher an seinen Bruder heran. Seine Stimme trieft vor Boshaftigkeit. »Notre mère aurait honte de toi.« Unsere Mutter würde sich für dich schämen.

Erst jetzt wird mir bewusst, dass Dominics Aussprache anders klingt – feiner. So wie Tobias’, als ich ihm zum ersten Mal begegnet bin.

»Frankreich«, flüstere ich. »Du hast sie nach Frankreich geschickt.«

Alle drei wenden sich mir zu.

Ich schaue Tobias an, der meinen Blick hilflos erwidert, während ich langsam alle Puzzleteile zusammensetze. »Das war es also, was du mir verheimlicht hast.«

Das war sein Geheimnis. Und unsere Beziehung war die ganze Zeit eine tickende Zeitbombe. Er wusste, dass sie zu mir zurückkommen würden.

Er wusste es.

»Du hast sie nach Frankreich geschickt. Du hast sie gezwungen mich zu verlassen.«

Tobias lässt den Kopf sinken. Als er schließlich spricht, klingt er resigniert. »Ich wollte es dir heute Abend sagen.«

»Das ist aber schön«, flüstere ich heiser und komme mir dumm vor.

»Du bist nicht mehr mein Bruder«, sagt Dominic. »Du bist ein Lügner und lebst eine Lüge.«

Tobias reibt sich das Gesicht. »Ich habe diese eine Sache für mich getan, das ändert nichts daran, dass ich vorher tausend andere Dinge für dich getan habe«, sagt er mit Verzweiflung in der Stimme. »Die meiste Zeit meines Lebens habe ich damit verbracht, Schulden zu begleichen und uns den Weg zu ebnen, während ihr beide euren Spaß hattet.« Mit flehendem Blick tritt er einen Schritt vor. »Tout ce que j’ai toujours fait, c’est prendre soin de toi.« I ch habe nichts anderes getan, als mich um dich zu kümmern.

»Je te décharge de ça maintenant et pour de bon.« Davon entbinde ich dich jetzt und für immer. Dominic schlägt die Hände zusammen und löst sie wieder voneinander.

Tobias zuckt zusammen.

»Tu es en colère. Je comprends. Mais cela ne signifiera jamais que nous ne sommes pas frères.« Du bist wütend. Das verstehe ich. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir keine Brüder mehr sind.

»Dass ich dein Bruder bin, bedeutet dir nichts, das hast du bewiesen.« Dominic betrachtet mich, und ich spüre seine Worte, ehe er sie ausspricht. »Quand tu la baises, frère, sache que c’est moi que tu goûtes. Tu peux la garder.« Wenn du sie fickst, Bruder, sei dir gewiss, dass ich es bin, den du schmeckst. Du kannst sie behalten.

»Elle parle français« , versetzt Tobias. Sie spricht Französisch.

Dominic lächelt mich an, doch in seinen Augen ist nichts von dem Mann zu erkennen, den ich kannte, und es liegt keinerlei Liebe darin. »Das weiß ich.«

»Natürlich musst du so einen Spruch raushauen, Dom. War ja klar. Typisch für dich. Sag es auf Englisch, du verfickter Feigling. Nenn mich Hure in einer Sprache, die ich richtig verstehe. Das bin ich doch, oder? Nichts als eine Hure. Nicht die Frau, die du bedingungslos geliebt hast. Ich war dir treu, bis ich keine Chance mehr gesehen hab und dich gehen lassen musste. Aber das spielt keine Rolle, oder? Für dich zählt nur, dass du mich nicht mehr vögeln kannst.«

Dominic senkt den Blick, und Tobias und Sean starren einander wütend an.

Seans Augen glänzen, als er spricht. »Ich hätte nicht gedacht, dass du zu so was fähig bist. Nicht du.«

»Mich trifft nicht mehr Schuld als euch«, entgegnet Tobias in einem schwachen Versuch, sich zu verteidigen. Doch er hat keine Argumente. Er war es, der sie weggeschickt hat. Er hat sie absichtlich verbannt, um uns voneinander fernzuhalten. Er und ich sind die Einzigen, die wissen, dass er damals nicht vorhatte, etwas mit mir anzufangen, aber sie werden ihm niemals glauben.

Und er hat sie fortgeschickt. Er hat sie fortgeschickt, um unsere Herzen zu brechen, weil er wütend und eifersüchtig war und andere Pläne hatte.

In diesem Moment wird mir bewusst, dass Tobias mir gegenüber schon seit einer Weile offen mit seinem Verrat umgeht.

Die Schuldgefühle, die er gezeigt hat, seine Andeutungen bezüglich der Schuld, die er auf sich geladen hat, hingen mit dem unumgänglichen Bruch zwischen ihm und den beiden zusammen. Leider verschafft mir das kein bisschen Trost. Meine Gedanken rasen immer noch, als Sean mich ansieht und ich das Bedürfnis verspüre, meinen Körper zu bedecken. Ich habe mich noch nie so unwohl in meiner Haut gefühlt.

»Hör auf, mich so anzusehen!« Tränen laufen mir über das Gesicht. »Na los, du kannst mich auch als Hure beschimpfen, oder weißt du was, du kannst dir die Mühe sparen, denn ich sehe es ohnehin in deinem Blick.« Ich balle die Hände zu Fäusten. »Ihr habt mich fast ein Jahr lang im Ungewissen gelassen.« Ich hebe das Kinn. »Ihr Scheißheuchler! Ich hab mich an deine Regeln gehalten, Sean. Keine Ausreden, weißt du noch?« Ich schaue zwischen den beiden hin und her. »Und nur weil du dich nicht an das halten kannst, was du anderen predigst, macht mich das nicht zu einem schlechten Menschen. Es macht euch zu schlechten Menschen. Ihr seid diejenigen, die mir gesagt haben, dass ich mir das nehmen soll, was ich will, wenn ich es will. Aber das trifft wohl nur dann zu, wenn ich euch will.«

Sean beißt sich auf die Lippe, und eine Träne tropft ihm auf die Hand, mit der er nun seine Baseball-Cap hält. Der Anblick versetzt mir einen Stich.

»Ich hab auf euch gewartet. Ich war krank vor Sehnsucht. Monatelang habe ich mich wegen euch in den Schlaf geweint. Ich habe gewartet und gewartet, aber ihr seid nicht zu mir zurückgekommen. Und ich wusste doch von nichts.«

Ich schaue Tobias an, der aussieht, als würde er jeden Moment explodieren, aber er hält den Blick weiterhin starr auf seinen Bruder gerichtet.

»Ich wusste von nichts. Sean«, sage ich flehend, »du kennst mich.«

»Das dachte ich auch«, erwidert er heiser.

»Du hast mir nicht mal genug vertraut, um mir zu sagen, wo ihr hingeht.«

»Das wäre gegen unsere Abmachung gewesen.« Er schluckt und schaut Tobias an, der wie angewurzelt dasteht und zwischen uns hin und her sieht.

»Sean, ich wusste es nicht.« Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, doch Tobias hält mich zurück, will mich nicht an sich vorbeilassen.

»Für euch war sie nur ein Spielzeug«, sagt er zu Sean.

Der legt den Kopf schief. »Und was ist sie für dich? Mittel zum Zweck? Die ultimative Rache gegen Roman? Wir haben uns schuldig gefühlt, haben deine Befehle ausgeführt, und du hintergehst uns so? Was sollte das werden? Wolltest du uns eins auswischen? Nein.« In seiner Stimme schwingt Abscheu mit. »Du hast dir wahrscheinlich gedacht, geteiltes Leid ist halbes Leid, richtig?«

Tobias geht auf ihn zu. »Die Strafe trifft jeden, der Scheiße baut. Das weißt du.« Er stößt die Luft aus. »Ich hatte nicht die Absicht …«

»Du lügst. Du wolltest sie von der Sekunde an, in der du sie gesehen hast. Vergiss nicht, dass ich dich kenne, Bruder. Du hast das gesehen, was wir auch gesehen haben. Mit dem Unterschied, dass du wusstest, was wir für sie empfinden, weil wir es dir verdammt noch mal erzählt haben.« Seans Arm schießt vor, um ihm zu bedeuten, dass er zurückbleiben soll. »Du hast mich gefragt, ob es die Sache wert war, und ich habe dir mit Ja geantwortet. Wenn du noch einen Schritt näher kommst, vergesse ich unsere Vergangenheit und bringe dich um.«

»Für wen hältst du dich?«, versetzt Tobias kalt.

»Du hast einen Keil zwischen uns getrieben, also wunder dich nicht, wenn du meine Loyalität verloren hast.« Sean schüttelt den Kopf. »Das alles ist deine Schuld.«

Ich kann den Bruch zwischen den dreien förmlich spüren.

Schließlich wendet sich Sean wieder an mich. »Cecelia«, flüstert er, und sein sanfter Ton bricht mir das Herz. Er schaut mich aus seinen grünbraunen Augen an und zieht mich zurück in eine Zeit, als alles noch einfacher war. Eine Zeit, in der ich ihn ungehindert lieben, die Hand nach ihm ausstrecken und ihn berühren konnte. »Du warst die Erste, an die ich jeden Morgen gedacht habe, und die einzige Frau, von der ich jemals geträumt habe. Und hättest du auf mich gewartet, hätte ich dir alles gegeben.«

Tränen steigen mir in die Augen und laufen mir die Wangen hinunter. In meinem Herzen spüre ich Leere, dort, wo er einst gewohnt hat.

»Sean, ich …«

»Du liebst ihn.« Das ist keine Frage, sondern eine Feststellung, ich spüre die Blicke aller drei Männer auf mir und senke den Kopf.

Eine lange angespannte Stille folgt, ehe Dominic sich umdreht und in Richtung Tor geht.

Als ich mich endlich traue, wieder aufzublicken, schaut Sean Tobias an, der immer noch hinter mir steht, fährt sich mit der Hand durch die Haare und setzt seine Cap wieder auf. Er schaut mich aus blutunterlaufenen Augen an und nickt mir knapp zu. »Ich schätze, wir haben’s beide versaut. Pass auf dich auf, Süße.«

Ich bedecke meinen Mund und schluchze in meine Hand, als Sean zu Dominic geht, der am Tor wartet und mir einen letzten Blick zuwirft, bevor sie den Garten verlassen.

Das Zufallen des schweren Tors lässt mich zusammenzucken. Ich wische mir die Tränen aus den Augen, aber bleibe wie angewurzelt stehen, denn ich bin nicht mal annähernd bereit, auch nur einen einzigen Schritt in irgendeine Richtung zu gehen.

So vergehen mehrere Sekunden, und ich kann immer noch nicht glauben, was gerade passiert ist. Wut steigt in mir auf, dringt in jede meiner Poren vor.

Ich drehe mich zu Tobias um. »Sie haben es dir erzählt .« Meine Stimme bebt, denn ich bin kurz davor zu explodieren. »Sie haben dir erzählt, was sie für mich empfinden. Du wusstest es. Und du hast sie trotzdem weggeschickt.«

»Cecelia …«

»Du hast mich glauben lassen, sie wären fertig mit mir. Warum? Weil du eifersüchtig warst? Das ist so erbärmlich. Verdammt, Tobias!«

»Du weißt, dass ich nicht vorhatte, etwas mit dir anzufangen. Ich habe mich acht Monate von dir ferngehalten, bevor wir uns begegnet sind. Ich hatte nicht die Absicht, dich anzurühren.«

»Und du hast es trotzdem getan. Sie wollten die ganze Zeit zu mir zurückkommen. Sie wollten mich. Sie haben mich geliebt!«

»Und was für eine Beziehung wäre das?«

»Das geht dich nichts an.« Ich schüttele ungläubig den Kopf. »Was hast du nur getan?«

Hilflos sieht er mich an. »Ich wollte es dir ja sagen. Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie ich es dir beibringen soll. Ich wollte es dir wirklich sagen. Sie sollten eigentlich erst nächste Woche wiederkommen.«

»Und dein Geständnis hätte es besser machen sollen? Du bist nichts als ein egoistischer, hinterhältiger Lügner!«

»Ich wusste nicht, dass zwischen uns etwas passieren würde.«

»Aber du hast dafür gesorgt. Ich habe dich so satt. Ich bin fertig mit dir. Bitte geh.« Ich deute in die Richtung, in die Sean und Dominic soeben verschwunden sind.

Er kommt eilig auf mich zu, packt mich an den Schultern und sieht mich mit brennendem Blick an. »Hör auf damit, und hör mir verdammt noch mal zu.«

Ich entziehe mich seinem Griff. »Lass deine verdammten Hände von mir. Ich scheiße auf deine Regeln. Sie haben mich geliebt, und du wusstest es. Du hast uns verarscht. Uns alle drei. Du hast das getan, was du schon die ganze Zeit vorhattest, und es gibt keine Entschuldigung, die dein Verhalten rechtfertigen könnte.« Ich wehre mich, als er versucht, mich zu sich heranzuziehen. Worte bleiben mir in der Kehle stecken, und mein Herz blutet. Der Ausdruck in ihren Gesichtern wird mich für den Rest meines Lebens verfolgen. »Wenn es das ist, was passiert, wenn man dir seine Liebe und Treue schenkt, bin ich nicht interessiert.«

Ich spüre, wie alles, worauf wir unsere Beziehung aufgebaut haben, in sich zusammenfällt.

»Ich habe dir ohnehin nie richtig vertraut.« Wütend schaue ich ihm in die Augen. »Ich will dich nie wiedersehen.«

Er packt mich an den Armen. »Wenn du das nur ernst meinen würdest.« Seine Stimme ist kaum zu hören.

»Was habe ich getan?«, flüstere ich.

»Ich habe das getan, was Verbrecher tun. Ich habe dich gestohlen«, brüllt er und packt mich fester.

Ich weigere mich, ihn anzusehen. Das kann ich nicht, denn auch ich habe meinen Teil zu der Sache beigetragen. Meine Knie fangen an zu zittern, als mir wieder das Bild der beiden Männer in den Sinn kommt.

»Pass auf, Tobias, du wirst emotional«, sage ich tonlos. »Das ist schlecht fürs Business.«

Ich spüre seinen Schmerz, seine Verzweiflung, aber ich werde auf keinen Fall nachgeben.

»Gib mir einfach … eine Chance, mit ihnen zu reden.«

»Geh. Rede mit ihnen. Kümmere dich um deine Business- Angelegenheiten. Aber verabschiede dich jetzt, denn ich werde nicht mehr da sein, wenn du zurückkommst.«

»Denk nicht mal dran«, flüstert er so vehement, dass ich spüre, wie ernst er die Drohung meint, auch wenn Verzweiflung in seinem Tonfall mitschwingt.

»Du verdienst sie nicht. Keinen von uns. Du hast gesagt, du würdest dir was Neues einfallen lassen. Das hatte ich die ganze Zeit im Hinterkopf. Weißt du noch? Als ich dir gesagt habe, dass deine Masche langsam langweilig wird? Du hast behauptet, du würdest dir was Neues einfallen lassen.« Ich schüttele den Kopf. »Und verdammt, das ist dir wirklich gelungen.«

»Das war keine Masche. Und das hier ist kein Business.« Er umfasst mein Kinn, um mein Gesicht anzuheben, spannt seinen Kiefer an, und in seinen Augen flammen Entschlossenheit und Schmerz auf. »Vor zwanzig Minuten wusstest du noch ganz genau, zu wem du gehörst, und das weißt du immer noch. Sag mir, dass ich mich nicht täusche.«

»Du hast gesagt, wir können nicht zusammen sein.«

Er drängt sich an mich. »Das sind wir aber.«

Ich schaue ihn wütend an, und meine Tränen beginnen wieder zu fließen. »Ich werde dir nie verzeihen. Und sie werden es auch nicht tun.«

»Ich weiß.« Er beugt sich vor, um meinen Blick aufzufangen. »Ich bin vielleicht der Bad Boy, in den du dich verliebt hast, aber das macht mich nicht weniger zum Bad Boy. Bleib hier. Ich komme zurück.«

Reglos stehe ich mitten im Garten und sehe zu, wie er im Haus verschwindet. Einen Moment später höre ich den Motor seines Jaguar. Als er davonrast, geben meine Beine nach, und ich lasse mich ins Gras sinken.

In dem Moment wird mir bewusst, dass ich die alles verzehrende Liebe nicht kannte, bevor ich ihn kannte. Und ich bin mir sicher, dass ich sie nie wieder auf diese Weise erleben werde. Kaum hatte ich die Liebe gefunden, wurde sie mir entrissen. Es ist ein Fluch, ein niederschmetterndes Schicksal, in einen Mann verliebt zu sein, den ich als meinen Rivalen hätte betrachten sollen und der stattdessen mein Herz erobert hat.

Nachdem ich stundenlang zu den Wolken hinaufgeschaut habe, stemme ich mich vom Gras hoch, gehe nach oben und beginne zu packen.