I ch hole aus und werfe die Bowling-Kugel mit viel zu viel Schwung über die Bahn. Statt zu rollen, hüpft die Kugel und rollt schließlich gegen die Bande.
»Bande!«, schreit Viola und reißt die Arme hoch.
»Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?«, fragt sie als ich mich zu ihr setze und einen großen Zug aus der Bierflasche nehme.
»Die Neue.«
»Oh. So schlimm?«
»Noch schlimmer. Es ist Cornelia Langer.«
»Cornelia Langer? Muss man die kennen?«, fragt Yvonne.
»Man nicht. Ihr schon.«
»Mann, hör auf, in Rätseln zu sprechen. Spuck es schon aus.«
Statt etwas zu sagen, lege ich zwei Fotos auf den niedrigen Tisch zwischen uns. Die Mädels beugen sich neugierig über die Bilder.
»Nein! Das kann doch nicht wahr sein! Ich dachte, die ist in New York oder so.«
»War sie auch. Aber jetzt ist sie zurück. Und macht mir wieder das Leben zur Hölle.«
Meine Augen brennen. Die letzten Wochen waren schon schrecklich, aber da wusste ich noch nicht, wer meine neue Vorgesetzte sein wird. Seit letzter Woche verbringe ich meine gesamte Arbeitszeit mit ihr. Noch schlimmer konnte es kaum kommen. Ich hasse diese Frau. Ich habe sie schon früher gehasst.
Sie … ist der Teufel in gut aussehender Gestalt.
Schon damals hat sie mir das Leben zur Hölle gemacht. Die Jahre zwischen dem ersten Tag der fünften Klasse und dem Abitur waren ein einziger Spießrutenlauf für mich. Dank ihr.
Schon damals hat sie mich jeden Tag spüren lassen, dass ich in der Hackordnung unter ihr stehe.
Ich muss dazu sagen, dass ich früher anders war als heute. Ich war ängstlich und schüchtern. Ein echtes Mauerblümchen. Freunde hatte ich im Grunde keine. Die ehemaligen Schulkolleginnen, mit denen ich mich heute treffe, sind erst seit ein paar Jahren meine Freundinnen.
Früher hatte ich ein pickeliges Gesicht, litt immer ein bisschen unter Übergewicht und konnte mich für Fächer interessieren, die sonst keiner mochte. Statt im Unterricht vor mich hin zu schlafen, habe ich mich am Unterrichtsgeschehen beteiligt. Das hat mich zusätzlich zur Außenseiterin abgestempelt. Niemand wollte mit jemandem, der Spaß an Geschichte, Geographie und Wirtschaft hatte, befreundet sein. Tja, so war das damals.
Cornelia war treibende Kraft, wenn es darum ging, sich über mich lustig zu machen. Beim Sport hat sie mir regelmäßig ein Bein gestellt, selbst wenn ich Teil ihres Teams war. Wenn ich dann gestolpert bin, hat sie mich ausgelacht und sorgte dafür, dass auch alle anderen Mädchen über mich gelacht haben. Ich habe die Schulzeit gehasst. Ich habe Cornelia gehasst.
Aber vor allem habe ich sie sofort erkannt, als sie letzte Woche den Sitzungsraum betreten hat.
Sie gibt jedoch vor, mich nicht zu kennen, was absoluter Bullshit ist. Sie weiß ganz genau, dass wir an der gleichen Schule waren, also weiß sie auch, dass wir uns kennen.
»Hast du mit ihr gesprochen? Wegen früher meine ich.«
Ich schüttle den Kopf.
»Aber du hast es doch die ganze Zeit im Kopf.«
Genau so ist es. Und ich warte auf meine Chance. Irgendwann kommt mein Moment und dann fliegt Cornelia über MEINEN ausgestreckten Fuß.
»Übernächste Woche habe ich übrigens keine Zeit.«, erkläre ich.
»Ich muss auf eine Messe fahren.«
»Cool.«
»Ich muss mit Cornelia fahren.«
»Doch nicht so cool.«
Genau so schaut es aus. Es ist nicht cool. Nicht mehr. Eigentlich fahre ich gerne auf Messen und liebe es, mit den Leuten in Kontakt zu treten oder alte Kontakte zu pflegen. Allerdings fahre ich lieber alleine. Dann bestimme ich das Tempo und kann entscheiden, mit wem ich ins Gespräch komme und mit wem nicht.
Mit Linh sollte das kein Problem werden. Aber Cornelia … Warum konnte dieser Kelch nicht an mir vorüber gehen? Ich hasse diese Frau.
Miststück.
Erst macht sie mir die Schulzeit zur Hölle und dann klaut sie mir auch noch den Job.
Die schreckt vor nichts zurück. Sie ist furchtbar.
»Ich habe gehört, dass sie ziemlich gut ist in dem, was sie macht.«
Das mag schon sein. Trotzdem mag ich sie nicht. Weil sie ein durchtriebenes, manipulatives Miststück ist. Die Leute sind ihr so hörig, dass sie nicht merken, wie sie an der Nase herum geführt werden.
Bestimmt sägt sie sogar schon an Mareks Stuhl.
Zuzutrauen wäre es ihr. Auf jeden Fall.
»Strike!«, schreit Viola und reißt die Arme schon wieder hoch.
Ich bin an der Reihe. Vielleicht sollte ich es so machen, wie meine Therapeutin mir vor Jahren geraten hat. Ich könnte mir vorstellen, dass Cornelia zwischen den Kegeln hockt und dann... treffe ich bestimmt.
Ich hole Schwung. Die Kugel rollt. Die Kegel fallen und ich … reiße die Arme hoch.
»Jihaaaa!«, schreie ich und lege ein kleines Tänzchen aufs Parkett.
»Nicht schlecht! Gar nicht schlecht.«, lobt Viola anerkennend.
Ihr Lächeln ist offen und ehrlich. Nicht so ein aufgesetztes und unechtes Lächeln, wie Cornelia es immer zur Schau stellt.
Die Anwesenheit meiner Freundinnen und der Alkohol sorgen dafür, dass ich mich langsam ein bisschen entspanne.
Wir spielen mehrere Runden, essen Popcorn, Taccos und Würstchen und teilen uns Bier und Whiskey.
So mag ich den Abschluss einer Woche.
Schade, dass ich Cornelia Langer nicht so einfach weg kegeln kann wie die Kegel am Ende der Bahn.
»Und wenn du versuchst, dich mit ihr anzufreunden?«, fragt Hanna.
Ich schüttle heftig den Kopf. Anfreunden? Mit Cornelia Langer? Niemals. Cornelia Langer ist eine … Hyäne. Ein Kuckuck, der sich ins gemachte Nest setzt.
Sie ist eine Schlampe, die, wenn es um ihr Ego und ihren eigenen Erfolg geht, vor nichts zurück schreckt. Sie schreckt auch nicht davor zurück, mit jedem, der ihr und ihrem Erfolg dienlich erscheint, in die Kiste zu springen. Bestimmt hat sie sich auch bei Marek in den Posten hoch geschlafen. So war sie früher schon. Und so wird sie wohl auch immer bleiben. Ein Miststück vor dem Herrn.
Ich bin froh, dass ich meine Freundinnen habe. Wir alle hassen Cornelia und sind absolut einer Meinung, wenn es um sie geht.
»Optisch hat sie sich kaum verändert.«, murmelt Hanna mit Blick auf die Fotos in der Mitte des Tisches.
Ich beuge mich ebenfalls über die Bilder. Ganz unrecht hat Hanna nicht. Cornelia hat sich wirklich kaum verändert. Gut, älter ist sie geworden, was, wie bei uns allen, nicht zu übersehen ist. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ihre Fältchen ziemlich süß sind. Cornelia muss sich wahrscheinlich keine Gedanken darum machen, wie sie die Kriegsbemalung platziert, damit sie möglichst unauffällig die Fältchen bedeckt.
Bei mir ist das minimal anders. Wenn ich nichts mache, sieht mein Gesicht aus wie das einer Französischen Bulldogge. So zerknautscht bildet mein Gesicht eine Einladung für meine älteren Tanten und Omas, mir in die Wangen zu kneifen. Immer noch.
Obwohl meine größten optischen Makel zumindest einigermaßen herausgewachsen sind, betrachte ich mich selbst stets äußerst kritisch. Vor allem aber vergleiche ich mich mit Frauen, die besser aussehen und besser ankommen als ich.
Hey, ich verstehe immer weniger, warum mein Boss mir nicht die Chance gegeben hat, mich in der Chefetage zu behaupten. Ich hätte es doch wenigstens versuchen können. Schlechter als andere bin ich sicher nicht. Ich habe es drauf und bin gut in dem, was ich mache. Außerdem bin ich genauso alt wie Cornelia. Ich sehe auch gut aus. Hallo?
Ich weiß, dass ich manchmal zu kritisch mit mir selbst bin. Vielleicht ist ja das mein Problem.
»Bin ich zu … ich weiß nicht … zu hart mit mir selbst?«, frage ich meine Freundinnen.
Zwei der Frauen nicken stumm, Viola schaut mich ernst an.
»Nun ja. Sagen wir es mal so … Wann hattest du das letzte Mal Sex?«
Also … das ist doch wohl … Was hat das denn damit zu tun, ob ich hart mit mir selbst bin? Ich verstehe es nicht.
»Wann bist du das letzte Mal zu spät gekommen? Wann hast du das letzte Mal ein Knöllchen kassiert?«
Ich habe noch nie ein Knöllchen bekommen. Zu spät bin ich grundsätzlich sowieso nicht. Was sollen diese Fragen?
»Wann hast du das letzte Mal etwas gemacht, einfach, weil es Spaß macht?«
Allmählich glaube ich, dass mir bewusst wird, worauf Viola anspielt. Ich senke den Kopf.
»Wann hast du das letzte Mal … «
Mit erhobener Hand stoppe ich Violas Redefluss.
»Ist ja schon gut. Ich habe verstanden.«, brumme ich.
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
Ich schon.
»Viola hat recht.«, sagt Hanna mit Seitenblick auf mich.
»Du bist immer so verspannt, schon fast verklemmt. Wann hattest du das letzte Mal richtig, richtig geilen Sex?«
Ich schnappe nach Luft. Seit wann dreht sich bei uns eigentlich alles um Sex? Oder fällt es mir sonst nur nicht so auf?
»Du brauchst endlich eine neue Frau. Im besten Fall jemanden, die ganz anders ist als du.«
Oh Gott. Das wäre ja schrecklich. Ich schüttle mich.
»Du brauchst eine Frau, die in der Lage ist, auch mal Fünfe gerade sein zu lassen. Eine Frau, die dich aus deinem Schneckenhaus holt und dir zeigt, wie schön das Leben sein kann.«
Meine Freundinnen ereifern sich und übertrumpfen sich gegenseitig. Mir wird das Ganze schon jetzt zu viel.
Ich stehe auf und nehme die rote Kugel in die Hand. Ein Schwung nach hinten, einer nach vorne, dann wieder einer nach hinten und … zack, rollt die Kugel los. Ich schaue ihr hinterher.
Es kracht. Drei Kegel fallen um. Drei. Drei nur. Drei kleine weiße Kegel mit rotem Band. Während ich nach einer blauen Kugel greife, rumpelt meine Kugel an mir vorbei.
Nachdenklich hole ich erneut Schwung und rolle die Kugel auf die Bahn.
Ich bin doch nicht so, wie meine Freundinnen mich beschreiben. Ich. Bin. Nicht. Verklemmt.
Auf keinen Fall.
Ich muss mich nur nicht so kleiden, dass jeder meine Nippel sehen kann. Ich habe es nicht nötig, wie eine Bordsteinschwalbe herumzulaufen. Mit Fass-mich-an-Hosen und Stiefeln, deren Schaft bis knapp unterhalb der Schamlippen reicht. Oh nein. Das habe ich ganz sicher nicht nötig. Aber deswegen bin ich doch nicht verklemmt. Ich weiß nur, was ich will und was nicht.
Zum Beispiel möchte ich ernst genommen werden. In jeder Hinsicht.
»Schau mal, Ali.«, fängt Viola an.
»Wir alle haben Mann und Kinder und sind aktiver unterwegs als du. Du bist doch noch keine achtzig. Du musst nicht mit deiner Arbeit verheiratet sein.«
Aber ich bin doch gar nicht … Ich schnaube ärgerlich. Was, wenn Viola recht hat? Vielleicht muss ich ja doch etwas verändern. Ich verziehe das Gesicht.
Viola legt mir den Arm um die Schultern.
»Mach dich nicht verrückt, Süße. Du kannst doch mit ganz kleinen Schritten anfangen. Nach dem Dienst nach Hause fahren zum Beispiel und nicht jeden Abend irgendwelche Aktivitäten mit deinen Kollegen machen.«
Hmh … Und was fange ich dann mit meiner Zeit an?
Mit in Falten gelegter Stirn schnappe ich meine Bierflasche und trinke in kleinen Schlucken. Mir schmerzt der Bauch.
»Oder geh mal wieder zum Sport. Nur für dich. Weil es Spaß macht.«
Ich weiß nicht. Ich hatte mich mit meinen Freundinnen verabredet, um Abstand vom täglichen Business zu bekommen. Ich hatte gehofft, dass die Mädels mich ein bisschen aufmuntern und mir Mut zusprechen. Irgendwie funktioniert das heute nicht. Statt zu entspannen, fühle ich mich nun noch nachdenklicher.
Ist meine Art, das Leben zu gestalten, denn wirklich so verkehrt?
Eine gute Stunde später verabschiede ich mich bei Viola, Hanna und den anderen Frauen und schlage den Heimweg ein.
Obwohl ich bleiernd müde bin, liege ich im Bett und schaue die weiße Zimmerdecke an. Ich finde keine Ruhe. Die Gedanken kreisen durch meinen Kopf. Kaum schließe ich die Augen und versuche, in den Schlaf zu finden, schießt mir wieder irgendein doofer Gedanke durchs Hirn und schon bin ich wieder wach.
Gegen drei Uhr morgens fängt mein Magen an zu knurren. Ich stehe auf, mache mir eine Tasse Tee und nehme mir einen Keks. In der Hoffnung, dass mir die frische Luft gut tut, gehe ich mit Tee und Keks auf den Balkon. Ich lege die Füße auf die Brüstung und atme ganz ruhig ein und aus.
Ich muss über das, womit Viola, Hanna und die anderen mich konfrontiert haben, nachdenken.
Seit fast achtundvierzig Jahren lebe ich nun schon mit mir zusammen. Manchmal fällt es mir leicht, es mit mir auszuhalten, aber manchmal … finde ich mich selbst ganz schön zum Kotzen.
Es mag sein, dass ich es mit meinem Perfektionismus ab und zu ein bisschen übertreibe. Aber … hey, ich bin so aufgewachsen. Schon als ganz kleines Kind wurde mir eingetrichtert, das Pünktlichkeit und Fleiß Tugenden sind, die mich weiterbringen. Von mir wurden Höchstleistungen erwartet und die habe ich erbracht. Immer.
So bin ich aufgewachsen und so lebe ich auch heute noch. Ich kann mir nicht vorstellen, wie anders zu leben funktionieren soll.
Das Wochenende verbringe ich so wie jedes andere Wochenende auch. Ich starte mit einem Kaffee auf dem Balkon in den Tag. Zum Kaffee gibt es ein Croissant. Nach dem Frühstück fahre ich zum Einkaufen, weil mir dazu unter der Woche die Zeit fehlt. Nach dem Einkaufen mache ich mir ein kleines Mittagessen. Gegen vier Uhr verlasse ich nach dem Mittagsschläfchen das Haus und streife ein bisschen durch die Gegend.
Jeden meiner Schritte überprüfe ich ganz genau. Mache ich das, was ich mache, gerne, oder folge ich nur einem gewohnten Schema? Weil ich es nicht anders gewöhnt bin?
Ich könnte doch auch mal in die Stadt gehen und durch die Fußgängerzone streifen. Aber … was soll ich denn da? Ich sehe keinen Sinn darin. Also mache ich genau das, was ich letztes Wochenende auch gemacht habe. Und vorletztes Wochenende und das Wochenende davor.
Sonntag Abend bin ich so weit, dass ich das Telefon in die Hand nehme und Viola anrufe.
»Du musst mir helfen.«, krächze ich ins Telefon.
»Oh. Bist du krank? Soll ich dir eine Hühnersuppe kochen?«
»Nein. Bitte keine Hühnersuppe. Ich bin topfit.«
»Du klingst alles andere als fit.«
Das weiß ich doch. Ich rolle mit den Augen.
»Viola. Bitte. Ich brauche deine Hilfe.«
Ich versuche das, was mir am Wochenende durch den Kopf gegangen ist, mit wenigen Worten zusammenzufassen, was alles andere als einfach ist, da in zwei vollen Tagen schon ziemlich viele Gedanken zusammen kommen. Viola hört mir aufmerksam zu. Nach ein paar Minuten beginnt ihr Jüngster zu quengeln.
»Frank! Nimm du den Kleinen! Er hat die Hosen voll!«, höre ich sie rufen und kann ein Grinsen nicht unterdrücken.
Ich kann mir Franks verzogene Lippen lebhaft vorstellen. Wäre ich an seiner Stelle, würde ich vermutlich genauso zerknittert aus der Wäsche schauen.
»Gut. Gut.«, sagt Viola nach einer Weile.
»Du bist also zu dem Schluss gekommen, dass du an deinem Leben etwas verändern musst. Und wie stellst du dir das Ganze vor?«
Genau das ist die Frage. Ich zucke mit den Schultern. Eigentlich hatte ich mir ja erhofft, dass Viola ein paar Ideen für mich und mein verspanntes Ego hat. Weil ich länger schweige, holt meine beste Freundin tief Luft.
»Okay, Süße. Wie wäre es, wenn du mit ganz kleinen Schritten anfängst. Morgen gehst du direkt nach der Arbeit nach Hause. Du machst dir etwas Leckeres zum Abendessen und setzt dich danach mit einem Gläschen Wein und dem Handy auf den Balkon. Diesen Platz wirst du erst verlassen, wenn du etwas gefunden hast, womit du dir die Zeit vertreiben kannst.«
Ich grinse und lache leise.
»Handyspiele zählen nicht.«
Mist. Mein Grinsen wird noch breiter. Viola kennt mich einfach zu gut, was auch so sein soll. Schließlich ist sie nicht umsonst meine beste Freundin.
»Du wirst unter die Leute gehen, mein Schatz. Wenn du möchtest, bin ich ab und zu gerne mit von der Partie.«
Viola schweigt kurz. Auch ich kenne meine beste Freundin. Bestimmt dreht sie sich gerade um und schaut, ob die Luft rein ist.
»Bitte rette mich, Ali. Diese Familie geht mir manchmal so auf den … auf die … Eierstöcke.«
Erst gurgle ich leise. Dann lache ich etwas lauter. Bis es schließlich komplett unbeherrscht aus mir heraus bricht.
Was soll ich sagen? Ich kann Viola verstehen. Sie ist Mutter von vier aufgeweckten Kindern. Der Jüngste ist gerade mal ein halbes Jahr alt. Ihr Mann Frank ist viel unterwegs, so dass Viola jede Möglichkeit nutzt, den Tempel zu verlassen. Sie braucht das. Anders würde sie wahrscheinlich durchdrehen.
Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, warum jemand sich freiwillig mehr als zwei Kinder antut. Nach jeder Geburt hoffe ich, dass nun endlich Schluss ist und wenn sie mir dann wieder eine neue Schwangerschaft verkündet, kann ich in Gedanken nur noch mit dem Kopf gegen eine Wand laufen.
Dabei gehörte Viola früher zu den Mädchen, die absolut und unwiderruflich davon überzeugt waren, niemals Kinder zu bekommen. Da sieht man mal wieder, wie sehr das Leben die Haltung der Menschen verändert. Das Leben. Oder der richtige Partner.
In Frank hatte Viola anscheinend diesen Partner gefunden.
»Gut Schatz, Frank ist morgen daheim. Das heißt, dass ich gegen zwanzig Uhr bei dir aufschlage.«
Das klingt gut. Richtig gut sogar. Dann bleibt mir vorher noch ein bisschen Zeit, meinen mager gefüllten Kühlschrank aufzufüllen. Wenn Viola mich besucht, stürzt sie sich meistens als erstes auf meine Wein- und Biervorräte, was für mich bedeutet, dass ich dringend auffüllen muss.
»Und was mache ich jetzt mit Cornelia?«, frage ich bevor Viola auflegen kann.
»Du hast mehrere Möglichkeiten.«
»Leg los.«
»Erstens Krieg.«
Okay. Das klingt nicht so gut.
»Alternativ könntest du sie ignorieren. Oder du machst sie dir zur Verbündeten und freundest dich mit ihr an. Vielleicht ist es ja so, wie sie behauptet und sie kann sich wirklich nicht mehr an dich erinnern.«
Das wage ich zwar zu bezweifeln, aber eine Möglichkeit wäre es immerhin.