Eines gleich vorab: Es gibt sicherlich nicht die eine Ursache für die Entstehung von Übergewicht. Es handelt sich stets um ein multifaktorielles Geschehen, und bei jedem Menschen liegen die Problempunkte woanders. Wichtig ist: Übergewicht bedeutet nicht nur, dass man zu viel wiegt oder einen zu hohen Körperfettanteil hat. Übergewicht ist auch das Ergebnis einer komplexen Stoffwechselstörung, die durch ein längerfristiges Ungleichgewicht bezüglich einer erhöhten Energieaufnahme im Verhältnis zum Energieverbrauch entsteht.
Ein Stück weit scheint unsere Genetik und damit unsere physiologische Veranlagung für die Neigung zum Übergewicht mitverantwortlich zu sein. Man nimmt an, dass es für den Menschen ein evolutionärer Vorteil war, so viel wie möglich zu essen, wenn Nahrung verfügbar war. In diesen Phasen wurden viele Kalorien aufgenommen, um Energiereserven für schlechte Zeiten zu schaffen. Overeating, also in Zeiten des Nahrungsüberflusses über den Hunger hinaus zu essen, um für Zeiten des Mangels gewappnet zu sein, war durchaus sinnvoll. Doch Zeiten mangelnden Nahrungsangebots oder des Hungers gibt es heute in den wohlhabenden Industrienationen nicht mehr. Womit wir auch schon bei den gesellschaftlichen Ursachen des Übergewichts wären. Denn wir verbrennen gleichzeitig zu wenig Energie, da die Evolution dafür gesorgt hat, dass unser Körper möglichst sparsam damit umgeht. Was bedeutet, dass wir uns ungern bewegen, wenn wir es nicht müssen, und unser ungewohnter Wohlstand Lebensumstände schafft, die uns in die Bewegungsarmut treiben. Selbst kürzeste Strecken werden häufig mit dem Wagen zurückgelegt, sodass viele Menschen nicht einmal 1500 bis 2000 Schritte am Tag gehen. Andererseits sitzen wir stundenlang, obwohl immer klarer wird, wie schlecht das Sitzen für die Gesundheit der Organe, des Bewegungsapparats und des Körpers insgesamt ist.
Der menschliche Körper regelt seinen Energiehaushalt und damit auch die vorhandene Menge Muskel- und Fettgewebe über ein komplexes Zusammenspiel physiologischer Prozesse. Auf diese Weise sichert er einerseits eine gute Energieversorgung und verhindert andererseits, dass Energie verschwendet wird. Mit jeder Mahlzeit nehmen wir neue Energie auf, verbrauchen aber sowohl in der Ruhe als auch bei jeder Bewegung Energie. Diese inneren Vorhänge werden alle über Signalkaskaden im ganzen Körper gesteuert, an denen sowohl die energieverbrauchenden Organe als auch die Energiespeicher beteiligt sind. Es findet also ein bis ins Detail orchestriertes Hormonkonzert statt, das unser Gewicht kontrolliert.
Winterspeck
Auch Tiere können fettleibig werden. Winterschläfer wie die Bären fressen sich vor der Winterruhe ein dickes Fettpolster an. Grizzlybären entwickeln sogar ein metabolisches Syndrom: Sie werden stark übergewichtig, bekommen massiv erhöhte Blutfette und entwickeln eine Insulinresistenz. Durch die lange winterliche Fastenphase kehrt sich dieser Prozess aber wieder um, sodass die Tiere schlank und kerngesund aufwachen.
Grundsätzlich spielen die Hormone viele verschiedene Rollen bei der Gewichtskontrolle, und ein Ungleichgewicht oder die Fehlregulierung von einzelnen dieser Botenstoffe kann zu einer Gewichtszunahme oder Blockade beim Abnehmen beitragen. Eine solche Fehlregulation lässt sich am Beispiel von Leptin besonders gut deutlich machen. Die große Bedeutung von Leptin für die Gewichtregulation wurde in der Forschung mithilfe von genetisch veränderten Mäusen nachgewiesen. Diese Mäuse, die kein Leptin produzieren, futtern ungehemmt und werden in kürzester Zeit adipös. Beim Menschen sendet ein ansteigender Leptinspiegel das Signal ans Gehirn, dass genügend Energie verfügbar ist. Daraufhin gibt das Gehirn die Anweisung, den Appetit zu reduzieren und den Energieverbrauch zu erhöhen. Es handelt sich beim Leptin also um ein Sättigungshormon, das die weitere Kalorienaufnahme und damit Übergewicht verhindern soll. Umgekehrt kann seine Fehlfunktion Übergewicht begünstigen.