Wo ein fetter Boden keine Magerwiese entstehen lassen wird, kann ein wunderbar lebendiger „Malvenwald” die Besitzer und die Tierwelt erfreuen.
Bedeutet Vielfalt in den Garten zu bringen, dass jetzt jeder Naturgarten alle möglichen Elemente aufweisen soll oder muss? Muss man an Orten, an denen es viel Niederschlag gibt und lehmige, nährstoffreiche Böden, unbedingt eine trockene Magerwiese etablieren? Muss man für die Artenvielfalt in eine feuchte Wiese noch einen Schwimmteich hineinbauen? Die klare Antwort lautet: Nein, das muss man nicht. Aus Gründen der Nachhaltigkeit sollte man immer zuerst mit den vorhandenen Möglichkeiten arbeiten. Übrigens, sollte man das schon rein aus Bequemlichkeit tun, denn je angepasster eine Vegetation an das Vorhandene ist, umso robuster und pflegeleichter ist sie. Was aber bedeutet Nachhaltigkeit? Nachhaltig agieren heißt, so zu handeln, dass soziokulturelle, ökologische und ökonomische Ressourcen nur so weit ver- und gebraucht werden, dass sie auch zukünftigen Generationen in der gleichen Qualität und Quantität zur Verfügung stehen: enkelfreundlich, sozusagen. Diesen Ausdruck mag ich, denn im Gedanken an die eigenen Kinder und Enkel agieren viele Leute mit mehr Rücksicht als im Gedanken an die doch eher abstrakte Welt im Gesamten.
Die Rücksichtnahme auf Tiere und heimische Pflanzengesellschaften und deren Erhalt für unsere Enkel sind auch ein Teil der Nachhaltigkeit. Nur was man kennt, schützt man. Kinder, die glauben, dass Kühe lila sind, und für die ein Rasenroboter zum Haustier wird, werden sich nicht für den Schutz von Flussauen und Bergwiesen einsetzen, sie kennen sie ja gar nicht. Das ist schade, denn die Liebe zum Lebendigen, die Biophilie, ist tief im Menschen angelegt. Fehlender Naturkontakt hinterlässt demnach ein Loch in der Seele. Umso wichtiger ist es, das Leben in den Garten und vor die Haustür einzuladen. Neben dem Schaffen von Lebensräumen bedeutet Nachhaltigkeit im Garten, das Klima und die Menschen, die die Dinge und Pflanzen produzieren, die wir verwenden möchten, zu berücksichtigen. Bei der Prüfung des eigenen Vorhabens auf Nachhaltigkeit helfen die folgenden acht Rs:
→ Realitätsbezug
→ Reduktion
→ Reparatur
→ Recycling
→ Regionalität
→ Robustheit
→ Ressourcenschonung
→ Rücksichtnahme
Ideen gibt es viele, als Entscheidungshilfe sollte zuerst die Frage dienen: Warum will ich das? Gartenzeitschriften zeigen uns Bilder, die das Bedürfnis wecken, genau so zu leben. Die Fotos transportieren starke Gefühle, sie zeigen glücklich lachende Paare vor einer Villa mit Pool, spielende Kinder in fleckenlosen hellen Kleidern mit Hund in einer Blumenwiese, strahlende, apfelbäckige Großeltern in einem großen Gemüsegarten. Das weckt in uns die Sehnsucht nach einer heilen Welt, die es so leider nicht gibt. In der Realität wäre das Paar verschuldet, Kinder und Hund dreckig, die Blumenwiese zertrampelt und die Großeltern stünden noch voll im Arbeitsleben, ohne Zeit für viel Gemüse. Sehnsüchte sind schön, aber bevor wir den Spaten in die Hand nehmen, sollten wir uns fragen, ob es wirklich die eigenen Sehnsüchte sind oder ob nur die Werbebranche gut gearbeitet hat. Passt das Projekt in die eigene Lebensrealität? Ist genug Geld für den Pool oder Zeit fürs Gemüse da? Manchmal ist Nichtveränderung die angenehmste und nachhaltigste Lösung. Ist eine Baumaßnahme doch ein Herzenswunsch oder einfach notwendig, sollte man dafür die nachhaltigste Lösung suchen. Ich liebe Beispiele, deshalb werde ich die sieben verbliebenen Rs an einem Beispiel verdeutlichen: Die Familie ist größer geworden, es gibt Schwiegerkinder, ein neuer Sitzplatz für zehn statt sechs Personen muss her. Die alte Pergola ist etwas morsch und einige Terrassenplatten wackeln.
Ein naturnah und nachhaltig gestalteter Garten wirkt über die Eindrücke, die der Nachwuchs darin erfährt, noch Generationen fort.
Je kleiner die neue Terrasse wird, desto weniger Material und weniger Zeit wird benötigt, damit wird weniger CO2 bei der Herstellung und dem Transport der Platten frei. Überlegen Sie zuerst, wie klein die neue Terrasse sein darf, damit zehn Personen Platz finden, immerhin sind es die meiste Zeit ja weniger Menschen. Kann die vorhandene Terrasse nicht eventuell einfach nur vergrößert werden? Dafür müsste kaum zusätzliche Fläche befestigt werden. Ist die alte Fläche so beschaffen, dass man nicht anbauen kann, erfüllt vielleicht auch eine zweite, nahe gelegene Terrasse den Zweck. Teenager z. B. sind durchaus ganz gern mal unter sich.
Eine schmale umlaufende Holzterrasse aus heimischer Lärche bietet verschiedene Sitzplätze und verbraucht nicht viel Platz und Ressourcen.
Sind die Steher der Pergola noch in Ordnung und nur die dünnen Querlatten morsch, so reicht es, die Querlatten zu ersetzen. Das spart nicht nur Material, sondern schont auch die eventuell schon vorhandenen Kletterpflanzen. Wackelnde Belagplatten können Sie aus dem Splittbett nehmen, das Bett neu nivellieren und die alten Platten wieder darauf verlegen.
Können die Platten wiederverwendet werden, ist das zwar gut, aber es sind für einen größeren Sitzplatz ja auf alle Fälle zu wenig Platten. Mit etwas Geduld kann man gebrauchte Platten in der Nachbarschaft bekommen, das erspart den sonst mit der Besorgung verbundenen CO2-Ausstoß und den Nachbarn die Entsorgung. Beispiele für interessante Stein- und Plattenkombinationen finden Sie an verschiedenen Stellen im Buch. Auch alte Mauerteile können als Terrassenbelag funktionieren.
Ist das alles nicht praktikabel, überlegen Sie, wie aufwendig der Abbau und die Entsorgung der alten Terrasse sind. Manchmal kann man die alte Terrasse mit einer neuen Fläche überbauen. Gut geeignet dafür ist ein Belag aus Holz aus heimischen Wäldern, z. B. Lärche, Eiche oder Robinie, das von einem nahen Sägewerk geliefert werden kann. Terrassenbretter sind ca. 4 cm stark, eine Höhe, die oft noch über schon vorhandene Platten passt. Zum richtigen Zeitpunkt geschnittenes, gut getrocknetes Holz ist zwar nicht so langlebig wie Stein, aber unter Beachtung von konstruktiven Holzschutzmaßnahmen hält eine Lärchenholzterrasse auch 20–30 Jahre. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, meist wird eine gerodete Waldfläche neu bepflanzt, und unser Terrassenholz liegt jahrzehntelang, somit ist die Produktion klimaneutral. Bei Betrieben in der Region zu kaufen erhält lokale Arbeitsplätze und unser Landschaftsbild, das vom Wechselspiel zwischen Wäldern, Rodungsflächen und Wiesen geprägt ist.
Ressourcen umfassen alles, was im Garten vorhanden ist und in den Garten eingebracht wird. Jeder gut gepflegte Spaten ist eine Ressource, ebenso wie selbst produzierter Kompost oder Bohnenstangen vom eigenen Haselstrauch. In unserem Beispiel wurden mit all den vorher genannten Maßnahmen Ressourcen – also Splitt, Stein, Holz – gespart. Durch die Verwendung eines sickerfähigen Belags wird noch eine weitere Ressource geschont, nämlich Wasser. Wegen des Klimawandels kommt es immer häufiger zu Starkregen, das bedeutet, eine große Regenmenge fällt in kurzer Zeit. Von versiegelten Flächen wie Beton fließt das Wasser ungenutzt in den Kanal und dann in Flüsse, wo die Starkregenmengen zu Überschwemmungen führen. Unversiegelte Flächen wie gewachsener Boden, Wege und Plätze aus Kies (siehe Wassergebundene Decke, >), Platten im Splittbett oder Holzterrassen mit Fugen, lassen Regen ins Grundwasser durchsickern und helfen, die Grundwasserspeicher wieder aufzufüllen.
Auch die Robustheit, also Qualität und Langlebigkeit eines Materials, bestimmt, ob es als nachhaltig gelten kann. Soll es in unserem Beispiel doch eine Terrasse aus neuen Steinplatten werden, sollte es Material aus der Region sein, dieses fügt sich optisch gut ein und verursacht kaum Transportkosten. Die meisten Steine aus Mitteleuropa, z. B. Granit aus der Böhmischen Masse, sind enorm langlebig und damit enkelfreundlich. Mit der Zeit entwickeln sie Patina und Charme: Kanten werden abgetreten, Moos sammelt sich an, kleine Pflänzchen sprießen aus den Fugen.
Wir haben nur diese eine Welt. Sind ihre Ressourcen einmal verbraucht, dann war es das.
Dank der Globalisierung sind wir mit der ganzen Welt verwoben. Mit unseren Kaufentscheidungen beeinflussen wir Bedingungen in anderen Ländern und Erdteilen. Zwei kleine Beispiele:
Für Tropenholz werden Regenwälder abgeholzt. Selbst wenn es „aus Plantagen” stammt, gab es anstelle der Plantage früher einmal einen artenreichen Regenwald. Die Arbeitsbedingungen vor Ort entsprechen bei Weitem nicht unseren Standards und der Transport produziert einen enormen CO2-Ausstoß. Eine Abholzung von Regenwäldern bedeutet dazu meist Brandrodung, wodurch Unmengen von CO2 und andere Rauchbestandteile in die ohnehin schon aufgeheizte Atmosphäre gelangen und Tiere qualvoll verenden.
Ein sickerfähiger Belag aus recycelten verschiedenen Platten und Pflastersteinen mit bewachsenen Fugen ist ressourcenschonend und erfüllt seinen Zweck.
Natursteine aus China und Indien können uns in den Baumärkten nur so billig angeboten werden, weil die Menschen dort unter schlechten Bedingungen arbeiten müssen und weil Umweltschäden nach wie vor nicht eingepreist werden. Die Riesentanker, die den billigen chinesischen Granit liefern, tanken Schweröl, das viel Schwefel und Schwermetalle enthält, und für den Schiffsanstrich werden umweltschädliche Chemikalien verwendet. Das Ballastwasser kann Fremdorganismen und Krankheitskeime enthalten und Abwässer und Abfälle der Tanker werden einfach ins Meer entsorgt.