15

Gray

Während im Raum hinter mir die Hexen ihre Sachen einpackten und sich auf den Weg zur nächsten Unterrichtsstunde machten, konzentrierte ich mich auf meine Aufgabe und wischte die Tafel sauber. Ich zwang mich, Willow nicht anzuschauen, doch das in meiner Brust vibrierende Knurren konnte ich nicht dämpfen, solange sie noch mit Margot sprach. Die blonde Hexe hatte leise gesprochen, so wie es für ein Gespräch mit jemandem angemessen ist, der direkt vor einem steht, doch Willow legte sich ihre nächsten Worte bewusst deutlich hörbar zurecht.

»Haben wir auch Stunden, bei denen Iban dabei ist?«, wollte sie wissen und ich konnte die Drohung in ihrer Stimme heraushören. Ich kannte sie nicht gut genug, um zu wissen, ob sie ihren Plan wirklich umsetzen wollte oder nur vorhatte, Iban weiterhin dazu zu nutzen, um mich zu reizen.

Der Coven würde alles versuchen, um mich auszuschalten, sollte ich einen Hexer töten, der seine Hexenkunst dafür aufgegeben hatte, Nachkommen zu zeugen. Es gab nicht viele von ihnen und sie wurden auf ganz besondere Art und Weise für die Wahl belohnt. Iban würde vom Covenant versorgt werden, bis er eine passende Entscheidung getroffen hatte und dafür einen Luxus genießen, den andere männliche Mitglieder des Coven nicht kannten.

Man gönnte ihm zum Beispiel ein Einzelzimmer in Hollow’s Grove, damit er sich aller Arten von Begleitung erfreuen konnte, sollte er das wünschen. Die Auswahl an Hexen, mit denen er sich paaren wollte.

Und zweifellos ging es ihm genau darum. Mir war nur nicht klar, ob der Covenant ihn dazu gedrängt hatte, Willow auszuwählen oder ob das Interesse wirklich von ihm ausging. Vermutlich machte es aber keinen Unterschied, da Susannah ohnehin zustimmen würde.

Ich feixte, als mir klar wurde, dass ich ihren Zorn nicht riskieren musste, um die Einmischung des Jungen loszuwerden.

Willow würde das für mich übernehmen, sobald sie seine Absichten durchschaut hatte.

»Warum unterrichten Sie uns Hexen ausgerechnet in Geschichte?«, wollte Willow wissen.

Als ich mich umdrehte, stand sie vor mir. Ihre Klassenkameradinnen warteten an der Tür und sahen ihr zu, als sei sie eine tickende Zeitbombe. Vermutlich kam ihnen Willows Verhalten seltsam vor, waren sie doch gemeinsam auf dieselbe Art und Weise erzogen worden – eine Art und Weise, die sich offensichtlich sehr von Willows Erziehung unterschied.

»Wer wäre besser für den Geschichtsunterricht geeignet als jemand, der all das selbst miterlebt hat?« Ich legte den Schwamm auf die Ablage unterhalb der Tafel, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf die unvermeidliche nächste Frage.

»Das scheint mir trotzdem eine merkwürdige Wahl, bedenkt man Ihre unübersehbare Voreingenommenheit gegenüber dem Coven«, erwiderte sie, wobei ihre Unterlippe kaum merklich zuckte. Mir fiel die Bewegung auf und ich erkannte, dass ihr das immer genau dann passierte, wenn sie über etwas nachdachte, was für sie keinen Sinn ergab. Eine Zuckung, während sie ein Rätsel zu lösen versuchte.

Wie immer auch Willows Leben bisher ausgesehen haben mochte, eines war klar: Sie wurde nicht allein von dem angetrieben, was ihre Mutter ihr beigebracht hatte. Sie war nicht so indoktriniert, wie es für die Hexen des Coven ab dem Moment ihrer Geburt üblich war.

In Willow drängte etwas nach Gerechtigkeit. Ein Verlangen, die Wahrheit zu erfahren, das sie nicht verleugnen konnte. Was auch immer ihre Mutter sie zu glauben gelehrt hatte, ich bekam den Eindruck, sie hatte ihr auch das Geschenk mitgegeben, für sich selbst denken zu können.

Ein Geschenk, das nicht vielen gewährt wurde.

»Nennen Sie mir eine Person, die beim Unterrichten von Geschichte nicht voreingenommen wäre.« Ich lächelte, als ihre nicht zusammenpassenden Augen vor Arglist aufleuchteten. Sie wusste, dass ich recht hatte, und lachend bestätigte sie es, bevor sie ihren Blick zum Fenster des Klassenzimmers schweifen ließ.

»Ich meinte nur, es ist interessant, dass der Covenant Ihnen das Unterrichten erlaubt ...«

»Der Covenant verfügt nicht über mich. Ich übernehme Dinge zugunsten von Crystal Hollow, denn es ist in meinem Sinne, wenn es bestehen bleibt. Schließlich bin ich hier zu Hause. Was immer man Ihnen über die Machthierarchie hier auch erzählt haben mag, überlegen Sie doch einmal, wie voreingenommen Ihre Quelle sein dürfte. Aber natürlich glauben die Hexen, sie säßen an der Spitze und würden die Kontrolle über alles haben.« Ich grinste, als ihre Unterlippe wieder zuckte.

»Vielleicht sollten Sie einmal überlegen, dass Geschichte immer vom Sieger geschrieben wird. Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass Susannah damit einverstanden wäre, wenn sie wüsste, dass Sie hier Geschichte unterrichten und uns dabei zu verstehen geben, dass Sie womöglich den besseren Deal gemacht haben, als der Teufel und Charlotte Hecate ihren Pakt schlossen«, sagte Willow mit herausfordernd gehobener Augenbraue. Die hartnäckige Charlotte war eines Nachts in den Wald geflohen, um jenen Männern zu entkommen, die sie wegen Hexerei hängen wollten. Meine Ahnin entschied, dass sie sich zumindest der Dinge schuldig machen würde, derer sie beschuldigt wurde, und hatte ihr eigenes Blut vergossen und gebetet.

Doch anstatt zu Gott zu beten, wandte sie sich an den Teufel, rief ihn zu sich in den Wald und bat ihn um Hilfe. Er machte sie zur ersten Hexe, indem er ihr einen Teil seiner eigenen Zauberkraft verlieh und versprach, das auch für die vierzehn anderen ursprünglichen Familien zu tun.

Die Gegenleistung?

Sie musste die von ihm stammende Magie nutzen, um die Hüllen zu erschaffen, unsterbliche Gefäße für die Seelen seiner Dämonen, die damit von der Unannehmlichkeit der Besessenheit befreit wurden.

»Vielleicht, aber ich habe ihr keinen Anlass gegeben, meine Unterrichtsmethoden zu bezweifeln. Ich halte mich an die Tatsachen und schmücke nichts aus. Für uns alle, die wir daran beteiligt sind, ist es besser so. So kann Susannah sich weiterhin für die Siegerin halten, während die Meinen sich zu gedulden wissen«, erklärte ich und trat ans Pult. Ich lehnte meinen Hintern dagegen und stützte die Hände auf die Tischkante, als Willows Blick über meine entblößten Unterarme strich.

Die Unterlippe zuckte, aber ich vermutete, dass es dieses Mal nichts mit der Lösung eines Geheimnisses zu tun hatte, dafür mit einer Überlegung, wie sie bekommen konnte, was sie wollte.

»Sie scheinen nicht sonderlich viel Geduld für mich aufzubringen«, sagte sie, legte ihren Kopf schief und trat an meinen Tisch heran. Keine andere Schülerin hätte es gewagt, mir so nahe zu kommen, und ihre Freundinnen an der Tür tauschten einen schnellen Blick aus und huschten davon. Willow trat zwischen meine Beine, hob die Hände und richtete meine Krawatte mit einer Selbstverständlichkeit, die es nicht hätte geben dürfen.

»Das Leben einer Hexe ist nur ein kurzes Aufflackern im Vergleich zu meinem. Ich habe zahllose deiner Art verdorren und sterben sehen. Wenn diese Generation von Hexen, die ich unterrichte, tot und vergessen sein wird, werde ich noch immer hier stehen«, erklärte ich, packte ihr Handgelenk und zog es langsam von meiner Krawatte weg.

»Nicht alle Hexen sterben.« Sie zuckte mit den Achseln, ohne zu versuchen, sich aus meinem Griff zu befreien. Ich hielt sie vorsichtig, behutsam. Ich wollte ihr nicht wehtun, auch wenn die Vorstellung des Anblicks ihrer Haut, die nach vergnüglicheren Anstrengungen von Bissen und Prellungen bedeckt war, mich mit einer eigenartigen Wärme erfüllte.

»Ich glaube nicht, dass wir den Covenant wirklich lebendig nennen können«, machte ich deutlich. Ich betrachtete fasziniert, wie ihr Mund sich beim Lächeln leicht öffnete. Der kräftige Schwung ihrer Lippen war verlockend und zog bei jeder Bewegung meinen Blick zu ihrem rosa Mund hinunter.

»Ich sprach nicht über sie«, murmelte sie und biss sich auf die Lippe, als könnte sie die Hitze meines Blicks fühlen.

Ungläubig zuckte ich zurück und sah wieder in diese seltsamen, nicht zusammenpassenden Augen. »Was hat dir deine Mutter über Charlotte Hecate erzählt?«

Der Hexe, die als Erste den Vertrag mit dem Teufel abgeschlossen hatte, war Unsterblichkeit geschenkt worden, damit sie den Coven beaufsichtigen, ihn beherrschen konnte, doch diese Führung hatte sie gar nicht gewollt. Sie hatte die Leitung an den Covenant abgetreten und ihn dafür aus dem Grab geholt, da die beiden im Leben ihre Mentoren gewesen waren.

Ein Fehler, den Charlotte teuer bezahlen musste, denn das Paar riss ihr das Fleisch von den Knochen und vergrub es. Irgendwo hier in den Gärten lag ihr Fleisch beerdigt – ohne dass es verrotten konnte, war ihr doch Unsterblichkeit verliehen worden.

Charlottes Geist und ihre Magie lebten weiter in den Knochen, die an ihre Nachfahren weitergegeben wurden. Daher beschützte die Hüterin der Knochen, die Auserwählte aus der Hecate-Linie, sie mit ihrem Leben. Daher taten ihre Verwandten alles in ihrer Macht Stehende, um die Hüterin zu schützen, während die anderen Häuser im Wettstreit untereinander verstrickt waren.

»Dass sie nicht gestorben ist«, antwortete Willow und der ernste Ton ihrer Stimme verriet mir ihr Wissen darüber, dass dies kein Segen war. Dass Charlotte eine Ewigkeit ohne die Chance auf Heilung verbrachte, da ihr Körper zerteilt und verstreut worden war. Die Fingerknochen, die in dem kleinen Beutel der Hecate-Linie verblieben waren, waren nur ein Teil von ihr, und selbst diese Knochen ließen nicht zu, dass sie im Tod bei ihrer Familie weilte.

Das war grausam, wahrscheinlich der ruchloseste Akt des Covenant in seinem Streben nach Macht.

»Du bist nicht Charlotte Hecate, kleine Hexe«, sagte ich.

Die Warnung hing unausgesprochen zwischen uns im Raum. Es war sinnlos, sie daran zu erinnern, dass sie nicht danach streben sollte, so wie die Hexe zu sein, die bis in alle Ewigkeit litt.

»Nein«, gab sie zurück und beugte sich vor.

Ich griff fester um ihr Handgelenk und spürte, wie ihre Finger sich unter meinem Griff bewegten, als sie den Arm seitwärts senkte, ihren Kopf in den Nacken legte und mich ansah. Ich beugte mich über sie und streckte mich ihr entgegen, da mich das verschmitzte Glimmen in ihrem Blick angezogen hatte. Sie hielt nur einen Atemzug entfernt von mir an und ihre Zunge fuhr ganz leicht über ihre unteren Zähne.

»Aber ich bin dreist genug, um einen Pakt mit dem Teufel zu schließen, wie sie es getan hat.«

Ihre Worte jagten einen Schauder durch mich hindurch. Ich erkannte, dass das junge Ding nicht die geringste Ahnung besaß, womit sie es zu tun hatte. Welches Grauen diese Worte und dieses Versprechen über ihr Leben bringen konnten. Ich hielt ganz still, als sie mit ihren Lippen über meine fuhr, und stieß ein leises Lachen aus, als ihr Duft meine Lunge erfüllte.

»Sie sind für jemanden mit solch einer Geduld aber sehr leicht zu verführen«, sagte sie und ich schloss die Augen, als das Summen, das sie von sich gab, in mir zu versinken schien.

Als würden die Sirenen mich zum Meer rufen, lag etwas Unnatürliches in diesem Geräusch. Die Stimme war mehr ein Gesang als gesprochene Worte.

»Geduld hat mit uns nichts zu tun.«

Sie hob die Hand genau in dem Moment, in dem auch ich meine Hand hob, und sie berührte mit der Handfläche meinen Hals. Die Hitze ihrer Haut war wie ein Brennen, das sich in meiner Hülle ausbreitete und lebte , wie noch nie etwas zuvor.

Es war lange her, dass ich eine solche Wärme in mir gespürt hatte. Bisher hatte nicht eine einzige meiner Liebhaberinnen mit ihrer Wärme die Kälte meines Fleisches durchdringen können.

Doch eine Berührung von Willow genügte und meine Augen schlossen sich.

Sie drückte ihre Lippen auf meine im sanftesten Kuss, den ich je erhalten hatte. Ich spürte die Berührung bis hinunter in meine Zehen, als würde sie Leben in mich hineinatmen, wo sich doch die Erschafferin dieses Körpers nur um die Toten kümmerte.

Wenn Charlotte Hecate der Tod in Person war, so fühlte sich Willow Madizza wie das Leben an.

Als sie ihr Ziel erreicht hatte, zog sie sich gerade so weit zurück, dass es sich anfühlte, als hätte sie mich in ihren Händen in Wackelpudding verwandelt. Meine Augen öffneten sich unruhig und sahen in ihre hinab, bei denen ich das deutliche Gefühl hatte, als hätten sie sich nicht geschlossen.

»Es gibt kein ›Uns‹«, sagte sie mit dem leisesten Murmeln. Etwas Grausames lebte in diesem Flüstern und diese scharfe Spitze bezog sich sicher auf meine Zurückweisung von eben.

Ich schob die Hand in ihr Haar, packte zu und bog ihren Kopf nach hinten. Als sich nun plötzlich ihr Gesichtsausdruck änderte, entblößte ich meine Reißzähne.

»Das hier fühlt sich so an, als gäbe es doch eines«, knurrte ich und rieb mich an ihr, bis sie spüren konnte, wie mein Schwanz sich aufrichtete.

Sie erschauderte und stieß einen röchelnden Atemzug aus, während sie zu mir aufblickte.

»Ich bin kein Spielzeug. Warum sollte ich mich mit den Resten Ihrer Aufmerksamkeit zufriedengeben, wenn ich einen anderen haben kann, der mir zu Füßen liegt und auf meine einfache Bitte hin alles für mich tun würde?« Doch während sie das sagte, drückte sie sich eher weiter in meine Berührung hinein als von ihr weg.

»Warum bist du dann hier?«, fragte ich und zog ihren Kopf beiseite, sodass ich mich vorbeugen und meine Lippen über ihre Kehle gleiten lassen konnte. Sie erschauderte und ich lächelte gegen ihre Haut und ließ sie den Druck meiner Reißzähne spüren.

»Um Ihnen ganz genau das zu zeigen, was Sie niemals haben werden. Damit Sie beim nächsten Mal, wenn Sie sich in mein Zimmer schleichen, während ich schlafe, zumindest zögern, wenn Sie sich am folgenden Tag entscheiden so zu tun, als würde Sie mich nicht begehren.«

Alles in mir erstarrte.

Ich zog mich zurück und blickte erstaunt auf sie hinab. »Du hast geschlafen«, sagte ich und gab mir keine Mühe vorzugeben, ich wüsste nicht, wovon sie redete. In ihren Worten lag so viel Sicherheit, und auch die Art und Weise, wie sie sie vortrug, überzeugte mich, dass sie keinen Zweifel daran hatte, dass ich bei ihr gewesen war.

»Das habe ich«, stimmte sie mir zu, ohne zunächst mehr zu erklären, während ich ihren Blick erforschte. »Das heißt aber nicht, dass ich Sie nicht überall an mir riechen konnte, als ich aufwachte. Die Rosen haben mir dann bestätigt, was ich schon vermutet hatte.«

»Die Rosen? Haben mit dir gesprochen?« Ich überlegte, wann ich zum letzten Mal davon gehört hatte, dass eine Grüne mit der Natur Zwiesprache hielt.

»Sie sprechen mit jeder Grünen. Die meisten sind nur zu unwissend, um auch zuzuhören«, erwiderte Willow und drehte den Kopf in meinem Griff, als könnte sie sich befreien, doch ich weigerte mich, loszulassen. »Ich frage mich, was der Covenant denken würde, sollte er erfahren, dass Sie mich im Schlaf geschändet haben.«

»Ich habe nichts Derartiges getan.«

»Stimmt. Mich auszuziehen, während ich schlief, war etwas völlig Unschuldiges ...«

»Es sah aus, als wäre es dir ungemütlich, und ich habe dich darüber hinaus nicht berührt. Täusche dich nicht, ich will, dass du meinen Namen schreist, wenn ich dich zum ersten Mal ficke, und nicht, dass du dabei schläfst, kleine Hexe«, knurrte ich. Ich ließ meinen Kopf zu ihrer Kehle sacken. Der Drang, mich an ihr zu sättigen, war überwältigend und wuchs noch mit jedem Moment, mit dem sie mich weiter reizte. Ich wollte sie daran erinnern, was ich war.

Wer ich war.

»Falls Sie mich jemals berühren, werde ich ganz sicher an jemand anderen als Sie denken. Sonst könnte ich es kaum genießen«, gab sie zurück. Ich fauchte über ihrer Kehle. Sie erzitterte in meinen Händen, als meine Zähne über ihre Haut schrammten, und ein gefühlloses Kichern ertönte, als ich meinen Mund über ihr Ohr legte.

»Dann sorge dafür, dass du seinen Namen laut und deutlich für mich rufst. Ich möchte nämlich gerne wissen, wen ich das nächste Mal jagen werde, wenn ich hungrig bin«, flüsterte ich und erfreute mich an ihrem erschrockenen Keuchen, als sie beide Hände gegen meine Brust presste und mich von sich stieß.

»Direktor Thorne!« Die Ermahnung der kalten Stimme durchdrang den Raum zwischen uns. Ich löste mein Gesicht von dem Vorhang aus Willows Haaren und blickte zur Tür, wo die Covenant stand und einen Apfel in ihrer Knochenhand hielt. »Muss ich Sie daran erinnern, dass es außerhalb der Ernte nicht erlaubt ist, sich von den Schülerinnen zu ernähren?«

»Sie hat eingewilligt.« Ich sah das Hexenmädchen in meinen Armen an.

Sie lächelte süffisant, hielt meinem Blick stand und war sich absolut der Macht bewusst, die sie in diesem Moment besaß. Obwohl Susannah mich nicht loswerden konnte, konnte sie meine Bemühungen um Willow doch deutlich erschweren.

»Stimmt das, Miss Madizza?«, hakte Susannah nach. In diesem Moment kam Iban um die Ecke und rieb sich verlegen dreinschauend seinen Nacken. Ich überlegte, was er gesehen haben mochte, was ihn dazu gebracht hatte, die Hilfe der Covenant zu suchen.

Ich hoffte, er hatte gesehen, wie Willow sich an meinem Schwanz rieb, während ich meinen Mund an ihren Hals gelegt hatte.

Alle Anzeichen von Arroganz verschwanden aus Willows Gesicht, als sie sich gegen meinen Griff zu ihrer Vorfahrin umdrehte.

»Ich habe nicht eingewilligt, dass er sich von mir ernährt«, sagte sie und drückte ein weiteres Mal gegen meine Brust.

Unter den Augen der Zuschauenden gab ich nach und ließ sie frei.

Sie drehte mir den Rücken zu, schritt auf Susannah zu und nahm ihr den Apfel aus der Hand. Die Covenant hätte ihn nicht essen können, doch war dies zu Lebzeiten ihr Lieblingsobst gewesen, weshalb man sie oft mit einem Apfel in der Hand antraf. Er erinnerte sie an das Leben.

Susannah warf Willow einen scharfen Blick zu, als die junge Hexe den Apfel zum Mund führte und langsam ihre Zähne darin versenkte, während sie in meine Richtung grinste. Ich stützte beide Hände erneut auf dem Tisch ab und das Holz knackte unter meinem kräftigen Griff. Nur so konnte ich die Kontrolle zurückgewinnen, nur das hielt mich davon ab herauszufinden, wie sich diese kleinen bösartigen Zähne an meiner Kehle anfühlten.

Damit ging Willow weiter und durch die Tür hinaus, wohin Iban ihr augenblicklich folgte. Erst als er hinaus war, hob sie ihre freie Hand und knallte die Tür laut zu, ohne sich noch einmal umzusehen.

Ihr Abgang war etwas dramatisch, aber für ihr Fingerspitzengefühl hatte sie sich Punkte verdient.

»Sie macht uns noch Ärger«, gab Susannah zu und ließ den Arm sinken, da sie nun keinen Apfel zum Betrachten mehr hatte.

Ich nickte und ersparte mir die Mühe, über diesen Punkt zu diskutieren. Mehr als ein Mal hatte ich genau das bereits gedacht.

»Nur ein Grund mehr, dass Sie sich von ihr fernhalten. Behalten Sie Ihre Zähne bei sich und Ihren Schwanz in der Hose, wenn es um meine Enkelin geht. Was auch immer das zwischen Ihnen beiden ist, es endet hier«, fauchte sie und wendete sich ab, als wäre das damit entschieden.

»Und wenn ich damit nicht einverstanden bin?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und erhob mich von der Pultkante.

Die Covenant blieb stehen, wandte mir das Gesicht zu und presste die Kiefer aufeinander. »Sie kennen die Regeln.«

»Ich kann bis zur Ernte warten«, antwortete ich, als mich die Hitze ihres Blicks traf. In ihrer Äußerung hatte eine Warnung gelegen, die ich nicht beachten wollte.

»Sie haben vor, ein Dominium aufzurufen?« Die Covenant schlug die Hände zusammen. »Ich habe Pläne für Willow. Ich werde es nicht tolerieren, wenn Sie mir in die Quere kommen.«

»Das Dominium ist mein gutes Recht, mir ist es erlaubt, diesen Besitzanspruch zu erheben. Sie können mich nicht davon abhalten«, antwortete ich grinsend, als ich auf sie zutrat. Im Gegenteil – das Wissen, wie vehement sie sich gegen meinen Besitzanspruch auf Willow wehrte, trieb mich nur noch mehr an, ihn durchzusetzen. Das Dominium , ein archaisches Gesetz, das noch älter war als die Ernte, erlaubte es mir, in all den Jahrhunderten meines Lebens eine Hexe – nur ein Leben – vom Zugriff aller anderen Hüllen auszuschließen.

Sie würde nur mich ernähren und niemanden sonst.

»Ein Recht, das Sie in all den Jahrhunderten noch nie in Anspruch genommen haben! Warum sie? Warum jetzt?«, wollte Susannah mit wachsendem Zorn wissen. Mochte ihr in ihrem natürlichen Zustand auch alle Magie genommen worden sein, so besaß sie immer noch die von allen Häusern des Hexenzirkels stammende rohe Magie, mit der sie zurückgebracht worden war.

Zusammen mit Charlottes Fähigkeit, das wieder zu reanimieren, was bereits tot gewesen war, war sie mehr als nur ein Gerippe.

»Ich mag, wie sie schmeckt.« Ich schob meine Hände in die Hosentaschen.

»Das ist ein Fehler«, erklärte die Covenant und trat einen Schritt zurück. Sie versuchte nicht, mich davon abzubringen, sondern ging zur Tür, die sie mit einem Luftstoß öffnete. Ich konnte ihr nicht einmal widersprechen. Mich auf das Dominium zu berufen, war ein neuer Tiefpunkt für mich, eine erneute Ausweitung der Kontrolle, an die ich mich verzweifelt klammern wollte.

In diesem Augenblick hoffte ich nur, Willow irgendwie aus meinem System herauszubekommen und meinem Körper Zeit zu geben, damit er sich bald zu meinen Bedingungen mit ihr zu langweilen begann.

»Susannah?«, rief ich ihr nach, als sie gerade auf die Türschwelle trat. »Sie darf es nicht wissen.«

»Sie wollen nicht, dass sie erfährt, dass Sie ein Dominium für sie aufgerufen haben?«, fragte Susannah zweifelnd, als versuche sie zu erkennen, was genau für ein Spiel ich hier spielte.

Willow sollte es niemals erfahren, oder falls doch, stünde Susannah bereits mit einem Fuß in einem Grab, aus dem sie kein zweites Mal entkommen würde.

»Ich sage es ihr, wenn ich so weit bin«, erklärte ich und wartete, bis Susannah nickte. Sie konnte mir nicht widersprechen, nicht in diesem Fall.

Willow gehörte mir.