– Selena –
S o ein Mist.
„Wie lange stehst du schon da?“, fragte ich Octavia und schaute zu Felix und Cassia. Felix war bereits aufgestanden und sah Octavia mit versteinerter Miene an. Cassia saß zusammengekauert auf der Bank und konzentrierte sich auf ihre Füße.
„Lange genug.“ Octavia sah Felix bösartig an. „Ich habe mir schon Sorgen gemacht, als du so lange gebraucht hast, um wieder ins Bett zu kommen. Jetzt sehe ich, dass du damit beschäftigt warst, diese Hure zu verführen.“
Cassias Kopf schnellte in die Höhe. Ihre grüne Magie strömte aus ihren Handflächen und wirbelte wie ein Schutzschild um sie herum.
„Cassia“, warnte ich.
Es verstieß gegen die Regeln, sich gegenseitig zu verletzen, wenn wir nicht gerade an einem offiziellen Wettbewerb teilnahmen. Sie schluckte und bändigte ihre Magie.
Octavia marschierte vorwärts und baute sich vor Cassia auf. „Glaubst du wirklich, dass er mit einem so einfachen Mädchen wie dir zusammen sein will, wenn er mich hat?“, fragte sie. Jedes ihrer Worte triefte vor Hass.
Ich lief blitzschnell zu Cassia, setzte mich hin und legte meinen Arm um ihre Schultern. „Cassia ist dir in jeder Hinsicht haushoch überlegen. Außer vielleicht in Sachen Blutrünstigkeit.“ Elektrizität summte unter meiner Haut, während ich zu Octavia hochblickte. „Jeder in diesem Haus hasst dich. Felix eingeschlossen.“
Dieser letzte Satz rutschte mir einfach so heraus. Dass er unsere Tarnung auffliegen lassen könnte, fiel mir erst im Nachhinein auf. Trotzdem wollte ich ihn nicht zurücknehmen.
„Halt die Klappe, Prinzessin. Ich habe nicht mit dir geredet. Ich habe mit ihr geredet.“ Sie konzentrierte sich wieder auf Cassia. „Du schläfst mit ihm, stimmt’s?“
Cassia öffnete den Mund, wie um es zu bestreiten. Dann schloss sie ihn wieder.
Oh mein Gott. Hat Octavia recht?
Ich wusste, dass Cassia und Felix etwas füreinander empfanden. Aber sie war noch nie mit einem Mann im Bett gewesen. Sie wollte nur mit ihrer einzig wahren Liebe so intim werden. Das hatte sie mir schon in den ersten Tagen der Spiele gesagt.
Wenn sie sich Felix hingegeben hätte, hätte sie es mir doch sicher gesagt?
Genauso, wie du ihr gesagt hast, dass Julian dein Seelenverwandter ist?
Ups. Wie es aussah, war ich nicht die Einzige mit Geheimnissen.
„Du bist schlimmer als eine Hure.“ Octavia grinste hämisch. „Du bist seine zweite Wahl. Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass er dich nur im Geheimen trifft, wo niemand euch sehen kann – während ich diejenige bin, die er in sein Bett holt?“
„Genug.“ Felix stellte sich zwischen die beiden und starrte Octavia durchdringend an. „Da läuft nichts zwischen mir und Cassia. Du kennst mich gut genug, um das zu wissen.“
Cassia versteifte sich, und ich drückte sie fester.
„Ich weiß, was ich gehört habe.“ Octavia wich in Richtung Tür zurück, jedes Wort leise und bedächtig. „Anscheinend kenne ich dich also überhaupt nicht.“
Sie wirbelte herum und rannte aus der Sauna, bevor er hätte antworten können.
Cassia brach in meinen Armen in Tränen aus.
Felix kniete vor ihr nieder und nahm ihre Hände in seine. Aber sie zog sie weg.
„Hat sie recht?“ Cassia klang so verletzt. Und obwohl ich jedem in unserem Bündnis vertrauen wollte, fragte ich mich dasselbe.
„Natürlich nicht.“ In Felix’ Augen glitzerten Tränen. „ Du bist diejenige, die ich liebe. Das habe ich dir von Anfang an gesagt.“
Ich setzte mich auf, erschrocken über das Wort. Liebe . Ich wusste, dass er und Cassia etwas füreinander empfanden – zumindest wusste ich, dass Cassia etwas für ihn empfand. Aber Liebe ? Das war mehr, als Julian und ich uns gesagt hatten. Und wir waren seelenverwandt.
Bei diesem Gedanken schaute ich zu Julian. Er stand neben der Tür und sah aus, als wollte er Felix und Cassia unbedingt allein lassen, um die Sache zu klären. Er konnte gehen, wenn er wollte. Ich würde Cassia nicht allein lassen, es sei denn, sie bat mich darum.
„Aber was du gerade gesagt hast …“ Cassias Stimme zitterte, und sie verstummte.
Felix griff erneut nach ihren Händen. Diesmal wich sie nicht zurück. „Ja, ich habe mit Octavia Nächte verbracht“, sagte er. „Ich tue, was ich tun muss, um dich zu schützen. Ich habe dir das von Anfang an offen gesagt, weil ich dich respektiere. Das ist mehr, als ich je über Octavia sagen könnte. Sie bedeutet mir nichts.“
„Woher soll ich wissen, dass du ihr nicht dasselbe sagst wie mir?“, fragte sie.
„Weil ich ihr gerade nicht nachgegangen bin. Ich bin hier bei dir geblieben. Das zeigt dir doch, dass du diejenige bist, die ich liebe?“
Cassia schniefte und befreite eine ihrer Hände, um sich die Tränen abzuwischen. „Was ist mit heute Abend?“, fragte sie. „Wenn du zu Antonias Suite gehst, um sie von unserem Plan zu überzeugen?“
„Ich werde alles tun, um sie auf unsere Seite zu ziehen.“ Sein Gesicht wurde weicher, verletzlicher. „Vor allem, weil du jetzt auf Octavias Radar bist. Wir müssen sie diese Woche loswerden. Zu deiner Sicherheit.“
Aber dies waren die Feenspiele. Keiner von uns war sicher. Die einzige Frage war, wer früher ging und wer später. Die drückende Stille im engen Raum ließ mich vermuten, dass die drei anderen genau dasselbe dachten.
„Wenn keiner von uns die Spiele gewinnt, werden wir im Elysium zusammen sein.“ Felix drückte Cassia fester an sich. „ Für immer .“
Cassia zitterte, als wäre sie kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen. Aber sie schaffte es, sich zu beherrschen. „Selena?“, sagte sie und drehte sich zu mir um. „Würde es dir und Julian etwas ausmachen, Felix und mich dieses Gespräch unter vier Augen fortsetzen zu lassen?“
Ja, es macht mir etwas aus , wollte ich sagen. Denn was Felix sagte, gefiel mir gar nicht. Aber Cassia war alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen treffen.
„Natürlich.“ Ich ließ sie los und stand auf. „Ich muss mich nur von Octavia fernhalten. Damit ich sie nicht spontan zum Teufel jage.“
Cassia lachte kurz auf. Dann ließen Julian und ich die beiden alleine.