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Genau wie die Wolken an einem blauen Himmel konnten dunkle Wellen in der Nacht im Grunde alles darstellen, wenn man nur lange und angestrengt genug hinsah. Sie sahen mehr oder weniger gleich aus, waren aber trotzdem alle einzigartig und verschmolzen in seinem Fernglas zu einer unendlichen Anzahl von Kombinationen verschiedenster Nuancen von Schwarz und glänzendem Stahlgrau.
Eigentlich hätte er erleichtert sein müssen. Die Familie, mit der er witzigerweise schon vor ein paar Tagen gesprochen hatte, war noch am Leben und, abgesehen von dem Schock, ohne größere Schäden davongekommen. Das hatten sie dem Baum zu verdanken, der Milwokh bewusstlos geschlagen hatte, woraufhin sie ihn über Bord hieven konnten. Das Glück war zweifellos auf ihrer Seite gewesen. Ihre Weltumsegelung hätte auch ganz anders enden können.
Trotzdem war er alles andere als beruhigt. Er war zwar kein bisschen seekrank, aber sein Nervensystem war in Aufruhr. In seinem Inneren standen alle Alarmzeichen auf Rot und signalisierten schrill, dass es ein Fehler war, an Land zurückzukehren und die Leute allein in ihrem Segelboot zurückzulassen.
Er hatte ihnen angeboten, sie mit nach Helsingborg zu nehmen oder sie persönlich zum nächsten Hafen zu begleiten. Doch der Mann hatte all seine Vorschläge abgelehnt. Dafür hatte er hoch und heilig versprochen, Kurs auf Halmstad zu nehmen und dort einen Traumatherapeuten aufzusuchen, bevor sie weiter nach Göteborg fuhren.
Überhaupt hatte er in Anbetracht dessen, was er gerade durchgemacht hatte, erstaunlich gefasst gewirkt. Das Gleiche galt für seine Frau, die es geschafft hatte, den gesamten Vorfall zu verschlafen. Trotzdem standen sie unter Schock, gar keine Frage. Vor allem der Junge, der während des gesamten Gesprächs auf dem Schoß seiner Mutter gesessen und in die Dunkelheit gestarrt hatte, als würde er jeden Augenblick damit rechnen, dass Milwokh wieder aus dem Meer geschossen kam .
Diese Gefahr jedoch war als kaum realistisch einzuschätzen. Laut den Männern von der Küstenwache war er höchstwahrscheinlich ertrunken und würde im Laufe der kommenden Tage aufgedunsen an einem Strand in Schweden oder Dänemark angeschwemmt werden. Sofern die Leiche nicht in die Schraube eines der vielen kreuzenden Schiffe geriet.
Für die meisten Leute wäre dies eine gute Nachricht gewesen. Er selbst empfand es ganz und gar nicht so. Nicht nur, weil er gegen die Todesstrafe war, sondern auch, weil es, wie man es auch drehte und wendete, eine schwere Niederlage war. Sie hatten ihr Bestes gegeben, ihre Arbeit im Grunde aber nicht bewältigt, woraufhin letzten Endes die Natur eingegriffen und die Gerechtigkeit wiederhergestellt hatte.
Noch schlimmer war es jedoch, dass sie niemals Gelegenheit bekommen würden, ihn zu den Hintergründen dieses ganzen Wahnsinns zu befragen. Vermutlich war das sogar am schlimmsten. Dass die Sinnlosigkeit triumphierte, wenn die Antwort auf das Warum, nach dem alle Angehörigen fragten, lautete, es habe alles nur von einem Würfel abgehangen.
Dem Jungen zufolge hatte Milwokh auch diesmal gewürfelt. Anscheinend eine Fünf. Was das bedeutete, wussten sie jedoch nicht, und wie es aussah, würden sie es auch nie erfahren. Eine Erkenntnis, die so finster und deprimierend war, dass er nicht darüber nachdenken wollte.
Vielleicht sah er deshalb, was er sah. Vielleicht flüchtete er sich in eine Idee, die zu einem Bild auf seiner Netzhaut wurde. Einer Illusion, die auf Wunschdenken basierte und jeglicher Verankerung in der Wirklichkeit entbehrte. Trotzdem konnte er seinen Blick nicht von dem abwenden, was in mehreren Hundert Metern Entfernung an ein dunkles Schlauchboot zwischen lauter dunklen Wellen erinnerte .
»Anhalten!«, brüllte er und rannte hinunter in den Steuerstand. »Sie müssen anhalten und die Scheinwerfer einschalten!«
»Warum denn das?«, fragte der Kräftigere von beiden.
»Ich glaube, ich habe das Schlauchboot gefunden.«
»Sie glauben? Also, das ist jetzt wirklich …«
»Tun Sie einfach, was ich sage!«, fiel Fabian ihm ins Wort. »Bevor wir zu weit weg sind!«
Der kräftige Mann atmete hörbar aus und drehte sich zu seinem Kollegen um, der sich sekundenlang versonnen über den Schnauzer strich und schließlich den Motor herunter- und zumindest einen Scheinwerfer anschaltete, der einen taghellen Lichtstrahl in die Nacht schoss.
Fabian griff nach dem Scheinwerfer und lenkte ihn in die Richtung, in der er soeben das Boot gesehen hatte. Leider sah er nichts außer Wellen, die auf ebenso vorhersehbare wie zufällige Art und Weise aufeinanderprallten und übereinander zusammenschlugen.
»Sind Sie sicher, dass Sie ein Schlauchboot gesehen haben?«, fragte der Kräftigere auf dem Weg in den Steuerstand.
»Nein, bin ich nicht. Aber irgendwas war da«, sagte er möglichst gefasst. »Irgendwas Dunkles trieb da drüben.« Er ließ den Scheinwerfer über das Gebiet schweifen, wo nun nur noch wogendes Dunkel zu sehen war.
»Wenn man nur lange genug hinguckt, kann man am Ende alles erkennen.«
»Mag sein. Ich will aber trotzdem, dass Sie da jetzt hinfahren und die Stelle sicherheitshalber absuchen.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Der Kräftige lachte. »Das ist wie bei meinen Kindern. Die wollen auch das ganze Jahr über Weihnachten feiern, aber das geht eben nicht. Ist genau das Gleiche …«
»Verdammt noch mal!« Fabian drehte sich um zu dem albern grinsenden Mann. »Wenn Sie so besorgt wegen Ihrer Überstunden sind, dann verspreche ich Ihnen, dass Sie dafür entschädigt werden. Okay? Hauptsache, Sie tun jetzt, was ich sage.«
»Okidoki, Ihr Wort in Gottes Gehörgang, aber machen Sie sich darauf gefasst, dass Sie unsere Entschädigung aus Ihrer eigenen Tasche blechen müssen, denn, wie ich schon sagte, unser Budget wurde schändlich gekürzt, und ich bin mir beinahe sicher, dass …«
»Wir finden eine Lösung. Die Frage ist eher, worauf Sie noch warten. Wir müssen jetzt dahin und nicht erst in einem halben Jahr.«
Der Mann machte seinem Kollegen ein Zeichen, auf das dieser den Gashebel durchdrückte und eine scharfe Kehrtwende machte. Eine Minute später verlangsamten sie die Geschwindigkeit, und Fabian konnte die wogende dunkle Wasseroberfläche mit dem Scheinwerfer absuchen.
Nicht einmal mit viel Fantasie konnte er etwas entdecken, das an ein Schlauchboot erinnerte.
»Also, ich kann wirklich nachvollziehen, dass Sie dieses Boot gerne finden würden, aber wir können hier beim besten Willen nicht die ganze …«
»Könnten Sie Ihren Kollegen bitten, den Motor auszuschalten?«
»Äh, was?« Der Kräftigere wirkte vollkommen verwirrt.
»Entschuldigen Sie, es klang wie eine Frage. War es aber nicht, sondern ein Befehl. Sie gehen jetzt sofort zu Ihrem Kollegen und sagen ihm, er soll den Motor abschalten.«
Der Beamte wollte zunächst Einspruch erheben, besann sich aber eines Besseren und gab seinem Kollegen ein Zeichen, woraufhin das Tuckern des Motors verstummte .
Fabian schaltete auch den Scheinwerfer aus, schloss die Augen und holte einige Male tief Luft, um seinen rasenden Puls zu senken, der in seinen Ohren wummerte, seitdem die Notrufzentrale sie über den Überfall informiert hatte.
»Entschuldigung, könnten Sie uns vielleicht erklären, was wir hier …«
Fabian brachte ihn mit einem Zischen zum Schweigen.
Sein Gehör war weder gut noch schlecht. Ebenso oft, wie eine an ihn gerichtete Bemerkung ungehört vorüberzog, hörte er Dinge, die sonst niemand wahrnahm. Von einem leisen Piepen, das nicht zu lokalisieren war, bis zu einem ungewöhnlichen Geräusch im Auto konnte es alles sein.
Diesmal jedoch war er überzeugt, genau zu wissen, was er hörte. Er drehte sich zu dem Beamten um. »Hören Sie das auch?«
»Was denn?«
»Ein Außenborder.«
Der Mann lauschte einen Augenblick und schüttelte den Kopf.
»Aus der Richtung.« Fabian zeigte nach Westen, wo Dänemark lag.
Wieder schüttelte der Mann den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Das könnte doch alles sein. Ist genau wie bei meinen Kindern, wenn die was haben …«
»Momentan scheiße ich auf Ihre Kinder. Ich will nur, dass wir da jetzt hinfahren und nachgucken, was da ist, bevor es zu spät ist.«
Wortlos ging der Mann zurück an den Steuerstand, und kurz darauf waren sie wieder unterwegs.
Ohne das Fernglas vom Gesicht zu nehmen, signalisierte Fabian dem Mann ab und zu per Handzeichen, er solle den Motor abschalten, damit er auf den Außenborder horchen und die Fahrtrichtung neu justieren konnte.
Als er schließlich etwas erblickte, hatte er keinen Zweifel mehr. Es war eindeutig ein Schlauchboot. Wenn auch weit entfernt. Zu weit entfernt, um mehr als etwas Dunkles zu erkennen, das sich mit ziemlich hoher Geschwindigkeit über die Wellen bewegte und einen weißen Streifen schäumendes Wasser hinter sich herzog.
»Sehen Sie?«, rief er den beiden anderen zu und zeigte in die Richtung. »Da drüben.«
Der Mann am Steuer nickte, und der andere griff nach der Sprechmuschel des Funkgeräts.
Endlich stand eine Festnahme bevor. Endlich würden die Ermittlungen zum Abschluss kommen. Dieser ganze abartige Fall, bei dem nichts nachvollziehbar gewesen war. Für ein Triumphgefühl war es noch zu früh. Aber sie waren jetzt nah dran. So nah, dass er den weißen Schaum auch ohne Fernglas erkennen konnte.
Er zog seine Dienstpistole aus dem Holster und überprüfte, ob das Magazin voll war. Eine schusssichere Weste hatte er nicht. Aber die würde er vermutlich auch nicht brauchen. Bislang hatte Milwokh bei keinem seiner Morde eine Schusswaffe verwendet, und es deutete auch diesmal nichts darauf hin, dass er bewaffnet war.
Sein Handy vibrierte und hieß ihn in Dänemark willkommen. Er nutzte die Gelegenheit, um Tuvesson per SMS mitzuteilen, dass sie nur noch Minuten von einer eventuellen Festnahme entfernt waren. Als das Schiff jedoch plötzlich langsamer wurde und die Motoren schließlich nur noch im Leerlauf brummten, rannte er hinüber zum Steuerstand.
»Was ist los? Was soll das?«
»Wir können leider nicht weiterfahren und müssen zurück«, sagte der kräftigere Mann.
»Was? Wie? Zurück? Wir haben ihn doch in wenigen Minuten.«
»Nichts zu machen. Wir müssen …«
»Sie beide müssen einfach nur tun, was ich sage!«
»Tut mir leid. Wir haben keine Genehmigung und dürfen daher nicht …«
»Was soll das heißen, keine Genehmigung?«, fiel Fabian ihm ins Wort. »Wer sagt das?«
»Die dänischen Seestreitkräfte.«
»Aber vor einer Stunde haben sie doch noch grünes Licht gegeben. Ich verstehe gar nichts mehr.«
»Das geht uns ganz genauso, aber die Anweisung war eindeutig. Wir sollen das dänische Territorium so schnell wie möglich verlassen«, sagte der Kollege mit dem Schnauzer. »Also drehen wir lieber um, bevor die Dänen richtig sauer werden.« Er gab Gas und drehte das Steuerrad einmal ganz herum.
»Nein, nein, nein! Jetzt mal ganz ruhig.« Fabian kehrte zurück ins Cockpit und sah achtern einen großen Frachter, der in etwa fünfzig Metern Entfernung an ihnen vorüber und nach Norden fuhr. Er konnte beim besten Willen nicht verstehen, wieso die Dänen auf einmal ihre Meinung geändert hatten, und griff zu seinem Handy, um Tuvesson anzurufen, als es plötzlich in seiner Hand aufleuchtete und vibrierte. Er hatte eine Nachricht von einem anonymen Absender bekommen.
Wie ich in Snekkersten schon sagte. Mich zu enttäuschen ist mit Sicherheit das Letzte, was du willst.
Die beiden Sätze klangen verdächtig nach Sleizner. Von jemand anderem konnten sie nicht sein. Vor einer Woche hatte ausgerechnet dieser Mann ihn davor bewahrt, in einem Jacuzzi in Snekkersten zu ertrinken. Er war dort gewesen, um Eric Jacobsén zu verhaften, und wenn dieser Sleizner nicht gewesen wäre, hätte das Ganze mit einer Katastrophe geendet.
Der dänische Polizeichef hatte daraufhin unmissverständlich klargestellt, dass Fabian in seiner Schuld stand, sich aber gerne revanchieren könne, indem er Sleizner mit Informationen über den Aufenthaltsort von Dunja Hougaard versorgte.
Das Problem war, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wo sie steckte. Er hatte selbst vergeblich versucht, sie zu erreichen. Das hatte er auch Sleizner erklärt, der ihm aber offensichtlich nicht glaubte und es irgendwie geschafft hatte, die dänischen Seestreitkräfte dazu zu bringen, ihnen die Genehmigung für das Befahren dänischer Gewässer zu entziehen.
Das Ganze war vollkommen absurd und inakzeptabel, passte aber leider zu dem, was er über den dänischen Polizeichef gehört hatte. Tuvesson anzurufen und sie zu bitten, Sleizner zu kontaktieren, hätte nichts bewirkt, außer noch mehr kostbare Zeit zu verlieren. Milwokh wäre längst verschwunden gewesen, bis sie eine Genehmigung bekommen hätten.
Er hielt sich das Fernglas vors Gesicht und betrachtete den Frachter MS Vinterland , der unter schwedischer Flagge vorüberfuhr und ihnen mit seinem gewaltigen dunkelblauen Rumpf die Sicht versperrte. Irgendwo hinter dem Frachter befand sich Milwokh und konnte verschwinden, wohin er wollte.
Er musste an Dunja denken, die vor zwei Jahren ihre gesamte Karriere aufs Spiel gesetzt hatte, indem sie ihm Zugang zu einem von der dänischen Polizei beschlagnahmten Auto eines Täters verschaffte und seine Ermittlungen damit einen großen Schritt voranbrachte.
Ob es daran lag oder ob seine Frustration einfach in Wut umgeschlagen war, hätte er im Nachhinein nicht mehr sagen können. Doch in dem Moment, als er den kalten Stahl in seiner Hand fühlte, wusste er, dass er keine andere Wahl hatte.
»Umdrehen«, sagte er sehr viel gefasster, als er in Wirklichkeit war.
Die beiden Männer starrten auf die Pistole in seiner Hand.
»Moment mal. Bedrohen Sie uns?«, fragte er Kräftigere und warf seinem Kollegen einen Blick zu.
Fabian nickte. »Ich will, dass Sie umdrehen, und ich will, dass Sie es sofort tun.«
»Aber das können Sie doch nicht machen. Es ist doch nicht unsere Schuld. Wir haben doch nicht zu entscheiden, ob …«
»Das ist mir bewusst. Der Idiot, der das entschieden hat, heißt Kim Sleizner, und der will mich nur ärgern. Aber darüber zerbreche ich mir im Moment nicht den Kopf. Sie beide konzentrieren sich jetzt bitte nur darauf, umzudrehen und so schnell wie möglich diesen Frachter zu umschiffen. Und die hier …« Er hielt seine Pistole hoch. »… die betrachten Sie einfach als gutes Argument, wenn Sie die Sache später Ihrem Chef erklären müssen.«
Die Männer sahen sich an, und als der Kräftigere schließlich nickte, nahm der andere Kurs auf Dänemark. Einige Minuten später schlug ihnen das Kielwasser der MS Vinterland entgegen, und kurz darauf waren sie auf der anderen Seite.
Fabian erblickte das Schlauchboot sofort, das in nordwestlicher Richtung auf die dänische Küste zuzufahren schien.
»Da ist es.« Er streckte die Hand aus. »Jetzt müssen wir es nur noch einholen, und um den Rest kümmere …« Das Klingeln des Telefons an der Schalttafel unterbrach ihn.
»Genau das habe ich mir gedacht«, sagte der Kräftigere. »Es sind die Dänen. Was soll ich sagen?«
»Nichts. Lassen Sie es klingeln.«
»Aber wir können doch nicht einfach …«
»Doch. Mit der hier in der Hand geht das ganz wunderbar.« Im vollen Bewusstsein, dass er gegen alle Regeln seiner Zunft verstieß und im schlimmsten Fall sechs Monate dafür kassieren würde, schwenkte Fabian seine Waffe. Es ging jetzt nicht mehr um ihn. Jetzt musste der Täter verhaftet werden. Mit den Folgen konnte er sich später befassen.
»Seestreitkräfte an KB 202 . Kommen.«
»Sollten wir nicht lieber drangehen? Damit sie wissen, dass alles in Ordnung ist?«
»KB 202 , können Sie uns hören? Kommen?«
»Niemand geht ran, bevor ich es erlaube.« Fabian richtete das Fernglas auf das Schlauchboot.
»Wir sehen, dass Sie in dänisches Gewässer zurückgekehrt sind. Aus welchem Grund? Kommen.«
»Also, ich kann ja verstehen, dass es Ihnen nur darum geht, diesen Täter zu kriegen«, sagte der Mann mit dem Schnauzer. »Aber wir können nicht einfach den Anruf ignorieren. Das geht nicht. Es widerspricht allen …«
»Okay, dann gehe ich ran. Und Sie halten den Kurs.« Fabian ging hinüber zum Funkgerät und griff nach der Sprechmuschel, ohne das Fernglas vom Gesicht zu nehmen. »Hier spricht Fabian Risk an Bord der KB 202 . Sie haben recht, wir befinden uns wieder in dänischem Gewässer. Der Grund ist ein Täter, der in einem Schlauchboot auf der Flucht ist. Sein Name ist Pontus Milwokh, und er hat wahrscheinlich eine Reihe von Morden begangen. Es liegt dringender Tatverdacht vor. Wir werden ihn mit oder ohne Ihre Erlaubnis verhaften. Und falls Sie damit Probleme haben, klären Sie die besser mit Ihrem Vorgesetzten. Ende.«
»Wir haben ausdrückliche Anweisung von unserem Admiral und können nicht hinnehmen …«
»Sie brauchen nicht weiterzureden«, unterbrach ihn Fabian und betrachtete durch das Fernglas den dunklen Umriss eines Körpers, der zusammengerollt wie ein Embryo im Boot zu liegen schien. »Ich weiß genau, von wem diese Anweisung kommt. Er heißt Kim Sleizner, und Sie können ihm von mir ausrichten, dass mir sein albernes Revierverhalten am Arsch vorbeigeht. Im Übrigen dachte ich, Ende bedeutet Ende. So. Ende.«
Er legte die Sprechmuschel weg, warf den beiden Männern einen Blick zu, um sicherzugehen, dass sie nicht auf dumme Gedanken kamen, und schaute wieder durch das Fernglas.
Der Verdacht war ihm schon vor einer Weile gekommen, aber er hatte ihn verdrängt. Er hatte gehofft, dass es tatsächlich Pontus Milwokh war, der da zusammengekauert lag und sich nicht wehren konnte. Und dass alles endlich zum Abschluss käme.
Doch sein anfänglicher Verdacht hatte sich bestätigt.
Das Schlauchboot bretterte herrenlos über die Wellen. Nur eine schwarze Wärmedecke und eine Wasserflasche zeugten von einem längst verschwundenen Passagier.