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Endlich brummte der Drucker und machte sich warm. Stubbs, deren Laune ohnehin im Keller war, hoffte nur noch, dass er nicht genauso lange brauchen würde, um die Seite auszudrucken. Eins der Dinge, die sie überhaupt nicht mochte, war nämlich Warten. Lahmarschige Drucker, die es nicht auf die Reihe bekamen, sich mit einem Computer zu verbinden, kamen gleich an zweiter Stelle.
Und da aller guten Dinge drei sind, rief sie sich ins Gedächtnis, wie sehr sie Musicals verabscheute. Was fanden die Leute bloß an Schauspielern, die plötzlich anfingen, mittelmäßig zu singen und zu tanzen. Die Songs waren meistens auch
nicht toll. Nein, wenn sie ins Kino ging oder fernsah, wollte sie einen Film anschauen. Wenn sie Lust auf Musik hatte, legte sie eine CD auf. Beides zusammen war weder Fisch noch Fleisch.
Für Rucola hatte sie auch nicht viel übrig. Um ehrlich zu sein, verstand sie nicht, wie ein so blöder und widerlicher Trend sich so lange halten konnte. Er war aus dem Nichts aufgetaucht, und plötzlich versaute auch das hinterletzte Lokal mit Minderwertigkeitskomplexen alles mit Rucola. Egal ob Burger, Sandwich oder natürlich Salat. Eine Zeit lang hatte man das Gefühl gehabt, dass man nicht einmal einen Cappuccino ohne das bittere Unkraut bekommen konnte.
Ganz oben auf der Liste all der Dinge, die sie um jeden Preis vermied, stand jedoch das Arbeiten bis spät in die Nacht, und dazu war sie nun schon zweimal hintereinander gezwungen gewesen. Wenn sie von irgendwas schlechte Laune bekam, dann davon. Es lag an niemand anderem als Mona-Jill, dass sie all diesen Scheußlichkeiten an ein und demselben Abend ausgesetzt gewesen war.
Eigentlich hatte sie vorgehabt, mithilfe des in den Drucker integrierten Scanners gleich nach dem Abendessen den Kartenausschnitt des Landvermessungsamts, den sie in Elvins Boot gefunden hatte, einzuscannen. Als sie jedoch beim Essen bemerkt hatte, dass in den Fleischbällchen gehackter Rucola war, fragte sie Mona-Jill, wie sie nur vergessen konnte, dass diese teuflischen kleinen Salatblätter für ihre Geschmacksknospen wahrlich kein Vergnügen waren.
In der anschließenden Diskussion stellte sich heraus, dass Mona-Jill es keineswegs vergessen hatte. Ganz im Gegenteil, sie hatte ihr die fein gehackten Blätter in der Hackfleischmasse absichtlich untergejubelt, damit Stubbs endlich begriff, wie lecker sie waren. Ein Streit war unausweichlich gewesen. Sie warfen sich
ein, zwei Sachen an den Kopf, die sie anschließend bereuten, und entschuldigten sich, sobald die Wogen geglättet waren.
Trotzdem war die Stimmung immer noch gedrückt, als sie den Tisch abdeckten. Und als Mona-Jill dann auch noch vorschlug, sich gemeinsam Mamma Mia!
anzuschauen, weil davon angeblich jeder gute Laune bekam, brachte sie es einfach nicht übers Herz, Nein zu sagen. Schließlich hatte Mona-Jill sie bei sich zu Hause aufgenommen, nicht umgekehrt.
Zwei abscheuliche Stunden später hatte sie Mona-Jill, die auf dem Sofa eingeschlafen war, endlich fest zudecken und sich an den Computer setzen können. Wie viel Zeit sie mit diesem beschissenen Drucker verschwendet hatte, verdrängte sie lieber. Jetzt war der Kartenausschnitt immerhin gescannt und füllte den gesamten Bildschirm aus.
Dass es ein Grundstück war, hatte sie von Anfang an gewusst. Die Frage war nur, wo es lag. Die Gebäude waren weder mit Namen noch mit Bezeichnungen beschriftet. Sie konnte sich nur an ein paar Ziffern und Elvins nahezu unleserlichen Notizen orientieren. Sie würde jedoch nicht aufgeben, bevor sie nicht jeden Quadratmillimeter herangezoomt und unter die Lupe genommen hatte, als würde es sich um ein malignes Melanom handeln.
Sie hoffte nur, dass Molander überhaupt etwas mit dem Grundstück zu tun hatte. Warum hätte sich Elvin sonst dafür interessieren sollen? Bei einer Grundbuchrecherche war sie nur auf das Einfamilienhaus in Ramlösa gestoßen, und unter Gertruds Namen hatte sie gar nichts gefunden. Wer also auch immer der Eigentümer sein mochte, Molander war es nicht.
Es war ein sehr auffälliges Grundstück, so viel konnte sie erkennen. Einige blau markierte Flächen deuteten auf Wasserreservoire hin. Vielleicht waren es auch Teiche, was an sich schon
seltsam genug wäre, zudem waren sie auch noch rechteckig. Vielleicht handelte es sich um eine Art Kläranlage oder eine Fischzucht …
Ihr kam eine Idee, und um zu überprüfen, ob sie sich richtig erinnerte, holte sie den Schlüsselbund, den Fabian ihr mitgegeben hatte. Es hingen sieben Schlüssel daran, und auf einem der beiden, die mit weißem Klebeband markiert waren, war tatsächlich ein Fisch abgebildet. Vielleicht war es ein Zufall, aber möglicherweise hatte sie doch einen Anhaltspunkt entdeckt.
Durch die untere Hälfte des Kartenausschnitts schlängelte sich eine blaue Linie. Vermutlich war es ein Fluss oder ein Bach, der da laut Karte südlich am Grundstück vorüberfloss. Durch den oberen Teil der Karte verlief eine rot markierte zweispurige Straße, und rechts oben in der Ecke war ein grau-weiß gestreifter Strich zu sehen, der wie eine Eisenbahnlinie aussah.
Das Grundstück war, mit anderen Worten, von einem Fluss, einer Kraftfahrstraße und Eisenbahngleisen umgeben. Es gab sicher Tausende von solchen Grundstücken, und sie hätte bis zu ihrer Pensionierung danach suchen können, ohne es zu finden.
Ihre einzige Chance bestand darin, intelligent zu raten. Sie konnte zum Beispiel annehmen, dass das Grundstück in Schonen lag. Molander war überaus heimatverbunden und hatte schon in seiner Jugend für die Unabhängigkeit Schonens plädiert.
In Schonen gab es eine ganze Reihe von Flüssen, wobei der Kävlingeå und der Helge Å die größten waren. In der Gegend um Helsingborg jedoch spielte der Råån die wichtigste Rolle. Er war dreißig Kilometer lang und mündete am Yachthafen Råån in den Öresund.
Sie öffnete Google Maps, zoomte den Råån heran und folgte dem Flusslauf ins östliche
Schonen.
Stockholm mit seinem Schärengarten war für sie immer die schönste Region in Schweden gewesen, und das fand sie immer noch, aber das nordwestliche Schonen kam gleich …
Mit einem Ruck setzte sie sich auf und starrte verschiedene Grüntöne auf dem Satellitenbild an. Man hätte sie leicht für Vegetation halten und weiterscrollen können, aber die rechteckigen Formationen hatten sie stutzig gemacht, und als sie sie jetzt heranzoomte, erkannte sie deutlich Teiche. Zugewachsene Teiche voller Algen, die mit den blau markierten Teichen auf dem Kartenausschnitt vom Landvermessungsamt nahezu identisch waren.
Außerdem befanden sie sich auf einem Grundstück, das laut Google Maps zwischen dem zweispurigen Rausväg, dem Råån und den Gleisen des Pågatågs eingeklemmt war.