Ohaobbok starrte unbehaglich auf den Gebirgspass. Er kannte nur allzu gut die Gefahren, die sogar für jemanden wie ihn dort lauerten. Dennoch war er mit dem Steinfaust-Clan hergekommen und bereitete sich darauf vor, tief ins Gebiet der Oger vorzudringen. Es wäre seine erste Rückkehr in die Heimat, seit seine Mutter ihn von einer Felswand geworfen hatte, als Strafe dafür, dass er sich mit den örtlichen Zwergen angefreundet hatte. Das schien eine Ewigkeit her zu sein, obwohl es in Wahrheit nur fünf Jahre zurücklag.
Seine Mutter hatte ihn schon davor nicht gemocht, weil er anders war. Es hatte sie unermesslich erzürnt, dass er kein Fleisch aß. Alle Oger aßen Fleisch. Außer Ohaobbok. So lange er zurückdenken konnte, war ihm allein beim Gedanken daran, Fleisch zu essen, schlecht geworden. Als Kind hatte er sich von Beeren, Rinde und Wurzelgemüse ernährt und Prügel über sich ergehen lassen, wenn er eine Rehkeule oder ein saftiges Stück Zwerg verweigert hatte.
Aber nicht zuletzt durch diese für einen Oger einzigartige Eigenschaft hatte ihm jener erste Zwergenclan damals vertraut. Denn eine zwergische Prophezeiung schien seine Ankunft vorausgesagt zu haben. Er erinnerte sich noch gut daran, wie Mattias Hammerwerfer den Wortlaut der Prophezeiung wiedergegeben hatte.
Dass die Zeit des Erwachens des ersten Protektors gekommen ist, wirst du wissen, wenn dich ein frommer Oger begrüßt, der kein Fleisch isst. Jener Oger wird als Beschützer in den Abgründen dienen, wenn wir uns dem reinen Bösen stellen.
Beschützer in den Abgründen. Das war Ohaobboks Schicksal. Es wurde in den Visionen offenbart.
»Ohaobbok! Essen ist fertig!«
Ohaobbok schaute nach unten und sah, wie ein Zwerg mit langem braunem Bart vor ihm hopste und versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
»Tut mir leid, Barnaby. Ich habe gerade Erinnerungen durchlebt.«
»Ach ja? Und woran erinnerst du dich?«
»Ich weiß noch, dass ich mir damals gewünscht habe, ich könnte meine Oger-Familie verlassen. Hast du gewusst, dass ich die Zwerge lange Zeit beobachtet habe? Ich hatte ein Versteck, aus dem ich auf einen eurer Clans hinabschauen konnte. So habe ich festgestellt, dass euer Volk eher zu Fröhlichkeit als zu Gewalt neigt. Ich bin froh, wie sich alles entwickelt hat.«
»Oy, wir Steinfausts feiern gern. Und wie!« Barnaby stupste den Oberschenkel des Ogers mit dem Ellbogen. »Aber falls du’s vergessen hast, möchte ich dich erinnern, dass meine Familie nicht wegen ihrer Friedfertigkeit als Oger-Töter unseres Volks bekannt ist.« Er grinste verschmitzt. »Du bist natürlich eine Ausnahme.«
Sie kehrten zurück ins Lager. Dort reichte Ohaobbok einem der anderen Steinfausts den riesigen Becher, den man eigens für ihn angefertigt hatte, randvoll mit schaumigem dunklem Bier. Der Oger trank einen kräftigen Schluck und spürte die Wärme der Kameradschaft.
Dann watschelte der Koch des Clans mit einem riesigen Kessel voll Eintopf herüber und stellte ihn vor Ohaobbok ab. »Hock dich hin und iss, du Laune der Natur.« Mit verächtlicher Miene schnupperte er an dem Kessel. »Keine Ahnung, wie du nur mit Gemüse bei Kräften bleiben kannst.«
Ein anderer Zwerg rief herüber. »He, beschimpf den großen Muskelberg nicht. Er gehört zu uns.«
Der Koch knurrte. »Sag du mir nicht, was ich tun soll, du minderbemittelter Muskelprotz. Ohaobbok weiß, dass ich so was nur sage, weil ich ihn mag. Wenn’s anders wäre, würde ich ihm das Gemüse in den Hintern schieben.«
Die Zwerge am Lagerfeuer lachten grölend, und auch Ohaobbok schmunzelte, als er sich hinsetzte und seinen Eintopf aß. Die Steinfausts mochten winzig sein, aber er betrachtete sie als Familie.
Ein anderer Zwerg ließ ein lautes Rülpsen vernehmen. »He, Ohaobbok, du hast noch gar nicht erklärt, warum du mit uns auf Patrouille bist.« Er deutete mit seinem Becher auf Ohaobbok. Bier schwappte auf den Boden – was einigen anderen des Clans ein Murren entlockte. »Willst du wirklich Jagd auf deine eigene Art machen?«
Bevor Ohaobbok antworten konnte, schaltete sich Barnaby ein. »Oy, lass den Oger essen! Er hat sich gerade erst hingesetzt. Außerdem hab ich hier den Brief von meinem Bruder Oda, der alles erklärt. Wisst ihr noch alle, dass mein Bruder stolz als Hauptmann in der Armee des Königs dient?«
Ein Stöhnen ging durchs Lager. »Wir wissen es, Barnaby. Du erinnerst uns ja auch zweimal täglich daran.«
»Na, jetzt sag ich’s eben noch mal!« Barnaby zog ein zusammengerolltes Pergament unter dem Kettenhemd hervor. »Oy, hier ist der Schrieb.« Er las laut vor.
»Barnaby,
ich wäre gern selbst gekommen, um es dir zu sagen, aber ich zeige den Menschen hier, wie man richtig kämpft und bin unentbehrlich.
Der Erzmagier höchstpersönlich hat mich um die Hilfe unseres Clans dabei gebeten, die Überreste des Zuhauses und des Brunnens des ersten Protektors genauer zu untersuchen. Zuvor hat er Wat hingeschickt, einen seiner mächtigsten Zauberer. Allerdings wurde Wat die uneingeschränkte Unterstützung verweigert ...«
»Pah!«, rief jemand. »Das ist der Zwerg ohne Clan!«
Mehrere Köpfe nickten zustimmend. Barnaby starrte den Sprecher finster an, bevor er weiterlas.
»Bestell meinen Clankameraden, die anscheinend nur Steine im Hirn haben, dass ein Gesandter des Erzmagiers immer zu achten ist, ganz gleich, wer er sein mag. Ich habe mich geschämt, als Fürst Riverton mir die mangelnde Unterstützung meines Clans geschildert hat. Es kommt einer Beleidigung des Fürsten und des Erzmagiers gleich, wenn einer ihrer Gesandten so behandelt wird. Wir können nicht zulassen, dass ein solcher Schandfleck unsere Ehre besudelt, und müssen uns davon reinwaschen.«
Bei den Worten veränderten sich die Mienen der Zwerge. An sich waren sie ein fröhlicher, unbeschwerter Haufen, doch es bestürzte sie, dass einer der ihren ihre Ehre in Frage stellte.
»Ich glaube, unser Zwergenfreund Ohaobbok wird demnächst losgeschickt, um dort weiterzumachen, wo der vorherige Gesandte aufgehört hat. Richte aus, dass ich persönlich vorbeikomme und alle miteinander meinen Streitkolben schmecken lasse, wenn ich mich noch einmal bei Fürst Riverton entschuldigen muss.«
»Und seht nur, hier.« Barnaby hielt das Pergament hoch. »Oda hat es unterschrieben ... und sein Hauptmannszeichen hinzugefügt.«
Ein weiteres Stöhnen erhob sich von den versammelten Zwergen.
Barnaby drehte das Pergament um und zeigte das Wachssiegel außen. »Und das hier ist die Krone unseres Königs.« Barnaby tätschelte Ohaobboks Knie. »Nun denn, Zwergenfreund. Wenn du dir den Bauch vollgeschlagen hast, möchtest du uns vielleicht mehr darüber erzählen, was wir vorhaben. Ich bin sicher, dir gilt die volle Aufmerksamkeit des Clans.«
Die bärtigen Gesichter drehten sich alle Ohaobbok zu. Die respektvollen Mienen bereiteten ihm leichtes Unbehagen.
Er leerte den Rest seines Biers, dann räusperte er sich. »Im Grunde wollen wir uns nur genauer ansehen, was ihr entdeckt habt. Der Erzmagier möchte natürlich mehr über das Zuhause des ersten Protektors erfahren, aber auch über den Brunnen. Er möchte, dass ich überprüfe, ob es sich um einen magischen Brunnen wie die auf den Plätzen der Städte von Trimoria handelt.
Außerdem hat Wat erwähnt, dass ein ausgetretener Pfad aus den Bergen zu dem Brunnen führt. Das deutet darauf hin, dass jemand ihn regelmäßig besucht hat. Wir würden gern herausfinden, wer.«
»Glaubst du, es könnte in dem Wald noch einen Zauberer geben?«, fragte ein schwarzhaariger Zwerg.
Barnaby schüttelte den Kopf. »Er könnte unmöglich allein überleben. Die Oger hätten ihn längst gefressen. Und selbst, wenn er stark genug wäre, sich ihrer zu erwehren, müssten wir Anzeichen für Kämpfe bemerkt haben.«
Ein anderer Zwerg nickte. »Hier haben ganz sicher keine Schlachten stattgefunden. Überall in der Gegend wachsen Blumen wie in einem Garten. Hier hat’s nicht nur keine Schlachten von Zauberern gegen, auch keine von Ogern. Dafür lege ich die Hand ins Feuer.«
»Auch das ist wissenswert«, meinte Ohaobbok. »Denn der Brunnen liegt mitten in den Jagdgebieten mehrerer Oger-Clans.«
Barnaby klatschte in die Hände und stand auf. »Na schön, Brüder, es ist an der Zeit, Wachen einzuteilen. Deneb, Gathrun und Dathane, ihr übernehmt die erste. Der Rest von euch legt sich schlafen. Ihr werdet geweckt, wenn ihr gebraucht werdet.«
Als die Zwerge davonschlurften, schaute Barnaby zu Ohaobbok auf. »Zwergenfreund, du hältst die letzte Wache mit mir. Beeil dich und iss den Eintopf auf, dann ruh dich aus, so gut du kannst. Wir verlassen uns darauf, dass du einsatzbereit bist, falls wir in Schwierigkeiten geraten.«
* * *
Am nächsten Morgen stiegen die Zwerge und Ohaobbok mehrere tausend Fuß hoch in einen dichten Wald auf, in dem es nach Kiefern roch. Zumeist folgten sie den von Wildtieren durch das Unterholz getrampelten Pfaden. Im Augenblick jedoch nutzten sie das Blattwerk als Deckung, als Barnaby nach vorn zeigte.
»Siehst du den Weg in den Blumen?«, flüsterte er dem Oger ins Ohr.
Ohaobbok nickte. Ein Stück weiter endeten die Bäume. Auf einer Lichtung am Fuß einer hochaufragenden Felswand befanden sich zwei Wildblumenbeete mit einem schmalen Pfad dazwischen.
»Am Ende des Wegs ist der Brunnen«, sagte Barnaby. »Ich denke, von hier an solltest du die Führung übernehmen. Also, was jetzt?«
Bevor Ohaobbok antworten konnte, hallte der donnernde Ruf eines Ogers durch den Wald, und alle erstarrten.
»Das hat sich wie ein Oger auf der Jagd angehört«, flüsterte Barnaby. »Aber wohl nicht allzu nah.«
Ohaobbok wusste es besser. Er erkannte nicht nur die Art des Rufs, sondern wusste auch, von welchem Oger er stammte. Die Erinnerung an jene Stimme jagte ihm einen Schauder über den Rücken.
Mutter.
»Nein«, sagte er. »Der Ruf war eine Warnung an Unbefugte, schleunigst zu verschwinden.«
»Eine Warnung?«, fragte ein anderer Zwerg. »Ich hätte nicht gedacht, dass Oger so gesittet sind.« Er schaute zu Ohaobbok auf und fügte hinzu: »Das soll nicht heißen, dass Oger nicht gesittet sein können, wenn man es ihnen beibringt ...«
»Oh, halt die Klappe, Gypsum.« Barnaby versetzte dem jüngeren Zwerg einen Klaps auf den Hinterkopf. »Deine Zunge eilt deinem Hirn schon wieder voraus.«
Aber Ohaobbok war so tief in Gedanken versunken, dass er ihnen kaum zuhörte. »Es sieht meiner Mutter nicht ähnlich, jemanden zu warnen«, murmelte er.
»Hast du gerade Mutter gesagt?«, hakte Barnaby nach.
Schwere Schritte ertönten in der Nähe. Sämtliche Zwerge verstummten und duckten sich im Unterholz tiefer. Ohaobbok spähte mit verkniffenem Blick zwischen den Blättern hindurch und bemühte sich, das Dröhnen seines rasenden Herzens zu beruhigen.
Könnte Mutter mich gerochen haben? Kommt sie, um nachzusehen? Werde ich gezwungen sein, gegen sie zu kämpfen, um meine Gefährten zu retten?
Leise beugte und streckte er die Glieder, um sich für einen Kampf zu wappnen.
Doch als sich die Schritte näherten und schließlich eine Gestalt auf dem Weg vor ihnen erschien, handelte es sich nicht um seine Mutter.
Es war eine Ogerin, etwa zwölf Fuß groß, aber sie wirkte seltsam ... menschlich. Das verworrene Haar war etwa in der Mitte des Rückens abgeschnitten. Sie trug Pelze aus Ziegenfellen, aber keine Schuhe. Und als sie nah genug vorbeikam, dass Ohaobbok ihr Gesicht sehen konnte, schnappte er leise nach Luft.
Sie erwies sich als wunderschön.
Zum Glück hatte sie den Oger und die zwei Dutzend Zwerge nicht bemerkt, die sich zwischen den Bäumen versteckten. Anscheinend wähnte sie sich allein, als sie dem Pfad folgte, der von oben herabführte und zu dem Brunnen im Schatten der Felswand führte.
Barnaby stupste Ohaobbok und reichte ihm eine Röhre mit Glas an beiden Enden. Als Ohaobbok seinen Freund verwirrt ansah, verdeutlichte Barnaby durch Gesten, dass Ohaobbok hindurchschauen sollte. Also hielt sich der Oger die Röhre ans Auge.
Zu seiner Überraschung wirkte alles, was er durch sie sah, viel näher, als es sich tatsächlich befand.
Ich wusste nicht, dass Zwerge solche Magie besitzen. Ich muss den Erzmagier darauf aufmerksam machen.
Mit der Vorrichtung konnte er den Brunnen in der Ferne deutlich erkennen. Es sah genau wie die anderen Brunnen aus, mit einer Statue, die eine Kugel hielt. Ohaobbok errötete, als er beobachtete, wie sich die Frau dem Wasser näherte, ihre Pelze abstreifte und in den Brunnen stieg.
Die Kugel leuchtete strahlend auf.
Vor Verblüffung hätte Ohaobbok die magische Röhre beinah fallen gelassen.
Sie ist eine Zauberin!
»Jetzt wissen wir, wer regelmäßig zum Springbrunnen geht«, flüsterte Barnaby.
Ohaobbok beobachtete weiter. Nachdem die Frau gebadet und sich wieder angezogen hatte, hielt sie die Hände über die Blumen, und Ohaobbok spürte ein Kribbeln, das bestätigte, was die Kugel ihm bereits mitgeteilt hatte. Er hatte genug Zeit unter Zauberern verbracht, um zu wissen, wie sich starke Magie anfühlte, wenn sie eingesetzt wurde.
Er ließ die Röhre sinken und wandte sich an die Zwerge. »Ich gehe hin, um mir das genauer anzusehen. Ihr bleibt verborgen. Falls ich Ärger bekomme, folgt ihr mir nicht . Ihr müsst dafür sorgen, dass der Erzmagier erfährt, was wir heute gesehen haben. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Barnaby runzelte die Stirn, nickte aber zögerlich.
»Denk daran: Ganz gleich, was ihr bezeugt, ihr gebt euch nicht zu erkennen. Es könnte die Lage nämlich verschlimmern. Vor allem, wenn sie sich so verhält, wie es die meisten Oger tun würden.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, richtete sich Ohaobbok zu voller Größe auf, trat durch das Blattwerk und marschierte auf die Lichtung zu.
Die Frau bemerkte ihn nicht sofort. Sie hatte die Augen konzentriert geschlossen, während sie weiter die Hände über die Blume hielt und in irgendeiner Weise Magie wirkte. Ohaobbok wollte sie nicht erschrecken – das wäre der Lage nicht zuträglich. Also streckte er etwa dreißig Fuß von ihr entfernt die Hände aus, um zu zeigen, dass er keine Waffen trug, und räusperte sich leise.
Abrupt öffnete sie die Lider, wich zwei Schritte zurück und bleckte die Zähne.
Menschliche Zähne.
Ohaobbok fuhr sich mit der Zunge über die vorstehenden unteren Schneidezähne und fühlte sich plötzlich gehemmt.
Als sie ihn anknurrte, klang sie wie ein in die Enge getriebener Oger. Aber ihr Aussehen ... war sie ein Mensch oder ein Oger?
»Hallo«, sagte Ohaobbok. Er bemühte sich, langsam und deutlich zu sprechen. »Ich will dir nichts tun.«
Da entspannte sich ihre Abwehrhaltung, und ihr Knurren wandelte sich in einen Laut der Neugier. Verhalten schnupperte sie.
Hat sie mich verstanden?
Eine lange Weile verharrten sie so. Dann ging sie auf ihn zu – langsam, zögerlich. Ohaobbok beschlich der Eindruck, sie würde die Flucht ergreifen, wenn er auch nur einen Finger rührte. Oder schlimmer noch, sie könnte ihre Zauberkünste gegen ihn einsetzen.
Er bemühte sich, ruhig zu bleiben, als sie in Armreichweite gelangte. Dann blieb sie stehen, schaute unsicher zu ihm auf – und schlug ihm die Faust gegen die Wange. Heftig.
Sternchen explodierten in seiner Sicht, und er spürte ein Rinnsal von Blut an der Lippe. Ob sie nun ein Mensch oder ein Oger war, sie besaß jedenfalls die Kraft eines Ogers.
Und dennoch rührte sich Ohaobbok nicht. Fest entschlossen, nicht bedrohlich zu wirken. Er war nicht zum Kämpfen hergekommen, und er betete, die Zwerge würden seine Anweisungen befolgen und sich heraushalten.
Mit nach wie vor ausgestreckten Händen wiederholte er: »Ich will dir nichts tun.«
Langsam hob sie mit gespreizten Fingern eine Hand, ahmte seine Geste nach. Dann streckte sie die andere Hand aus und legte sie ihm aufs Gesicht. Sofort spürte er, wie Wärme in ihn strömte. Der Schmerz in seiner Lippe ließ ebenso nach wie das Pochen in seiner Wange. Als sie die Hand zurückzog, verspürte er überhaupt keinen Schmerz mehr.
Ohaobbok war verdutzt. Eine Heilerin?
Da lächelte die Frau ihn an, und zum ersten Mal ergriff sie das Wort. Ihre Stimme klang heiser und ungeübt.
»Sei gegrüßt, Paladin des Seder. Jemand wie du besucht mich seit vielen Wintern in meinen Träumen. Mein Name ist Nyra, und ich habe gewusst, dass du kommen würdest.«