Kapitel Achtundzwanzig

Auch diese Nacht verbrachte ich schlaflos. Ich machte mir zu viele Sorgen wegen morgen. Zum Glück schlummerte George wenigstens ruhig. Obwohl mein Plan keinerlei Gefahr barg, machte ich mir Gedanken, weil George zum ersten Mal eine Nacht ohne mich verbringen würde. Tiger würde zwar bei ihm sein – sie hatte versprochen, mit ihm im Schuppen zu übernachten –, aber ich würde ohne ihn sicher nicht schlafen können. Ich würde die ganze Zeit das Gefühl haben, dass etwas Wichtiges fehlte, weil er nicht da war. Wenigstens würde ich genug Ablenkung haben, schließlich musste ich meine Familien zusammentrommeln und sie dazu bringen, nach George zu suchen und sich währenddessen wieder anzunähern. Meine Rolle in diesem Vorhaben war ziemlich wichtig, tatsächlich sogar die wichtigste. George und Tiger mussten sich nur versteckt halten, ich dagegen musste die Menschen mobilisieren und gleichzeitig sicherstellen, dass sie auch zusammenfanden und sich nicht erst recht zerstritten. Ich musste zugeben, dass ich jetzt schon ein nervliches Wrack war. Mein ganzer Körper fühlte sich an wie aus Wackelpudding, von den Spitzen meiner Krallen bis hin zu den Enden meiner Schnurrhaare.

Ach, das Leben konnte so schwierig und kompliziert sein. Derzeit hatte ich wirklich viel zu bewältigen. Und nicht nur ich. Während ich mein schlafendes Katerchen betrachtete, hoffte ich, dass ich ihn vor den schlimmsten Katastrophen des Lebens würde beschützen können, und falls nicht, dass ich ihm dann wenigstens das richtige Werkzeug mitgegeben hatte, damit zurechtzukommen. Als Vater machte man sich ständig Sorgen, und ich glaubte nicht, dass ich je damit aufhören würde, mir um George Gedanken zu machen.

Irgendwann musste ich doch eingeschlafen sein, denn ich wurde davon wach, dass George mich mit den Schnurrhaaren an der Nase kitzelte.

»Dad, heute ist es endlich so weit!«, quiekte er.

»Pssst …«, versuchte ich, ihn zum Schweigen zu bringen. »Die anderen sollten lieber nichts mitbekommen. Wir müssen los, bevor sie aufwachen.«

Da George ein Frühaufsteher war und meistens bei Sonnenaufgang wach wurde, hatten wir geplant, um diese Zeit das Haus zu verlassen. Ich würde ihn zu Tiger bringen und anschließend wieder ins Bett schlüpfen, wo ich so tun würde, als würde ich schlafen. Wenn die Menschen aufstanden, würden sie mich allein im Bett vorfinden. Dann würde ich ganz viel Lärm machen, um ihnen zu zeigen, wie beunruhigt ich war, und damit würde unsere Suche beginnen. Teil eins des Plans war einfach.

Bevor wir gingen, hielt ich George dazu an, genug Wasser zu trinken. Da Claire immer noch kein Futter für uns über Nacht stehen ließ, gab es auch keins, aber ich hoffte, dass Tiger George zum Frühstück in ihr Haus würde schmuggeln können. Nachdem George seinen Durst gelöscht hatte, schlichen wir uns so leise wie möglich nach draußen. Ich führte George bis zur Hintertür von Tigers Haus und versetzte der Katzenklappe einen Stoß, damit Tiger wusste, dass wir da waren.

»Viel Glück, mein Junge«, sagte ich und wurde gleichzeitig von einer Mischung aus Liebe, Sentimentalität und ein wenig Angst durchflutet.

»Danke, Dad. Lass mich bitte nicht so lange allein.«

Zärtlich rieb ich meinen Kopf an seinem Hals. »Das mache ich nicht, und Tiger ist auch die ganze Zeit bei dir. Du brauchst also keine Angst zu haben. Aber, George, es ist ganz wichtig, dass du immer tust, was Tiger dir sagt, ja? Hast du das verstanden?«

»Ja«, antwortete er mit ernstem Gesicht. Ich hoffte, Tiger war schon wach. Sie hatte gesagt, dass sie aufstehen würde, wenn die Vögel anfingen zu singen. Zum Glück kam sie kurze Zeit später aus dem Haus.

»Also, dann geht’s wohl los«, sagte ich zitternd.

»Alles gut, Alfie, mach dir keine Sorgen. Ich übernehme ab hier. Okay, George, warte kurz. Ich muss nachschauen, ob die Luft rein ist. Meine Besitzer stehen früh auf. Wenn wir freie Bahn haben, schmuggle ich dich ins Haus, und wir können frühstücken. Ich beeile mich«, verkündete Tiger.

»Hast du das verstanden, George?«, fragte ich. Er sah ein bisschen so aus, als hätte er nicht zugehört, weil er erst die aufgehende Sonne angestarrt und dann einen Vogel beobachtet hatte, der über uns hinwegflog. Tiger war bereits im Haus verschwunden.

»Ja, klar. Warten und Frühstück.«

»Gut. Ich muss jetzt los. Und vergiss nicht: Hör auf das, was Tiger sagt.« Ich stupste meine Nase gegen seine und machte mich dann schnell auf den Weg nach Hause, bevor ich zu gefühlsduselig wurde. George würde warten, Tiger würde bald wiederkommen, und ab diesem Zeitpunkt würde unser Plan in Aktion treten.

»Ich höre auf Tiger-Mum«, hatte George zum Abschied gesagt. Ich war so stolz auf ihn.

Eilig rannte ich heim und schaffte es zum Glück noch rechtzeitig ins Bett, bevor irgendjemand im Haus wach wurde. Und da ich wahnsinnig müde war, schlief ich innerhalb von Sekunden wieder ein.

»Wo ist George?« Ich öffnete die Augen und sah, dass Claire und Summer vor meinem Körbchen standen. Verschlafen blickte ich mich um und gähnte.

»Miau?«, fragte ich.

»Jon! Jon!«, hörte ich Claire rufen. Sie marschierte ins Schlafzimmer, und wenig später kam ein müder Jonathan heraus.

»Alfie, ist George unten?«, fragte er und rieb sich die Augen.

»MIAU!« Keine Ahnung, sollte das heißen.

»Oh Gott.« Claire flog geradezu die Treppe hinunter, während Jonathan Summer auf den Arm nahm und dann ebenfalls ins Erdgeschoss eilte. Ich folgte ihnen. Obwohl wir das ganze Haus nach George absuchten, konnten wir ihn natürlich nirgendwo finden.

»Ich hab dir ja gesagt, es ist noch zu früh, um die Katzenklappe nachts offen zu lassen«, herrschte Claire Jonathan an.

»Falls du dich nicht mehr erinnerst: Es waren alle einverstanden, und außerdem hätten wir Alfie neulich Nacht fast ausgesperrt. Du kannst sie auch nicht für immer einsperren.«

»Oh, Alfie, wieso hast du nicht auf ihn aufgepasst?« Claire stürmte nach oben, um dort noch einmal alles abzusuchen.

Im Moment gab sie also Jonathan und mir die Schuld, was ein bisschen unfair war, aber das Ganze war ja gerade erst passiert, und außerdem war es noch früh am Tag. Keiner von beiden hatte einen Kaffee getrunken, und das sagte schon alles. Normalerweise machte ich einen großen Bogen um sie, wenn sie sich in diesem Zustand befanden.

Heute hockte ich mich stattdessen an die Hintertür und veranstaltete einen Riesenlärm. Während Jonathan Summer in ihren Hochstuhl setzte, Kaffee kochte und seiner Tochter ein Glas Milch gab, konnte man hören, wie Claire im ersten Stock mit den Türen knallte.

»Also, oben ist er definitiv nicht«, verkündete sie, als sie in die Küche kam. »Jonathan, wo um Himmels willen kann er denn stecken? Er geht doch nie ohne Alfie nach draußen, und sonst ist er morgens immer hier.« Mittlerweile hatte sie das ganze Haus durchsucht und George natürlich immer noch nicht gefunden.

»Weißt du was, Schatz?« Jonathan nahm sie in den Arm. »Kümmere du dich um Summer, und ich ziehe meine Sportsachen an und gehe ihn draußen suchen.«

»Kannst du Matt bitten, dir zu helfen?«, fragte Claire.

»Na klar, mach dir keine Sorgen.« Als er ihr einen Kuss gab, verspürte ich einen kleinen Moment des Triumphs. Na also, es funktionierte bereits.

Ich begleitete Jonathan nach draußen und folgte ihm zu Matts Haus. Zum Glück waren dort schon alle auf und angezogen, und als Matt hörte, was passiert war, kam er direkt mit.

»Oh Gott«, sagte Polly, die an der Tür auftauchte. »Wie kann ich helfen? Ich würde ja zu euch gehen, Jon, aber vielleicht bleibe ich besser hier, falls George bei uns vorbeikommt?«

»Schatz, ich denke, du solltest hier warten. Ich hab mein Handy dabei und gebe dir Bescheid.« Matt küsste Polly zum Abschied, und sie drückte ihn fest an sich. »Ihm ist sicher nichts passiert. Du weißt doch, wie Kinder sind – die stellen dauernd irgendwas an.«

Als die Männer beschlossen, die Straße abzusuchen, folgte ich ihnen. Bei Tigers Gartentor hörte ich allerdings ein Fauchen, und als ich mich umdrehte, stand sie vor mir und versuchte, mich auf sich aufmerksam zu machen. Ich wartete, bis die Männer sich ein Stück entfernt hatten.

»Tiger, es funktioniert schon!«, verkündete ich freudig.

»Aber wo ist denn George?«, wollte sie wissen.

»Wie? Was soll das heißen?«

»Na ja, ich hab dir doch gesagt, dass ich drinnen nachschaue, ob die Luft rein ist, und als ich wieder nach draußen kam, war George nicht mehr da. Ich hab überall nach ihm gesucht, aber er war nirgends, deshalb hab ich gedacht, du hättest deinen Plan geändert und ihn mitgenommen.« Tiger klang leicht panisch.

»Du meinst, er ist nicht bei dir?« Ich spürte, wie sich meine Kehle zuschnürte.

»Nein, er war nicht da, als ich aus dem Haus kam, und ich hab auch keine Spur von ihm entdeckt. Deshalb hab ich, wie gesagt, angenommen, dass er noch bei dir ist und du dir was anderes überlegt hast. Ich war höchstens eine Sekunde weg!«

»Oh Gott, Tiger, nein! Ich hab ihn an der Hintertür zurückgelassen und bin nach Hause, damit ich rechtzeitig wieder im Bett liege, bevor die anderen wach werden. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Ich dachte, er wäre bei dir! Ich hab ihm gesagt, er soll warten, und er hat gesagt, dass er das macht.« Nun hörte ich mich panisch an.

»Okay, beruhigen wir uns erst mal wieder. Er ist definitiv nicht bei mir im Haus, sollen wir mal bei euch schauen?«

»Wir können zu mir gehen, aber Claire ist da, und sie hat schon alles abgesucht.« Ich bekam kaum noch Luft. »Als ich zurückgekommen bin, habe ich mich direkt wieder ins Bett gelegt. Dann bin ich eingeschlafen, aber nicht lange – mehr kann ich dir auch nicht sagen.«

»Also ist George jetzt tatsächlich verschwunden.«

»Oh nein, mein Kleiner ist verschwunden!« Was mir erst in diesem Moment richtig bewusst wurde. »Jonathan und Matt sind bereits auf der Suche nach ihm, nur dass wir ihn jetzt wirklich suchen müssen.« Todesangst erfasste mich. Ich konnte gar nicht richtig begreifen, was passiert war.

»Oh nein, Alfie, dieser Plan ist schon schiefgegangen, noch bevor wir überhaupt angefangen haben.«

»Und das hab ich nicht kommen sehen.«

Während wir hastig zu mir nach Hause rannten, um nachzusehen, ob George vielleicht doch zurückgekommen war, wurde ich immer unruhiger. Gleichzeitig fühlte ich aber auch Ärger. Ich hatte George ausdrücklich angewiesen, auf Tiger zu warten; er war nur kurze Zeit allein gewesen, und er wusste, dass er nicht weggehen sollte, ohne Bescheid zu sagen. Noch mehr ärgerte ich mich allerdings über mich selbst. Ich hätte bei ihm bleiben oder Tiger bitten sollen, ihn trotz des Risikos mit ins Haus zu nehmen. Wir hatten uns extra an der Hintertür getroffen, für den Fall, dass die Laternenkatzenfänger unterwegs waren – die hätten ja schlecht wissen können, dass George dort war, oder? Es sei denn, sie hatten uns beobachtet. Nein, das war völlig absurd.

Meine Güte, er hätte doch nur dort bleiben müssen – wieso hatte er das nicht gemacht? Wo konnte er sein? Meine Gedanken drehten sich im Kreis, so, wie George es gerne tat. Ach, mein kleiner George. Ich versuchte, meine Atmung zu beruhigen, obwohl ich das Gefühl hatte, als würde ich gerade die Kontrolle über mein Leben verlieren. Ich wollte meinen Jungen zurück!

Bei uns war er immer noch nicht, und ich hörte, dass Claire mit Tash telefonierte. Sie klang genauso besorgt, wie ich mich fühlte. Der Plan war so einfach gewesen und doch gleich zu Beginn gescheitert – und das war alles meine Schuld.

»Alfie«, sagte Tiger, während wir jeden Zentimeter unseres Gartens durchforsteten, »dich fertigzumachen bringt jetzt überhaupt nichts. Wir müssen einen klaren Kopf bewahren. Lass uns die anderen zusammentrommeln, damit sie mitsuchen können. Wir müssen alle seine Lieblingsplätze überprüfen.«

»Hm, er ist nicht bei uns. Wenn er bei Polly wäre, wüssten wir davon, Gleiches gilt für Tash. Also im Park vielleicht oder am Ende der Straße? Wobei, wenn er da wäre, hätten ihn die anderen schon gesehen …« Etwas anderes fiel mir nicht ein.

»Okay, ich denke, du solltest im Zentrum des Geschehens bleiben und außerdem die Menschen im Blick behalten. Ich schaue immer wieder bei mir vorbei – vielleicht erinnert er sich ja inzwischen dran, dass er eigentlich dort sein sollte. Was meinst du?«

»Ich hab sowieso keine bessere Idee, auch wenn ich wünschte, ich hätte eine.« Am liebsten hätte ich mich einfach auf den Boden gelegt und gejault, aber dadurch würde ich meinen Kleinen auch nicht wiederfinden, richtig?

»Okay, dann komm erst mal mit zu den anderen und hilf mir, Suchtrupps zusammenzustellen. Oh, Alfie, wir müssen ihn unbedingt finden. Wo um Himmels willen kann er denn hingegangen sein? Wieso hab ich ihn aus den Augen gelassen?« Anscheinend ging es Tiger genauso wie mir.

»Ich habe wirklich keine Ahnung, wo er sein könnte. Und, Tiger, es ist nicht deine Schuld. Schließlich musstest du nachschauen, ob ihr gefahrlos ins Haus gehen konntet. Ich meine, ich weiß, das habe ich jetzt schon öfter gesagt, aber er sollte vor der Hintertür bleiben und auf dich warten! Wieso hat er das nicht gemacht? Ich war mir sicher, dass er mich verstanden hat.«

»Es hat wirklich nicht lange gedauert, Alfie. Ich schwöre, ich bin reingerannt, hab unten nachgesehen und bin gleich wieder raus.«

»Ich weiß. Ehrlich, Tiger, du kannst nichts dafür. Ich hätte einfach bei ihm bleiben sollen.«

»Aber dann wärst du vielleicht nicht rechtzeitig zu Hause gewesen, bevor deine Familie aufgestanden ist, und das war ja nun mal entscheidend für den Plan.«

»Okay, hören wir auf, uns Selbstvorwürfe zu machen, und konzentrieren wir uns lieber auf die Suche.« Damit drehte ich mich um und wollte gerade loslaufen, als ich Müllschlucker auf mich zukommen sah. Noch nie hatte ich mich so gefreut, ihn zu sehen.

»Oh, Gott sei Dank bist du hier. George ist verschwunden«, sagte ich.

»Was? Der Kleine?«

»Ja.« Ich weihte Müllschlucker in unseren Plan ein. »Als ich ihn in Tigers Garten zurückgelassen hab, war es noch dunkel. Oh Mann, was haben wir nur getan? Was, wenn er jetzt für immer weg ist?« Ich stieß ein klagendes Miauen aus.

»Okay, Mr B. ist an dem Fall dran, und er ist der Beste in dem Geschäft, ehrlich. Ich gehe sofort zu ihm und erzähle ihm, was passiert ist. Keine Angst, Alfie, ich sorge schon dafür, dass der Kleine gesund und munter wieder nach Hause kommt.« Leider beruhigte er mich diesmal nicht, obwohl ich mir redlich Mühe gab.

Rocky war der Erste, der uns über den Weg lief, und er sagte gleich Elvis Bescheid, der wiederum Nellie suchte, die dann Glöck holte. Anschließend trafen wir uns alle am Ende der Straße, wo ich die Situation erklärte.

»Du willst also, dass wir so tun, als würden wir ihn suchen?«, fragte Nellie. Also echt!

»Nein. Anders als geplant ist er jetzt tatsächlich verschwunden.«

»Ach, du meine Güte, der süße Kleine ist wirklich verschwunden?« Nellie fing an zu jaulen, sodass Elvis sie beruhigen musste. Wobei ich sehen konnte, dass auch er und Rocky Tränen in den Augen hatten.

Nachdem die Aufgaben verteilt waren, lief Tiger zurück nach Hause, um erneut nach George zu sehen. Ich half ihr, doch es gab immer noch keine Spur von ihm. Es fühlte sich an, als hätte man mir eine Pfote abgehackt. Er fehlte mir so sehr, und ich hoffte inständig, dass er nicht in Gefahr war.

Von Tiger aus rannte ich zu mir nach Hause und sprang durch die Katzenklappe.

»Hast du ihn gefunden?« Claire, die sich immer noch nicht umgezogen hatte, eilte auf mich zu. Doch ich sah sie nur voller Sorge an. Mitfühlend nahm sie mich auf den Arm. »Keine Angst, Jon und Matt werden ihn finden. Oh, Alfie, es tut mir so leid, dass ich dich angeschrien habe.« Sie drückte mich fest an sich, bevor sie mich wieder auf dem Boden absetzte. Traurig schnurrte ich. In diesem Moment klingelte es an der Tür, und als Claire öffnete, stand Tash davor.

»Wo ist Elijah?«, wollte Claire wissen.

»Bei seiner Oma. Sie hat ihn früher geholt, das heißt, ich kann euch helfen. Was soll ich tun?«

»Du hast ihn also auf dem Weg hierher nicht gesehen?«, fragte Claire ohne viel Hoffnung.

»Nein, ich hab überall geschaut, auf beiden Straßenseiten. Allerdings hab ich mal irgendwo gelesen, dass Kätzchen sich gerne verstecken, es könnte also sein, dass er sich irgendwo verkrochen hat.«

Da wir an sämtlichen Stellen nachgesehen hatten, wusste ich, dass er sich definitiv nicht versteckte.

»Hat Summer schon gefrühstückt?«, erkundigte sich Tash.

»NEIN!«, rief Summer. Tasha grinste.

»Claire, geh du dich anziehen. Ich mache Summer einen Toast.«

»Oh, danke, Tash.« In Claires Augen schimmerten Tränen, als sie nach oben ging.

Gegen Mittag hatten sich alle in unserer Küche versammelt. Claire, Jonathan, Polly und Matt saßen am Tisch. Tash hatte eine Art Spielgruppe für die Kinder im Wohnzimmer eingerichtet und wechselte zwischen beiden Räumen. Als die Türklingel erneut läutete, hoffte ich, dass es jemand war, der George vorbeibrachte, doch es war der große Tomasz, ohne George.

»Okay, ich bin auch dabei, also lasst uns planen, wie wir weiter vorgehen«, sagte er, während er ebenfalls am Küchentisch Platz nahm.

»Musst du denn nicht arbeiten?«, fragte Claire.

»Manchmal sind andere Dinge wichtiger. Keine Sorge, mein Alfie, wir finden ihn.« Als er mich streichelte, war ich etwas beruhigter: Tomasz war so groß und strahlte so viel Stärke aus. Ein leiser Hoffnungsschimmer glomm in mir auf.

»Ich habe keine Ahnung, was wir machen sollen, wenn wir ihn nicht finden.« Claire begann zu weinen, und Jonathan nahm sie tröstend in die Arme.

»Wir finden ihn«, versicherte er ihr, doch ich hörte das Zittern in seiner Stimme. Hinter seinem aufbrausenden Charakter verbarg sich nun mal ein sensibler Kern. Trotzdem schwang auch Entschlossenheit in seinem Ton mit.

»Das müssen wir einfach«, fügte Polly hinzu, deren wunderschönes Gesicht aschfahl war. Matt legte den Arm um sie, und doch sorgte die Tatsache, dass alle tatsächlich wieder zusammenrückten, nicht dafür, dass ich mich besser fühlte.

»Wisst ihr was, ich glaube, ich rufe Max an«, verkündete Tash mit errötenden Wangen. Die anderen blickten sie fragend an. »Vielleicht kann er uns helfen, er ist sehr pragmatisch.«

»Gute Idee, Tash«, befand Jonathan, woraufhin diese zu strahlen begann. Ich folgte ihr ins Zimmer nebenan, und als ich hörte, wie sie mit ihm sprach, wusste ich, dass sie ihr Herz wieder für ihn öffnete. Sie vertraute ihm, sonst würde sie ihn nicht um Hilfe bitten. Und obwohl es mir so schlecht ging wie noch nie in meinem Leben, tröstete mich das ein kleines bisschen.

Es wurde beschlossen, dass Tash bei den Kindern bleiben würde, während Claire und Jonathan zu Fuß in Richtung Park gehen wollten, nach einem Zwischenstopp bei den Goodwins. Wenn jemand George finden konnte, dann die beiden neugierigen Schnüffler, meinte Jonathan. Matt und Polly würden zum anderen Ende der Straße gehen, während Tomasz und Max die Gegend mit dem Auto abfahren wollten. Falls wir ihn bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht finden würden, war der Plan, eine Suchmeldung auf der Facebook-Seite der Nachbarschaft zu posten und dann vielleicht sogar Bilder aufzuhängen … Mein kleines Baby würde eine Laternenkatze werden! Natürlich hofften wir alle, dass es nicht dazu kommen würde. Ich schickte ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel.

Zu diesem Zeitpunkt wurde mir auch bewusst, welche Schwächen mein Plan gehabt hatte. Selbst wenn er funktioniert hätte, wäre George über Nacht weggeblieben. Ich erkannte nun, wie viele Sorgen ich anderen damit bereitet hätte. Das wäre unfair gewesen. Auch wenn meine Menschen es bitter nötig hatten, dass ihnen mal jemand die Augen öffnete, stand das in keinem Verhältnis zu den Ängsten, die alle deswegen durchstanden. Jetzt war George wirklich verschwunden, und es war ganz allein meine Schuld.

Wenn meinem Kleinen irgendetwas zustieß, würde ich mir das niemals verzeihen.