Fredrik Smedstuen konnte Samstage nicht ausstehen.
An jedem zweiten Wochenende kamen die Kinder zu ihm. Das ging niemals gut. Sie waren elf, zwölf und vierzehn Jahre alt und hatten in der Regel eigene Pläne. In der Souterrainwohnung, mit der er sich begnügen musste, gab es nur zwei kleine Schlafzimmer. Der Jüngste, noch immer ein ziemlich schüchterner, von Babyspeck geplagter Knabe, musste mit dem Vater im Doppelbett übernachten. Die Zwölfjährige musste das Zimmer mit dem großen Bruder teilen, worüber sie sich gewissenhaft jedes Mal lautstark beklagte, wenn die drei ziemlich schlecht gelaunt jeden zweiten Freitag um fünf Uhr nachmittags mit ihren Siebensachen zu seinem Auto getrottet kamen. In der Anfangsphase als getrennt lebender Mann hatte Fredrik darauf bestanden, jeweils am ersten Abend mit den Kindern zusammen zu sein. Tacos zu essen, wie alle anderen, zusammen einen Film zu sehen, vielleicht, oder ein Spiel zu spielen. Die drei dagegen erklärten, sie seien garantiert die einzigen Kinder auf der ganzen Welt, die zu so etwas gezwungen wurden. Schon beim dritten Mal hatte er aufgegeben.
Die gemeinsamen Wochenenden waren nun auf den Fahrdienst reduziert worden, wobei er die Kinder zu Verabredungen, Training und Geburtstagsfesten kutschierte, ehe sie stocksauer abgeholt wurden und sich in der Souterrainwohnung schlafen legten, die sie alle vier von ganzem Herzen hassten.
Am vergangenen Wochenende hatte er Selma Falck vernehmen müssen, während die Kinder mit seiner Bankkarte im McDonald’s saßen. Sie waren ausgeflippt. An diesem Wochenende war Fredrik allein.
Das war trotz allem immer noch besser. Die Sehnsucht nach den Kindern, nach seinem normalen alten Leben als Vollzeitpapa, als sie kommen und gehen konnten, ohne dass er das Gefühl hatte, etwas zu verpassen, war leichter zu ertragen, wenn er keine Verantwortung für sie trug. Am schlimmsten war es, wenn sie in Reichweite waren, ohne wirklich da zu sein. Noch immer war es das Schwierigste an der Trennung, dass er keine Anknüpfung mehr an den Alltag der Kinder hatte. Als er angedeutet hatte, dass auch Eivind, Marie und Mikkel es ertragen können müssten, je eine Woche bei einem Elternteil zu wohnen, wie die meisten anderen Scheidungskinder seiner Bekannten, hatte seine Frau nur gelacht. Laut. Und gesagt, er könne die Kinder gerne fragen, ob das für sie infrage käme.
Da er die Antwort da schon kannte, hatte er nicht gefragt.
Heute würde er jedenfalls zur Arbeit gehen, sogar an einem freien Tag.
Seit dem Mord an Linda Bruseth war über eine Woche vergangen. Wenn sie auch nur von den Menschen in ihrem Heimatdorf bewundert und geliebt worden war, so war sie doch eine Volksvertreterin gewesen. An den ersten Tagen, als alle glaubten, der Attentatsversuch habe eigentlich Selma Falck gegolten, hatten die marktschreierischen Schlagzeilen für kurze Zeit sogar den NAV -Skandal in den Hintergrund gedrängt. Inzwischen war aus dem Polizeigebäude aber so viel durchgesickert, dass auch die Medien begriffen hatten, dass Linda Bruseth das eigentliche Ziel gewesen war.
Fredrik hasste es, wenn etwas durchsickerte, hatte den Kampf dagegen aber längst aufgegeben. Einzelne Presseleute, vor allem zwei von DG , lebten in einer fast symbiotischen Beziehung zu einigen ausgewählten Ermittlern. Sie tauschten Informationen, wie kleine Mädchen in alten Zeiten Glanzbilder getauscht hatten. Geben und Nehmen , in einem ewigen Kampf um die Leckerbissen. Fredrik Smedstuen musste bisweilen zugeben, dass eine solche Zusammenarbeit Früchte tragen konnte, vor allem, wenn es um Absprachen darüber ging, was wirklich noch nicht an die Öffentlichkeit gelangen durfte. Dennoch widersprach es all seinen Prinzipien, mit Journalisten zu verhandeln. Richtig wütend konnte er werden, wenn er in den Medien auf Informationen stieß, die offenkundig von einem seiner eigenen Ermittler stammten, die aber noch nicht einmal auf seinem Schreibtisch angekommen waren.
Innerhalb von drei Tagen war Linda Bruseth in den Medien zu einer markanten Politikerin geworden, was nicht stimmte. Sie war in ihrem Heimatdorf heiß geliebt worden, was zutraf. Sie war als Folge ihrer warmen Verteidigung der Flüchtlinge im Herbst 2015 ein Opfer des politischen Fanatismus geworden, was der pure Unsinn war. Die Frau hatte im Parlament nicht ein Wort über Zuwanderungspolitik gesagt. Dass ein zuwandererfeindlicher Heckenschütze vier Jahre gewartet haben sollte, um gerade Linda aufs Korn zu nehmen, wo es an lautstarken Liberalen wirklich nicht mangelte, war einfach nicht zu glauben. Das Problem war dasselbe wie immer; aus Mangel an handfesterem Material verlegten die Presseleute sich aufs Spekulieren.
Das einzige Lichtfünkchen in Bezug auf die Medien war, dass sie noch keinen Zusammenhang zwischen dem Tod von Kajsa Breien und dem von Linda Bruseth ahnten. Noch immer glaubten die Redaktionen überall im Land offenbar, im Fall der Richterin handele es sich um Selbstmord. Sie behandelten die Angelegenheit deshalb diskreter, als es sonst der Fall gewesen wäre.
Vorläufig jedenfalls, dachte Fredrik resigniert.
Er schaute sich auf seinem chaotischen Schreibtisch um.
Angeblich arbeiteten sie ja jetzt papierlos.
Er öffnete die dunkelblaue Thermoskanne und füllte seinen Becher. Der war weiß, und auf der einen Seite war ein Sommerbild seiner Kinder zu sehen. Auf der anderen Seite stand in regenbogenfarbenen Buchstaben »Bester Papa der Welt«. Er nahm einen großen Schluck glühend heißen Kaffee und seufzte tief.
Den Becher hatte er vor vier Jahren bekommen. Als er ihn abstellte, drehte er den Text weg.
Fotos. Er war dabei, darin zu ertrinken. Dass absolut alle Welt in wildem Tempo mit dem Handy in der Gegend herumknipste, kam der Polizei ab und zu zugute. Seit im vergangenen Jahrzehnt die Anzahl der Überwachungskameras im Stadtzentrum geradezu explodiert war, war nur selten der Mangel an Fotografien das Problem, wenn in der Innenstadt ein Verbrechen passierte.
Die eigentliche Herausforderung war die Menge.
Oft konnte man den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, und die Sichtung und Recherche verschlangen wahnsinnig viel Zeit. Noch immer hatte die Polizei keinen vollständigen Überblick über alle Handys, die sich in der Nähe des Cafés in der Thorvald Meyers gate befunden hatten, als Linda Bruseth erschossen wurde, aber es sah nun doch so aus, als würden die Telefongesellschaften ihnen helfen.
Ob sie das weiterbringen würde, war eine andere Frage.
Er hatte kaum geschlafen. Sein Treffen mit Selma Falck in der Sagene Lunsjbar hatte ihm nicht aus dem Kopf gehen wollen. Die Vorstellung, dass ein Regierungsmitglied in Lebensgefahr schwebte, war so beängstigend, dass er sie allein nur schwer ertragen konnte. Selma arbeitete nur für sich und hatte wenige Verpflichtungen. Seine Aufgabe in diesem Leben war es jedoch, Unrecht zu verhindern und Verbrechen aufzuklären. Als er am Vortag nach dem Treffen ins Polizeigebäude zurückgekehrt war, hatte er sich vor allem versucht gefühlt, den Dienstweg zu umgehen und gleich zur Polizeichefin im fünften Stock zu marschieren, um sich ihr anzuvertrauen.
Aber was sollte er sagen?
Was um alles in der Welt sollte er sagen? Selmas Gedankengang war so löchrig, dass er ihn wohl kaum ordentlich in Worte kleiden könnte. Noch viel weniger würde er irgendwen davon überzeugen können, dass sie auf die große Trommel schlagen und die norwegische Regierung alarmieren müssten.
Er hatte es nicht getan.
Fredrik erhob sich mühsam. Mit dem Becher in der Hand verließ er seinen Arbeitsplatz und ging dann vier Büros weiter. Diese Tür stand offen.
»Hallo«, sagte er zu der Kollegin, die dort saß.
»Hallo«, sagte sie und schaute auf. »Du hast also auch kein freies Wochenende?«
Sie ließ die Maus los und winkte ihm, sich zu setzen.
»Soll ich dir einen Kaffee holen?«, fragte er. »Ich habe eine Thermoskanne mit.«
»Nein, danke. Ich trinke Tee.«
Erst jetzt sah er, dass halbwegs versteckt hinter dem Bildschirm eine richtige Teetasse aus Porzellan stand, mit Untertasse und allem. Fredrik zog das Handy aus der Gesäßtasche und legte es mit dem Display nach unten auf den Tisch, ehe er sich in den Besuchersessel fallen ließ.
»Kommt ihr irgendwie weiter?«, fragte er und unterdrückte ein Gähnen.
Hauptkommissarin Sylvi Mobakk zuckte mit den Schultern.
»Tja«, sagte sie, »du hattest immerhin recht damit, dass hier kein Selbstmord vorliegt.«
»Hatte ich mir gedacht.«
»Erstens ist es ein Rätsel, wie sie dahingekommen sein soll, wenn sie das freiwillig getan hat. In der Gegend steht nirgendwo ein Auto, das mit ihr zu tun haben kann. Keine Zeugen haben sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen sehen. Bei ihrem … aparten Aussehen hätte sie irgendwem auffallen müssen.«
»Sie war zudem allgemein bekannt. Fast berühmt, meine ich.«
»Ja. Wenn nicht irgendwer sie hingefahren hat, mit Strick und allem Drum und Dran, und dann weitergefahren ist, als hätte alles die schönste Ordnung, dann ist die Frau umgebracht worden. Es sei denn, sie konnte fliegen. Um nach da oben zu kommen und dann weiter in den Baum, meine ich. Der Obduktionsbericht ist natürlich noch nicht fertig, aber gestern Abend kamen einige vorläufige Ergebnisse. Die Todesursache war Strangulation, aber die Spuren und Verletzungen stimmen nicht mit denen überein, die beim Erhängen entstehen. Die Seilabdrücke sind offenbar post mortem dazugekommen. Lange Rede, kurzer Sinn: Das hier ist ein Mordfall. Leider.«
»Wann ist sie verschwunden? Konnte sie noch vermisst gemeldet werden?«
»Ja. Gewissermaßen. Wir sind noch nicht sehr weit gekommen, es ist …«
Sie schob den Pulloverärmel hoch und warf einen Blick auf die Uhr.
»… erst an die fünfzig Stunden her, dass wir sie gefunden haben. Aber soviel wir wissen, war sie am Mittwochabend zu Hause und hat dort mit der Familie zusammen gekocht, was offenbar eine feste Abmachung ist. Die Kinder sind viel beschäftigt, vor allem an den Wochenenden, aber die Mittwochabende scheinen heilig zu sein. Der Gatte war verreist. Er ist Dekan der Juristischen Fakultät und war in den USA auf einem Kongress. Um fünf nach halb zwölf Uhr abends wurde Kajsa von einem Nachbarn gesehen, als sie mit dem Hund im Garten war. Einem kleinen Jack Russell. Dort ist sie so um die zehn Minuten herumspaziert. Der Hund, der übrigens auch Jack Russell heißt …« Für einen Moment glaubte Fredrik zu sehen, dass sie die Lippen zu einem Lächeln verzog, ehe sie einen Schluck Tee trank und wieder so ernst wurde wie bei seinem Kommen. »Der Hund wurde für die Nacht eingeschlossen. In einer Art Waschküche. Ihm wurden Futter und Wasser hingestellt. Zu diesem Zeitpunkt schliefen alle Kinder. Danach ist die Frau von niemandem mehr gesehen worden.«
»Gibt es irgendeinen Grund zu der Annahme, dass sie geschlafen hat?«
»Eigentlich nicht. Das Bett war nicht gemacht, aber der älteste Sohn sagt, dass das meistens der Fall war. Es ist schwer für eine so kleine Frau, ein riesiges Hästens-Bett mit zwei Decken zu machen, meinte er. Und der Gatte war verreist, wie gesagt.«
»Er steckt hinter allem.«
Nun lächelte Hauptkommissarin Mobakk richtig.
»Glaub mir, wir betrachten auch das als Möglichkeit. Rein statistisch gesehen sollte man ja auf diese Lösung wetten. In dem Fall muss aber ein Auftragsmörder am Werk gewesen sein, da der Mann nachweislich in den USA war.«
Sie trank noch einen Schluck Tee, ehe sie die Arme über den Kopf hob und ausgiebig gähnte, während sie versuchte, den Mund nur einen Spaltbreit zu öffnen. Da ihr Gesicht ohnehin lang und schmal war, erinnerte ihr Aussehen jetzt an ein Pferd. An ein Fjordpferd, mit dem gebleichten, langen Pony und dem hoch sitzenden Pferdeschwanz, für den sie eigentlich fünfzehn Jahre zu alt war.
»In dem Fall …« Sie ließ mit der rechten Hand die Fingerknöchel an der linken knacken. »Das jüngste Kind, ein Mädchen von zwölf, hat gegen fünf Uhr morgens entdeckt, dass die Mutter nicht da war. Die Tochter war aufgestanden, um aufs Klo zu gehen, und kam an der Schlafzimmertür der Eltern vorbei. Die stand offen, was nachts sonst nie der Fall war. Außerdem brannte die Deckenlampe, und die Tochter fing an zu suchen, konnte ihre Mutter aber nirgendwo finden und weckte ihren siebzehn Jahre alten Bruder. Der verständigte den Vater in Houston, und der seinerseits rief hier bei der Polizei an. Die Formalitäten um eine Vermisstenmeldung waren noch nicht ausgeführt, ehe ein Großmütterchen oben im Wald …« Sie wies träge auf das Fenster. In die total falsche Richtung, wie Fredrik bemerkte. »… schon angerufen hatte, um zu erzählen, dass sie einen toten Zwerg gefunden habe.«
Nun lachte sie. Es klang wie ein lustiges kleines Wiehern.
»Gemein, zu lachen«, sagte sie und riss sich zusammen. »In jedem Fall ist der Zug jetzt unterwegs. Die technischen Untersuchungen am Tatort sind noch nicht abgeschlossen. Zeugen werden befragt, der Verkehr im aktuellen Zeitraum wird überprüft, und ich habe sogar einen der jungen Juristen dazu bringen können, alle Urteile durchzugehen, mit denen Richterin Kajsa Breien in den letzten beiden Jahren zu tun hatte. Um zu sehen, ob da etwas zu finden ist. Den mit den schwarzen Locken, weißt du.«
Fredrik wusste, dass Sylvi Mobakk vor zwei Jahren noch »der Neger« gesagt hätte, dass die Polizeichefin ihr aber nach einer ähnlichen Wortwahl verbal energisch auf die Finger gehauen hatte. Vor laufender Kamera.
»Der ist tüchtig, aber ich glaube nicht, dass dabei etwas rauskommt. Dieser Fall hat etwas … etwas …«
»Seltsames an sich?«, schlug Fredrik vor.
»Ja! Ich meine …« Sie senkte die Stimme, als ob sie mit dem Gedanken spielte, ein Geheimnis zu teilen. Sylvi Mobakk war eine Frau vom Lande, sogar noch nach fast fünfundzwanzig Jahren in der Hauptstadt. Sie hatte eine Ewigkeit gebraucht, um sich in die Stellung der Hauptkommissarin und Ermittlungsleiterin hochzukämpfen, aber die Beförderung war nicht unverdient gewesen. Fredrik wusste, dass hinter der bäurischen Erscheinung und der schlichteren Sprache – erst in letzter Zeit hatte sie gelernt, nicht in jedem zweiten Satz zu fluchen wie ein Bierkutscher – ein scharfer Verstand steckte. Und außerdem die Willenskraft eines Kampfhundes. Sylvi gab sich nie geschlagen.
Das würde sie diesmal wohl auch nicht tun. Ob das helfen würde, da war er sich unsicher.
»Was meinst du?«, fragte er vorsichtig, als sie nicht weitersprach.
»Wozu sollte das denn gut sein? Sie in die Birke zu hängen wie eine Christbaumkugel? Die Oma, die sie gefunden hat, hat natürlich an Selbstmord geglaubt, aber jede Polizeistudentin im ersten Jahr würde innerhalb von fünf Minuten begreifen, dass das nicht stimmen kann.«
Fredrik nickte, sagte aber lieber nichts.
»Einen Mord als Selbstmord zu tarnen, gehört wohl zu den allerältesten Tricks«, sagte Sylvi nun nachdenklich. »Aber dann muss es auch danach aussehen! Mehr als nur durch den Strick, meine ich. Hier hat der Täter nicht das Geringste getan, um es so aussehen zu lassen, dass der Tod von eigener Hand herbeigeführt worden ist. Oder eher mit eigenem Strick. Während er – oder sie, von mir aus – zugleich sehr sorgfältig dafür gesorgt hat, keine Spuren zu hinterlassen. Man könnte den Kerl doch verdammt noch mal für unsichtbar halten.«
»Da oben muss es doch eine Menge Spuren geben. Da wimmelt es doch die ganze Zeit nur so von Leuten.«
»Ja, sicher. Aber du weißt schon, was ich meine. Wir finden rein gar nichts, was irgendwie verdächtig wirkt. Oder fehl am Platze. Oder das uns irgendwas darüber sagen kann, was passiert ist. Andererseits …« Wieder ließ sie die Fingerknöchel knacken, diesmal die der rechten Hand. Das Geräusch ging Fredrik langsam wirklich auf die Nerven. »… haben wir ja gerade erst angefangen. Wer durchhält, gewinnt, hat meine Mutter immer gesagt.«
Sie zögerte eine Sekunde, ehe sie so leise, dass es vermutlich nur für sie selbst bestimmt war, hinzufügte: »Aber das hier ist verdammt noch mal der seltsamste Mord, mit dem ich je zu tun hatte. Es ist so, als ob …« Plötzlich schaute sie auf und erwiderte Fredriks Blick. »Als ob der Mörder uns zum Narren hält«, rief sie. »Als ob er uns und das arme Opfer verhöhnt!«
»Oder vielleicht versucht er, uns etwas zu sagen«, meinte Fredrik.
»Wie meinst du das?«
Fredrik Smedstuen gab keine Antwort. Sein Handy ließ ein leises Knurren hören. Eine Push-Nachricht von DG , wusste er und griff nach dem Handy. Er warf einen Blick auf das Display.
Er wurde bleich. In weiter Ferne hörte er Sylvi Mobakks Stimme, wie aus einer Blechdose.
»Was ist los, Fredrik? He, Fredrik, bist du krank, Mann?«
Erst als sie neben ihm stand, die Hand auf seinen Rücken gelegt und das tief besorgte Gesicht viel zu dicht bei Fredriks, holte er schluchzend Atem. Er schob sie vorsichtig beiseite und hob das Handy wieder hoch. Sylvi versuchte zu sehen, was er las. Abermals schob er sie beiseite, ohne aufzublicken.
»Mit mir ist alles in Ordnung«, murmelte er. »Setz dich einfach.«
Einer, mit dem durchaus nicht alles in Ordnung war, war der norwegische Familienminister. Er war in der Nacht gestorben, konnte DG berichten, mit nur zweiundvierzig Jahren.
Vor ziemlich genau sechs Stunden.