Sage nichts basiert auf vier Jahren Recherche, sieben Ausflügen nach Nordirland und Interviews mit über hundert Menschen. Aber ganz im Geiste des Buchtitels haben sich auch viele Menschen geweigert, mit mir zu sprechen — oder sie fingen damit an und machten dann doch einen Rückzieher. Es mag seltsam anmuten, dass Geschehnisse, die fast ein halbes Jahrhundert zurückliegen, noch immer so viel Angst und Schmerz hervorrufen. Aber in Belfast ist Geschichte, wie das Buch hoffentlich verdeutlicht, stets präsent und gefährlich.
Das Gedächtnis kann verworren sein. Deshalb habe ich wo immer möglich versucht, individuelle Erinnerungen zu verifizieren. Wenn zwischen verschiedenen Darstellungen Ungereimtheiten auftauchten, habe ich im Haupttext des Buches die plausibelste Version der Geschehnisse verwendet und in den Endnoten auf alternative Berichte oder abweichende Nuancen hingewiesen.
Dies ist kein Geschichts-, sondern ein erzählendes Sachbuch. Kein Dialog oder Detail wurde erfunden oder ausgedacht; in Fällen, in denen ich die Gedanken einer Person beschreibe, hat diese sie mir oder jemand anderem erzählt — so wie in den Endnoten jeweils ausgeführt. Da ich einen ganz bestimmten Teil der Geschichte erzählen wollte, werden einige wichtige Aspekte der Troubles ausgelassen. Der loyalistische Terror etwa, um nur ein Beispiel zu nennen. Wenn Sie einen Aber-was-ist-denn-mit-Reflex verspüren, verweise ich Sie gern auf eines der vielen exzellenten Bücher, die in den Endnoten zitiert werden und die sich ausgiebiger mit den Troubles befassen — oder sich auf ein bestimmtes Thema konzentrieren, das Sie hier womöglich vermisst haben. Da die Geschichte der Troubles so aufwühlend ist und so oft von subjektiven Meinungen verzerrt wird, gibt es zu einigen der in diesem Buch beschriebenen Episoden kontroverse, auseinandergehende Interpretationen. Solche Debatten werden hier nicht in der zentralen Erzählung, sondern in den Endnoten angesprochen.
Zusätzlich zu den Interviews basiert das Buch auf umfangreicher Archivforschung. Dazu gehören viele zeitgenössische Zeitungsberichte, ebenso unveröffentlichte Briefe und E-Mails, kürzlich freigegebene Staatsdokumente, veröffentlichte und nicht veröffentlichte Memoiren, Propaganda, eidesstattliche Erklärungen, mündliche Vernehmungen unter Eid, Untersuchungsberichte, Gutachten von Gerichtsmedizinern, Zeugenaussagen, Tagebücher, Archivmaterial inklusive Fotografien und die Aufnahmen von Telefongesprächen. Beim Erzählen der Geschichte der Familie Price war ich stark auf zwei unveröffentlichte Interviews mit Dolours Price angewiesen. Das eine wurde 2003 von Tara Keenan-Thomson geführt, das andere 2010 von Ed Moloney.
Obwohl das Buch hauptsächlich auf meiner eigenen Berichterstattung aufbaut, speist es sich auch aus der bahnbrechenden Arbeit einer ganzen Reihe von Langzeit-Chronisten der Troubles. Unter ihnen vor allem Susan McKay, David McKittrick, Ed Moloney, Peter Taylor, Mark Urban, Martin Dillon, Richard English, Tim Pat Coogan, Malachi O’Doherty, Suzanne Breen, Allison Morris und Henry McDonald. Für die ersten Kapitel habe ich außerdem die Berichte von Simon Winchester und Max Hasting verwendet. Außerdem berufe ich mich auf einige Dokumentationen, insbesondere Disappeared (1999), The Disappeared (2013) und Ed Moloneys Film I, Dolours (2018).
Gerry Adams gibt viele Interviews, aber als er das Thema meiner Anfrage erfuhr, hat er es abgelehnt, mit mir zu sprechen. Über einen Stellvertreter schickte er ein Statement, in dem unter anderem stand, dass das »oral history«-Projekt des Boston College ein »zutiefst fehlerbehaftetes, schäbiges und eigennütziges Bestreben ist«, und in dem er Ed Moloney und Anthony McIntyre als »allseits bekannte Gegner der Sinn-Féin-Führung und der Friedensstrategie der Partei« bezeichnete. Adams leugnet weiterhin, den Mord an Jean McConville angeordnet zu haben oder jemals Mitglied der IRA gewesen zu sein. Doch Dinge zu leugnen, von denen alle wissen, dass sie wahr sind, hat eine Kehrseite: Was auch immer man fortan sagt, verliert unweigerlich an Wert. Um Adams als Person beschreiben zu können, war ich auf die Erinnerungen zahlreicher Leute angewiesen, die mit ihm in der IRA gedient haben, sowie auf die große Anzahl an Interviews, die Adams gegeben hat, und auf seine eigenen biografischen Schriften.
Als ich das Projekt 2014 begonnen habe, gab mir Ed Moloney die vollständige, ungeschwärzte Abschrift von Brendan Hughes’ Boston-College-Interview, das zu einer unverzichtbaren Quelle wurde. Abgesehen von dieser oral history jedoch, ließ keiner der am Belfast-Projekt Beteiligten mir auch nur ein einziges Interview zukommen. Ich hatte nie Zugang zu den oral histories von Dolours Price, Ivor Bell oder irgendeinem anderen der Teilnehmer, auf die im Buch Bezug genommen wird, auch wenn ich einige dieser Gespräche rekonstruieren konnte, indem ich Anthony McIntyre interviewte. Die Boston Tapes hatten unangetastet bleiben sollen, wie Flaschen in einem Weinkeller, bis zu jenem Zeitpunkt irgendwann in der Zukunft, da die Teilnehmer tot wären. Dann hätten Wissenschaftler ihre Aussagen auswerten dürfen, um sich einen Reim auf die Troubles zu machen. Doch stattdessen wurden die Tapes zu strafrechtlichen Beweismitteln — und zu einer politischen Waffe. Zur Verfolgung alter Straftaten wurden sie also verwendet. Für Forschungszwecke hingegen, so scheint es mittlerweile, werden sie wohl nie zugänglich gemacht werden.
Vor einigen Jahren begann das Boston College damit, die Menschen, die am Projekt teilgenommen haben, darüber zu informieren, dass sie ihre Interviews zurückbekommen könnten. Die Universität hatte sich beim Umgang mit einem solch explosiven Material durch ihre eigene Unachtsamkeit die Finger verbrannt, nun wollte man die Verantwortung als Hüter der Tapes abstreifen. Viele der Teilnehmer nahmen das Angebot der Universität an. Einer von ihnen war Ricky O’Rawe. Eines Tages erhielt er eine Kiste vom Boston College, in der sich die Aufnahmen und Abschriften seiner Gespräche mit Mackers von vor über einem Jahrzehnt befanden. Zunächst konnte sich O’Rawe nicht entscheiden, was er damit anfangen sollte. Dann hatte er eine Idee. Er brachte die CDs und Abschriften in das Arbeitszimmer in seinem Haus und zündete dort den Ofen an. Anschließend öffnete er einen feinen Bordeaux und goss sich ein Gläschen ein. Das Licht des Feuers reflektierte auf den gerahmten Fotografien, die sich an der Wand aneinanderreihten: Bilder alter Freunde und Kameraden aus den Troubles, von denen viele mittlerweile tot waren. Es gab auch eine Kopie der Proklamation von 1916, in der Patrick Pearse die Unabhängigkeit Irlands verkündete, sowie eine Fotografie von Brendan Hughes. O’Rawe warf die Zeugnisse seiner Aussagen in die Flammen. Dann trank er den Bordeaux und sah dabei zu, wie alles verbrannte.