ICH BIN EINE LÄUFERIN

»Komm, wir gehen noch ’ne Runde laufen!«

»Hast du mal rausgeguckt?«, entgegnet der Liebste leicht irritiert.

»Ja, aber mehr als nass werden können wir nicht, und duschen müssen wir danach eh.« Ja, meine Damen, das waren meine Worte. Ich kann es selbst kaum glauben, während ich es hier schreibe.

»Okay, von mir aus immer gern!«

Es ist großartig, einen Partner an seiner Seite zu haben, den man nie überreden muss. Denn ich gebe ehrlich zu, ob ich allein bei dem Wetter losgelaufen wäre, weiß ich nicht. Regen macht mir nichts aus. Gar nichts. Auch nicht mehr, im Regen loszulaufen. Aber das war kein Regen, das waren Sturzbäche, und man musste eigentlich minütlich damit rechnen, dass Noah auf seiner Arche vorbeischippert und »Abfaaaaaaahrt!« ruft. Dazu war es kalt, und es stürmte. Also eigentlich ein Wetter, bei dem man sich unter die Decke verkrümeln möchte. Das können Sie ja auch machen! Aber gern nach dem Laufen. Was meinen Sie, wie gemütlich es dann unter der Decke ist!

 

Zugegeben, wenn ich einen Partner hätte, der mir einen Vogel gezeigt hätte, wäre ich in diesem Fall bestimmt nicht allein losgejoggt. Aber so zogen wir zwei die Schuhe an, verzichteten auf Regenkleidung jeglicher Art, denn die hätte dem Wetter garantiert nicht standgehalten, und liefen bei drei Grad, Regen und Sturm los.

Auf einer normalerweise stark frequentierten Joggingstrecke kamen uns nur eine Handvoll Hardcore-Läufer und -Läuferinnen entgegen. Natürlich kann ich nicht von der Hand weisen, dass ich mich rein intuitiv immer kurz mit den anderen Läuferinnen vergleiche. Ohne Neid geschweige denn Missgunst, möchte ich explizit dazuschreiben.

Mein reiner Faktencheck fällt meist zu meinen Ungunsten aus:

Ich bin immer langsamer.

Ich sehe auch längst nicht so sportlich aus.

Ich habe garantiert keine Läuferbeine.

Auch nicht nach vielen Jahren des Laufens.

Ich sehe auch nicht wie eine Gazelle aus, wenn ich ein Bein vor das andere setze. Ich werde immer noch knallrot beim Laufen.

Mit anderen Worten: Ich sehe nicht so aus wie meine Läufer-Kolleginnen.

 

An diesem Tag, bei diesem Wetter, wurde mir aber auf einmal klar: Das ist doch völlig wurscht! Ey, du hast freiwillig bei diesem Wetter deine Laufsachen angezogen!

Mehr noch: Es war dein freier Wille und sogar deine Idee, bei diesem Wetter draußen zu laufen. Also, wenn du keine Läuferin bist, wer denn dann?

Und nach diesem Run, von dem ich Ihnen weder sagen kann, wie lang noch wie weit er war, weiß ich, dass ich mich erstmals als Läuferin gesehen habe. Ich bin eine Läuferin!

 

Mit 30 Jahren Verspätung hat sich der Sport in meiner DNA verfestigt.

Habe ich Ihnen in all den anderen Büchern geschrieben, dass der Sport und ich nie Freunde geworden sind, so ist das in Buch Nummer acht die Konsequenz nach vielen Jahren des MACHENS . Des einfach Immer-weiter-Machens. Die ersten Jahre von mir aus auch ohne Spaß, dafür mit Konsequenz und der letztendlichen Erleuchtung: Ich bin eine Läuferin.

Da bekomme ich doch glatt Gänsehaut beim Schreiben.

Und wirklich, meine Damen, ich meine, Sie kennen mich jetzt schon ein paar Jahre. Wir haben eine besondere Beziehung zueinander. Wir kennen uns, obwohl wir uns nicht kennen.

Und auch, wenn es wie eine Floskel klingt, es ist keine: Wenn ich das schaffe, schaffen Sie das erst recht!