DIE SCHLACHT

Gebrüll, das sich anhörte wie fünfzig Schwertklingen, die über einen Amboss gezogen werden, hallte über der Stadt. Direkt darauf fegten Feuerbälle über uns hinweg und erhellten die Nacht, zeigten die Dächer, Häuser und die Stadtmauer in orangegelbem Licht – und machten die Angreifer zum ersten Mal sichtbar.

Es war gut, dass die Menschen Kerr in seiner Drachengestalt gesehen hatten, denn so waren sie gewappnet. Es kamen keine panischen Schreie, stattdessen wurden Befehle gebrüllt. Alle waren auf ihren Posten und auf den Angriff vorbereitet. Der nächste Feuerstrahl, der direkt auf ein Bevölkerungsviertel abgezielt hatte, wurde von den eisernen Schutzschilden abgehalten.

»Spannt das Katapult!«, hörte ich Keenan schreien. Einen Atemzug später brannte der runde Felsklotz lichterloh und flog durch die Luft.

Er traf einen der fliegenden Drachen mit voller Wucht in die Seite. Der Drache strauchelte und fiel. Er prallte auf ein paar Häuser im Wollviertel und schrie vor Schmerzen.

»Sie stechen mit Lanzen und Piken auf ihn ein«, berichtete Kerr, der sich erhoben hatte und über Mauern und Häuser hinwegsah.

Keenans Plan ging auf. Der erste erledigte Drache machte allen Mut.

Die anderen Angreifer dagegen flogen fort, wieder zurück in die Schwärze der Nacht.

Es wurde unvermittelt wieder ruhiger, wenn auch aus dem Wollviertel wütendes Kampfgeschrei und schmerzlicheres Gebrüll vom sterbenden Drachen zu uns drang. Vereinzelt hatten Scheunen oder Häuser Feuer gefangen.

»Es wird Zeit. Sie kommen jeden Moment zurück«, sagte Bran. »Hoffen wir mal, dass sie nicht mein Holzbein in Brand setzen.«

»Dann stütze ich dich«, meinte Sive und lächelte ihn schüchtern an.

Bran nickte nur.

Gemeinsam stiegen wir die Stufen hinab. Jeder von uns würde sich nun einem Kampftrupp anschließen, denn wir wussten, der nächste Angriff der Drachen würde strategischer ablaufen. Sie waren nicht dumm. Wir verabschiedeten uns voneinander und teilten uns auf.

»Sara«, rief mich Kerr zurück.

Er beugte sein riesiges Echsenhaupt, um mit mir auf Augenhöhe zu sein, und senkte die Stimme zu einem rauen, warmen Flüstern.

»Sara, ich liebe dich. Und das will ich dir morgen Abend wieder sagen können. Und übermorgen und jeden Tag danach, sobald ich wieder in meiner Menschengestalt bin und dich wieder in meine Arme schließen kann.«

Ich sah ihm in die Augen und lächelte. Schließlich trat ich zu ihm und küsste ihn auf die schuppige Wange über den heraushängenden Reißzähnen.

Es fühlte sich rau und geschmeidig zugleich an, als würde ich den Stamm einer Buche küssen.

Dann sahen wir uns ein letztes Mal in die Augen und ich ging zu meinen Soldaten.

–––

Die Drachen kamen in Formation zurück, wie Keenan es vermutet hatte. Sie waren also berechenbar, und ich betete, dass sie diese Berechenbarkeit beibehielten und damit unsere Pläne unterstützten.

Dieses Mal entfachten sie kein Feuer. Sie kamen aus dem Dunkel auf die Stadt herab, doch sie hatten nicht mit Kerr gerechnet. Er hörte sie lange vor uns Menschen, und als sein Feuerstrahl den Himmel erhellte, entdeckten wir sie unmittelbar über uns.

Das Schlingenkatapult schoss den nächsten brennenden Stein ab, verfehlte einen Drachen, weil der im letzten Moment auswich, allerdings prallte er in seinen Kollegen und beide kollidierten und fielen außerhalb der Stadtmauern hinunter, der Aufprall erschütterte den Boden unter unseren Füßen.

Die anderen Drachen sammelten sich erneut. Kerr erleuchtete uns zum Glück wieder den Himmel und nun konnten wir zählen. Es waren ungefähr dreißig Drachen, zwei davon griffen die Stadt von außen an. Wir hörten es poltern und krachen und der Boden bebte.

»Voran, Bogenschützen von Lyoness!«, schrie ich und hob selbst meinen Bogen.

Unsere gespannten Pfeile bestanden aus feuergehärtetem Holz mit Eisenspitzen, so dünn wie ein Federkiel, aber dafür aus dem härtesten Metall, zu dem unsere Schmiede fähig waren.

»Spannt die Bogen!«, befahl ich und tat es ihnen gleich.

Wir warteten auf das Flügelschlagen, darauf, dass Kerr den Himmel im richtigen Moment mit seinem Feuerstrahl erhellte.

Als unsere Umgebung unvermittelt aufleuchtete, war es jedoch nicht Kerr, sondern es waren die Angreifer, die am anderen Ende der Stadt Feuer regnen ließen.

Wir hörten die Schreie der dort stationierten Menschen bis hierher, doch ich zwang mich, auf meiner Position zu bleiben, da ich wusste, dass sich Keenan dort befand und um alles kümmern würde. Stattdessen konzentrierte ich mich auf die Schatten, die nun zu uns herüberflogen.

»Los!«

Mein Pfeil traf den ersten Drachen im Unterleib, hundert Pfeile hinter mir folgten. Sie alle blieben im Körper des Drachen stecken, sodass er von unten aussah wie ein Igel, der seine Stacheln aufgestellt hatte. Schmerzerfüllte Schreie echoten durch die Stadt, während die Bestie sich schwankend in der Luft hielt.

»Macht Platz!«, schrie ich und rannte so schnell ich konnte auf die Häuser am Ende des Palastplatzes zu.

Ich hatte sie noch nicht erreicht, als ein Aufprall hinter mir den Boden zum Beben brachte, etwas Gewaltiges mich brutal gegen eine Hauswand schleuderte und mir die Luft aus den Lungen presste.

Kaum zu Atem gekommen, rappelte ich mich auf und blickte zurück. Meine Soldaten hatten sich auf den Drachen gestürzt und rammten ihm ihre Schwerter unter die Schuppen. Das war in etwa so, als würde man Zahnstocher in eine Kuh stochern, und entsprechend wütend schlug der Drache mit den Flügeln um sich, er schnappte mit seinem Maul zu und erwischte direkt zwei Kämpferinnen auf einmal.

Es war offensichtlich, dass wir ihn so nicht überwältigen konnten, doch in diesem Moment tauchte ein weiterer riesiger Schatten über ihm auf. Kerr hielt einen gewaltigen Speer in seinen Klauen und rammte ihn direkt in den geöffneten Schlund.

Der Drache zuckte noch ein paarmal, bevor sein Körper erschlaffte.

Mir blieb keine Zeit, dem Todeskampf zuzusehen.

»Soldaten! Sammelt euch!«, schrie ich und lief zurück zu einer freien Fläche und verschaffte mir einen Überblick über die Kampfhandlungen. In der gesamten Stadt sah man Pfeile in die Luft schießen, das Schlingenkatapult feuerte brennende Steinkugeln in den Himmel, man hörte Wut- und Kampfgeschrei, das oft durch das Brüllen eines Drachen übertönt wurde. Kaum eine Steinkugel traf mehr ihr Ziel, denn nun waren die Drachen gewarnt und wichen ihnen aus.

Ich sah Bran mit seinem Schwert erbittert kämpfen, zwei Männer und Frauen halfen ihm mit Speeren und Lanzen. Riona war in einem anderen Stadtviertel, genau wie Sive.

Rois hingegen stand nicht weit von mir entfernt und schlug einem Drachen eine seiner ausgestreckten Klauen ab, mit der er nach ihm greifen wollte. Blut spritzte Rois in sein verbliebenes Auge und raubte ihm die Sicht. Als er versuchte, es wegzuwischen, schlug der Drache mit einem seiner Flügel nach ihm und schleuderte ihn brutal gegen eine Hauswand. Er blieb mit unnatürlich abgewinkeltem Kopf liegen.

Jede Hilfe kam für ihn zu spät. Mein Herz setzte für einen Moment aus. Nicht er. Ich brauchte ihn doch! Wir mussten das hier beenden. So bald wie möglich!

»Sammelt euch!«, schrie ich daher meinem Trupp zu.

Die Soldatinnen und Soldaten sammelten sich wieder hinter mir. Ich sah die erschrockenen Gesichter, die zu Rois’ Leiche blickten.

»Hier!«, schrie ich und stellte mich in ihr Blickfeld. »Wir werden ihn rächen!«

Sie warteten auf ihren nächsten Befehl.

»Spannt die Bogen!«, rief ich erneut und wartete, bis der nächste Drache nahe genug käme. Statt allerdings näher zu kommen, sandten sie aus der Luft Feuer auf uns herab.

»Deckung!«, brüllte ich und packte den Schild, den jeder von uns auf dem Rücken trug.

Ich spürte die Hitze der Flammen gegen das Eisen prallen, es war so heiß, ich wollte ihn schon loslassen, aber ich hielt fest, ich wäre verloren, wenn ich losließe, und wenn ich losließ, war mein Volk verloren. Es brannte, es war unerträglich heiß, es fühlte sich an, als würde ich eine Schwertscheide aus dem Feuer nehmen, ich hielt weiter fest. Ich dachte an Eis, an Kühlung, an Wasser und hielt fest.

Gerade als die Ränder meines Schilds zu schmelzen begannen, hörte das Feuer auf und der Drache flog weiter. Schnell ließ ich den Schild fallen und sah mich um, versuchte mir einen Überblick zu verschaffen.

Zwei Drachen kämpften über dem inneren Palasthof. Dann erkannte ich die türkisfarbenen Schuppen von einem von ihnen.

Kerr! Er hieb erbittert auf seinen Gegner ein.

Einen Gegner, der größer war als Kerr.

Ich wurde angerempelt, was mich wieder auf meine Position besinnen ließ.

Die Drachen schienen übermächtig. Zwei hatten wir zur Strecke gebracht, doch durch die Dunkelheit konnte ich nicht sehen, wie viele andere noch da waren und angriffen. Im Feuerschein sah man ihre Schatten am Himmel, sie flogen hin und her und machten es unmöglich, sie zu zählen. Das Schlingenkatapult brachte nichts mehr. Ein Drache steuerte darauf zu, und ich war mir sicher, er wollte es vernichten.

»Keenan!«, schrie ich und rannte zum Katapult. »Keenan! Hierher!«

Wo war er? Hoffentlich nicht in einem anderen Stadtviertel.

Ich zückte meinen Bogen und schoss einen Pfeil gegen den Drachen, der sich soeben des Katapults bemächtigen wollte. Ich traf ihn im geöffneten Maul und er drehte schlagartig ab.

Keenan war neben mir.

»Was ist?«, fragte er.

»Nimm die Pfähle!« Ich deutete auf die angespitzten Holzpfähle auf dem Platz. »Leg einen in die Schlinge und ziel auf einen Drachen.«

»Hach, Sara, du hast immer so schön verrückte Ideen, wenn du unter Stress stehst«, lachte er und machte, was ich sagte. Er riss das Tau ab, befestigte es anders an den beiden Streben des Katapults, sodass es wie eine Bogensehne gespannt war, und zog bis zum Anschlag.

Dann zielte er und der Pfahl traf einen Drachen mitten in der Brust.

»Hast du noch eine Idee? Mehr Stress als jetzt geht nicht, vielleicht fällt dir etwas ein, was sie endgültig vertreibt.«

Keenan krallte sich die nächsten Pfähle und schoss einen nach dem anderen ab. Fünf Drachen fielen unter großem Gebrüll zu Boden. Doch die anderen hatten es mitbekommen und wurden auf ihn aufmerksam.

»Verschwinde!«, schrie ich, als ich sah, dass sie sich sammelten, um Keenan und das Katapult anzugreifen. »Weg! Sofort!«

Keenan schnappte mich mit seiner ihm eigenen Blitzgeschwindigkeit und rannte mit mir auf den Armen in den Schutz eines Hausgangs. Wir sahen, wie das Katapult lichterloh in Flammen aufging.

Trotz unserer Aktion war der Platz mit unzähligen Leichen gepflastert. Manche waren verbrannt, andere von den Klauen oder Reißzähnen in Stücke gerissen oder auf den Pfählen aufgespießt worden, die die Drachen vom Landen abhalten sollten. Zwei Drachen lagen tot dazwischen, aber so viele weitere schwirrten durch die Luft und setzten alles in Brand, was ihnen in die Quere kam.

Und es war kein Ende in Sicht.

Die Schlacht tobte nach wie vor und die bereits toten Drachen waren lediglich ein paar Wassertropfen im Pugh.

»Keenan, wir müssen etwas tun«, sagte ich verzweifelt. »Rois und so viele andere sind gestorben. Die Drachen sind in der Übermacht.«

Kerr kämpfte nach wie vor mit dem großen Drachen und nun auch einem zweiten, der genauso groß war wie Kerr.

Einer gegen zwei.

Vor allem gegen zwei Drachen, die dank der Kristalle, die sie um den Hals trugen, extrem stark und bösartig waren.

Sosehr Kerr auch für seine Insel und das Volk von König Leonas, seinem Freund, kämpfen mochte: Er war diesen beiden Drachen unterlegen.

Auch Keenan schien das zu bemerken, denn er zog die Augenbrauen zusammen und fuhr sich angespannt durch das Haar. »Hast du noch so einen glorreichen Einfall wie den mit den Pfählen am Katapult?«

Ich überlegte fieberhaft. Wir waren haushoch unterlegen. Wir alle. Jetzt, wo ich nicht mehr auf die Drachen fokussiert war, war es deutlich zu sehen: Yslion, ach was, ganz Lyoness würde fallen, wenn nicht bald ein Wunder geschähe.

»Was hat die Drachen bislang in Schach gehalten?«, überlegte ich laut.

»Der Schutzzauber«, antwortete Keenan prompt.

Ich starrte ihn an und das schien ihm unangenehm zu sein.

»Na ja, die Brosche, die Gürtelschnalle, die Krone. Die haben doch nicht nur gegen die Unwetter und das Versinken der Insel geholfen. Sie haben auch die Drachen ferngehalten«, rechtfertigte er sich und korrigierte sich sofort. »Ich meine, in den letzten Jahrhunderten war es der Zauber des Erzdruiden, der, den du auf Myrica erneuert hast.«

Zauber, Schutz, magische Kleinode. Mein Hirn ratterte fieberhaft und versuchte alles zusammenzubringen.

»Gwyned«, sagte ich. »Geh und such sie.«

Keenan rauschte davon und war ein paar Lidschläge später mit Gwyned auf den Armen bei mir.

»Kannst du mich nicht vorwarnen, wenn du mich abholst?«, fauchte sie völlig untypisch. Sie hielt noch ihr Schwert in der Hand. »Du kannst froh sein, dass ich dich nicht durchbohrt habe.«

»Gwyned, wir brauchen deine Gabe!«, sagte ich und ignorierte ihren Vorwurf an Keenan. »Bitte: versuch zu sehen, ob es etwas gibt, das die Drachen bannen könnte.«

Mit weit aufgerissenen Augen schüttelte sie den Kopf. »Sara, das kann ich nicht. Nicht so, nicht in diesem Chaos.«

»Bitte!«, flehte ich, doch sie schüttelte den Kopf und weinte beinahe.

»Das geht nicht. Nicht bei diesem Geschrei, der Angst, die ich habe. Dann kann ich nichts sehen.«

»Wir brauchen einen Bann, Gwyned. Wir werden so nicht siegen. Wir müssen sie bannen, nur dann besteht eine Chance.«

In diesem Moment hörten wir ein schmerzhaftes Gebrüll. Ich wandte den Kopf und sah, dass Kerr von dem zweiten Drachen in den Hals gebissen wurde. Er hatte seine spitzen Zähne tief in ihn gegraben. Blut spritzte heraus, Kerr strauchelte und versuchte sich zu befreien, doch da versetzte ihm der Drache einen Hieb mit seiner Klaue.

»KERR !«, schrie ich und wollte schon loslaufen, um ihm zu helfen, doch ich wurde zurückgehalten.

»Lass mich los, wir müssen ihm helfen. Es ist Kerr.«

»Sara, wenn du da jetzt hinläufst, bist du sofort tot«, hörte ich Keenans gepresste Stimme an meinem Ohr.

Ich sah, wie sich die drei Drachen ineinander verkeilten, in die Hälse verbissen über den Palst hinwegflogen, weil Kerr sich versuchte zu befreien. Sie glitten aus meiner Sichtweite ins Ys-Gebirge in die Dunkelheit der Nacht.

In mir breitete sich eine fiebrige Entschlossenheit aus. »Lass mich los, Keenan. Ich gehe in den Palast und hole die Krone und die beiden Kleinode. Wir werden einen Bannzauber suchen oder sterben.«

»Ich kann dir helfen«, sagte Sive, die unvermittelt hinter uns auftauchte. Ihr Rock und ihr Harnisch waren blutüberströmt, sie hatte Schrammen im Gesicht und das Blut vermischte sich mit Tränen. »Ich hab meinen Trupp verloren. Zwei Drachen haben einen nach dem anderen getötet. Sara … es war schrecklich.«

Sie warf sich mir an den Hals und schluchzte. Ich tätschelte ihr kurz den Rücken, dann schob ich sie von mir.

»Wie kannst du helfen? Was weißt du?«

»Mellan«, schniefte sie. »Er redete von einem Bannzauber, der es den Drachen unmöglich macht, auf die Insel zu kommen. Er kannte ja auch das Geheimnis der Dolmen – er hat es den Drachen verraten.«

»Wie lautet dieser Zauber?«, fragte ich.

»Das weiß ich nicht. Mellan hat mir nicht genug vertraut, dass er auch diese Geheimnisse verraten hätte, sagte jedoch, damit seien sie auf immer von Lyoness gebannt. Auch in ihrer menschlichen Gestalt.« Sive schien krampfhaft zu überlegen. »Er wollte ihn anwenden, sobald er seine Position als Erzdruide wieder einnimmt.«

»Er wollte die Drachen hintergehen?«, fragte Gwyned ungläubig.

»Das funktioniert aber nur mit dem Spruch, der im ehemaligen Schlafzimmer des Erzdruiden versteckt liegt, und er braucht jemanden mit Heilkräften, damit er funktioniert.«

Wir starrten sie alle mit offenem Mund an.

Sie zuckte die Schultern. »Schaut nicht so, als wäre ich verrückt geworden. Der Spruch nützt eh nichts. Die Drachen müssten dafür aufs Meer hinausgelockt werden. Der Bann darf erst dann gesprochen werden.«

»Das bedeutet, wir müssen sie nur weglocken«, überlegte ich.

»Und wie bitte schön?«, fragte Sive und deutete auf den Platz, wo Kämpfende, Tote und Drachen sich tummelten.

»Wofür haben wir denn magische Kräfte? Doch nicht, weil wir damit so gut aussehen!«, meinte Keenan.

»Leider können wir nicht für Illusionen sorgen, die den Drachen was vorgaukeln. Wäre toll, wenn Schatten sie hinauslocken könnten«, sagte Sive.

In diesem Moment landete ein Drache genau vor uns. Sive schrie entsetzt auf und Keenan zückte seinen Speer.

»Alles in Ordnung bei euch?«

Kerr!

Er lebte!

Er blutete aus einer tiefen Wunde am Hals und hatte ein paar Schuppen am Brustkorb verloren, sonst sah er gesund aus.

»Ich bin so froh, dass du lebst«, rief ich ihm zu. »Wie verletzt bist du?«

»Das sind nur Kratzer«, meinte er und schüttelte den Kopf.

Mir kam eine Idee. Sives Spruch mit den Schatten, die lockten, war genial.

»Wie weit kannst du fliegen?«, fragte ich aufgeregt.

»Wenn es sein muss, bis nach Lothian, aber was hilft das dir?«

Lothian lag im nördlichsten Teil von Britannien.

»Wenn ich dir etwas gebe, könntest du diese Bande hier weglocken? Am liebsten noch etwas weiter als Lothian.«

»Was hast du vor, Sara?«, fragte Gwyned.

»Wenn Kerr alle mit einem großen Batzen Kristall von Lyoness weggelockt bekommt, kann Sive mir helfen, den Bann wieder zu errichten. Die Brosche war dafür damals notwendig, erinnert ihr euch? Wenn wir die drei Kleinode zusammenfügen und den Zauberspruch weben, können die Drachen die Insel nicht mehr betreten, die Dolmen wären außer Kraft.«

»Worauf warten wir noch?«, fragte Kerr.

Er hatte recht. Jeder weitere Moment kostete noch mehr Menschenleben.