TEIL III
MORGEN – FRIEDLICHE KOEXISTENZ

»Das Gold- und Silbergeld, welches in einem Lande umläuft, kann sehr wohl mit einer Landstraße verglichen werden, die, während sie alles Korn und alle Futterkräuter des Landes in Umlauf und auf den Markt bringt, selbst doch gar keinen solchen Stoff produziert. Indem nun kluge Bankgeschäfte eine Art von Fuhrweg durch die Luft schaffen, wenn ich eine so kühne Metapher gebrauchen darf, setzen sie das Land in den Stand, gleichsam einen großen Teil seiner Landstraßen in gute Weide- und Kornfelder zu verwandeln und dadurch das jährliche Produkt des Bodens und der Arbeit beträchtlich zu vermehren. Doch muss man anerkennen, dass der Handel und die Gewerbe des Landes, wenn sie sich auch etwas vergrößern, doch so lange, als sie (…) auf den Dädalischen Schwingen des Papiergeldes schweben, gar nicht so sicher sein können, als wenn sie auf dem festen Grunde des Goldes und Silber wandeln.«

Adam Smith

»Es bleibt eine offene Frage, ob die Versuchung, Fiat-Geld als
Einnahmequelle [für den Staat] zu nutzen, zu einer Situation führen wird, die am Ende eine Rückkehr zum Warengeld – vielleicht einer Form von
Goldstandard – erzwingt.
«

Milton Friedman,
Monetary Policy in a Fiat World

We’ll change all that’s gone before

Doing so much more than falling in love

On an all time high

We’ll take on the world and win

So hold on tight, let the flight begin

Rita Coolidge,
All Time High

Die Rede des Präsidenten: eine realistische Fiktion

»Wir haben die allgemeine Krankenversicherung in Amerika eingeführt, wir haben den Krieg in Afghanistan beendet und wir werden es auch schaffen, unsere Währung auf eine neue Basis zu stellen. Yes, we can!« Mit diesen beherzten Worten beendet der amerikanische Präsident seine historische Rede vom 10. August 2014. Es ist Sonntagabend und Obama ist vor die Presse getreten, um den Dollar neu zu gründen. Sein Plan hat selbst die sonst gut unterrichteten Nachrichtenexperten überrascht: Die Vereinigten Staaten führen den Goldstandard wieder ein. Im Pressesaal des Weißen Hauses hat der Präsident all seine rhetorische Kraft aufgebracht – die betonte Rhythmik seiner Worte mit den langen Kunstpausen, die Wichtiges ankündigen, seine kraftvoll aufeinandergelegten Lippen, sein entschlossener Blick erst nach links, dann nach rechts. Der Einsatz lohnt sich: Obama überzeugt die Weltöffentlichkeit von der Machbarkeit des Plans. Im Pressesaal erntet er Applaus, bei Twitter und Facebook überschlagen sich die Kommentare, vor Überlastung brechen fast die Netze zusammen. Obama erhält viel Zustimmung, nur vereinzelt auch Kritik. Auch vor den Fernsehern branden Diskussionen auf. Nur wer genau hinsieht, erkennt die Sorgenfalten im Gesicht des mächtigsten Mannes der Welt. Der US-Präsident weiß genau: Es steht enorm viel auf dem Spiel, für Amerika und für die Weltwirtschaft. Es geht um alles.

Die Wochen vor Obamas Fernsehansprache haben die Kernschmelze des globalen Finanzsystems gesehen. Zum Jahreswechsel 2013/14 hat sich der Währungskrieg zwischen den großen Wirtschaftsnationen zugespitzt. Eine Zeit lang arbeiten alle gegen alle: die USA gegen Japan, Japan gegen Europa, Europa gegen Großbritannien, sogar Großbritannien gegen die USA. Schließlich kommt es zu einem Kollaps der großen Währungen Dollar, Euro, Yen und Pfund. Die Inflationsraten schnellen nach oben. Unerwartet und heftig. Die Städte Griechenlands, Italiens und Spaniens werden von Straßenschlachten erschüttert. In Frankreichs Banlieues rumort es. Gewalttätige Proteste werden mit starkem Polizeiaufgebot zurückgedrängt. Die Arbeitslosigkeit ist drückend hoch. In Südeuropa sind drei von vier jungen Menschen ohne Job und ohne Perspektive. Regierungen fallen, die Neuwahlen bringen Euro-kritische Protestparteien an die Macht. Sie kündigen den Brüsseler Kompromiss auf, der Hilfsleistungen des Nordens für schmerzhafte Sozialreformen im Süden vorsieht: Solidarität gegen Solidität. Renten- und Aktienmärkte erleiden grausame Verluste. Für Staatsanleihen der meisten Länder gibt es praktisch keine Käufer mehr, außer die Notenbank. In dieser Zeit des Chaos wird Gold zum sicheren Hafen, ja, zu mehr: Es wird zum Fels in der Brandung. Der Unzenpreis steigt auf über 4000 Dollar, in Euro wird kein Preis mehr ermittelt. Wirr um den Globus schießendes Geld katapultiert die Wechselkurse des Schweizer Franken, der Norwegenkrone und anderer solider Währungen nach oben. Die betroffenen Länder verhängen daraufhin rigide Kapitalkontrollen. Auch die Europäische Union, Japan und das Vereinigte Königreich stehen vor der Einführung von Devisenbewirtschaftung. Geldabhebungen werden auf 200 Euro pro Person und Tag beschränkt. Allenthalben werden Forderungen nach Straf- und Schutzzöllen laut. Das lässt die Kurse nur weiter einbrechen.

»Protektionismus ist nicht die Antwort«, ruft Obama aus. Seine Lösung: Wir müssen die Währungen wieder mit Gold unterlegen. Das wird das Vertrauen zurückbringen. Dass seine »linken« Wirtschaftsberater die Diskussion über eine Edelmetall-Unterlegung beim politischen Gegner im Wahlkampf 2012 noch für Anathema erklärt hätten, ficht den mächtigsten Mann der Welt nicht an. In der Hinsicht ist er, der »Linke«, ein ebenso pragmatischer Realpolitiker wie der »rechte« Nixon zu seiner Zeit. Schon Anfang 2015, verkündet der agile Präsident, werden die USA wieder einen Goldstandard haben. Die US-Devise soll dann bei 4000 Dollar je Unze an das gelbe Metall fixiert werden.

Der goldene Schwan

Am nächsten Tag geschieht ein Wunder: Die amerikanischen Finanzmärkte stabilisieren sich und setzen zu einer Rallye an. Die Börsen der Alten Welt dagegen verharren in Lethargie. Obamas Coup setzt die Europäer unter Druck. Schon am Freitag, dem 15. August 2014 haben sich Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande darauf verständigt, den Euro ebenfalls mit Gold zu unterlegen. Die Gemeinschaftswährung der Europäer wird zwar nicht ganz so stark gedeckt sein, aber jeder Bürger hat das Recht, Banknoten bei den Zentralbanken der Währungsunion jederzeit gegen Gold einzutauschen. In einem typisch europäischen Kompromiss wird die Menge auf 10 000 Gold-Euro pro Person begrenzt. Außerdem beinhaltet das Paket auch einen Schuldenschnitt der defizitärsten Staaten der Eurozone. Deren Verbindlichkeiten werden nicht ganz gekappt, die Rückzahlung wird jedoch auf einen weit in der Zukunft liegenden Termin verschoben. Das alles sind zwar Kompromisse, aber es reicht, um den Euro zu stabilisieren. Beim Kurs von eins zu eins zum Dollar kommt der Sturz der Gemeinschaftswährung zum Halten. So sehr die vorangegangene Entwertung des Euro auch schmerzt, so angenehm ist nun, dass die westliche Welt jetzt über Gold-verbundene Währungen verfügt. Ferner finden sich die Volkswirtschaften der Euro-Peripherie mit einem niedrigen Eurokurs in der globalen Wirtschaft besser zurecht.

Um die Erholung der Weltwirtschaft zu bekräftigen, wird Kanzlerin Merkel in den nächsten Tagen die Einrichtung der transatlantischen Freihandelszone verkünden. Zwischen den USA und der EU wird es keine Zollschranken mehr geben, Standards sollen vereinfacht, Genehmigungsverfahren für Investitionen beschleunigt werden. Sie verspricht eine Ära der Prosperität.

Goldwährung und Freihandel lösen nicht alle Probleme. Die Staaten müssen sich dem harten Wettbewerb stellen. Japan, Brasilien, Großbritannien und andere Handelsnationen schließen sich dem neuen Goldsystem zunächst nicht an. China überrascht indes mit der Erklärung, die tatsächlichen Edelmetallbestände des Landes seien weitaus größer, als die bislang bekannten Zahlen erkennen lassen. Das Land wolle den gleichen Weg beschreiten wie die USA und Europa. Auch Russland zeigt sich gesprächsbereit. Man werde einen aktiven Beitrag zum Aufbau eines gerechten globalen Währungssystems leisten.

Auf diese Weise wurde 2014 die Vertrauenskrise überwunden, der Währungskrieg eingedämmt und die Geldordnung der Welt auf eine neue feste Grundlage gestellt.

Dieses Szenario, das von einer katastrophalen Entgleisung der Weltwirtschaft ausgeht, ist fiktiv und nicht in jeder Hinsicht das plausibelste, auf das wir uns einzustellen haben. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Kollapses des Papiergeldsystems scheint jedoch nicht gleich null. In der Weltwirtschaft gibt es so viele bekannte und unbekannte Unbekannte (um eine Formulierung des früheren US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld aufzugreifen), dass immer auch mit einem »schwarzen Schwan« gerechnet werden muss, einer überraschenden, aber im Nachhinein vollkommen erklärlichen Entwicklung. Es sollte uns daran erinnern, dass Gold die ultimative Versicherung ist, auf die zurückzugreifen wir uns die Möglichkeit erhalten sollten.

Gegen eine Rückkehr zum Goldstandard unter nichtkatastrophischen Bedingungen sprechen zahlreiche Argumente, die sich schwer von der Hand weisen lassen. Unser derzeitiges Geldsystem steht dafür, dass jeder jederzeit einen Vorschuss (Kredit) bekommen kann – jeder, der es will und braucht, und manchmal auch der, der es nicht braucht. Die Relation von Goldpreis und Geldmenge lässt beim aktuellen Preis deshalb eines nicht zu: eine glaubhafte Edelmetalldeckung der Währung bei gleichzeitiger ausreichender Liquiditätsversorgung. Bei einer spontanen Rückkehr zum Goldstandard wären wir im gleichen Dilemma wie die Notenbanken Anfang der Dreißigerjahre, als sie glaubten, sich zwischen Konvertierbarkeit des Geldes und Wohlergehen der Banken entscheiden zu müssen. Es gibt jedoch eine Möglichkeit, dieses Dilemma zu umgehen. Darauf kommen wir später, ab dem Kapitel »Täuschender Atem«, zurück. Erst wollen wir uns im Detail anschauen, was gegen die Wiedererrichtung des klassischen Goldstandards spricht.

Was es kostet

Kann der Goldstandard heute funktionieren? Wenn ja, in welchem Rahmen und unter welchen Bedingungen? Wenn nein, welche Lehren lassen sich aus dem Goldstandard für die Reform unserer jetzigen Geldordnung ziehen? Eine naheliegende Frage ist, ob die laufende Edelmetallproduktion ausreichend groß ist, um genügend neues Geld hervorzubringen, also eine unerwünschte Deflation zu verhindern. In dem Zusammenhang muss zunächst noch ein anderes mögliches Hindernis betrachtet werden, nämlich der Preis des Geldmachens.

Aus Sicht von Friedman und anderen Modernisten sprechen bereits die Kosten gegen einen reinen Hartgeldstandard.75 Anders als bei Papiergeld, das quasi zu einem Preis von null vermehrt werden kann, schlagen im Goldsystem unweigerlich echte Ausgaben zu Buche. Damit neues Geld gemacht werden kann, muss erst Edelmetall produziert werden – und das geht nicht zum Nulltarif. Im Jahr 2012 kostete die Gewinnung einer Unze Gold im Durchschnitt 1200 Dollar inklusive Kapitalkosten.76 Der für die Unterlegung des neu geschaffenen Geldes entscheidende Marktpreis für Gold lag bei 1600 Dollar. Geht man davon aus, dass es gelingen könnte, die Edelmetalldeckung auf 20 Prozent zu begrenzen, würde es folglich 150 Dollar kosten, um 1000 Dollar herzustellen. Die Erklärung: Ich brauche 0,125 Unzen, um die 1000 Dollar mit Gold zu einem Marktpreis von 1600 Dollar zu unterlegen. Die Produktionskosten dieser erforderlichen Achtel Unze betragen 150 Dollar. Beläuft sich die vorgeschriebene Golddeckung auf 30 Prozent, liegen die Kosten der materiellen Geldgewinnung bei rund 225 Dollar. Bei einer Deckung von 40 Prozent (einem traditionellen Wert) fallen 300 Dollar an. Allerdings gilt: Je höher der Marktpreis des gelben Metalls steigt, desto geringer werden die Kosten relativ zur Geldschöpfung. Zu bedenken ist zudem, dass den optisch hohen Aufwendungen im Goldstandard mannigfache versteckte Kosten im Papiergeldsystem gegenüberstehen, darunter höhere Inflation und leichtere Manipulierbarkeit der Währung.

Deflationsangst

Ein daran anknüpfendes Kontra-Argument ist die begrenzte Menge von Gold, die es auf dem Planeten gibt. Papiergeld lässt sich jederzeit in beliebigen Mengen und in relativ kurzem Zeitraum herstellen. Bei einer Edelmetallwährung sieht das anders aus. Tatsächlich ist die Förderung von Gold sogar ein besonders aufwendiger Prozess, eben weil das Element in der Erdkruste so selten vorkommt und ihr abgerungen werden muss. Bei den heute ausgebeuteten Lagerstätten beträgt der Goldgehalt häufig nur noch ein Gramm pro Tonne Gestein.

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Abb. 3: Vorkommen ausgewählter Metalle in der Erdkruste, alle Angaben in Teile pro Million (ppm), Quelle: WebElements, Deutsche Bank

Inwiefern die Gewinnung des Edelmetalls als Rohstoff der Möglichkeit Grenzen setzt, Gold zur Währung zu erheben, ist in der Tat eine spannende Frage. Wie wir gesehen haben, kam es im Mittelalter und auch in der Neuzeit immer wieder zu Engpässen bei der Edelmetallproduktion. Von einer besonderen Knappheit berichten die Quellen zum Beispiel im Zeitraum von 1390 bis 1420 oder von 1440 bis 1460.77 Auch nach dem 16. Jahrhundert soll die Münzgeldmenge in der Alten Welt beschränkt gewesen sein, da Gold und Silber gehortet wurden und nach Asien abflossen.78 Dort, in Fernost, waren edle Metalle praktisch die einzigen »europäischen« Güter, die gefragt waren, was ein bezeichnendes Licht auf die damaligen Wirtschaftsstrukturen wirft. Zu Beginn der Industrialisierung litt Deutschland erneut unter einer Zahlungsmittelknappheit.79 »Auf der Grundlage einer reinen Metallwährung war es nicht möglich, die Geldmenge ausreichend schnell auszuweiten«, stellt ein Historiker fest.80

Streng genommen muss die Menge des Goldes überhaupt nicht wachsen, damit Gold seine Funktion als Währungsmetall erfüllt.81 Eine Gesellschaft, die sich auf inelastisches Geld wie das gelbe Metall einlässt, wird letztlich akzeptieren müssen, dass Geld in bestimmten Phasen auch im Wert zulegen kann. Nehmen wir an, die Wirtschaftsaktivität steigt. Als Folge davon wird mehr Geld nachgefragt, wohingegen die Geldmenge gleich bleibt. Nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage wird nun Folgendes passieren: Die durchschnittlichen Preise für die Güter und Dienstleistungen gehen zurück, denn die gleiche Geldmenge trifft auf eine gesteigerte Zahl von Dingen, die zum Verkauf stehen. Für die überzeugten Anhänger eines Hartgeldstandards ist das kein Problem, und prinzipiell dürfte jeder Verbraucher zustimmen, dass sinkende Preise besser sind als hochschnellende. Aus Sicht der Erzeuger gestaltet sich die Lage allerdings anders: Die Abwärtsbewegung der Preise erschwert ihnen das Navigieren im Markt. Ebenso wie sich ein Überfluss von Geld hier in starker, dort in weniger starker Inflation bemerkbar macht, schlägt sich knappes Geld hier in moderater, dort aber in kräftiger Verbilligung nieder. In Reaktion darauf sehen sich Produzenten gezwungen, selbst Kosten zu sparen. Sie versuchen zu rationalisieren, die Löhne zu drücken und müssen unter Umständen sogar Mitarbeiter entlassen. Die Gefahr besteht darin, dass sich ein solcher Prozess verstetigen kann. Wenn sinkende Preise zu mehr Erwerbslosigkeit und Unsicherheit führen und die wiederum zu weiter sinkenden Preisen, kann eine deflationäre Spirale in Gang kommen. Eine deflationäre Spirale war der Auslöser der Weltwirtschaftskrise, die für viele Ökonomen eine der größten wirtschaftspolitischen Fehlleistungen der Neuzeit darstellt.

Die Warnung vor der Gefahr einer Deflation ist eines der Hauptargumente gegen eine Wiederkehr des Goldstandards, für manche sogar das Totschlagargument schlechthin. Daher muss jeder Versuch, Edelmetallgeld oder edelmetallgebundenes Geld einzuführen, eine Antwort auf die Frage parat haben, wie der deflationären Spirale entgegengewirkt werden kann.

Allerdings sollen dazu gleich zwei Vorbemerkungen gemacht werden: Zunächst einmal muss eine milde Deflation per se nichts Schlechtes sein. Das 19. Jahrhundert kannte mehrere solcher Phasen, ohne dass der technische Fortschritt zum Erliegen gekommen oder das soziale Gewebe zerrissen wäre. Die Realeinkommen jedenfalls verbesserten sich damals, was in den westlichen Industrieländern heute zur Ausnahme geworden ist. Trotz des knappen Geldes gab es einen industriellen Aufbau mit Wachstumsraten, die wir als gut bis sehr gut bezeichnen würden. Ebenso wenig waren hohe Arbeitslosigkeit oder gar Massenarbeitslosigkeit ein Charakteristikum jener Ära. Anders verhält es sich mit der Großen Depression der Dreißigerjahre: Neben unmittelbaren Auslösern, die in der Tat mit dem Gold-Devisen-Standard zu tun gehabt haben, hatte die Weltwirtschaftskrise Ursachen, die tiefer reichen.

Davon abgesehen kennen durchaus auch Papiergeldsysteme deflationäre Phasen. Häufig sind sie die Folge einer vorherigen spekulativen Entgleisung. Das jüngste Beispiel ist Japan. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt erlebt seit den Neunzigerjahren das Phänomen fallender Verbraucherpreise. Die seit Winter 2012/13 amtierende neue Regierung von Shinzo Abe will die Deflation nun mit aller Macht bezwingen. Ob ihr das gelingt, ohne noch größeren Schaden anzurichten, muss sich erst erweisen, denn die schrumpfenden Preise haben viel mit der Struktur der japanischen Wirtschaft und Demografie zu tun. Auslöser der Deflation aber war das Platzen einer der größten Spekulationsblasen der Geschichte – und die war das originäre Gewächs des Papiergeldstandards der Siebziger- und Achtzigerjahre.

Wie deflationär ein neuer Goldstandard wirken würde, ist eine offene Frage. Alles Notenbank-Gold der Welt könnte beim jetzigen Preis eine globale Geldmenge von etwa vier Billionen Dollar decken, zumindest gilt das, wenn eine Unterlegung zu 40 Prozent vorausgesetzt wird. Bei einer Unterlegung von 20 Prozent verdoppelt sich das Volumen des gedeckten Geldes. Es ist klar, dass das nicht reicht, um all das viele Papiergeld zu garantieren, das seit 1971 geschaffen worden ist. Allein die vier großen Wirtschaftsverbünde USA, Euroland, China und Japan bringen es auf eine kleine Geldmenge M1 (im Wesentlichen Bargeld und Geld auf Girokonten) von rund 20 Billionen Dollar, also bei Weitem mehr, als beim jetzigen Preis durch Gold abgedeckt werden kann. Es lässt sich jedoch darauf bauen, dass die Remonetisierung des Edelmetalls den Preis steigen lassen würde, sodass sich die Relation Gold zu »Papier« verbessert. Außerdem würde ein Schwenk zu Goldgeld verstärkt Metall ins Finanzsystem saugen, das für die Schaffung neuen Geldes genutzt werden kann. Dennoch bleibt die Frage, ob die laufende Goldproduktion hinreichend groß ist, um eine schmerzhafte Deflation zu vermeiden.

Gaias Großzügigkeit

Im Jahr 2012 holten Menschen 2848 Tonnen Gold aus der Erde, mit einem ungefähren Marktwert von 145 Milliarden Dollar. Mit diesem Metall hätten bei einer Deckungsquote von 20 Prozent weltweit rund 725 Milliarden Dollar geschaffen werden können. Wichtiger als diese absolute Zahl ist jedoch, mit welcher Geschwindigkeit sich die Goldmenge im Verhältnis zur bereits vorhandenen Menge des gelben Metalls ausweiten lässt. Die globale Minenproduktion wuchs zuletzt um 1,5 bis 2 Prozent im Jahr. Das ist ein deutlich geringerer Anstieg als der der Geldmenge M1. In den USA stieg diese engere Geldmenge auf Zwölfmonatssicht um 12 Prozent. Die etwas weiter gefasste Geldmenge M2 legte um 7,4 Prozent zu. Ein Großteil dieser starken Expansion ist der Krisenpolitik der Federal Reserve geschuldet. Doch in der Vergangenheit waren Raten von 4 bis 6 Prozent beiderseits des Atlantiks üblich. Möglicherweise lässt sich die Förderung des gelben Metalls beträchtlich ausweiten, zumal wenn die Remonetisierung eine gewaltige neue Nachfrage ins Spiel bringt und den Unzenpreis steigen lässt. Doch die Ausweitung kommt sicher nicht über Nacht, und Steigerungsraten von 4 Prozent oder mehr dürften auf absehbare Zeit schwer zu erreichen sein.

Wie viel Gold in Zukunft gewonnen werden kann, hängt in hohem Maße vom Weltmarktpreis für das gelbe Metall ab – und von den Kosten für die Förderung. Denn in neue Förderanlagen wird nur dann investiert, wenn die Bergwerksgesellschaften mit einer ansprechenden Marge rechnen können. Wie teuer es ist, eine Unze Gold aus dem Boden zu holen, variiert stark von Mine zu Mine. Denn nicht nur die Ausgaben für Maschinen, Energie und Arbeiter beim eigentlichen Goldabbau fallen ins Gewicht, auch die Kosten der Exploration, also des Aufspürens von Edelmetall-Erz in der Erde und die Finanzierung des Ganzen (Kapitalkosten). Als Faustformel kann man 1500 Dollar pro Unze als Obergrenze für Produktion und Kapitalkosten nennen.

Ein Problem des Goldstandards besteht darin, dass es selbst Bergbauexperten nicht leicht fällt, die künftige Edelmetallproduktion vorauszusagen. Die Rohstoffanalytiker der US-Investmentbank Morgan Stanley sind für ihre Kenntnis der Materie bekannt. Anfang 2009 prognostizierten sie zum Beispiel, dass die Goldförderung in den Jahren 2011 und 2012 bei jeweils 2450 Tonnen liegen würde. In beiden Jahren brachten Minen dann deutlich mehr, nämlich jeweils über 2800 Tonnen hervor. Schwer vorherzusagen ist zudem, wie viel Altgold (gelegentlich auch Goldschrott genannt) auf den Markt kommt. Morgan Stanley ging für 2011 und 2012 seinerzeit von jeweils 980 Tonnen aus. Tatsächlich sollte sich die Menge des über Recycling gewonnenen Goldes in diesen Jahren dann auf 1665 und 1626 Tonnen belaufen. Bei einer Remonetisierung des gelben Metalls dürfte nicht nur die Minenproduktion deutlich ausgeweitet werden, auch die Rückgewinnung von altem Gold dürfte stark zunehmen, sodass mehr Gold für monetäre Zwecke zur Verfügung steht.

Ob sich ein Goldstandard als weltweites System errichten lässt, hängt jedoch nicht nur von der globalen Edelmetallproduktion ab, sondern auch von der Versorgungssicherheit. Es stimmt zwar, dass Bedenken dieser Art in einer idealen freien Weltwirtschaft keine Rolle spielen, doch ist die ideale freie Weltwirtschaft eine Abstraktion, von der wir in der realen Welt weit entfernt sind. Aus Gründen der Staatsräson ist ebenso wie bei Erdöl, Erdgas oder Seltenen Erden ein Blick auf die Verteilungen des Rohstoffs auf der politischen Landkarte geboten. Was das angeht, hat sich jüngst eine große Veränderung ergeben.

Gute Minen, schlechte Minen

In den vergangenen Jahren ist es zu einer ungekannten Globalisierung der Goldförderung gekommen. Geschürft wird das gelbe Metall auf allen Kontinenten mit einer Ausnahme: der Antarktis, wo alle Formen des Bergbaus verboten sind. Weltweit sind mehr als 700 Goldminen in Betrieb, in weiteren 700 Bergwerken fällt das Edelmetall als Nebenprodukt an. Nicht eingerechnet sind die wilden Schürfstellen, deren Zahl mit dem Goldboom in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Für sich genommen produzieren die Digger so ineffizient, dass sie punktuell nur eine relativ kleine Menge Gold auf den Markt bringen. In ihrer Gesamtheit sollte die Bedeutung der illegalen, häufig auch halblegal betriebenen Bergwerke gleichwohl nicht unterschätzt werden, und später sieht man dem Element seine Herkunft nicht mehr an. Manchen Annahmen zufolge bringen die wilden Minen in einzelnen Jahren bis zu 400 Tonnen des Edelmetalls hervor.82 Das ist bis zu 15 Prozent der offiziellen Produktion. Die gesamte Angebots- und Nachfragestruktur des globalen Goldmarkts können sie gleichwohl nicht umstoßen. Denn es ist ein Geschäft, in dem es nicht zuletzt auf verlässliche und kalkulierbare Lieferung ankommt.

Der weltweit größte Produzent des Edelmetalls ist heute China, gefolgt von Australien, den USA, Russland und Südafrika.83 Nicht unerheblich ist die Förderung in der Türkei, die sich selbst gern als wichtigster Erzeuger Europas sieht – und auch das von der Schuldenkrise gebeutelte Griechenland will zu einem wichtigen Produzenten aufsteigen, was nicht unplausibel erscheint, stammen die ersten Goldmünzen doch aus dieser Weltgegend rund um die Ägäis. Allerdings bremsen dort Proteste von Umwelt- und Landschaftsschützern eine schnelle Ausweitung des Bergbaus.

Das Reich der Mitte hält die Position des größten Förderlandes seit dem Jahr 2007 inne, und auch die Vielzahl der nennenswerten Edelmetallförderländer ist neu. Während fast des ganzen 20. Jahrhunderts wurde die Goldförderung von einem Land dominiert: Dieser mit Abstand größte Goldproduzent der Welt war Südafrika. Die Dominanz war streckenweise erdrückend: Im Jahr 1970 entfielen 79 Prozent des weltweiten Gold-Outputs auf die Republik am Kap. Wegen der Ergiebigkeit seiner Minen zeichnet Südafrika bis heute für rund die Hälfte allen je ans Tageslicht gebrachten Goldes verantwortlich. Die Historie keiner anderen Nation ist so eng mit dem gelben Element verschlungen wie die Historie Südafrikas, und das im Guten wie im Schlechten. Dabei kannte das Land am Kap bis 1886 überhaupt keine Goldförderung.84 Keine Unze wurde von dort exportiert. Umso rasanter war der Aufstieg.

Witwatersrand, Schatzkammer Afrikas

Die Geschichte des südafrikanischen Goldbergbaus beginnt in den späten Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts. Im Witwatersrand, einem etwa 200 Kilometer langen Höhenzug, stießen Geologen auf ein riesiges Goldvorkommen. Das Problem: Mit den damaligen Methoden waren die Vorkommen zunächst nicht wirtschaftlich nutzbar. Doch schon bald konnten die Ressourcen abgebaut werden, da Chemikern nahezu zeitgleich ein wissenschaftlicher Durchbruch gelungen war. Sie hatten eine Methode entwickelt, die es erlaubte, Gold in großem Maßstab aus dem Erz zu extrahieren: das Cyanid-Verfahren. Dank seiner ergiebigen Lagerstätten stieg die Kap-Republik schnell zum größten Erzeuger der Erde auf. Schon Mitte der Neunzigerjahre des 19. Jahrhunderts lag ihr Anteil an der Weltproduktion bei 23 Prozent.

Südafrikas Schätze der Erde waren so begehrt, dass bald ein Machtkampf um ihre Kontrolle entbrannte. Der Zweite Burenkrieg wurde nicht zuletzt darum ausgefochten, wer die Hoheit über die dortigen Lagerstätten besitzen sollte: das britische Empire oder die widerspenstigen holländischstämmigen Kolonisten, die Buren. Nachdem der Krieg mit einem Kompromiss endete, bescherten Gold und andere Bodenschätze dem Land einen beträchtlichen Aufschwung. Die Funde im Witwatersrand waren für die Wirtschaft Südafrikas so bedeutend, dass die Landeswährung nach dem Gebirgszug kurz »Rand« getauft wurde. Dass der Wohlstand aus dem Goldbergbau allerdings fast ausschließlich der weißen Bevölkerung zugutekam, sollte sich für die Zukunft der Nation und des Goldstandards als Belastung erweisen.

Anfang des 20. Jahrhunderts war Südafrika mit einem Anteil von 40 Prozent an der globalen Produktion die unbestrittene Nummer eins des Goldbergbaus. Seinen Status als führendes Förderland ließ sich die Kap-Republik bis ins frühe 21. Jahrhundert nicht mehr nehmen. Als sich China 2007 an die Spitze setzte, war es das erste Mal seit 1905, dass ein Land Südafrika entthronte.

Seither hat sich der Abstieg der Minenindustrie am Kap dramatisch beschleunigt. Streiks und Stromausfälle bringen die Produktion tage- oder sogar wochenlang zum Erliegen. Im Jahr 2012 kam es bei einer Konfrontation von streikenden Bergleuten einer Mine mit der Polizei zu einer Schießerei, bei der mehr als 30 Arbeiter getötet wurden. Die Bilder des Blutbads gingen um die Welt, und dieser Zusammenstoß war nur einer von vielen in den vergangenen Jahren. Die Unruhen werfen den südafrikanischen Bergbau weiter zurück. Die jetzige Position Nummer fünf wackelt, die Konkurrenz wird stärker. Das bekommt auch der langjährige große Rivale der Kap-Republik zu spüren.

Wie Nixon Russland half

Als zweiter großer Produzent hat sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts das größte Land der Welt etabliert: Russland. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) zum bedeutendsten Goldförderland hinter Südafrika auf – wenngleich lange mit einigem Abstand hinter dem Primus. Ende der Siebzigerjahre zum Beispiel lag die südafrikanische Förderung bei circa 700 Tonnen, die Sowjetunion lieferte dagegen etwa 250 Tonnen.

Dieses unliebsame Zweiergespann machte die Goldbindung des Dollar in Washington nicht unbedingt populär. Da die US-Währung mit einer bestimmten Menge des Edelmetalls unterlegt werden musste, war die Supermacht dazu verdammt, einen Rohstoff zu nutzen, der ein wichtiges Exportgut zweier Länder war, zu denen es mindestens problematische Beziehungen unterhielt. Anders als die UdSSR war Südafrika mit seinem kapitalistischen Wirtschaftssystem zwar kein Feindstaat im eigentlichen Sinn, doch trübte sich das Verhältnis zum rassistischen Apartheid-Regime in Pretoria seit den Fünfzigerjahren zunehmend ein. In den Sechziger- und Siebzigerjahren wurden Wirtschaftssanktionen beschlossen, das Regime geriet in die Isolation. Nixons Abschied vom Goldstandard war Amerikas Elite also zumindest dadurch versüßt, dass die USA dadurch zwei Widersachern auf der politischen Bühne eins auswischten. Zumindest schien es so. Nur war der Effekt des 15. August ein ganz anderer als erwartet.

Die Aufhebung der Goldbindung des Dollar sollte sich am Ende keineswegs zum Nachteil der UdSSR auswirken. Denn in den zehn Jahren nach Nixons Rede stieg der Preis des Metalls von 35 Dollar auf 850 Dollar je Feinunze – eine Verteuerung um den Faktor 24. Wenn die Sowjetunion bis in die Achtzigerjahre hinein beim Wettrüsten mit den USA mithalten konnte, dann lag es auch daran, dass ihr der Höhenflug der Rohstoffpreise neue Einnahmequellen verschaffte. Hauptsächlich waren das Öl und Gas. Aber auch der steigende Goldpreis half Moskau eine Zeit lang, sich über Wasser zu halten. Doch letztlich konnte sich die kommunistische Supermacht mit zerrütteter Wirtschaft nur ein paar Jahre Aufschub kaufen. Das Bröckeln der Rohstoffpreise in den Achtzigerjahren erwischte Moskau auf dem falschen Fuß: 1989 war das System am Ende.

Reiche und Arme

Für den Neustart des Goldstandards wäre die ungleiche Verteilung des Edelmetalls in der Erde ein nicht zu unterschätzendes, aber auch kein unüberwindbares Hindernis. Die Globalisierung der Goldförderung hat die Situation gegenüber den Sechziger- und den Siebzigerjahren erheblich verbessert. Ein größeres Problem stellt die Ungleichverteilung über der Erde dar. Tatsächlich gibt es unter den Nationen goldreiche und weniger goldreiche. Das hat historische Gründe, die bis heute fortwirken und nicht über Nacht verschwinden werden.

Der Hort der Zentralbanken ist äußerst ungleich verteilt: Der mit Abstand größte Goldbesitzer sind die Vereinigten Staaten, die 8134 Tonnen ihr Eigen nennen. Der zweitgrößte Edelmetallschatz gehört den Deutschen, die etwas unter 3400 Tonnen halten. Dann kommen die Bestände des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit 2814 Tonnen, die so etwas wie internationales Gemeinschaftsvermögen darstellen. Es folgen Italien mit 2452 und Frankreich mit 2435 Tonnen. Der nächstgrößte Gold-Halter ist China, das nach offiziellen Angaben 1054 Tonnen angehäuft hat, vor der Schweiz mit 1040 Tonnen. All das sind absolute Zahlen, die ebenso wie andere absolute Zahlen oft in die Irre führen. Denn hinter beachtlichen Tonnen-Zahlen stehen oft noch beachtlichere Wirtschaftsgrößen, die bei einem neuen Goldstandard mit dem gelben Metall versorgt werden müssten (siehe Anhang auf Seite 211).

Einen besseren Eindruck davon, welche Nationen goldreich und welche goldarm sind, gibt der Quotient von Edelmetallreserven und Währungsbeständen. Bei der US-Notenbank Fed wie bei der Deutschen Bundesbank machen die Goldbestände rund drei Viertel ihrer Währungsreserven aus. Das Gleiche gilt für Italien, bei Frankreich sind es immerhin gut zwei Drittel. Völlig anders gestaltet sich die Lage in China: Von all den Devisen, die die People’s Bank of China (PBOC) im Lauf ihres Bestehens akkumuliert hat, bildet Gold nur knapp zwei Prozent. Unter den großen Industrieländern kommt lediglich Japan auf eine ähnlich niedrige Quote – sie liegt bei rund drei Prozent. Wie Peking setzt Tokio im Wesentlichen auf Papierwährungen als Reservemedium, vor allem den amerikanischen Dollar. Schon in der Nachkriegszeit hielt sich Japan – anders als die Europäer – an den Greenback, und dabei ist es bis heute geblieben.

Schwache Deckung in Asien

Die meisten Zentralbanken der Schwellenländer sind ähnlich arm an Gold wie die chinesische. Indien bringt es nach einer beträchtlichen Aufstockung seiner Edelmetallbestände im Jahr 2009 heute auf einen Anteil von zehn Prozent an seinen Währungsreserven. Obwohl Russland selbst ein großes Rohstoffland ist, macht sein Goldvorrat gemessen am gesamten Staatsschatz ebenfalls nur etwa zehn Prozent seiner Devisenreserven aus.

Eine wichtige Kennzahl ist der Quotient von Edelmetallreserven und Wirtschaftsleistung. Er gibt an, wie viel der Wirtschaftsaktivität durch Edelmetall unterlegt ist. Ein Land wird nur dann zum Goldstandard übergehen, wenn es gewährleisten kann, dass Handel und Gewerbe stets genügend Geld zur Verfügung steht. Da Edelmetallbestände im Goldstandard die Basis für Geld sind, ist deren Umfang in Relation zur Ökonomie eine entscheidende Größe. Am besten mit Gold ausgestattet ist von allen Industriestaaten die Schweiz. Die Helvetier können sich glücklich preisen, mehr als acht Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) durch Gold gedeckt zu haben. Damit nicht genug: Auch gemessen an der Bevölkerung rangiert die Eidgenossenschaft ganz vorne. Pro Einwohner verwaltet die Schweizerische Nationalbank 130 Gramm oder mehr als vier Unzen in ihren Tresoren. Darin spiegelt sich, dass die Schweizer von allen Völkern der Welt am längsten an der Edelmetallunterlegung ihrer Währung festgehalten hatten.

Eine ebenfalls relativ gute Ausgangsposition haben Frankreich, Deutschland und Italien: Die Golddeckung dieser drei großen Euro-Ökonomien beläuft sich auf vier bis gut sechs Prozent. Österreich und die Niederlande bringen es auf Goldreserven, die knapp vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung entsprechen. Ein Ausreißer nach oben ist Portugal: Aus alten Zeiten hat die westlichste Nation Europas noch so viele Bestände, dass sie mehr als neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts abdecken. In absoluten Zahlen ist der Schatz der Portugiesen mit einem Wert von weniger als 20 Milliarden Dollar jedoch winzig.

Die USA hingegen zeigen, dass man sich von absoluten Zahlen nicht blenden lassen sollte. Trotz der mehr als 8000 Tonnen Edelmetall in Staatsbesitz deckt der Hort nur knapp drei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ab, was damit zu tun hat, dass die US-Wirtschaft schlicht überwältigend groß ist, jährlich bringt sie Güter und Dienstleistungen im Wert von fast 16 Billionen Dollar hervor, mehr als viermal so viel wie Europas größte Ökonomie Deutschland.

Indien, das 1,1 Milliarden Menschen zählt, bleibt trotz der jüngsten Aufstockungen seiner Zentralbank bei einer Edelmetallquote von unter zwei Prozent. Noch schlechter stehen die asiatischen Wirtschaftsgroßmächte Japan und China da. Beide bringen es auf weniger als ein Prozent Golddeckung gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Gerade die magere Ausstattung der Volksrepublik verdeutlicht, wie weit die großen Schwellenländer von einem Edelmetallstandard entfernt sind. Allerdings zeigt eine Nation, wie schnell die Goldbestände auch in unserer Zeit ausgebaut werden können, wenn die politische Führung das will. Diese Nation, die strategisch auf große Goldreserven setzt, ist Russland.

Geheimkommando Super-Rubel?

Russland ist die große Unbekannte im weltweiten Spiel um Macht und Geld. Kein Land kauft so zielstrebig physisches Edelmetall auf wie die frühere Kernnation der UdSSR. Allein in den vergangenen vier Jahren hat Moskau seinen Staatsschatz um rund 450 Tonnen aufgestockt. Mittlerweile hortet die russische Zentralbank mit knapp 1000 Tonnen fast so viel Gold wie die Schweizerische Nationalbank, die derzeitige Nummer sechs der Goldreichen. Das ist umso bemerkenswerter, als sich Russland unter seinem damaligen Präsidenten Boris Jelzin noch im Jahr 1998 zahlungsunfähig erklären musste. Kann Moskau das Tempo seiner Goldkäufe aufrechterhalten – es waren plus 88 Prozent in vier Jahren –, dann könnte es bald mit China um Rang fünf der Edelmetall-Halter unter den Staaten wetteifern, es sei denn, Peking beschließt einen noch energischeren Aufbau seiner Reserven.

Hinter Russlands Goldkäufen stehen die Ambitionen von Präsident Wladimir Putin. Der starke Mann im Kreml misstraut dem Dollar und hat in den vergangenen Jahren oft genug deutlich gemacht, dass er die globale Dominanz des Greenback für gefährlich hält. Bei einer Gelegenheit rückte er die USA wegen ihres Leitwährungsprivilegs in die Nähe von Parasiten.85 Für alles auf russischem Boden geschürfte Gold hat der Staat ein Vorkaufsrecht, sodass Moskau den Aufbau seiner Reserven möglicherweise noch beschleunigen könnte. Allerdings wird das Land dieses Recht kaum zur Gänze ausschöpfen, da Rohstoffe das wichtigste Exportgut sind. Der US-Ökonom, Sicherheitsberater und Autor James Rickards spielt in seinem Buch Währungskrieg. Der Kampf um die monetäre Weltherrschaft schon die Möglichkeit durch, dass Moskau einen goldgedeckten Rubel vorbereiten könnte, der den Dollar als Leitwährung ablöst. Aber noch ist Moskau lange nicht so weit. Gemessen an seiner Wirtschaftskraft bringt es Russland auf einen Gold­anteil von weniger als drei Prozent, viel zu wenig für einen mit Edelmetall unterlegten Super-Rubel.

Bonanza

In der Gesamtheit haben die Schwellenländer, zu denen neben Putins Russland auch die Wirtschaftsriesen China, Brasilien und Indien zählen, einen gewaltigen Aufholbedarf: Die großen Emerging Markets müssten insgesamt 17 000 Tonnen Gold erwerben, um den Anteil des gelben Metalls an ihren Währungsbeständen auf durchschnittlich 15 Prozent zu steigern – jenen Wert, der als Mindestvoraussetzung dafür gilt, dass eine Golddeckung der Währung angestrebt werden kann. Selbst dann wäre der Edelmetallstandard nur in Reichweite, aber noch nicht erreicht. Die Menge von 17 000 Tonnen entspricht fast dem Sechsfachen der jährlichen Minenproduktion auf dem Globus. Würden die Schwellenländer auf einen Goldstandard umschwenken oder auch nur andeuten, dass sie Gold als Wertanker für ihre Währung nutzen wollen, wäre das vermutlich der Auslöser für eine weltweite Edelmetall-Bonanza. Denn die zusätzliche Nachfrage würde die Goldnotierungen unweigerlich nach oben katapultieren.86

Ein neuer internationaler Goldstandard würde einen riesigen zusätzlichen Bedarf von vermutlich mehreren Hundert Tonnen im Jahr schaffen. Daher stellt sich einmal mehr die Frage, ob die Förderung schnell genug ausgeweitet werden kann, um die goldarmen Länder auf ein Minimum an monetärem Gold zu bringen, ohne dass die goldreichen zugleich einen Abfluss zu verzeichnen hätten. Nicht wenig heikel erscheint die Frage, ob es sich moralisch und ökonomisch vertreten lässt, der Wirtschaft einen wichtigen Rohstoff zu entziehen oder diesen Rohstoff so stark zu verteuern, dass er Alltagsprodukte unerschwinglich macht.

Sparschmuck und Schattenbanken

Im Jahr 2012 wurden auf der Welt 4406 Tonnen Gold nachgefragt. Allerdings stammen nur knapp zwei Drittel dieser Menge aus dem Bergbau. Beim Rest, immerhin mehr als 1600 Tonnen, handelte es sich um recyceltes Gold aus altem Schmuck oder elektronischen Geräten. Im Jargon wird dieses wiederverwertete Metall »Goldschrott« genannt.

Verwendung fand das gelbe Metall – das mag manchen überraschen – wie seit prähistorischen Zeiten in erster Linie für Schmuck. Insgesamt 43 Prozent der Nachfrage entfielen auf Juweliere und Goldschmiede. Dabei ist zu beachten, dass Halsketten, Armbänder, Ohrringe und andere Formen von Geschmeide in weiten Teilen des Nahen und Fernen Ostens der Vermögensaufbewahrung und -übertragung dienen. Man könnte von Spar-Schmuck sprechen. Besonders ausgeprägt ist diese Tradition in der Milliardennation Indien. In dem inflationsgepeinigten Land hat sich sogar ein echtes Schattenbankenwesen auf Edelmetallbasis gebildet. Manche dieser Häuser, die Geld gegen Goldsicherheiten verleihen, haben inzwischen Tausende Filialen. Das Geflecht von Schattenbanken hat solche Ausmaße angenommen, dass es der Regierung in Neu-Delhi Kopfzerbrechen bereitet. Die Behörden haben daher Schritte in die Wege geleitet, um die Expansion der Goldbanken einzudämmen. Auch die jüngst drastisch erhöhten Steuern auf Goldimporte sollen den Boom brechen helfen. Zugleich belegt das indische Beispiel, dass ein goldgedecktes Kreditwesen möglich ist.

Aus nicht weniger als 29 Prozent des verfügbaren Goldes wurden 2012 Barren und Münzen gefertigt, die Anleger als Instrument der Vermögenssicherung nachfragen. Weitere 12 Prozent des verfügbaren Goldes gingen an Zentralbanken. Besonders die Schwellenländer versuchten damit, wie wir gesehen haben, ihre Abhängigkeit von Dollar, Euro und Pfund zu reduzieren. Insgesamt stockten die Institutionen ihre Edelmetallbestände im Jahr 2012 um 535 Tonnen auf und damit so stark wie seit fünf Dekaden nicht mehr. Börsengehandelte Goldfonds, auch ETFs genannt (kurz für Exchange-Traded Funds), und andere Investmentprodukte zeichneten 2012 für 6 Prozent des globalen Bedarfs verantwortlich.87

Der Kritik, dass die monetäre Nutzung von Gold der Wirtschaft eine wichtige Ressource entzieht, begegnen Goldfans mit dem Argument, dass die industrielle Nachfrage nur rund zehn Prozent des Gesamtbedarfs ausmacht. In vielen Fällen lässt sich Gold durch ein anderes Edelmetall ersetzen. Bei elektronischen Geräten ist der Goldanteil zudem nicht so hoch, dass sich der Endpreis des Produkts durch eine Steigerung des Goldpreises allzu schmerzhaft erhöhen würde. In einem Handy stecken zum Beispiel durchschnittlich nur 0,02 Gramm des gelben Metalls. Der größte Abnehmer, die Schmuckindustrie, müsste sich nach einer Alternative umsehen, doch die werden einfallsreiche Juweliere gewiss finden.

Grundsätzlich bleibt der Einwand jedoch bestehen: Ein wertvoller Rohstoff sollte nicht ohne Not eine Funktion übertragen bekommen, wenn es dafür andere Optionen gibt. Dazu kommt, dass Gold keine nachwachsende Ressource ist. Prinzipiell sind die Lagerstätten endlich. Wie endlich, ist durchaus eine Frage von Belang. Es wäre kaum sinnvoll, eine goldgedeckte Währung anzustreben, wenn schon in nächster Zeit mit spürbarer Edelmetallknappheit zu rechnen ist und wenn man eine Deflation vermeiden will. Wie lange also werden Banken und Notenbanken mit einem natürlichen Goldnachschub rechnen dürfen?

Peak, der Gipfel der Prognosen

Wie für jeden anderen Rohstoff wird für Gold eine Reichweite angegeben, die zuweilen einschüchternd niedrig wirkt. Die Erfahrung lehrt, dass die Prognosen für ausbeutbare Rohstoffe in der Regel bei Weitem zu niedrig angesetzt sind. Der »Club of Rome« hatte Anfang der Siebzigerjahre die Reichweite der Goldvorräte auf nur noch wenige Jahre veranschlagt. Nach einer der Projektionen des Clubs sollten schon 1979 alle abbaubaren Lagerstätten erschöpft sein, Silber sollte nebenbei erwähnt nur vier Jahre länger halten – sicherlich auch einer der Gründe, warum die Brüder Hunt sich bei ihrer Wette so sicher fühlten. Jedoch tätigten die Wachstumspessimisten ihre Vorhersagen auf Basis eines Goldpreises von 35 Dollar. Als die Notierungen an den Rohstoffmärkten in den Siebzigern um den Faktor 20 nach oben schossen, wurde der Abbau an Stellen rentabel, wo man zuvor noch nicht einmal davon träumen konnte.

Die Reichweite der bekannten Reserven ist in den vergangenen Jahren nahezu gleich geblieben. Neue Explorations- und Abbaumethoden ermöglichen die Erschließung von Vorkommen, die vor 10 oder 20 Jahren wirtschaftlich noch nicht hätten ausgebeutet werden können. Technischer Fortschritt spielt, wie auch in der Vergangenheit, eine große Rolle. Um ein Beispiel aus einem anderen Bereich zu wählen: Bei Öl und Gas macht heute »Fracking« Furore. Mittels dieses Verfahrens, ein Bohren unter hohem Druck und dem Einsatz von Chemikalien, ist es möglich, fossile Energieträger aus Gesteinsschichten zu gewinnen, die noch vor einem Jahrzehnt nicht als abbaubar galten. Was Fracking für Öl und Gas ist, war Ende des 19. Jahrhunderts das Cyanid-Verfahren für Gold. Durchaus denkbar, dass bei dem gelben Metall neue Techniken vor der Markteinführung stehen, die schon bald die Förderung revolutionieren. Welche Bedeutung Abbaumethoden und Infrastruktur haben, kann man daran ermessen, dass von den rund 174 000 Tonnen Gold in Menschenhand deutlich mehr als die Hälfte, nämlich fast 60 Prozent, erst seit dem Jahr 1950 gefördert worden sind.

Die US Geological Society (USGS) gibt die bekannten Goldreserven der Welt mit rund 51 000 Tonnen an. Das klingt nach wenig und würde bei der jetzigen Nachfrage lediglich ausreichen, um den Goldbedarf für etwa zwölf Jahre zu decken. Der Geologe und Goldfachmann Thomas Utter schätzt die Gesamtmenge des Goldes, das der Menschheit zur Verfügung steht, dagegen auf 270 000 Tonnen.88 Das hieße, dass uns noch circa 100 000 Tonnen zur Förderung bleiben. Legt man die Erfahrungen der Vergangenheit zugrunde, greifen beide Prognosen möglicherweise deutlich zu kurz.

Die Rückgewinnung des Metalls aus elektronischen Geräten oder altem Schmuck hat schon in den zurückliegenden Jahren einen wichtigen Beitrag zur Goldversorgung geliefert. Bei weiter steigendem Goldpreis könnte die Bedeutung dieser Angebotsquelle auf eine Weise zunehmen, die wir heute kaum erahnen können. Sollte das Gold an Land irgendwann knapp werden, könnte die Erschließung neuer Vorkommen am Grund der Ozeane in den Fokus rücken.

Bereits in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts experimentierte der deutsche Chemiker und Nobelpreisträger Fritz Haber mit einer Methode, das Element aus Meerwasser zu extrahieren.89 Den Erfinder des wichtigen Haber-Bosch-Verfahrens zur Ammoniaksynthese trieben patriotische Motive: Mit dem so gewonnenen Edelmetall wollte er der deutschen Regierung helfen, die Reparationen zu finanzieren, die dem Reich nach dem Ersten Weltkrieg aufgebürdet worden waren. Die Reparationen beliefen sich auf 132 Milliarden Mark in Gold und konnten nicht mit der entwerteten heimischen Währung, sondern nur in Edelmetall oder in harten Devisen beglichen werden.

Für Habers Versuche wurde sogar eine geheime deutsche Hochsee-Mission mit dem Forschungsschiff »Meteor« auf den Atlantik geschickt. Das Vorhaben des Chemikers mag abenteuerlich, ja fantastisch erscheinen, hatte aber eine reale Grundlage: Im Wasser der Ozeane ist vermutlich mehr Gold gelöst als sich in allen Erzen der Erdkruste zusammen findet. Und doch scheiterte Habers Plan. Es stellte sich heraus, dass die Goldkonzentration im Meerwasser um Grade niedriger war als erwartet. Mit den damaligen Methoden wäre es unwirtschaftlich gewesen, Gold aus der See zu gewinnen. Allerdings lag der Goldpreis damals bei 20,67 Dollar, und es ist nicht ausgeschlossen, dass künftige Verfahren es ökonomisch sinnvoll machen, diesen Schatz aus den Ozeanen heben.

In einer ferneren Zukunft könnte Gold auch auf Asteroiden oder dem Mond gewonnen werden. Unser Trabant besteht aus den gleichen Gesteinsarten wie die Erde, und in Meteoriten ist das Edelmetall bereits nachgewiesen worden. Die Reise ins All könnte sich, entsprechende Goldgehalte in den umherfliegenden Brocken und entsprechende Technik vorausgesetzt, wirtschaftlich lohnen. Mit dem Flug ins Universum würden wir nebenbei erwähnt zu den Ursprüngen des gelben Metalls aufbrechen. Denn kein Gramm Gold ist auf der Erde entstanden. Wie alle schweren Elemente wurde das Metall im Bauch von Sonnen mittels Kernfusion ausgebrütet und dann bei der Explosion des Sterns ins All geschleudert. Als sich unser Planet aus der »Asche« verglühter Gestirne bildete, sammelte sich ein Teil des Elements in der Erdkruste an, von wo aus es später in Flüsse, Seen und Meere ausgewaschen wurde. Gold ist im wahrsten Sinne Sternenstaub.

Eine natürliche Grenze für den Goldstandard scheint nicht absehbar. Zumindest deutet nichts darauf hin, dass akute Edelmetallknappheit ein Problem der nächsten Jahrzehnte werden könnte. Eine andere Frage ist, wie lange es wirtschaftlich bleibt, Gold als Währungsmetall abzubauen. Wie wir gesehen haben, sind die Kosten der Geldschöpfung auf Basis des Edelmetalls schon jetzt nicht unerheblich. Allerdings kann die größere Festigkeit des Finanzsystems die Mehrausgaben rechtfertigen. Rein physisch betrachtet ist es jedenfalls nicht zu befürchten, dass der Menschheit das Gold allzu bald ausgeht.

Doch zurück von fernen zu naheliegenden Problemen: Wie sieht die Goldausstattung einer großen Industrienation wie Deutschland aus? Eine solche Detailanalyse hat bisher offenbar noch niemand unternommen. Dabei ist die Kenntnis der Verhältnisse vor Ort Voraussetzung für alle weiteren Schritte in Richtung einer Remonetisierung des Edelmetalls.

Deutschland: Dem Goldstandard so nah

Deutschland ist eines der goldreichsten Länder der Welt. Es ist goldreich, aber nicht weil der Rhein, die Donau, das Erzgebirge oder andere geologische Schatzkammern so viel hergegeben hätten, sondern weil die Bundesbürger das Edelmetall als Gegenwert für ihre umfangreichen Exporte ins Land holen konnten. Die genaue Menge des Goldes in privatem Besitz wird nie exakt zu ermitteln sein, Ende 2012 hat die Steinbeis-Hochschule Berlin in Zusammenarbeit mit dem Edelmetallhaus Heraeus jedoch eine große repräsentative Goldstudie veröffentlicht, die einiges Licht auf den Goldschatz der Deutschen wirft. Im Folgenden beziehe ich mich auf die Zahlen dieser Untersuchung.

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Abb. 4: Globale Vermögensverteilung, Quelle: WGC, Deutsche Bank

Deutschland stellt etwas über ein Prozent der Weltbevölkerung und nur wenig mehr als vier Prozent der Weltwirtschaft, aber rund sieben Prozent des weltweiten Goldbestandes. In absoluten Zahlen halten Privathaushalte und Deutsche Bundesbank zusammen rund 11 390 Tonnen. Dieses Gold hatte zum Zeitpunkt der Untersuchung einen Wert von fast 500 Milliarden Euro.

Trotz dieser beeindruckenden Summen ist der Goldanteil am Gesamtvermögen der Deutschen weiterhin klein. Gemessen am Reichtum von zehn Billionen Euro sind es nur vier Prozent. In den vergangenen Jahren war eine leicht steigende Tendenz zu beobachten, im Jahr 2009 hatte der Goldanteil erst drei Prozent betragen. Die Zunahme rührt offenbar vorwiegend von anziehenden Goldpreisen her, nicht von groß angelegten Käufen der Bevölkerung.

Immerhin ist Gold den meisten Bundesbürgern als Wertanlage vertraut: Mehr als zwei Drittel besitzen das Edelmetall in der einen oder anderen Form. Rund 20 Millionen, das ist ein knappes Drittel der Deutschen, hält Gold in physischer Form. Insgesamt horten die deutschen Privathaushalte 7994 Tonnen Gold in Form von Barren oder Münzen. Das entsprach zuletzt einem Wert von mehr als einer Drittelbillion Euro. Der Rest entfällt auf goldbasierte Wertpapiere, zum Beispiel Zertifikate. Damit hatten die Bundesbürger immerhin mehr Vermögen in Gold investiert als in Aktien – die es bei Veröffentlichung der Studie auf einen Marktwert von gut 200 Milliarden Euro brachten.

Pro Kopf besitzt jeder Bundesbürger über 18 Jahre rechnerisch 117 Gramm Gold, davon hält er 62 Gramm in Form von Barren und Münzen und 55 Gramm in Form von Goldschmuck. Die 117 Gramm entsprachen zum Zeitpunkt der Erhebung 5065 Euro.

Diese Zahlenspiele ergeben erst dann Sinn, wenn man sie in Relation zur Menge des Geldes in Deutschland setzt. Denn ein Goldstandard könnte nur dann mit Leben gefüllt werden, wenn im Land genügend privates und öffentliches Gold vorhanden ist, um die umlaufenden Banknoten und die Kontoguthaben zu »decken«. Die jüngst ermittelten Zahlen lassen erkennen, dass Deutschland der Möglichkeit eines neuen Goldstandards näher ist, als die meisten wohl vermuten: Die Geldmenge M1 beträgt in der Bundesrepublik circa 1400 Milliarden Euro, die Goldreserven der Zentralbank belaufen sich auf 134 Milliarden Euro, womit wir auf eine Deckung von etwas unter zehn Prozent kommen. Denkt man sich nun noch einen Teil des privat gehorteten Goldes als Edelmetall-Einlage bei den Banken hinzu, ist es gut vorstellbar, nach und nach zu einer mit Gold gedeckten Währung überzugehen. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass ein freier Goldstandard nicht über Nacht eingeführt werden müsste. Vielmehr ist die Errichtung als evolutionärer Prozess denkbar.

Die Frage bleibt jedoch: Ist ein Goldstandard im klassischen Sinn wirklich die ersehnte Antwort auf die Fragen, mit denen wir heute konfrontiert sind? Oder ein Geist aus der Vergangenheit? Was wären die Vor- und Nachteile? Hier wollen wir uns nun mit einigen Problemen auseinandersetzen, die der Goldstandard heute aufwerfen würde.

Back to Dilemma

Der Goldstandard kann unser Geld stabiler machen, aber er kann nicht alle Probleme lösen: nicht alle wirtschaftlichen oder finanziellen und schon gar nicht alle politischen. Ein Dilemma des Goldstandards und der Abart Golddevisenstandard lässt sich nicht beseitigen: Ähnlich wie 1931 kann die Zentralbank immer wieder in eine Zwickmühle geraten. Wenn Geld aus dem Land abfließt, muss sie sich entscheiden zwischen der Aufrechterhaltung der Konvertibilität (also der Umtauschbarkeit von Banknoten und Giralgeld in Gold) und der Stützung des heimischen Banksystems. Sind die Reserven aufgebraucht, kann sie das nur machen, indem sie den Finanzinstituten Liquidität zur Verfügung stellt. Das allerdings lässt die Edelmetalldeckung des Geldes abschmelzen. Die Zentralbank ist in einem Zielkonflikt, der normalerweise nur durch Kredite ausländischer Notenbanken überwunden werden kann. Daher auch Eichengreens Betonung der internationalen­ ­Kooperation.

Widerstände

Anhänger des Goldstandards müssen zudem auf eine vehemente politische Gegenwehr gefasst sein. Wie heute die Eurozone setzt ein internationales Goldsystem nämlich voraus, dass sich Preise wie auch Löhne in Gebieten mit schwacher Produktivkraft nach unten bewegen. In Ermanglung von milliardenschweren Transferzahlungen ist das die einzige Möglichkeit, die Überbewertung des Geldes aufzufangen. Denn eine Goldwährung ist immer eine starke Währung. Die Regelgebundenheit von Edelmetallgeld hat zu allen Zeiten öffentliche Ablehnung provoziert. Schon lange vor Keynes gab es Politiker, Ökonomen, Unternehmer oder Künstler, die das monetäre Korsett des Goldstandards als vorsintflutlich verdammten. Den vielleicht wortmächtigsten Gegner einer Goldwährung hat Amerika hervorgebracht, in Gestalt von William Jennings Bryan. Er war einer der wichtigsten Politiker der US-Demokraten an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.

Im Jahr 1896 wurde Bryan zum Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei. gekürt. Auf dem Nominierungsparteitag hielt er seine mitreißende und bis heute in ihrer Polemik unerreichte Cross-of-Gold-Rede. Unter dem rhetorischen Feuerwerk lag das dunkle Land der Ängste, die viele Amerikaner plagten. Viele einfache Menschen, vor allem Arbeiter und Farmer, sahen ihre Löhne und die Preise ihrer Güter durch das knappe Goldgeld nach unten gedrückt. Bryan verlieh diesem Unbehagen seiner Zeitgenossen beredten Ausdruck. Greenspan ordnet den Politiker unter Wirtschaftspopulismus ein, nennt ihn »die wirkungsvollste Stimme des Wirtschaftspopulismus in der US-Geschichte«90. Auch das Kinderbuch Der Zauberer von Oz ist von manchen als versteckte Kritik an den Fährnissen des Goldstandards gelesen worden.91 Letztlich waren die sozialen Probleme Amerikas im 19. Jahrhundert aber nur zum geringeren Teil monetär bedingt. Mit neuen Goldfunden besserte sich die Geldversorgung vor der Jahrhundertwende. Bryan wurde nie Präsident und damit ging seine Forderung unter, zusätzlich zum gelben Metall auch Silber als Währungsmetall zuzulassen. Heute gilt zudem: Wer sagt »Der Goldstandard kann nicht funktionieren«, müsste fairerweise mit der gleichen Inbrunst sagen: »Die Eurozone kann nicht funktionieren.« Beide ähneln sich darin, dass sie ein regelgebundenes Währungssystem sind.

Auf den Bankensektor wären die Auswirkungen des Goldstandards über das Dilemma hinaus nicht eindeutig. Skeptiker führen an, dass die mit Edelmetall gedeckten Währungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Bankenkrisen keineswegs verhindert hätten. In der Tat gab es einige schwierige Situationen, nicht zuletzt den Barings-Kollaps von 1890 und die »Große Panik« von 1907. Ein Forscher zählt insgesamt 13 Finanzbeben zwischen 1814 und 1914 allein in den USA.92 Den Grund für diese Krisen haben wir kennengelernt: Gold war keineswegs die einzige Währung: Banken hatten beträchtliche Freiheiten, Kredite in Papiergeld zu vergeben. Beträchtliche Freiheiten bedeuten eben auch, dass die Banken beträchtliche Möglichkeiten hatten, Fehler zu begehen. Dazu kam noch, dass sich ein Teil des Geschäftes in der Peripherie des Systems abspielte, wo der Edelmetallanker schwach war. Das traditionsreiche britische Bankhaus Barings zum Beispiel geriet mit Anleihen in Schwierigkeiten, die es in Argentinien, weit entfernt vom europäischen Finanzzentrum London, aufgenommen hatte.

Wertkern-Banken

Es gibt jedoch einen großen Unterschied zu heute: In diesen wie in anderen Bankkrisen konnten die übrigen Institute aus eigener Kraft einen Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems verhindern. Im »Sturm von 1907« war es der berühmte John Pierpont Morgan, der einschritt. Patriarchalisch versammelte er die wichtigsten Banker der Wall Street an einem Tisch. Indem er mit seiner Autorität die Finanzkraft der gut kapitalisierten Institute bündelte, half er den strauchelnden aus der Patsche. So stoppte er die Panik und rettete die Branche. Im Wall-Street-Crash des Jahres 1929 war das unter den Bedingungen des Golddevisenstandards nicht mehr so leicht möglich, und noch viel schwieriger war es 2008, als Lehman Brothers fiel. Allerdings waren unter den Bedingungen des klassischen Goldstandards Eigenkapitalquoten von 20 oder 25 Prozent bei Banken normal, während sie in unserer Papiergeld-Ära bis auf unter 5 Prozent abgesunken sind. Lehman hatte eine Quote von 3 Prozent. Ergo: Der Währungsanker Gold kann einzelne akute Paniken nicht verhindern, aber er kann dazu beitragen, dass die Krise nicht vollends außer Kontrolle gerät.

Damit sind die Möglichkeiten nicht erschöpft, Gold einzusetzen, um das Bankwesen wieder stabil zu machen, oder »sound«, wie die Angelsachsen in Anspielung auf den heiseren Klang des edlen Metalls sagen. Kreditinstitute könnten per Gesetz dazu angehalten werden, einen Teil ihres Eigenkapitals in Gold zu hinterlegen. Auch damit wären sie gezwungen, einen Teil ihres Kapitals in Vermögenswerten zu bilden, die nicht jemand anderes Verbindlichkeiten sind. Weitere Überlegungen gehen dahin, neu ausgegebene Staatsanleihen zum Teil mit Gold zu decken. Wenn die Banken diese Papiere auf ihre Bücher nehmen, ist ein Teil des Ausfallrisikos durch das Edelmetall abgedeckt. All diese Maßnahmen können nicht verhindern, dass Banker Fehler machen, aber sie können die Auswirkungen der Fehler Einzelner auf die Gesamtheit minimieren. Die Große Rezession hat gezeigt, dass im heutigen Bankwesen mangels Wertanker nicht genügend Substanz vorhanden ist, um größere Schocks abzufedern.

Unzureichendes Eigenkapital wird weithin als eines der Hauptprobleme des Finanzsystems anerkannt. Schwierig erscheint hingegen eine kurzfristige Abhilfe dieses Missstands: Wollen sämtliche unterkapitalisierten Kreditinstitute der Welt gleichzeitig frisches Kapital aufnehmen, wird das zu einer teuren Angelegenheit. Doch auch wenn es ein langwieriger Prozess ist, getan werden muss etwas. Diese Anpassung, die Banken zu weniger riskanten Unternehmen macht, ist eine historische Aufgabe. Wenn das Eigenkapital ohnehin aufgestockt werden muss, könnte die Gelegenheit dazu genutzt werden, es gleich noch mit einem harten Kern zu versehen. Edelmetall-Banken könnten einen echten Unterschied machen.

Der Goldstandard ist keine Garantie für das Ausbleiben von Krisen, manche behaupten gar, er produziert ständig (kleinere) Krisen. Aber dafür kann er, richtig angewendet, dazu beitragen, die ganz große Krise gar nicht erst entstehen zu lassen. Goldbasierte Banken sind für sich genommen nicht unfehlbar, aber selbst wenn einzelne Institute durch schlechte Geschäftspolitik scheitern, werden sie nie das ganze System in den Abgrund reißen können, wie es Lehman 2008 um ein Haar getan hätte.

Täuschender Atem

Die Starrheit des Goldstandards hat einige dazu gebracht, sich Gedanken zu machen, wie er zu einem »atmenden System« weiterentwickelt werden könnte. Ein Ansatz besteht darin, nicht allein auf Gold zu setzen, sondern auch andere Metalle oder Rohstoffe einzubeziehen, zum Beispiel Silber, Kupfer oder sogar Erdöl. Dadurch könnten starke Schwankungen oder unvorhersehbare Unterbrechungen der Goldproduktion ausgeglichen werden. Es gibt jedoch einige Punkte, die gegen dieses Konzept sprechen: Zum einen entwickelt sich die Förderung der Rohstoffe meist in die gleiche Richtung. Wenn die Goldproduktion ausgeweitet wird, steigt also meist auch die Silber- und Ölproduktion. Das hängt unter anderem mit dem Konjunkturzyklus zusammen, der Investitionen in Bergwerke und Förderanlagen in guten Zeiten begünstigt und in schlechten Zeiten behindert.

Ein Rohstoffkorb könnte zwar schockartige Verknappungen bei einem einzigen Rohstoff ausgleichen, aber am prinzipiellen Problem starker Angebotsschwankungen würde das nichts ändern. Es gibt noch einen weiteren kritischen Punkt: Ein Grundaxiom des Goldstandards lautet, dass die Goldförderung ausgeweitet wird, wenn Geld knapp ist, und dass sie zurückgeht, wenn Geld überreichlich vorhanden ist. Das gehört zum Prinzip des Goldautomatismus. In der Theorie funktioniert dieser Automatismus auch mit anderen Rohstoffen. Jedoch sind die Preisausschläge bei Kupfer, Silber oder Öl teilweise beträchtlich. Das liegt unter anderem daran, dass die industriellen Vorräte bei diesen Rohstoffen viel geringer sind als bei Gold. Wird die Versorgung unterbrochen, drohen Produktionsprozesse, die auf diese Ressourcen angewiesen sind, relativ schnell ins Stocken zu geraten.

Würde man sie also zur Basis der Währungen machen, könnten diese Schwankungen die Geldpolitik erschweren. Ein weiteres Problem ist, dass gerade Energieträger und Industriemetalle häufig in Weltregionen abgebaut werden, die politisch höchst instabil sind. Versorgungssicherheit wäre hier also ein ernsteres Thema als bei Gold. Man muss sich nur ausmalen, wie die Dinge ausgesehen hätten, wenn Geld in den Energiekrisen der Siebzigerjahre mit Öl unterlegt gewesen wäre. Die Idee eines Rohstoffkorbes anstelle von Gold klingt zunächst also gut, hat aber so manchen Haken.

Ein anderer Vorschlag geht dahin, den Goldstandard regelmäßig an die Papiergeldentwicklung anzupassen.93 Anhänger diese Idee reagieren damit auf die Gefahr, dass die Geldmenge die Tendenz haben könnte, schneller zu steigen als die Goldausstattung eines Landes. Wie wir gesehen haben, hatte die Angst vor einer Edelmetallknappheit die Geldpolitiker schon in den Zwanzigerjahren umgetrieben.

Später war es Robert Triffin, der vor der Ausdünnung der Golddeckung warnte. Tatsächlich sollte sich das Fehlen von ausreichend verfügbarem Edelmetall in der Bankenkrise von 1931 als fatal erweisen, und auch die Ordnung von Bretton Woods ging zugrunde, weil der Dollar Flügel bekam und dem irdischen Gold in den Tresoren von Fort Knox und der Federal Reserve Bank von New York gleichsam davonflatterte.

Als Antwort darauf wird eine regelmäßige Anpassung der Parität vorgeschlagen: Wenn sich die Deckung der Geldmenge mit Gold zu einem bestehenden Kurs immer weiter ausdünnt, muss gelegentlich der Edelmetallpreis angepasst werden. Ein Beispiel mag illustrieren, was damit gemeint ist: Nehmen wir an, im Land Paperona liegt die Geldmenge M1 zu Beginn bei einer Billion Pfund, also 1000 Milliarden Pfund. Die festgelegte Golddeckung der Währung soll 20 Prozent betragen, und tatsächlich beläuft sich der Wert der Goldreserven auf 200 Milliarden. Nun steigen bei festgelegter Parität die Goldreserven der paperonischen Zentralbank nur um 2 Prozent im Jahr, die Geldmenge expandiert aber doppelt so schnell, also mit einer Rate von 4 Prozent. Nach zehn Jahren sind die Edelmetallreserven auf einen Wert von 244 Milliarden angewachsen, doch die Geldmenge hat einen Stand von 1480 Milliarden erreicht. Folglich ist die ursprüngliche Deckung von 20 Prozent auf knapp über 16 Prozent geschrumpft. Sparer könnten nun leicht Zweifel am harten Goldkern des Paperonischen Pfundes bekommen, und Spekulanten könnten die Chance wittern, die beiden Währungen gegeneinander auszuspielen. Um Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen, entschließt sich die Regierung zu einem Präventivschlag: Von einem Tag auf den anderen wird der Preis des Goldes zum Pfund um 21,3 Prozent aufgewertet. Das Gold ist nun 296 Milliarden wert und damit wieder jene 20 Prozent, wie es die ursprüngliche Deckung vorsah.

Solche Anpassungen hat es in vergangenen Goldstandard-Systemen immer wieder gegeben. US-Präsident Franklin D. Roosevelt ließ die Parität des gelben Metalls zum Greenback Anfang der Dreißigerjahre von 20,67 auf 35 Dollar steigen, das entsprach einer Goldaufwertung um gut zwei Drittel.

Die Idee eines atmenden Goldstandards mag attraktiv klingen. Das geschilderte Konzept hat jedoch einen Makel. In der Beispielrechnung erhöht sich bei der Anpassung im zehnten Jahr nicht die Menge des Goldes, sondern nur dessen Wert. Für einen Sparer hätte das keinen Vorteil, außer einen optischen. Das bedeutet: Keinen Vorteil hätte es für einen Sparer, der sein Vermögen in Papier-Pfund angelegt hat. Wer sein Vermögen in Gold deponiert hat, wäre dagegen über Nacht um 21,3 Prozent reicher geworden. Um diese Ungleichheit gar nicht erst aufkommen zu lassen, wird der Staat vermutlich von vornherein eine Einlösepflicht ausschließen.

Um konsequent zu sein, müsste er privaten Goldbesitz gänzlich untersagen. Gold wäre einzig und allein ein monetäres Prärogativ der Regierung. Die Kopplung von Papiergeld und Goldbeständen über den Preis würde auf eine Verstaatlichung und Kontrolle des Wechselkurses hinauslaufen, was der Idee des freien Geldes, die hier ausdrücklich vertreten wird, nicht entspricht. Wie Friedman schrieb, ist eine Kontrolle des Staates über den Goldpreis:

»(…) genauso wie jede andere Preiskontrolle, mit einer freien Wirtschaft unvereinbar. Ein solcher Pseudo-Goldstandard unterscheidet sich scharf von der Benutzung des Goldes als Geld bei einem echten Goldstandard, der mit einer freien Wirtschaft durchaus vereinbar (…) ist.«94

Dazu kommt noch ein weiteres Problem: Da der Markt anders als beim klassischen Goldgeld bei diesem flexiblen System damit rechnet, dass die Parität im Lauf der Zeit angepasst wird, wird es immer wieder spekulative Attacken auf den Kurs geben. Der atmende Goldstandard fordert die Marktakteure dazu heraus. Sie können nicht anders als auf die nächste Papiergeldabwertung wetten.

All die Zwickmühlen des Goldstandards lassen sich jedoch vermeiden, wenn Gold und Euro oder Gold und Dollar nicht über einen festen Kurs aneinander gekettet werden, sondern stattdessen als Parallelwährungen nebeneinander existieren. Für die Europäische Währungsunion könnte eine solche Parallelwährung sogar der Königsweg für eine Abmilderung der politischen und wirtschaftlichen Spannungen sein – oder im Fall einer unaufhaltsamen Verschlechterung eine mögliche schonende Auflösung des Währungsverbunds vorbereiten helfen. Wie das funktioniert und was zu beachten ist, wird bald unser Thema sein. Zunächst aber wollen wir eine Entdeckung machen: Während das Konzept der Parallelwährung den meisten noch unvertraut ist, breitet sich im Internet solches Geld längst aus. Das Netz ist praktisch zur Geburtsstätte für neue Währungen geworden, die alternativ zum Papiergeld existieren. Die bekannteste und zugleich geheimnisvollste dieser neuen digitalen Währungen ist der Bitcoin.

Bitcoin, Anarchowährung aus dem Internet

»Das Zeug, das da in meinem Handy ruht, könnte eine längere Lebensdauer haben als der Euro. Denn es hat Eigenschaften, die es – fast – unkaputtbar machen. Es ist eher ein Virus als eine Währung, und das ist jetzt freigesetzt.«

Axel Reimann

Bitcoins sind eine digitale Währung, die einige interessante Ähnlichkeiten zu Gold aufweisen und zugleich etwas völlig anderes sind. Bitcoins werden mithilfe eines Algorithmus geschaffen, den jeder auf seinem Computer oder Smartphone laufen lassen kann. Um neue Einheiten dieser digitalen Währung zu schaffen, müssen die Prozessoren immer komplizierter werdende mathematische Aufgaben lösen. Daher verschlingt die Erzeugung von Bitcoins zunehmend viel Rechnerkapazität und auch Energie. Aktuell benötigt die Herstellung neuer Einheiten am Tag die gleiche Menge Strom wie eine Kleinstadt – Tendenz steigend.95 Irgendwann in den nächsten Jahrzehnten wird die Neuschöpfung des digitalen Geldes praktisch zum Erliegen kommen.

Die Gesamtzahl der errechenbaren Bitcoins beläuft sich auf 21 Millionen. Das Maximum wird zwar erst 2130 bis 2140 erreicht sein, doch nach dem Jahr 2033 werden nur noch rund 330 000 Bitcoins geschöpft, also weniger als zwei Prozent des Gesamtvolumens. Das wäre dann eine klare Parallele zu den ebenfalls endlichen Goldvorkommen, die im Zeitverlauf immer schwieriger und kostspieliger auszubeuten sein werden. Kenner sprechen von Bitcoin-»Mining« und nutzen damit das gleiche englische Verb, das in seiner substantivischen Form auch für »Bergbau« verwendet wird. Der Vergleich zwischen Gold und Bitcoins ist damit aber noch nicht zu Ende.

Anders als bei unserem Papiergeldsystem wird die Geldmenge bei Bitcoins nicht von einer zentralen Instanz gesteuert: Sie entwickelt sich gemäß einer arithmetischen Gleichung. Ein Äquivalent zum EZB-Rat oder zum Offenmarktausschuss der Fed, welches das Volumen des umlaufenden Geldes beeinflusst, gibt es nicht. Bitcoins sind damit eine inelastische Währung par excellence. Als weltweit akzeptiertes Privatgeld könnten sie dem gesetzlichen Zahlungsmittel über kurz oder lang Konkurrenz machen, vorausgesetzt, die Zahl der Akzeptanzstellen – zuletzt waren es rund 2000 – nimmt weiter zu. Banker sehen das mit Unbehagen: Denn Kreditinstitute sind in der virtuellen Bitcoin-Welt überflüssig. Es bedarf keines konventionellen Bank- oder Kreditkartenkontos mehr, um Geld zu transferieren.

Als Erfinder der digitalen Währung gilt der japanische Programmierer Satoshi Nakamoto, der die Bitcoins 2009 einführte. Sein Ziel war es, ein fälschungssicheres Geld für das Internet zu schaffen. Der Name Satoshi Nakamoto scheint jedoch ein Pseudonym zu sein. Wer sich wirklich dahinter verbirgt, ist unbekannt. Mit Bitcoins lassen sich anonyme Zahlungen vornehmen, zumindest sieht das die Idee des algorithmisch erzeugten Geldes ausdrücklich vor. Auch in der Hinsicht ähneln sich Gold und die digitale Währung. Doch es gibt einige gravierende Unterschiede.

Das digitale Geld ist etwas völlig Neues. Viele Menschen haben den Begriff noch nie gehört, und genutzt werden kann es auch nur mit einem Internetzugang. Gold dagegen ist ein seit Jahrtausenden bewährtes Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel. Es ist eine physische Entität, die sich zur Not auch vergraben lässt. Im Laufe der Geschichte ist das schon oft gemacht worden. Die Frage der jederzeitigen Verfügbarkeit ist alles andere als trivial, wie die Bitcoin-Fans leidvoll erfahren mussten. Bitcoins werden immer wieder eine Spielwiese für Spekulanten. Im Juni 2011 kam es zu einer ersten Euphoriewelle rund um das digitale Geld. Schnell wuchs sich die Begeisterung, beim »nächsten großen Ding« dabei zu sein, zu einer Bubble aus. Doch so schnell wie er gekommen war, war der Hype wieder weg: Buchstäblich über Nacht kamen Zweifel über die Sicherheit der Bitcoin-Konten auf. Hackern war es gelungen, einzelne Netzgeld-Börsen zu knacken und Nutzern Bitcoins im Wert von mehreren Hunderttausend Dollar zu entwenden. Die Vorfälle waren kaum bekannt, da brach der Kurs der Bitcoins ein. Auf das Hochgefühl, etwas völlig Neues entdeckt zu haben, folgten Ernüchterung, Enttäuschung, Entsetzen.

Der Crash bescherte denen, die spät auf den fahrenden Zug aufgesprungen waren, herbe Verluste: Von einem Hoch bei 30 Dollar fielen die Notierungen auf nur noch ein paar Dollar zurück. Danach wurde es still um die Bitcoins. Erst seit der zweiten Hälfte 2012 konnte das digitale Geld seinen Ruf wieder aufpolieren. Doch schon im Frühjahr 2013 erlebte der Bitcoin-Markt seinen zweiten Crash: Von einem Hoch bei 270 Dollar raste der Kurs binnen zweier Tag um drei Viertel in die Tiefe.

Notenbanken warnen vor der Anarchowährung. Die Europäische Zentralbank urteilte in einer Studie, das »virtuelle Geld« weise Merkmale von Schneeballsystemen auf. Finanzaufseher verschiedener Länder monierten, dass sich Bitcoins wegen ihrer Anonymität für Geldwäsche, Drogen und Waffengeschäfte eignen. Zwar gilt das auch für Bargeld, doch anders als Euro, Dollar oder Yen sind die digitalen Moneten kein gesetzliches Zahlungsmittel. Im Extremfall könnte die Nutzung verboten werden, mindestens aber von den misstrauischen Behörden erschwert werden. Ob sich diese staatlichen Einschränkungen im Internet durchsetzen ließen, steht auf einem anderen Blatt.

Selbst wenn es nicht zur Ächtung der Anarchowährung kommt: Niemand kann vorhersagen, wo der Bitcoin in fünf Jahren steht – bei 100 Cent oder bei 100 000. Volkswirtschaftliche Abteilungen, die Prognosen erstellen, gibt es nicht. So bleibt es den Marktteilnehmern selbst überlassen, den inneren Wert zu taxieren. Im Moment sieht es so aus, als würde Greshams Gesetz dazu führen, dass die offiziellen Währungen für Transaktionen genutzt werden, Bitcoins aber zum Horten und Spekulieren – mit allen Konsequenzen, die daraus erwachsen. Wer auf die digitale Währung setzt, begibt sich auf eine Achterbahnfahrt.

Digitales Edelmetall

Ob Bitcoins jemals mehr als ein Spekulationsobjekt werden können, steht noch in den Sternen. Gleiches gilt für mögliche neue digitale Münzen wie Amazon-Coins oder bald vielleicht Geld, das von den Technik-Giganten Google oder Apple emittiert wird. Es gibt eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass Online-Währungen Hartgeld werden können: Eine Manipulation der Menge muss kategorisch ausgeschlossen sein, und zwar theoretisch wie praktisch. Sicherheit ist das A und O, wie der Bitcoin-Crash des Jahres 2011 beweist, der durch Hackerangriffe ausgelöst wurde.

Immerhin: Allem Anschein nach können die Hacker zwar virtuelle Marktplätze lahmlegen oder Konten plündern, nicht jedoch den Algorithmus selbst manipulieren. Die Betreiber der Online-Börsen betonen, dass sie alle Sicherheitslücken geschlossen haben. Aber erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob ihr Versprechen Substanz hat. Gold genießt gegenüber Bitcoins einen Vorteil: Es wird von Menschen seit mindestens 6000 Jahren als wertvoll und seit mindestens 2500 Jahren als Geld anerkannt. Um dem Edelmetall den Rang streitig zu machen, hat die digitale Währung noch einen weiten Weg der Bewährung zurückzulegen.

Aber vielleicht geht es gar nicht darum, dass Bitcoins Gold den Rang streitig machen. Vielleicht vertragen sich das Edelmetall und die Online-Währung sogar bestens. Es lässt sich nämlich eine Mischform denken: digitales Gold, die Verbindung von Kryptogeld und Edelmetall. Digitales Gold könnten zum Beispiel fälschungssichere elektronische Signaturen sein, die bescheinigen, dass der Halter im Besitz einer bestimmten Menge Goldes ist, das sich an einem sicheren Ort befindet. Das Zertifikat könnte dann für Vermögensübertragungen und Zahlungen genutzt werden. Der Aussteller des Zertifikats würde dafür eine Art Prägeaufschlag erhalten. Die Bescheinigung müsste von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden und möglichst international gültig sein. Der Besitzer eines solchen Goldzertifikats sollte das Recht haben, sich das physische Edelmetall in Form von Münzen oder Barren herausgeben zu lassen.

Die alten Fehler vermeiden

Zusammen mit neuen digitalen Währungen wie dem Bitcoin kann Gold einen wichtigen Beitrag zur Erneuerung unseres Währungssystems leisten. Wie wir gesehen haben, ist die baldige Rückkehr zum Goldstandard nur bei einem globalen Finanzkollaps zu erwarten, der alle großen Papierwährungen auslöscht. Im Fall einer Hyperinflation wäre das Edelmetall als das einzige international anerkannte Tauschmittel dazu prädestiniert, als Wertanker neuen Geldes zu fungieren. Im Fall einer Deflation würde sich das Missverhältnis von Geldmenge und Goldmenge zu Marktpreisen gleichsam von selbst lösen: durch die Vernichtung der Papiergeldmenge. Wegen der damit einhergehenden Schrumpfung der Wirtschaftsaktivitäten würde die globale Ökonomie dann aber eine Eiszeit, eine große Stagnation, erleben. Wahrscheinlicher als solche apokalyptische Szenarien ist aus jetziger Sicht eine graduelle Remonetisierung des gelben Metalls. Durch die zunehmende Verbreitung von Münzen, Barren und ETFs in der Bevölkerung hat der Prozess bereits eingesetzt. Dass er weiter vorangetrieben wird, liegt allein in der Hand des Souveräns, des Volkes.

Ist in Politik und Bevölkerung eine genügend große Unterstützung für eine Rückkehr zu Goldgeld vorhanden, könnte der nächste Schritt darin bestehen, den monetären Status von Gold zu festigen und zu verbreitern. Bisher wird das Metall vor allem von Anlegern als Wertaufbewahrungsmittel genutzt. Damit ist jedoch nur einer Geldfunktion Genüge getan. Eine Währung ist darüber hinaus durch ihre Funktion als Zahlungsmittel und Recheneinheit definiert.

Das konsequenteste Vorgehen wäre, Gold zum universellen gesetzlichen Zahlungsmittel zu erklären. Das bedeutet, dass jeder verpflichtet ist, das Edelmetall anzunehmen, geht es um das Begleichen von Rechnungen oder das Tilgen von Schulden. In Deutschland ist das gesetzliche Zahlungsmittel bisher der Euro. Wie wir gesehen haben, ist beim jetzigen Goldpreis bei Weitem nicht genug Gold da, um die Zahlungsmittelfunktion in der Volkswirtschaft reibungslos zu übernehmen. Es verlangt jedoch auch niemand, dass Gold den Euro gänzlich ersetzt. Es genügt vollauf, dass Gold zusätzlich zum Euro als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt wird. Dann hätte das Land zwei Währungen: den Euro und Gold. Hört sich exzentrisch an? Von wegen. Wie wir gesehen haben, waren in der Geschichte zwei oder mehr Währungen die Regel und nicht die ­Ausnahme.

Die Probleme fingen immer dann an, wenn der Wert der einen Währung, zum Beispiel des Papier-Pfundes oder des Papier-Dollar, an die andere Währung – nämlich Gold oder Silber – festgezurrt wurde. Wenn sich dann die wirtschaftlichen Verhältnisse änderten, was in der Realität ja nicht selten der Fall ist, begann es zwischen beiden Geldformen zu knirschen. Edelmetall hat einen Marktpreis, und das freigebig vermehrbare Papiergeld ebenfalls. Beide aneinander zu binden, läuft auf nichts anderes hinaus, als würde man den Preis eines VW Golf als eine bestimmte Menge von Apple iPhones definieren. Das kann eine Weile lang gut gehen, und vielleicht gibt es aktuell sogar Gesetzmäßigkeiten, die besagen, dass ein VW Golf ungefähr 24 iPhones wert ist Aber auf Dauer führt es dazu, dass der Preis des einen oder anderen Gutes subventioniert werden muss, um die Relation aufrechtzuerhalten.

Dabei ist der Vergleich mit iPhone und Golf noch harmlos: Denn in Wirklichkeit lässt sich die Produktion dieser beiden Güter relativ leicht steigern oder drosseln, und das auf ähnliche Art und Weise, nämlich in der Fabrik. Anders verhält es sich bei Papiergeld und Gold: Während Banknoten und Buchgeld praktisch zu Nullkosten vermehrt werden können, gehört das Edelmetall zu den Waren, deren Produktion besonders aufwendig und schwierig ist. So werden im Goldstandard ein elastisches und ein unelastisches Gut aneinander gekettet. Im klassischen Goldstandard waren die politischen Handlungsspielräume noch groß genug, um die damit einhergehenden Schwierigkeiten abzufedern. Außerdem war das Kreditwesen noch nicht so weit entwickelt wie im 20. Jahrhundert. Zudem hatten die Geldpolitiker Glück, dass neue Goldfunde gemacht wurden, just zu dem Zeitpunkt, als günstiges Gold dringend gesucht war. Das unelastische Marktgeld sprang dem elastischen zur Seite.

Doch im Gold-Devisen-Standard galt das alles nicht mehr. Es war von Anfang an eine unglückliche Ehe. Der Produktion von Schulden durch die Banken waren kaum noch Grenzen gesetzt. Die durch den Krieg aufgeblähte Geldmenge war wie der Geist, der nicht mehr zurück in die Flasche wollte. Das Verhältnis von Kreditgeld zu Gold verschlechterte sich zunehmend, und die internationalen Streitigkeiten, die ätzende Rivalität der Staaten, verteilte das Edelmetall zusätzlich höchst ungleich über den Globus: Die eine Nation häufte wahre Berge von Gold an, die andere litt an chronischer Unterversorgung mit Edelmetall.

Parallelwährung, jetzt!

All diese Probleme können bei einer Parallelwährung Gold nicht oder nur in verminderter Form auftreten. Sind beide Valuten, Gold und Euro, in Gebrauch, kann keine Knappheit der einen oder anderen entstehen. Was jedoch entstehen kann, ist eine Verschiebung der Preise zwischen beiden Geldformen in Gebrauch. Ist das Vertrauen in den Euro angeschlagen, wird die Goldnotierung gemessen in der Papierwährung steigen, wie es in den zurückliegenden Jahren häufig der Fall war. Kann die EZB das Vertrauen in den Euro kräftigen, wird der Preis des Edelmetalls sinken.

Bleibt der Einwand, dass der Gebrauch von zwei Währungen, zumal mit zueinander schwankender Wertrelation, unpraktisch ist. Das lässt sich entkräften. Zum einen kommt Gold wegen seines hohen Preises nur für größere Transaktionen in Betracht. Es macht einfach keinen Sinn, mit Münzlingen aus dem gelben Metall zum Bäcker zu spazieren. Zum anderen erlaubt die moderne Informationstechnik heute einen anderen Umgang mit schwankenden Kursen als vor 100 oder 200 Jahren. In einer Zeit, in der nahezu jeder einen internetfähigen Computer (und ein Smartphone) sein Eigen nennt, sollte die Umrechnung von der einen Währung in die andere kein Problem darstellen. Innerhalb eines Monats wird es dafür eine App geben.

Um den Umgang noch weiter zu vereinfachen, könnten sich die Bürger auf einen Referenzkurs einigen, der einmal am Tag bestimmt wird. Bei absehbaren größeren Transaktionen in der Zukunft können Unternehmen und Private die Möglichkeiten nutzen, sich über Termingeschäfte abzusichern.

Die Gefahr einer Deflation, wie sie häufig als Geißel des Goldstandards beschrien wird, besteht bei einem Doppelwährungssystem nicht. Wenn es überhaupt einen Effekt gibt, dann ist es eine kurzfristige leichte Inflation. Denn das Gold, das jetzt als Wertanlage in Deutschlands Tresoren und Schatzkästchen schlummert, würde dann zu Geld werden und die Geldmenge erhöhen. Da sich das Edelmetall jedoch bekanntlich nicht drucken lässt, wäre der inflationäre Effekt vorübergehend.

Für die Banken würde die goldene Zweitwährung eine gehörige Umstellung bedeuten. Doch es wäre für die Geldhäuser zugleich eine Chance. Der neue goldene Wertanker könnte es den Instituten ermöglichen, ihre Geschäfte wieder auf eine solide, weniger katastrophenanfällige Basis zu stellen. Das derzeitige Hauptproblem der Banken, das bröckelnde Vertrauen, ließe sich mit Goldkonten und Goldzertifikaten zumindest teilweise beheben. Im radikalen Fall könnten sie dazu übergehen, nur so viel Geld zu verleihen, wie in Form von Gold bei ihnen hinterlegt ist. Das wäre dann das Ende des Teildeckungsbankwesens, wie wir es kennen, und hoffentlich der Beginn eines nachhaltigen Bankwesens. Der jetzige Usus ist, dass Kreditinstitute stets weit mehr Geld in Darlehensform herausgeben, als ihnen ihre Kunden zur Verfügung stellen. Wie gefährlich das werden kann, hat die Finanzkrise auf brutale Weise offenbart.

Strahlkraft und Seignorage

Warum aber sollte der Gesetzgeber Gold zum gesetzlichen Zahlungsmittel erheben? Aus den staatlichen Bürokratien selbst ist keine Abhilfe zu erwarten. Wie wir gesehen haben, wurden Zentralbanken anfänglich dazu gegründet, die Regierung nie mit zu wenig Geld dastehen zu lassen. Eine Parallelwährung Gold würde dieses Privileg zwar nicht beenden, sie könnte für den Staat aber zur schieren Unannehmlichkeit werden: Die Existenz eines zweiten Geldes würde Mängel des ersten Geldes an den Tag bringen. Schon in den vergangenen Jahren hat der Graph des Goldpreises als eine Art Fieberkurve des Fiat-Money-Vertrauens fungiert.

Die Volatilität, also die Schwankungsbreite des Edelmetallpreises zu den Papierwährungen, ist höher als die der meisten Papierwährungen untereinander. Diese Fluktuationen dürften bei einer offiziellen Zulassung von Gold als Zweitwährung zwar zurückgehen, aber umso mehr Aufmerksamkeit erfahren. Aus Sicht der Mächtigen mag es in der Tat ein Störfaktor sein, dass sich die negativen Effekte ihres Tuns in Zahlen ablesen lassen. Viel lieber wäre es ihnen, dass nur die positiven Wirkungen verstärkter Papiergeldproduktion zutage treten, zum Beispiel eine kurzfristige Stabilisierung des Geschäftsklimas.

Der Staat wird auch deshalb wenig Neigung haben, sich von seinem Geldmonopol zu verabschieden, weil ihm die Ausgabe des gesetzlichen Zahlungsmittels regelmäßig Gewinne einbringt, die sogenannte Seignorage oder mit dem alten deutschen Wort: den Schlagschatz. Dieser Gewinn ergibt sich daraus, dass der Staat – in Gestalt der Notenbank und des Finanzministeriums – mehr oder weniger wertlose Papierschnipsel (Banknoten), Metallplättchen (Münzgeld) oder elektronische Signale (Kontobuchungen) zu Geld erklärt und die Differenz zwischen Nennwert und Herstellungskosten vereinnahmt. Der drohende Verlust von Seignorage-Einnahmen ist ein gewichtiger Grund dafür, warum die Regierung der Zulassung einer privaten Währung skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen wird. Die Hoffnung bleibt jedoch, dass die Strahlkraft der Idee größer ist als die Beharrungskräfte des ­Systems.

Gerechte Sache

Die Bürger sollten umso mehr darauf drängen, dass Gold als Zahlungsmittel zugelassen wird, weil eine Parallelwährung heute nur gerecht ist. Indem den Fiat-Währungen immer mehr Aufgaben aufgeladen werden (die sich mit ihren ursprünglichen Funktionen nicht vereinbaren lassen), wird unser Geld konzeptuell überladen. Der Euro ist heute ebenso ein Instrument des Brüsseler Ministerrats, wie der Dollar ein Instrument der US-Regierung ist. Dieser Gebrauch der Währung mag legitim sein oder nicht, er mag sich am Ende als segensreich herausstellen – oder als vertane Hoffnung. So oder so entfremdet der Staat den Bürgern das gesetzliche Zahlungsmittel. Indem der Staat das Geld nutzt, um einen bestimmten Beschäftigungsstand (wie in den USA) oder den Zusammenhalt eines Festwechselkurssystems zu sichern (wie in Europa), macht er es zu politischem Geld. Diesem politischen Geld sollte ein freies Marktgeld als Alternative zur Seite stehen. Für uns Bürger wäre es geradezu ein Akt der Selbstverteidigung.

Auch wenn von den Regierungsapparaten zunächst keine große Unterstützung für eine Zweitwährung Gold zu erwarten ist, stehen die Chancen doch nicht ganz schlecht. Aussichten auf eine Bewegung »von unten« sind durchaus gegeben. An der Basis der Geldverwender rumort es. Was fehlt, ist eine übergeordnete Initiative zurück zum Hartgeld. Doch auch in den Parteien und Fraktionen finden sich vernünftige Leute, die die Politisierung des Geldes als Problem sehen. Sie eint die Erkenntnis, dass der Staat den Bürgern entweder stabiles Geld als Teil einer hervorragenden Infrastruktur schuldet – oder aber ihnen eine Wahlmöglichkeit lassen sollte. Die Beschäftigung mit den entstehenden digitalen Währungen hat klargemacht, dass sich diese Entwicklung hin zu einer Alternative ohnehin nicht aufhalten lässt. Durch eine rechtzeitige Zulassung von Gold als gesetzlichem Zahlungsmittel könnten Staat und Gesellschaft diesen Prozess etwas kanalisieren, bevor sie eines Tages von der Entwicklung überrollt werden.

Die Vorstellung, dass es privates Geld als Ergänzung zum Öffentlichen gibt, mag derzeit noch ungewöhnlich klingen. Doch existieren zahlreiche öffentliche Dienstleistungen, die – häufig in weitaus besserer Qualität – von Privaten erbracht werden, zum Beispiel Krankenversicherungen oder Bildung. Ein Land, das nichtstaatliche Schulen und nichtstaatliche Kliniken akzeptiert (und damit im Großen und Ganzen gute Erfahrungen gesammelt hat), dürfte prinzipiell keine Schwierigkeiten haben, nichtstaatliches Geld zuzulassen. Noch vor einer Generation galt es in Deutschland als unabdingbar, dass ein einziger öffentlicher Versorger Telekommunikationsdienstleistungen erbringt. Heute ist Konkurrenz zwischen mehreren Anbietern eine Selbstverständlichkeit, und niemand wird sich beschweren, dass die Sprachqualität beim Telefonieren schlechter geworden sei.

Wie bei privaten Krankenkassen oder Privatschulen müssen die Nutzer von privatem Geld damit rechnen, dass die höhere Qualität ein gewisses Mehr an Kosten mit sich bringt. Doch sollten die Mehrausgaben beim Gold nicht so hoch sein wie die Gebühren, die heute für Kauf und Verkauf von physischem Edelmetall anfallen.

Heute verursacht der Umgang mit Gold deutlich höhere Transaktionsgebühren als der Umgang mit dem Bargeld des offiziellen Zahlungsmittels. Wer heute der Bank Gold verkauft und es eine Minute später wieder erwirbt, erleidet durch den Tausch von Edelmetall zu Papiergeld und zurück zu Edelmetall einen fetten Verlust. Bei einer kleinen Stückelung, zum Beispiel einer zehntel Unze, kann die Differenz bis zu 20 Prozent des Materialwerts betragen, bei einer mittleren Stücklung, etwa einer halben Unze, 10 Prozent und bei einer großen Stückelung häufig immer noch 3 bis 7 Prozent. Die Geldhäuser begründen das hohe Agio damit, dass Transport und Lagerung von Münzen oder Barren für sie einen logistischen Mehraufwand bedeuten. Außerdem müssten sie die Echtheit prüfen. Die Höhe des verlangten Aufschlags darf aber sehr wohl hinterfragt werden. Solche Kosten fallen ohnehin nur bei An- und Verkauf des Sachwerts Gold an. Bei börsengehandeltem Gold ist die Übertragung schon jetzt zu deutlich niedrigeren Gebühren möglich.

In dem Moment, in dem das gelbe Metall gesetzliches Zahlungsmittel wird, dürfte sich die Spanne bei physischem Gold merklich einengen, vielleicht Richtung ein Prozent. Wie bei jedem Wirtschaftsgut sinkt der Preis mit zunehmendem Gebrauch. Die Skaleneffekte kommen der Edelmetallwährung zugute. Bei digitalem Gold, das von einem Konto auf ein anderes transferiert wird, sollten allenfalls noch minimale Transaktionsgebühren zu Buche schlagen, die im Bereich der heute üblichen Preise für Überweisungen liegen.

Eine mögliche Keimzelle

Schon heute gibt es so etwas wie übertragbare Goldzertifikate: Sie heißen ETFs (Exchange-Traded Funds) und dienen – nicht anders als Münzen oder Barren – Anlagezwecken. Noch vor zehn Jahren waren derartige Produkte bei Rohstoffen nahezu unbekannt. ETFs waren ursprünglich als Indexfonds gegründet worden, um es Anlegern zu ermöglichen, mit kleinen Beträgen am Aktienmarkt zu investieren. Das Besondere an diesen Produkten: Anders als bei konventionellen Fonds trifft kein Fondsmanager die Entscheidung, in welche Papiere investiert wird. Vielmehr kauft ein Verwalter lediglich die Aktien, die in einem Leitindex wie dem Dax oder dem Dow Jones vertreten sind. Die Branche spricht denn auch von »passivem Fondsmanagement«, weil keine aktive Auslese der Positionen nötig ist. Analog funktionieren Gold-ETFs. Will ein Anleger zum Beispiel Gold für 600 Euro kaufen, investiert er das Geld in den Fonds. Der sammelt die Mittel von Tausenden anderer Investoren, die ebenfalls eingezahlt haben, und kauft damit Edelmetall. Ein Goldfonds ist so gesehen nichts anderes als eine Sammelstelle. Verglichen mit Gold in Form von Barren und Münzen (sogenanntem physischem Gold) fällt kaum ein Agio an.

Die Spanne zwischen Kauf- und Verkaufspreis eines ETF ist gering verglichen mit dem, was anfällt, wenn physisches Gold am Schalter gehandelt wird. Hartgesottene Edelmetallfans, die Gold als Versicherung auch gegen eine gesellschaftliche Katastrophe und den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung sehen, halten allerdings wenig bis nichts von solchen Fonds. Letztlich ist ein ETF-Anteil ein Wertpapier, das in einem Depot lagert, kein Stück Gold, das man in der Hand hält und ins Schließfach legen oder im Garten vergraben kann. Manche Anbieter sind inzwischen zwar dazu übergegangen, Anlegern ein Recht auf die physische Auslieferung ihres Edelmetalls einzuräumen. Doch echte Apokalyptiker fragen, was dieses Versprechen denn wert sei, sollte das Finanzsystem zusammenbrechen und sollten die Institute, die ETFs auflegen, aufhören zu existieren. Andere Kritiker bemängeln, dass das Gros der Indexprodukte nicht mit physischem Edelmetall unterlegt ist, sondern dass für das Geld der Anleger Terminkontrakte auf Gold, sogenannte Futures, gekauft werden.

Diesseits von Katastrophen-Szenarien, in denen physisches Gold alles schlägt, bieten ETFs aber einen immensen Vorteil: Sie erlauben, fast ohne Transaktionskosten, Edelmetall zu erwerben und abzustoßen. Indexfonds mit einem Auslieferungsrecht könnten daher zur Keimzelle von digitalem Gold werden, das idealerweise kryptografisch gesichert ist. Die einzige Voraussetzung bestünde darin, dass die ETFs anders als bisher nicht nur aufs Wertpapier-Depot eingebucht werden können, sondern gleich auf ein Goldkonto. Technisch ist das kein Problem. Es fehlt nur die Zulassung – und die erste Bank, die den Mut hat, diesen Schritt zu tun.

Umsonst ist der Tod

Bei den potenziellen Kosten des Goldgeldes ist zu beachten, dass auch der Gebrauch des gesetzlichen Zahlungsmittels Kosten verursacht: nur eben weitaus weniger offensichtlich als bei Gold. Die Gebühr, die bei der Nutzung von Euro, Dollar oder Pfund anfällt, heißt Inflation. Sie ist der Preis dafür, dass wir mit Papiergeld ein flexibles, allgemein anerkanntes Zahlungsmittel haben, dessen Menge nach Belieben ausgeweitet werden kann.

Diese Gebühr stellen wir normalerweise nicht infrage. Wir akzeptieren sie ohne Murren, weil es mit solch großen Vorteilen verbunden ist, ein verbindliches gesetzliches Zahlungsmittel zu haben. Es zeigt sich, dass Menschen bis in höchste Inflationsraten hinein bei alltäglichen Transaktionen an ihrem staatlichen Geld festhalten. Sogar in der Weimarer Hyperinflation nutzten die Deutschen weiter die Mark, obwohl sie Monat für Monat ein Drittel und mehr an Wert verlor (so ist Hyperinflation definiert). Erst mit großer Verzögerung gingen Menschen dazu über, auf alternative Währungen zurückzugreifen.

Doch selbst aus der Weimarer Ära gibt es erstaunlich wenige Berichte über Tauschhandel. Aus gutem Grund: In einer komplexen städtischen Zivilisation mit einer Vielzahl von zur Verfügung stehenden Produkten ist echter Tauschhandel nahezu unmöglich. Die Menge der potenziellen Tausch-Paare erzeugt eine schier unüberschaubare Zahl von Preisen. Zu bedenken ist gleichwohl, dass die Menschen damals sehr wohl auf anderes, besseres Geld zurückgriffen, wenn sie Zugriff darauf hatten, nämlich auf Dollar, Pfund oder eben Gold. Da den meisten aber der Weg zu Devisen und Edelmetall versperrt war, blieb ihnen letztlich nichts übrig, als sich an die im Wert zerrüttete Mark zu halten. Mit einer Parallelwährung auf Edelmetallbasis hätten die Bürger von Anfang an die Möglichkeit, einen entwerteten Dollar oder einen entwerteten Euro durch eine Hartwährung zu ersetzen. Das ist die Essenz bürgerlicher Selbstbestimmung.

Goldmark, ein Stück bürgerliche Selbstbehauptung

Wir kommen auf eine knifflige Frage, mit der sich die Geldpolitiker auseinandersetzen müssen: Soll die Parallelwährung Gold in einem einzigen Land oder länderübergreifend gelten? Das Ideal aus Sicht des Bürgers wäre natürlich, dass das gelbe Metall weltweit als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptiert wird. Das Ergebnis wäre eine echte globale Währung, wie es sie bereits vor dem Ersten Weltkrieg gab. Sowohl für Touristen als auch für Geschäftsleute brächte das große Erleichterungen. Allerdings haben wir alle erlebt, wie zäh sich internationale Verhandlungen hinziehen. Der drohende Verlust von Seignorage-Einnahmen könnte die Regierungen zögern lassen, das Edelmetall als Parallelwährung zuzulassen. Länder mit sehr schwacher Währung müssten fürchten, dass in ihrem Land eine Flucht aus Papiergeld einsetzt, die sie schwer kontrollieren können. Aus all diesen Gründen ist ein internationaler Goldstandard, und sei es auf Basis einer Parallelwährung, zunächst wohl eine Wunschvorstellung.

Gold als Parallelwährung in einem Land allein einzuführen, ist weit von einer optimalen Lösung entfernt. Mit einem nationalen Alleingang sind die Bürger der Chance beraubt, ihre heimische Hartwährung für Zahlungen im Ausland zu nutzen. Auch der große Vorzug einer stabilen internationalen Handels- und Reservewährung würde wegfallen. Zumindest in der Europäischen Union sollten wir daher eine Einigung anstreben. Wenn es schon keinen Euro auf Goldbasis gibt, sollte es doch zumindest ein parallel verwendbares europäisches Goldzahlungsmittel geben, das von der Algarve bis zur Ukraine, von Sizilien bis Stockholm akzeptiert wird.

Zugleich bleibt der nationale Alleingang eine Rückfalloption. Es spricht prinzipiell nichts dagegen, als einziges Land Hartgeld als Parallelwährung zu haben. Für Deutschland würde das auf eine Rückkehr der D-Mark durch die Hintertür hinauslaufen. Es hätte sogar einen gewissen ironischen Charme, die neue Parallelwährung »Goldmark« zu nennen. Zugleich ist es denkbar und zu bevorzugen, dass sich die Bundesrepublik mit anderen Staaten, die eine ähnliche monetäre Stabilitätskultur pflegen, auf ein gemeinsames freies Bürgergeld verständigt, zum Beispiel mit Österreich, Holland und den skandinavischen Ländern. In dem Fall könnten wir eine »Goldkrone« oder eine »Guldenmark« einführen. Anders als im jetzigen Euro-Regime hätten die Bürger der traditionellen Hartwährungsländer die Möglichkeit, ihr Vermögen zu sichern, ohne auf Sachwerte wie Immobilien ausweichen zu müssen.

Stabiles Geld, stabiles Europa

Die harte Parallelwährung im Norden könnte sogar entscheidend zur Stabilisierung der Eurozone beitragen. Die Kombination von Fiskalpakt und unbegrenzten EZB-Hilfen scheint der Währungsunion einen Weg zu zeigen, dem Dauerzwist zu entkommen. Die Beruhigung der Jahre 2012 und 2013 bedeutet aber nicht, dass die Gemeinschaftswährung über den Berg ist. Derartige Krisen haben die Tendenz, mit unerwarteter Wucht wieder auszubrechen. Die zugrunde liegenden Probleme sind erst in Ansätzen angepackt worden. Gerade auf finanziellem Gebiet hat die Divergenz in der Eurozone seit der Finanzkrise eher zu- als abgenommen. Niemand sollte die Bemühungen der Reformländer kleinreden. Irland und Portugal, aber auch Spanien und nicht zuletzt Griechenland haben wichtige Schritte zur Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit unternommen. Gerade von dem lange als hoffnungslos verfemten Hellas ist womöglich noch einiges zu erwarten. Negativ aus dem Rahmen fallen dagegen, und das ist alarmierend, die beiden großen Euroland-Ökonomien Frankreich und Italien.

Die Nummer zwei und drei der Währungsunion hinken bei der Modernisierung ihrer Wirtschaft hinterher. Gerade für Italien ist der Euro deutlich zu stark. Auch hätte Rom Simulationen zufolge durch einen Austritt aus der Eurozone am meisten zu gewinnen. Nun werden die Regierungen alles daran setzen, das Mittelmeer-Land in der Währungsunion zu halten. Wenn schon bei einem Austritt Griechenlands die Gefahren als unkontrollierbar eingeschätzt werden, gilt das erst recht für eine so große Volkswirtschaft wie Italien. Unabhängig davon, ob man den von Bundeskanzlerin Merkel präferierten Sparkurs gutheißt oder nicht, wird niemand ernsthaft bestreiten, dass die Währungsunion nur überleben kann, wenn sich die Nationen in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit annähern. Die Alternative, das sollte man sich immer vor Augen halten, ist eine Transferunion – für die im Norden derzeit aber keine politischen Mehrheiten zu erkennen sind und für die der Süden sich neu erfinden müsste.

Der Kompromiss könnte nun darin bestehen, dass der Euro weiter aufgeweicht wird, um Italien und anderen Staaten mit Wettbewerbsproblemen den Verbleib in der Eurozone zu versüßen. Aus Sicht Deutschlands und anderer Nordländer hieße das allerdings, dass die Bürger mit einer Währung konfrontiert sind, die viel weicher ist als die D-Mark, der Schilling, der Gulden oder die Finnmark, die sie kannten. Als Folge der »Liraisierung« des Euro könnten die Inflationsraten in Nordeuropa leicht auf vier Prozent und mehr springen, von gefährlichen Finanzblasen am Immobilienmarkt ganz zu schweigen. Der deutsche Immobilienmarkt zeigt ebenso wie Teile des deutschen Anleihenmarkts schon jetzt Überhitzungserscheinungen, die von allzu billigem Geld befeuert werden. Als Ausgleich für eine weiche Gemeinschaftswährung ist eine Zweitwährung geradezu geboten, zumindest aber eine reelle Option. Der Euro bleibt weiter die gemeinsame Währung der Europäer, während die Bürger die Wahl haben, Verträge in Hartgeld abzuschließen, wenn sie dies möchten. Das ist zugegebenermaßen keine optimale Währungssituation. Aber die Eurozone ist auch kein optimaler Währungsraum – und muss es auch nicht sein, solange die Europäer wirtschaftlich einen Modus Vivendi finden, auf den sich alle, und sei es unter Bauchgrimmen, verständigen ­können.

Die goldene Parallelwährung könnte der ersehnte Kompromiss sein, der nötig ist, um die gemeinsame Währung zu heilen. Das Edelmetall, das Europa einst entzweite, könnte heute zum politischen Zusammenhalt des Kontinents beitragen. Nicht der Euro wird dann als der große Einiger Europas in die Geschichte eingehen, sondern Gold, die härteste Währung der Welt.

75 Friedman 2011: 65.

76 Gold Survey von Thomson Reuters GFMS. Vgl. Bhar 2013.

77 North: 2005: 104.

78 Van Dülmen 1993: 79f.

79 North 2005: 261.

80 Vgl. Bernstein 2005: 285.

81 Vgl. Schlichter 2013.

82 Utter 2008: 102.

83 In der Reihenfolge der 2011 produzierten Tonnage.

84 Friedman 1994: 104 f.

85 Welt online vom 1.8.2011: Wladimir Putin beschimpft USA als »Parasiten«.

86 Vgl. Deutsche Bank 2012.

87 WGC Gold Demand Trends 2012.

88 Utter 2008: 12.

89 Hahn 1999.

90 Greenspan 2007: 385.

91 Graeber 2011: 53.

92 Bruner und Carr 2009: 20.

93 Vgl. Deutsche Bank 2012.

94 Friedman 2011: 82.

95 BBC News: »Bitcoin miners generating high energy bills«. 15. April 2013.