Am nächsten Morgen kommt Bauer Albert mit einem Mann vorbei, der eine Hornbrille auf der Nase trägt.

Er ist Tierarzt und untersucht Emelé mit merkwürdigen Instrumenten aus seiner Arzttasche. Oh, die sind ganz kalt!

Aber Emelé hat keine Kraft, sich zu beschweren. Zum Schluss schüttelt der Tierarzt nur den Kopf und beide Männer verlassen den Stall. Was ist los mit Emelé?

Jeden Tag geht es dem kleinen Kuhmädchen schlechter und sie hat auch keinen richtigen Appetit mehr, obwohl sie doch sonst so gerne frisches Heu frisst!

Ihre Eltern sind sehr besorgt.

An einem Morgen legt der Bauer Emelé ein rotes Lederbändchen um den Hals und führt sie auf einen kleinen Lastwagen.

Was ist denn jetzt los?, fragt sich Emelé. Sie begreift nicht, was geschieht. Als der Wagen sich in Bewegung setzt, ruft sie laut „Muuuh, Muuuh, Muuuh“ nach ihrer Familie. Aber Mama, Papa, und Oma müssen leider zurückbleiben. Emelé ist traurig, dass ihre Familie sie nicht begleiten kann.

Der Lastwagen rollt über die engen Straßen. Als Emelés Traurigkeit sich etwas gelegt hat, sieht sie, wie wunderschön die Landschaft ist, durch die sie fahren. Auf der einen Seite der schmalen Straße ragen mächtige Felsen in die Höhe.

Auf der anderen Seite geht es steil bergab und Emelé kann ganz weit hinaus auf das Meer schauen.

Oooh, wie schön!, staunt Emelé. Schade, dass Papa, Mama und Oma das nicht sehen können. Oma wüsste bestimmt, wozu der kleine, runde Felsenturm dient, der mit seiner weißen, wehenden Fahne ganz vorne an der Küste steht. Hoffentlich bin ich bald wieder daheim, denkt Emelé.

Da landet plötzlich ein kleiner Schmetterling auf Emelés Nase! Er schaut sie aufmunternd an und singt: „Ich bin Papillon. Pa-pi-ll-on“ und schon flattert er weiter. Emelé schaut ihm sehnsüchtig nach.

Auf einmal bremst der Lastwagen scharf. Die Fahrt ist zu Ende, sie sind auf einer großen Farm angekommen.

Wo bin ich?, fragt Emelé sich verblüfft. Werde ich hier vielleicht gesund gemacht?

Sie sieht viele unterschiedliche Tiere umherstreunen.

Das Stimmengewirr ist ungewohnt, aber es beruhigt Emelé auch ein bisschen. Sie wird von einer Frau in einen gemütlichen Stall geführt. Sie ist Tierärztin.

Der Stall grenzt an eine umzäunte Wiese, auf der einige Kühe, aber auch Pferde und Esel schmatzend nebeneinander grasen.

Emelé ist müde von der anstrengenden Reise.

Noch bevor sie sich genauer umsehen kann, schläft sie ein.

Als sie erwacht, blickt sie in zwei pfiffige Augen.

„Hallo, du Schlafmütze! Ich bin Vitello!“, begrüßt sie der kleine Kuhjunge, der vor ihr steht. Nachdem Emelé ihre erste Scheu vor ihm verloren hat, erfährt sie von Vitello, dass er von der Nachbarinsel Sardinien stammt.

„Meine Insel ist genauso schön wie Korsika“, erzählt Vitello. „Und von oben sieht sie aus wie ein großer Menschenfußabdruck.“

Das hört sich ja lustig an! Zum ersten Mal seit langem kann Emelé wieder etwas lachen.

„Bald bist du wieder ganz gesund“, verspricht Vitello.

„Die Farm ist so etwas wie ein Krankenhaus für Tiere mit lieben Tierpflegern."

Vitello ist schon seit einigen Tagen auf der Farm, da er sich beim Herumtollen wehgetan hat.

Emelé und Vitello werden schnell dicke Freunde. Sie erkunden zusammen die Umgebung und erzählen von ihren Familien. „Du kommst von einer anderen Insel, die zu einem anderen Land gehört, und du bist trotzdem gar nicht so viel anders als ich!“, stellt Emelé fest.

„Ja, wir mögen die gleichen Kleeblätter und stapfen gerne durch Wasserpfützen. Und wir schnuppern auch gerne an Pflanzen, die wir noch nicht kennen. Ich glaube, wir sind beide Entdecker! Schön, dass Du da bist!“, schwärmt Vitello und ergänzt etwas verschämt: „Früher dachte ich, Kuhmädchen wären doof und langweilig!“ Emelé lacht.

Die beiden Kuhkinder mögen sich.

Woher sie kommen und was sie sind ist doch egal!

Emelé wird wieder kräftiger und die beiden spielen viel oder betrachten die vorbeiziehenden Wolken und erfinden Geschichten dazu.

Auf dem Farmgelände gibt es auch einen kleinen See, der viele Tiere anlockt, wenn sie durstig sind. Emelé und Vitello stellen sich vor, er wäre ein großes Meer, auf dem sie wilde Abenteuer bestehen müssten.

Emelé ist dabei genauso mutig wie Vitello.