»Wie siehst du denn aus?«, fragte Konter, nachdem er seine Kollegen überzeugt hatte, ihn mit Franz und dem Anwalt des Syndicats allein zu lassen. Renger hatte ihn am folgenden Vormittag angerufen, und der Kripobeamte hatte sich sofort auf den Weg zur Polizeiwache Gesundbrunnen gemacht. Er selbst hatte bis vor zehn Jahren ein solches Provinzrevier, wie es die Mitarbeiter des Präsidium geringschätzig nannten, am Rand von Berlin geleitet.

»Das Schwein hat mich überrumpelt«, entgegnete Franz.

»Wer?«, fragte Konter in einem Tonfall, als ahnte er bereits die unselige Neuigkeit. »Was ist mit Annuscheit?«

»Ihnen wünsche ich ebenfalls einen guten Tag, Herr Konter«, schnarrte Dr. Renger in pikiertem Tonfall. Er legte Wert auf gute Umgangsformen.

Die drei Männer saßen in einem kleinen Vernehmungszimmer. Hier hatte alles noch den alten, kaiserlichen Charme, der nicht vorsah, dass ein auf frischer Tat Ertappter angehört werden musste. Noch vor zwanzig Jahren hätte Franz damit rechnen müssen, dass er ohne viel Federlesens vor den Richter gekommen wäre. In den Zellen nebenan lallten zwei Betrunkene vor sich hin, eine ältere Prostituierte lamentierte lautstark und gab derbe Obszönitäten von sich. Ein gewöhnlicher Einbrecher – und als solcher wurde Franz Sass hier geführt – würde am Folgetag üblicherweise ins Untersuchungsgefängnis überstellt, und der Amtsrichter konnte bereits in einer Woche das Urteil sprechen.

»Er hat mir eine Falle gestellt. Das Schwein ist stiften gegangen.« Franz war erbost, aber auch in Sorge. Die Sache war nicht nur ärgerlich, sondern auch noch peinlich.

»Du bist jetzt mal einen Moment still«, fuhr Konter ihn an und blickte zu Renger. »Geben Sie mir bitte eine kurze Zusammenfassung. Was wird ihm vorgeworfen?«

»Einbruchdiebstahl in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte«, entgegnete der Anwalt.

Paul Konter sah seinen jüngeren Geschäftspartner fassungslos an und drehte sich dann schnaubend zur Tür. Franz schwieg. Er wusste, dass er fürchterlich aussah. Man hatte ihm in seiner Zelle nur eine Schüssel mit Wasser zur Verfügung gestellt, um sich zu waschen. Sein Abenteuer im Keller hatte ihm den Anzug zerrissen, und man konnte ihn beim ersten Anblick mit einem heruntergekommenen Treber verwechseln. Der Dreck an Gesicht und Händen wirkte durch die Katzenwäsche beinahe noch schlimmer. Sein rechter Jackenärmel hing an wenigen Fäden und war mit Blut verklebt. Unter dem Loch im Stoff war ein Verband am Oberarm zu erkennen.

»Gab es einen Kampf?«, fragte Konter nach einer Weile ungläubig. »Mit Annuscheit? Oder den Kollegen?«

»Ein rostiger Nagel«, antwortete der Anwalt. »Der sich den Bemühungen von Herrn Sass widersetzte, eine Holztür mit Gewalt zu öffnen. Von innen.«

Dieser gehässige, alte Paragraphenhengst, dachte Franz. Ich hätte ihn schon längst feuern sollen. Seine Wut war in den vergangenen Stunden nicht verraucht. Die Pöbeleien und das Umwerfen des Mobiliars in der Zelle waren nicht dazu angetan gewesen, Verständnis bei den Polizisten der Wache zu wecken.

»Wie konnte das passieren?«, fragte Konter, Böses ahnend. Als Franz die Antwort schuldig blieb, platzte ihm der Kragen. »Du hast dich von einem Schnösel übertölpeln lassen, saust dich ein wie ein Ferkel und rammst dir einen Nagel in den Arm?« Konter fuhr sich durch das leicht geölte Haar, so dass er danach aussah, als nistete eine Krähe auf seinem Kopf. »Wie konnte es dazu kommen?«

Kleinlaut berichtete Franz von dem Gespräch mit Annuscheit und seinem Versuch, ihm die für Kutisker so wichtigen Unterlagen abzuluchsen.

»Hast gedacht, du könntest ihn linken?« Konters Stimme wurde lauter. »Bestens gelungen, mein Lieber! Stattdessen hat er dich prächtig vorgeführt.« Er überlegte. »Wir müssen unbedingt verhindern, dass er jetzt Kontakt mit Kutisker aufnimmt. Und natürlich müssen wir den Kerl wiederfinden.«

»Wann können Sie mich hier endlich herausholen?«, fragte Franz den Anwalt.

»Obwohl es sich um eine kleine Sache handelt, wird es schwierig sein, die Wogen zu glätten«, antwortete Renger. »Ihnen werden Einbruch in einem minder schweren Fall, Sachbeschädigung und versuchter Diebstahl zur Last gelegt. Hinzu kommen noch die Anzeigen wegen Beleidigung der beiden Vollzugsbeamten und Widerstand gegen die Festnahme. Es wäre einfacher, vor Gericht zu beweisen, dass wir den Krieg doch gewonnen haben, als die offensichtlichen Tatbestände zu widerlegen.«

»Ich gestehe, ich zahle, und Sie handeln etwas aus.«

»Sicherlich wird der Richter gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe des entstandenen Schadens Ihrer Freilassung zustimmen«, sagte Renger. »Einen Prozess werden wir allerdings nur verhindern können, wenn sich die Anschuldigung als haltlos erweist.«

Renger hatte fleißig mitgeschrieben, was Franz zu berichten hatte. Bei den Fällen, die das Syndicat betrafen, nutzte er immer zwei Notizhefte. Ein offizielles für die Fakten. Und jenes, in dem die vertraulichen Hinweise standen. Letzteres schloss er abends in einen Möbeltresor ein. Und nach Abschluss eines Falls verbrannte er diese heiklen Aufzeichnungen. Unter anderem dieser Verlässlichkeit hatte er es sicherlich zu verdanken, dass die Sass-Familie ihm vertraute und ihn gut bezahlte. Und dass Franz ihn niemals an die Luft setzen würde. Trotz aller Eigenheiten und Grantigkeit.

»Es könnte durchaus sein, dass sich ein Hausbewohner findet, der Ihnen den Keller aufgeschlossen hat, nicht wahr?« Der Anwalt verzog keine Miene, während er sprach. »Sie wollten dem Mann nur helfen und etwas für ihn in seine Wohnung bringen. Und dann ist da vielleicht jemand, der bestätigt, dass Sie lediglich ausgerutscht sind. Bleiben noch die Beleidigung und Rangelei. Ich denke, die beiden Wachtmeister haben Sie und Ihre Absichten nur falsch verstanden.«

»Du hast mehr Glück als Verstand, Franz«, meinte Konter, bevor er das Revier verließ. Er wollte zügig mit den Kollegen der Fahndungsabteilung sprechen. »Ich sehe, was wir tun können, um diesen Buchhalter wiederzufinden.«

˚˚˚

Als er wieder auf dem Präsidium war, ließ sich Konter von seinem Vorgesetzten grünes Licht für eine Weisung an die Fahndungspolizei geben.

»Unangenehme Sache, Paul«, meinte Gennat nur, nachdem er von den Einzelheiten erfahren hatte. »Hoffen wir, dass die Kollegen unseren Zeugen schnell wiederfinden.«

Die Inspektion H hatte ihre Räume im ersten Geschoss zur Dirksenstraße hin. Unten stand zu jeder Tageszeit ein Einsatzwagen in einer eigens dafür angelegten Haltebucht bereit, um mögliche Zugriffe schnell durchführen zu können. Es war allgemein bekannt, dass es in der Inspektion zwei Arten von Kollegen gab. Die einen waren ähnliche Schnarchnasen, wie man sie in den Unterabteilungen Betrug und Gewerbeordnung vorfand. »Buchpolizisten« nannten ihre Kollegen sie hinter vorgehaltener Hand, da sie meist über Schriftsätze, Zahlenkolonnen und Listen gebeugt anzutreffen waren. Dann gab es dort jedoch auch geistig und körperlich äußerst fähige Kriminalbeamte. Sie schienen bei der Fahndungsabteilung den im Menschen angelegten Jagdinstinkt mit völliger Hingabe auszuleben. Paul Konter übergab eine schriftliche Anfrage an den Leiter der Inspektion, Ruprecht Haller.

»Es ist wirklich wichtig, dass wir den Flüchtigen so schnell wie möglich wieder in die Finger bekommen«, betonte er noch einmal, nachdem beide kurz über den Fall gesprochen hatten. »Setzen Sie bitte gute Leute darauf an, Herr Haller.«

Natürlich erwähnte Konter die Zusammenarbeit mit Franz und dem Syndicat nicht. Offiziell war der Zeuge Annuscheit gegen die Weisung der Mordinspektion untergetaucht. Mehr mussten die Mitarbeiter der Fahndung nicht wissen. Und so ließ er die altklug vorgebrachte Zurechtweisung Hallers stoisch über sich ergehen.

»Sie hätten den Mann nicht einfach in einer Wohnung allein lassen dürfen, Kollege Konter. Es wäre besser gewesen, ihn wenigstens zu überwachen. Besser, Sie hätten ihn gleich in Gewahrsam genommen.«

Konter nickte demütig, bedankte und verabschiedete sich. Er musste jetzt unbedingt noch die andere Seite instruieren. Seine Erfahrungen mit den Ringvereinen hatten ihm gezeigt, dass er die meisten Informationen bekam, wenn er Ganoven und Gesetzestreue gleichzeitig auf eine Sache ansetzte. Er ging zu seinem Dienstzimmer zurück und war froh, dass sein Assistent offenbar mit anderen Dingen beschäftigt war. Er verspürte keine Lust, diese unangenehme Sache ein drittes Mal vorzutragen. Er griff zum Fernsprecher und ließ sich mit einer Adresse am Prenzlauer Berg verbinden. Kurze Zeit später hatte er Carl Schmidt am Apparat.

»Natürlich können Sie vorbeikommen, Herr Kommissar«, sagte der Mann, nachdem Konter sein Anliegen angedeutet hatte. »Als rechtschaffener Bürger bin ich immer bemüht, der Polizei zu helfen. Luise wird sich freuen, Ihnen ihren Mohnkuchen servieren zu dürfen.«

Konter hatte Glück und konnte Ecke Alexanderstraße und Kaiserstraße in ein Taxi springen, das gerade einen Fahrgast abgesetzt hatte. Der Fahrer knurrte unwillig, als er hörte, dass es nur zum Prenzlauer Berg ging.

Konter wusste, dass Carl Schmidt, genannt »Schmidtchen«, beabsichtigte, sich zur Ruhe zu setzen. Aber er hatte immer noch hervorragende Beziehungen zur Berliner Halbwelt. Er war Bestatter von Beruf, und böse Zungen behaupteten, dass er deshalb von seiner Wohnung aus den Blick auf gleich zwei Friedhöfe besonders genoss. Schließlich war das Unter-die-Erde-bringen von jeher sein Geschäft gewesen. Besonders einträglich waren dabei für ihn die Aufträge, bei denen es darum ging, einen Kunden etwas vor der Zeit zur Ruhe zu betten. Es hieß, er habe das Prinzip einer kostengünstigen und unauffälligen Doppelbelegung einiger Grabstellen mit dem hiesigen Pastor abgesprochen. Und dafür füllte er nicht nur dessen Klingelbeutel reichlich. Jedoch war der Volksmund von jeher für Neid und üble Nachrede bekannt. Schmidt liebte seit Neuestem chinesischen Tee. Und er rauchte infolgedessen nicht mehr.

»Ein kräftiger Lapsang Souchong hat Rauch genug«, erklärte er, als Konter leicht irritiert sein Zigarettenetui wieder in die Innentasche steckte. »Und einen feinen Grüntee würde ich mir durch den Geschmack von Tabak ebenfalls nur ruinieren.«

Jeder zu Geld gekommene Prolet macht in dieser Stadt auf dicke Hose, dachte der Polizist und nahm sich vor, nach seinem Besuch umgehend bei Zigarren Harry am Alex ein paar exklusive Nil zu kaufen. Man musste schließlich mithalten können. Der Tee schmeckte zudem beschissen, befand er. Ein guter Kaffee wäre ihm lieber gewesen.

»Was kann der gute, alte Schmidt für Sie tun, Herr Kommissar?«

Konter empfand es als amüsant und befremdlich zugleich, dass er es in diesem Fall mit zwei Männern gleichen Namens zu tun hatte. Es gab Schmidt, den Bestatter. Und Schmid, den Chirurgen und Gerichtsmediziner. Beide sorgten sich – jeder auf seine Weise – um Leben und Tod. Aber dieser Schmidt hier stand eindeutig nicht auf der Seite, die der Kripobeamte mochte. Aber er war ein wichtiger Spieler im gegnerischen Feld, der jetzt hoffentlich Informationen für ihn hatte.

»Mir ist ein Zeuge abhandengekommen«, begann er das Gespräch und schilderte in groben Zügen die Umstände von Annuscheits Flucht. »Vielleicht könnten Ihre Männer Augen und Ohren für mich offenhalten, Herr Schmidt?«

»Ich sehe, was ich tun kann, Herr Kommissar.« Carl Schmidt betrachtete den Abzug der Fotografie, die Annuscheit zeigte. »Sollen wir gegebenenfalls tätig werden? Ich meine, sollen wir den Mann festsetzen, wenn wir ihn aufspüren?«

»Es reicht, wenn Sie mir Bescheid geben.«

»Kann ich zu gegebener Zeit auf Ihr Entgegenkommen hoffen?«

Konter nickte. Wenn er sich nicht vorsah, dann konnte er in den nächsten Jahren niemanden mehr verhaften, da er derart vielen Leuten einen Gefallen schuldete. Er schüttelte den Gedanken ab und räusperte sich.

»Da ist noch eine zweite Sache. Eher eine Frage.« Er begann, die wichtigsten Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Untersuchung von Bobrows Leichnam zusammenzufassen. Er hatte danach sogar den Polizeifotografen ins Leichenschauhaus befohlen, um die wichtigsten Befunde ablichten zu lassen. Schmidt betrachtete die Aufnahmen, und Konter bemerkte, dass der Bestattungsunternehmer plötzlich angespannter wirkte. Nachdem er sich die Bilder lange angesehen hatte, bot Schmidt seinem Besucher ein Glas Bourbon an. Obwohl es erst Mittagszeit war, schenkte er sein Glas halbvoll und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter. Er hob den Zeigefinger.

»Einen Moment, bitte«, sagte er. Der Cask-Strength-Beam wirkte als kehlig-sonores Kratzen in seiner Stimme nach. Er ging in ein Nebenzimmer und kehrte schon kurz darauf mit einer Art Instrument oder Werkzeug in der Hand zurück.

»Hier«, meinte er und legte das Ding auf den Tisch. »Etwas in dieser Art war die Tatwaffe.« Das Teil hatte einen runden Griff aus Nussholz. In einem Messinghalter steckte ein etwa zehn Zentimeter langer Stahldorn, der allerdings schwarz glänzte.

»Eine Lederahle?«, fragte Konter und zog sein Taschentuch hervor. Er hatte gerade einen Vortrag über neue Verfahren der Daktyloskopie besucht, und seitdem war er vorsichtiger geworden bei der Verteilung seiner Fingerabdrücke. Er betrachtete die Ahle. Sie hatte kein Öhr, und der Stift war zudem etwas dicker als das übliche Schuhmacherwerkzeug.

»Russian Iron«, sagte Schmidt. »So nennen sie es.«

»Wer?« Konter war jetzt irritiert. Franz Sass hatte ihm Schmidtchen, den Bestatter, immer als einen harten Kerl beschrieben, der mit allen Wasser gewaschen war. Jetzt schenkte der Mann sich einen zweiten Bourbon zur Beruhigung ein. »Kommen Sie, Schmidt, ich bin nicht zum Rätselraten hier.«

»Das Russian Iron ist seit einem halben Jahrhundert in gewissen Kreisen als Waffe sehr beliebt. Erst bei der zaristischen, jetzt bei der sowjetischen Geheimpolizei.«

Nicht schon wieder, dachte Konter. Zur Irritation gesellte sich eine böse Ahnung. »Sie meinen die Tscheka

»Ochrana, Tscheka.« Carl Schmidt zuckte mit den Schultern. »Ich hörte, sie heißt neuerdings GPU. Egal. Andere Namen, dieselben Leute. Die Methode ist selten, und nur wenige Agenten beherrschen sie perfekt. Man muss exakt wissen, an welcher Stelle das Russian Iron angesetzt wird. Dann ist es eine lautlose, schnelle, unauffällige Art zu töten. Es hat Fälle gegeben, da brachen Leute am helllichten Tag auf offener Straße zusammen. Der Täter ging seelenruhig seiner Wege. Während der Verhandlungen zum Verkauf von Alaska wurden ein paar Gegenspieler und unliebsame Kaufleute auf diese Weise beseitigt. Bei fast allen Opfern befanden die Ärzte, sie wären am Hirnschlag gestorben. Kompliment an Ihren Polizeiarzt, dass er darauf aufmerksam wurde.«

»Aber der Mann, den es erwischt hat, war vielleicht selbst ein Agent. Nehmen wir zumindest an.« Kaum hatte er die Sätze ausgesprochen, bereute Konter es auch schon. Schmidt sog sicherlich jede Information auf wie ein Schwamm das Wasser.

»Ein Geheimdienst ist kein Klub tierlieber Gärtner und Briefmarkensammler, Herr Kommissar. Jeder Ringverein in Berlin und jede Gang in New York sind vertrauenswürdiger und berechenbarer. Glauben Sie mir, ich kenne einige alte Ochrana-Agenten aus der Zarenzeit. An deren Händen klebt jede Menge Blut. Viele haben in den letzten zehn Jahren fünfmal die Seiten gewechselt. Rote, Weiße, Franzosen, jetzt fangen auch die Amerikaner an, mitzumischen. Diese Leute sind skrupellos und gefährlich. Interessanterweise haben die Sowjets nach Niederschlagung der Konterrevolution die Hälfte aller Ochrana-Männer aus der Zarenzeit in ihre Dienste übernommen. Wahrscheinlich kochen da eine Menge Süppchen auf dem Herd. Denkbar, dass Ihr Toter einem wichtigen Mann im Weg stand. Oder dass er einfach zu viel wusste.«

»Ist das ein Erbstück Ihrer Tante?«, fragte Konter und deutete auf die ungewöhnliche Waffe, die immer noch halb in sein Taschentuch eingeschlagen war. »Ich würde es gern als Beweismittel an mich nehmen. Sie erhalten es zurück, nachdem Fotografien davon angefertigt wurden.«

»Ich sammle diese Waffen«, sagte Schmidt. »Meinetwegen behalten Sie es eine Zeit lang. Aber Sie gestatten?« Schmidt griff behände nach dem Russian Iron und wischte es mit Konters Taschentuch sorgfältig ab. »Auch ich bilde mich fort, Herr Konter. Und wir wollen doch nicht, dass jemand später falsche Schlüsse zieht.«

Der Mohnkuchen war tatsächlich exzellent und Schmidtchen ein höflicher Gastgeber. Konter schauderte bei dem Gedanken, dass Schmidt ihn wahrscheinlich schnell einen Meter tiefer legen würde, wenn das Geld stimmte.

»Ich stehe in Ihrer Schuld, Herr Schmidt«, gab Konter zu. Er wusste mittlerweile, dass die gegenseitigen Abhängigkeiten in der Stadt eine immer wichtigere Rolle spielten. Wenn eine andere Abteilung mauerte, wenn die Politik querschoss oder wenn ein Mann wie Schmidt nicht kooperierte, wurde selbst die Arbeit der Kripo enorm erschwert. Konter genoss mittlerweile einen besonderen Ruf in Berlin. Nicht nur die Kollegen kannten ihn als einen Mann, auf dessen Wort Verlass war. Der Bestatter sah ihn an und nickte schließlich.

»Ich komme bei Gelegenheit darauf zurück«, sagte er.