21 . Kapitel

Stralsund, Juni 1984

K ay hatte Mina gebeten, sich das Wochenende freizunehmen und ihn auf der Fritz Heckert zu besuchen. Er wollte ein paar ungestörte Tage mit ihr verbringen, um der Beziehung neues Leben einzuhauchen. An Bord hatte er eine eigene Kammer, und das war mehr, als er ihr in Rostock bieten konnte. Sie lebte zu Hause mit ihren vier Geschwistern, und er teilte ein Zimmer mit seiner Schwester. Kay war überzeugt davon, dass sie gemeinsame Zeit und romantische Liebesnächte bräuchten, um zueinanderzufinden. Wenn sie wieder eine Einheit wären, hätte er den Rücken frei und wäre stark genug, um für seine Rechte zu kämpfen.

Er hatte seine Kammer geputzt, frische Bettwäsche von zu Hause mitgebracht, den rumänischen Dessertwein Murfatlar besorgt und richtige Gläser aus der Schiffsbar ans Bett gestellt. Der Schlummertrunk war vorbereitet.

Nur mit dem Essen haperte es. In der Messe gab es Brötchen mit Aufschnitt. Mehr war nicht drin. Dafür sollte es in seiner Kammer umso gemütlicher werden. Er wollte Mina ein Wochenende voller Zweisamkeit in ungewöhnlicher Umgebung bieten. Und wenn der Mai es gut mit ihnen meinte, stünden ihm nicht nur leidenschaftliche, sondern auch milde Nächte mit Vollmond bevor.

Warum nur war er so aufgeregt?

Als sie endlich mit ihm an Deck stand, war alles gut.

Er zeigte ihr das ganze Schiff. Sie schlenderten durch die Kammern und über die verschiedenen Decks. Sie sahen sich sogar eines der alten Schwimmbäder an. Die hatten schon lange kein Wasser mehr gesehen, denn das Schiff starb, oder besser gesagt: Es war schon tot.

»Was soll das alles?«, fragte Mina. »Warum lässt die Reederei das Schiff so verkommen?«

»Tja, kein Geld? Als Wohnheim bringt es sicher nichts ein. Aber immer noch günstiger, als es zu verschrotten.«

»Aha.«

Er führte Mina weiter zur Bar. Hier saßen einige Kollegen, denen er sie vorstellte. Die Jungs bekamen große Augen, denn Mina sah wunderschön aus in ihrem weißen Kleid.

»Wodka-Cola, bitte«, sagte er zu Ronnie, dem älteren Barkeeper. Der grinste breit und griff nach zwei Gläsern.

Da braucht er gar nicht so zu grinsen, dachte Kay, sich etwas Mut anzutrinken, ist schließlich nicht verboten.

»Schön, dass wir endlich mal ein bisschen Zeit für uns haben«, sagte er und griff nach Minas Hand. »Hast du nicht Lust, öfter übers Wochenende zu mir zu kommen?«

»Ja, schon.«

Kay sah mit Sorge, dass sie sich über die Augen rieb, als falle ihr keine rechte Antwort ein. Vielleicht war sie auch nur müde. »Du im Schichtdienst und ich in Stralsund, das ist zu wenig gemeinsame Zeit.«

»Ist eine weite Zugfahrt. Jedes Mal hin und zurück.«

Das stimmte natürlich, aber hörte sich verdammt distanziert an. Was war los? Er nahm sich vor, dass das gemeinsame Wochenende unvergesslich für Mina zu machen. Er würde ihr zeigen, was sie verpasste. Jetzt erst recht.

Und damit fing er noch in dieser Nacht an.