Bei den Zahlen sind wir auf Daten aus den USA, Großbritannien und Schweden angewiesen, wo man sich früher und intensiver mit dem Problem beschäftigt hat. Da Tinnitus jedoch ein für Industrienationen typisches Krankheitsbild ist, sind Rückschlüsse auf Deutschland erlaubt.
Tinnitus ist ein typisches Krankheitsbild für Industrienationen.
Die Untersuchungen im Ausland ergaben, dass in den Industrienationen rund 35–45 % aller Erwachsenen über 17 Jahren schon einmal ein Ohrgeräusch wahrgenommen haben. Dabei handelte es sich um Ohrgeräusche von unterschiedlicher Lautstärke und Dauer. Bei 15 % der Betroffenen hielt das Geräusch länger als fünf Minuten an. Bei etwa 8 % der Betroffenen traten durch die Ohrgeräusche Belastungserscheinungen im Alltag sowie Schlafstörungen auf. Bei 0,5 % der Betroffenen führten die Ohrgeräusche zu erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensführung. Sie empfanden ihr Ohrgeräusch als so störend, dass sie nicht mehr normal am Alltagsgeschehen teilnehmen konnten. Sie litten unter Konzentrationsschwäche, schweren Schlafstörungen, Angstzuständen oder Depressionen. Bei diesen Personen hat der Tinnitus einen eigenständigen Krankheitswert und ist behandlungsbedürftig.
Tinnitus tritt meist in der Lebensmitte auf.
Frauen leiden häufiger unter Ohrgeräuschen als Männer. Laut einer britischen Studie liegt die Rate der betroffenen Frauen bei 16 %, die der Männer bei 13 %. Wie objektiv dieser Unterschied in Wirklichkeit ist, mag dahingestellt sein – vielleicht befassen sich Frauen nur eingehender mit ihren Befindlichkeitsstörungen als Männer. Andererseits waren es mehr Männer als Frauen, die wegen Tinnitus ärztlichen Rat einholten oder eine Tinnitus-Sprechstunde aufsuchten. Das heißt, dass sich mehr Männer als Frauen durch Ohrgeräusche in ihrer Lebensführung beeinträchtigt fühlten.
Mindestens jeder dritte Erwachsene hat bereits einmal Ohrgeräusche gehabt. |
Tinnitus tritt meist in der Lebensmitte auf. Es ist eine deutliche Häufung der Fälle zwischen dem 45. und dem 55. Lebensjahr zu verzeichnen. In diesem Alter zeigen sich verstärkt die Auswirkungen von beruflichem Stress, familiären Problemen oder einer allgemeinen Midlife-Crisis. Auch schädliche Einflüsse wie Lärm am Arbeitsplatz werden in diesem Alter am deutlichsten wahrgenommen. Klare Aussagen über den sozialen Status der Tinnitus-Kranken gibt es kaum: Es kann jeden treffen.
Statistische Daten hierzu sind mit der gebotenen Vorsicht zu werten. Am häufigsten ist Tinnitus demnach in der Bevölkerungsgruppe der Arbeitslosen, am seltensten in der Gruppe der Selbstständigen. Das aber ist wiederum ohne Bezug zum Bildungsniveau der Betroffenen. Mit anderen Worten: Ein arbeitsloser Lehrer oder Jurist läuft eher Gefahr, an Ohrgeräuschen zu erkranken, als ein selbstständig tätiger Handwerker. Allerdings suchen Betroffene mit höherem Bildungsstand öfter einen Arzt auf. Auch bei dieser Unterteilung liegt die Erkrankungsrate der Frauen höher als die der Männer.
Menschen, die beruflich besonderer Lärmbelastung ausgesetzt sind, erkranken häufiger an Tinnitus. Allerdings muss diese Tatsache in Zusammenhang mit dem Alter gesehen werden: Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko. Hat man zusätzlich beruflich mit Lärm zu tun, so verdoppelt sich dieses Risiko.