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Marc Knoppe und Martin Wild (Hrsg.)Digitalisierung im Handelhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-55257-5_13

Marke, Pricing und Service als Kernelemente einer Digitalisierungsstrategie

Marc Knoppe1  
(1)
THI Business School, Technische Hochschule Ingolstadt, Ingolstadt, Deutschland
 
 
Marc Knoppe
1 Marke als digitales Differenzierungsmerkmal
2 Digitalisierungsstrategie und Wertschöpfung im Handel
3 Jeder Händler braucht eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie
Literatur

Zusammenfassung

Noch vor 20 Jahren wurde der Handel vom stationären Verkauf und dem klassischen Versandhandel dominiert. Durch die Einführung moderner Digitalisierungstechnologien und den innovativen, digitalen Technologie- und Servicemöglichkeiten im Handel hat sich das Prinzip von Multi-Channel, also der Verkauf oder Vertrieb eines Produktes sowie einer Dienstleistung über mehrere Absatzkanäle dramatisch verändert. Das Kundenerlebnis als Treiber der Digitalisierung fordert ein nahtloses, zahnradartiges Zusammenspiel der Absatz- und Kommunikationskanäle (Omni-Channel), gepaart mit der Transparenz der Warenverfügbarkeit und Integration der Warensortimente sowie reibungslosen Logistiklösungen an allen Touchpoints. Marke, Pricing und Service als Kernelemente einer wertschöpfenden Digitalisierungsstrategie beeinflussen die zukünftige Unternehmenspolitik und die Nutzung von Erfolgspotenzialen entscheidend. Wie eine solche Strategie entwickelt werden kann, beschreibt dieser Beitrag.

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Prof. Dr. Marc Knoppe

ist Professor für Internationales Handelsmanagement, Strategisches Marketing und Innovationsmanagement an der THI Business School der Technischen Hochschule Ingolstadt. Er ist Studiengangleiter der Master Retail and Consumer Management sowie Security & Safety Management. Er verfügt über mehr als 20 Jahre internationale Führungsverantwortung als Geschäftsführer und Mitglied der Geschäftsleitung amerikanischer und deutscher Konzernunternehmen im Bereich Retail, Consumer & B2B Services mit Schwerpunkt Unternehmensstrategie, Marketing und Vertrieb. Er ist Vorstand des European Institute of Management (EuWiM AG), Gründungsmitglied des German Retail Lab e. V. und Mitglied in verschiedenen Beiräten.
 

1 Marke als digitales Differenzierungsmerkmal

Das rasante Wachstum des Onlinevertriebs hat erst dazu geführt, dass Omni-Channel zu einer wesentlichen strategischen Komponente der Unternehmenspolitik wurden. War zu Beginn des Onlinevertriebs der Preis das entscheidende Kriterium, bedarf es heute einer komplexen, unternehmensspezifischen Digitalisierungsstrategie, um eine langfristige Wertschöpfung über alle Absatz- und Kommunikationskanäle zu generieren.1

Die digitalen Medien als Elemente der mittel- und langfristigen Wertschöpfung gewinnen immer mehr an Bedeutung. Über alle Altersgruppen und soziale Schichten hat sich die Nutzung digitaler Medien als Informations- und Einkaufskanäle stetig nach oben entwickelt. In der Welt des Handels ist die Bedienung und Betreuung der Kunden über verschiedene Absatzkanäle kein neues Phänomen. Stets wurden und werden die unterschiedlichen Vertriebswege wie beispielsweise Versandhandel, stationärer Verkauf oder der Einsatz eigener Handelsvertreter in verschiedenen Vertriebskonzepten parallel praktiziert. Man denke an namhafte Markenunternehmen wie Tchibo, Nike oder adidas mit ihren eigenen Einzelhandelsgeschäften, dem Kataloggeschäft und dem eigenen Onlinehandel. Die Begriffe „Multi-Channel“ oder „Omni-Channel“ im Kontext der Digitalisierung sind kein Zeichen der Generation Y oder Generation Me, also der Digital Natives (vgl. KPMG 2012, Heinemann 2011, Ergenzinger und Bamert 2010).

„Die eigentliche Entwicklung und Bedeutung des Multi-Channel-Handels ist jedoch eindeutig der Einführung und Etablierung der Internettechnologie als neuer Vertriebsweg zuzuschreiben“ (Heinemann 2008, S. VII).

Hier liegt die wahre Dimension der Digitalisierung – in der gestiegenen Transparenz der Marken-, Preis- und Servicepositionierung, die letztlich das Kundenerlebnis bestimmen.

Die Marke ist ein wesentliches Differenzierungsmerkmal einer unternehmerischen Leistung. Die Marke verschafft dem Kunden Orientierung, Vertrauen und Identifikationsmerkmale (Esch 2018). Im Zusammenspiel mit dem richtigen Pricing sowie Service und einer integrierten Markenkommunikation (Bruhn 2010, S. 87 ff.; Bruhn et al. 2009) über alle Kanäle generiert ein Unternehmen ein besseres Kundenerlebnis, höhere Kundenloyalität, höhere Margen und letztendlich stabile Gewinne.

Dies Prinzip schien im modernen „Digitalen Vertrieb“ lange Zeit durchbrochen gewesen zu sein, da der Preis als einziger Aspekt der Kaufentscheidung galt – Vertrauen und Reputation der Marken erschienen bedeutungslos und die Chancen der Verbesserung des Kundenerlebnisses wurden auf den billigen Preis reduziert. Eine moderne Digitalisierungsstrategie nutzt dagegen geschickt die Marke, das Pricing und den Service als zentrale strategische Elemente zur Steigerung der Wertschöpfung, indem es den Kunden in den Mittelpunkt rückt und so die Voraussetzungen zur Steigerung des Kundenerlebnisses dadurch schafft.

Im Kontext der digitalen Transformation ist es notwendig, die Wertschöpfungspotenziale von Marke, Pricing und Service aus der Kundenperspektive und dem damit verbundenen Kundenerlebnis (Customer Experience) zu betrachten. Das Kundenerlebnis, gesteuert durch die Marke, kanalübergreifendes Pricing und Services, bilden den Kern der Digitalisierungsstrategie im Handel. Die Bedeutung von Marke, Pricing und Service im digitalen Kontext nimmt zu und erstreckt sich nicht nur auf die Absatzkanäle, sondern auch auf alle Kommunikationskanäle eines Unternehmens. Parallel ist die Omni-Channel-Strategie nur ein Element der Digitalisierungsstrategie. Der strategische Umbruch im Rahmen der Digitalisierung eröffnet nicht nur Chancen zur Nutzung neuer Absatzkanäle, sondern führt in vielen Bereichen zu neuen oder verbesserten Geschäftsmodellen, zum Beispiel Pick-up Stores etc. (vgl. Beitrag 1:Kundenerlebnis und digitale Innovationen als Treiber erfolgreicher Geschäftsmodelle​ ). Unternehmen und Organisationen, die die Nutzung digitaler Medien und Prozesse ohne Verankerung einer Digitalisierungsstrategie im Rahmen der Unternehmenspolitik integrieren, laufen Gefahr, die eigene Organisation zu überfordern und bestehende Geschäftsmodelle unbegleitet zu verändern.

2 Digitalisierungsstrategie und Wertschöpfung im Handel

Eine formulierte „Digitalisierungsstrategie“ ist Teil der Unternehmenspolitik auf konzeptioneller Basis. In diesem Zusammenhang steht die konzeptionelle Planung für eine langfristige Sichtweise der Unternehmensausrichtung. Die konzeptionelle Planung erstreckt sich über global formulierte Inhalte und weniger über operativ detaillierte Implementationsaussagen. Die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie enthält folglich globale Ziele, grundsätzliche Aussagen zur strategischen Positionierung oder auch generelle Aspekte zu den notwendigen Ressourcen (Kirsch 1991, S. 9 f.).

Die originäre Form einer digitalen Konzeption im Handel oder in einem Unternehmen generell beschreibt ein komplexes Gebilde unterschiedlicher Absatzkanäle, die einem Handelsunternehmen oder Markenhersteller die Möglichkeit eröffnet, seine Leistungen dem Kunden über verschiedene Vertriebswege anzubieten. Wesentliches Kriterium eines Omni-Channel-Handels ist der Kaufabschluss, der in allen Kanälen vorhanden sein muss (Heinemann 2008, S. 14 f.). Verbindet man diesen klassischen Ansatz mit den Wertschöpfungspotenzialen digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien, so führt der plattformunabhängige Informationsaustausch zu kanalübergreifenden Geschäftsprozessen und zur Verknüpfung von Wertschöpfungsprozessen (Bliemel et al. 2000, S. 2). Dadurch entsteht ein strategisch-digitales Marketingkonzept, das alle Maßnahmen eines modernen strategischen und operativen Marketings im digitalen Kontext zu berücksichtigen hat. Dies erfordert die Integration aller Kanäle im Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes, um einen hohen Wahrnehmungsgrad beim Kunden zu erzielen (Heinemann 2008, S. 17).

Die Wertschöpfungskette nach Porter (1992a, b) als Instrument der Darstellung des betrieblichen Leistungsprozesses in seine einzelnen Wertschöpfungsaktivitäten hilft dem internen und externen Betrachter, die Wertschöpfungsstufen eines Unternehmens zu verstehen. Der strategische Wert dieses Analyseinstrumentes liegt in der Identifikation von Wettbewerbsvorteilen für ein Unternehmen im digitalen Wettbewerbsumfeld (Kirsch 1991, S. 516 f.). Wendet man den Denkansatz der Wertschöpfungskette in gleicher Form auf die Gestaltung eines Omni-Channel-Konzepts und dem verbundenen Kundenerlebnis selbst an, so bietet sich hiermit die Chance, digitale Wertschöpfungspotenziale zu erkennen, die mithilfe einer unternehmensindividuellen Digitalisierungsstrategie gewinnbringend gestaltet werden können. Abb. 1 zeigt die digitale Wertschöpfungskette zur Entwicklung eines Omni-Channel-Konzeptes.
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Abb. 1

Digitale Wertschöpfungskette zur Erstellung eines Omni-Channel-Konzeptes.

(Zur Erläuterung der Wertschöpfungskette als theoretisches Konzept vgl. Porter 1992a, S. 59 ff., b)

2.1 Pricing und Service im Kontext der Markendehnung – eine strategische Wachstumsoption zur Digitalisierung

Kauferlebnisorientierung ist nicht nur ein Stichwort im Pricing oder Service, sondern insbesondere eine Funktion im Rahmen der Markenführung. Im Wege der marktorientierten Unternehmensführung sind Marken ein zentrales Strategieelement. Starke Marken führen zu höheren Margen, konstanten Umsätzen und langfristigen Erfolgen (Hofbauer und Schmidt 2007, S. 13). Parallel dienen Marken als wesentliches Potenzial im Sinne der Differenzierung und Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen. Aus Sicht der Unternehmenspolitik handelt es sich bei der Markenführung und Markenpositionierung ebenso um strategische Planung, die im Zusammenspiel mit dem richtigen strategischen Pricing sowie Service den Kern einer Digitalisierungsstrategie bildet, um das Kundenerlebnis hervorzuheben. Im Sinne der Unternehmenspolitik ist die Markendehnung konsequenterweise Bestandteil der strategischen Markenführung und damit eng mit der strategischen Digitalisierung und digitalen Transformationen von Unternehmen verbunden.

Im klassischen Sinne bedeutet Markendehnung, die vorhandene Marke auf weitere Produktlinien zu erweitern oder neue Produktkategorien mit der bekannten Marke zu versehen. Bestehende Wettbewerbsvorteile einer realen existenten Marke sollen auf neue Produkte oder Dienstleistungen angewandt werden und zu neuem Wachstum oder höherem Gewinn führen. Erstreckt man eine Marke auf neue Produktlinien, spricht man auch von „Product Line Extensions“ (Esch 2018, S. 415 ff.).

Dieser Ansatz lässt sich im Sinne einer Digitalisierungsstrategie als „Digital Channel Line Extensions“ transferieren. Die bestehende Markenbekanntheit und das bekannte Markenversprechen werden auf neue Absatzkanäle, Logistikkonzepte, Storekonzepte und digitale Medien, Prozesse oder soziale Netzwerke übertragen. Parallel werden kundenspezifische Bedürfnisse pro Absatz- und Kommunikationskanal berücksichtigt und an die Kanalleistung angepasst, indem das Markenversprechen beibehalten wird. Vergleichbar den „Line Extensions“ erreicht man nicht nur eine breitere Marktabdeckung, sondern trägt zur Steigerung des Markenwertes bei, da dem Kunden vielfältige Wege angeboten werden, das Kundenerlebnis zu steigern. Dies kann durch verkürzte Lieferzeiten, durch 24h-Services, durch Pick-up Shops zur Optimierung der letzten Meile, durch „Conversational Commerce“ (Voice Commerce) oder einfach durch digitale In-Store Services, kombiniert mit kompetenter Beratung durch das Verkaufspersonal, erreicht werden. In Kombination mit einem strategischen Pricing und Service, die abgestimmt und integriert alle Möglichkeiten und Leistungspotenziale des Omni-Channel-Konzeptes eines jeweiligen Händlers berücksichtigen, werden Marke, Pricing und Service eine Unique Customer Experience Proposition (einzigartiges Kundenerlebnis) schaffen. Abb. 2 zeigt das Zusammenspiel von Marke, Pricing und Service mit Blick auf die Steigerung des Kundenerlebnisses (Customer Experience).
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Abb. 2

Markenbeitrag zum Aufbau einer Unique Customer Experience Proposition im Rahmen einer Digitalisierungs- und Omni-Channel-Strategie.

(In Anlehnung an Knoppe 2013, S. 606 ff.)

In Anlehnung an Esch (2018, S. 415 ff.) erlaubt die Marke den Transfer der aufgebauten Vorstellungsbilder und Präferenzen nicht nur in neue Produkte und Services, sondern ebenso in neue Vertriebs- und Kommunikationskanäle. Dadurch trägt die Marke zur Preis- und Servicedifferenzierung oder je nach Konzept zur Preis- und Serviceintegration in den verschiedenen Absatzkanälen bei und liefert einen wesentlichen strategischen Beitrag zur Wertschöpfung im Rahmen einer Digitalisierungsstrategie. Abb. 3 fasst die Markenerweiterung im Sinne einer „Digital Channel Line Extension“ grafisch zusammen:
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Abb. 3

Markenerweiterung im Sinne der „Channel Line Extensions“ im digitalen Kontext.

(In Anlehnung an Knoppe 2013, S. 606 ff.)

2.2 Strategischer Baukasten zur Digitalisierung im Handel

Im Sinne eines strategischen Managements ist die Entwicklung einer unternehmensindividuellen Digitalisierungsstrategie eine strategische Funktion, die bestehende Führungsstrukturen des laufenden Geschäftsbetriebs im Rahmen einer übergeordneten Unternehmenspolitik zu unterstützen oder weiterzuentwickeln hat (Kirsch 1991, S. 11 ff.; Buckley et al. 2015). Die Entwicklung von strategischen Erfolgspotenzialen basiert auf der Logik einer konzeptionellen Gesamtsicht. Im Kontext der Unternehmenspolitik besteht die Option, aktuelle und zukünftige Erfolgspotenziale aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und Teilmengen von Maximen, die strategische Untergruppen einer konzeptionellen Gesamtsicht abbilden, zu differenzieren und im Rahmen der Unternehmenspolitik wieder zu einem großen Ganzen zu konstituieren (Kirsch 1990, S. 364). Betrachtet man die Maxime einer Digitalisierungsstrategie, so bedarf es in erster Linie, die Brille der Kundenperspektive aufzusetzen, um zu bewerten, ob die Digitalisierungsziele und digitalen Innovationen einen Mehrwert für den Kunden liefern. Das Ziel der Digitalisierungsstrategie liegt in der Schaffung eines höheren Abnehmerwerts (Leistung je Absatz- und Kommunikationskanal) für den Kunden, so wird der Erfolg oder Misserfolg einer Digitalisierungsstrategie und ihrer Maxime maßgeblich vom Zusammenspiel der Abnehmerwerte, also der Marke, dem Pricing, dem Service und dem digitalen Kontext beeinflusst werden, was im Idealfall zu einem höheren Kundenerlebnis führt und damit Begeisterung beim Kunden auslöst. Das strategische Zusammenspiel wird in Abb. 4 verdeutlicht.
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Abb. 4

Digitalisierungsstrategie bestimmt durch das strategische Zusammenspiel von Marke, Pricing, Service und Kundenerlebnis (Abnehmerwert je Absatz- und Kommunikationskanal) – Customer Experience.

(In Anlehnung an Knoppe 2013, S. 606 ff.)

Ziele und strategische Maßnahmen einer Digitalisierungsstrategie sind so zu definieren, dass das Image und die Bekanntheit der Marke, das Pricing, der Service und die Leistung der unterschiedlichen Absatz- und Kommunikationskanäle so aufeinander abgestimmt sind, dass daraus im Rahmen des Omni-Channel-Konzepts neue Erfolgspotenziale, erfolgreiche Geschäftsmodelle oder gar disruptive Geschäftsmodelle entstehen, die das Kundenerlebnis steigern. Dabei gilt es darauf zu achten, dass die konzeptionelle Gesamtsicht und die Vorgaben der Unternehmenspolitik integriert werden. Abb. 5 gibt einen anwendungsorientierten Bezugsrahmen (vgl. Kirsch 1990, S. 366 ff.; Kirsch und Maaßen 1989), einen strategischen Baukasten zur unternehmensindividuellen Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie. In Anlehnung an den Strategiefächer von Kirsch (1990, S. 366 ff.) kann für jeden Absatz- und Kommunikationskanal eine strategische Stoßrichtung festgelegt werden, die zur Steigerung des Kundenerlebnisses beiträgt und damit wiederum den Markenwert erhöht.
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Abb. 5

Strategischer Baukasten zur unternehmensindividuellen Entwicklung einer Omni-Channel-Strategie im Kontext der Digitalisierung.

(Eigene Erstellung)

In der Praxis bietet der strategische Baukasten die Möglichkeiten, die Digitalisierungsstrategie auf die Unternehmenspolitik abzustimmen. Jeder On- und Offlinekanal hat seine eigenen strategischen Ziele und Stoßrichtungen (vgl. Kirsch 1990, S. 368 f.), die sich weiter in operative Maßnahmen und Teilziele gliedern. Aus der Perspektive einzelner Kanäle können eigenständige Absatz- und Kommunikationskanalstrategien und Maßnahmen erarbeitet werden. Entscheidend für den Erfolg ist, dass die Marke, das Pricing und der Service je Kanal und über alle Kanäle im Rahmen der konzeptionellen Gesamtsicht (Unternehmenspolitik) nahtlos aufeinander abgestimmt werden, eine langfristige Digitalisierungsstrategie entsteht und über ein Omni-Channel-Konzept implementiert wird. Bestehende Lücken sind zu schließen. Der strategische Baukasten liefert das digitale Werkzeug, die Marke auf weitere Kanäle auszudehnen, von der Marke zu profitieren und in der Kombination mit dem Pricing und dem Service, das Wertschöpfungspotenzial durch die Steigerung des Kundenerlebnisses zu verbessern. Somit wird das Wertschöpfungspotenzial einer Digitalisierungsstrategie im Kern von der Marke, dem Pricing, dem Service und dem verbundenen Content dominiert sein. Content und Service sind wesentliche Erfolgsfaktoren der Strategieentwicklung im digitalen Kontext. Sie dienen als Katalysator der Markenbildung und der damit verbundenen Preisakzeptanz im Rahmen des Omni-Channel-Konzepts (vgl. hierzu Beitrag 1 Abschn. 1.4.: Digitale Revolution im Handel – Realität oder Wunschdenken: Frank + Oak)

3 Jeder Händler braucht eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie

Dieser Ansatz stellt keine wohldefinierte Prämisse dar, sondern einen Denkrahmen, digitale Technologien und sich daraus ergebende neue Geschäftsmodelle in einen strategischen Gesamtzusammenhang zu stellen. Die Zunahme der Bedeutung der Digitalisierung zeigt auf, dass Innovationen in kurzer Zeit zu einem „neuen“ Kundenverhalten führen können, die Customer Journey fortwährend verändern, operative Themenstellungen schnell zu strategischen Themen mutieren und traditionelle Geschäftsmodelle infrage gestellt werden müssen, um überlebensfähig zu bleiben. Infolge des digitalen Ansatzes mit Fokus auf den Aufbau einer Omni-Channel-Strategie reicht es nicht, sich nur den Absatzkanälen zu widmen, sondern bedarf es der Berücksichtigung aller digitalen Kommunikations- und Distributionskanäle2. Eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie erfasst den Lebenskontext des Kunden und liefert damit die Basis, neue und bestehende Kundenbedürfnisse mithilfe der digitalen Medien und Prozesse zu verbessern, also das Kundenerlebnis zu steigern. Folglich wird die richtige Nutzung und der richtige Einsatz digitaler Technologien, die Auswertung gewonnener digitaler Kundendaten zum Erfolgsfaktor, sofern es gelingt, im Rahmen einer unternehmensindividuellen Digitalisierungsstrategie, die strategischen Herausforderungen neuer Geschäftsmodelle und dem verbundenen organisatorischen Wandel aktiv zu gestalten. Vergleicht man an dieser Stelle amerikanische Händler mit deutschen Händlern wird erkennbar, dass in Deutschland interne IT-Zwänge vor dem Kundennutzen stehen. Die Unternehmen müssen es schaffen, sich von tradierten IT-Strukturen zu verabschieden, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und agile, kundenerlebnisorientierte IT-Strukturen aufzubauen und zu leben, um erfolgreich im digitalen Wettbewerb zu bestehen.

Das erarbeitete Denkmodell soll eine anwendungsorientierte Hilfestellung geben, sich mit den wachsenden Herausforderungen der Digitalisierung strategisch auseinanderzusetzen, strategische Erfolgspotenziale frühzeitig zu erkennen, zu bewerten und in unternehmerische Erfolge umzusetzen. Das Denkmodell liefert einen wertvollen Beitrag verschiedene Perspektiven im Scheinwerfer der Marke, des Pricings, des Services und der digitalen Transformation zu beleuchten, um den Abnehmerwert und damit das Kundenerlebnis über alle Vertriebs- und Kommunikationskanäle zu erhöhen und anhand einer Digitalisierungsstrategie zu konsolidieren.

Die zukünftige Rolle eines strategisch orientierten Denkmodells zur Digitalisierung wird es sein, weitere Aspekte der Wertschöpfungskette wie zum Beispiel das Warenhausmanagement und die Logistik zu integrieren, auf die unterschiedlichen Absatz- und Kommunikationskanäle anzuwenden und in letzter Konsequenz eine Customer Experience Proposition über alle Touchpoints zu kreieren.