Rapport
Dass er nicht bei der Sache war, mussten die anderen längst gemerkt haben. Ole nahm an einem der beiden schlichten Tische ganz vorn im Raum Platz und sah in die Gesichter der versammelten Presse.
Nach wenigen Augenblicken war er sich sicher, dass er nur zwei anwesende Journalisten schon einmal gesehen hatte. Sie arbeiteten für eine große Hamburger Boulevardzeitung und das Regionalprogramm eines privaten TV-Senders. Er kannte sie nur deshalb, weil sie ihm auch bei den Ermittlungen letzten Herbst in Grömitz aufgefallen waren. Sie waren aufdringlich gewesen, aber Ida-Marie hatte ihre Fragen souverän pariert.
Immer wieder warf Ole einen verstohlenen Blick auf sein Handy. Nachdem er Danuta heute Morgen geschrieben hatte, dass er sich bei ihr melden würde, war eine Weile Ruhe gewesen. Aber als er später wieder an seinem Schreibtisch gesessen hatte, war es mit der Bombardierung durch WhatsApp und Anrufe weitergegangen.
Sie hatte ihm weitere anzügliche Nachrichten und Fotos geschickt, aber auch die klare Ansage, dass er nicht zu glauben brauche, sich klammheimlich davonstehlen zu können. Sie werde darauf bestehen, dass sie sich wiedersahen. Und dann werde sie ihm noch viel mehr zeigen. Denn das gestern sei lediglich der Anfang gewesen.
Die Sache setzte ihm von Stunde zu Stunde mehr zu. Es gelang ihm nur noch unter größter Anstrengung, sich auf die Ermittlungen zu konzentrieren. Fast machte Danuta ihm Angst. So schnell, wie er ihr gestern verfallen war, so abrupt war das Ganze anschließend gekippt.
Sie stalkte ihn nicht nur. Es war, als fordere sie ein, ab jetzt nur noch ihr zur Verfügung zu stehen. Als wäre er ihr Besitz. Dabei war es doch nur eine schnelle Nummer gewesen, die zweifellos auch mit ihm etwas gemacht hatte. Er war in den Stunden danach wie auf Drogen gewesen, wie schwerelos war er durch die Stadt gefahren und hatte nur noch an diese Frau gedacht, die nicht nur mehr als zehn Jahre älter war als er, sondern in erster Linie die Leiterin des Rechtsmedizinischen Instituts. Nichts daran war verboten, trotzdem wollte er auf gar keinen Fall, dass jemand davon erfuhr. Und schon gar nicht, dass sie es in ihrem Büro getan hatten, kurz nachdem sie im Sektionssaal neben der Leiche von Jan Ahrens gestanden hatten.
Was sollte er tun? Ihr einfach geben, was sie von ihm wollte? Immerhin käme auch er auf seine Kosten. Aber was folgte dann als Nächstes? Sie würde ihn vielleicht zu ihrem Sklaven, ihn komplett von sich abhängig machen. Es war vollkommen verrückt. Kaum vierundzwanzig Stunden waren vergangen, aber er hatte das Gefühl, als würde sie ihn schon seit Wochen bedrängen. Es schnürte ihm regelrecht die Luft ab.
Er schob seine Gedanken beiseite, als er sah, dass Ida-Marie den Raum betreten hatte und durch den schmalen Gang zwischen den Stuhlreihen näher kam. Sie sah angespannt aus.
Weil sich keiner der anderen gemeldet hatte, war sie nach der Besprechung noch einmal auf ihn zugekommen und hatte ihn gebeten, sie heute bei der PK zu begleiten. Ole war nicht begeistert, aber er empfand es durchaus auch als Anerkennung seiner Arbeit, dass er in die Kameras schauen und vielleicht die eine oder andere Frage für die Medien beantworten durfte.
Sie hatten vereinbart, heute mit den Namen der Opfer offen umzugehen. Dass Jan Ahrens tot war, hatte sich ohnehin in Lübeck und Umgebung wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Auf den Social-Media-Kanälen gab es Postings mit Hunderten Beileidsbekundungen, Kommentaren und Gerüchten, denen sie heute, so gut es ging, entgegentreten mussten. Elif und zwei Kollegen aus dem Kommissariat für Computerkriminalität hatten sich schon heute Mittag darangesetzt, die verschiedenen Portale zu durchforsten. Sowohl auf der Suche nach strafrechtlich zu verfolgenden Kommentaren als auch in der Hoffnung, den einen oder anderen Hinweis aus der Bevölkerung zu finden.
»Wir sind heute nicht allein«, sagte Ida-Marie leise zu ihm, als sie sich gesetzt hatte. »Die Frau Polizeipräsidentin und die Oberstaatsanwältin haben sich angekündigt.«
»Hat das etwas zu bedeuten?«
»Nein, eigentlich nicht. Zeichner hat früher auch immer danebengesessen, wenn Birger und ich uns der Presse gestellt haben.«
Franz Zeichner, der ehemalige Polizeipräsident. Ole hatte ihn nicht mehr kennengelernt, aber sein Vater hatte ihm irgendwann erzählt, dass sich Zeichner vor ein paar Jahren in der Tiefgarage des Präsidiums das Leben genommen hatte. Im Nachhinein hatte sich herausgestellt, dass er in einen der größten Kinderpornografieskandale Norddeutschlands verwickelt gewesen war.
Er fragte sich, ob er in den nächsten Jahren auch solche Schicksale und Dramen erleben würde. Und wurde sich sofort bewusst, dass er bereits mittendrin steckte und sogar ein sehr aktiver Teil des Ganzen war, als er sah, dass sein Display wieder aufleuchtete, weil Danuta ihm eine weitere Nachricht geschrieben hatte.
Ole war fest entschlossen, sie zu ignorieren, wenigstens so lange, bis die PK vorbei war. Aber im nächsten Moment siegte bereits seine Neugier. Er hielt seine rechte Hand schützend über das Display, damit Ida-Marie nichts erkennen konnte, und öffnete die App. Er hatte mit einem weiteren anzüglichen Foto gerechnet oder der Aufforderung, heute Abend bei ihr vorbeizukommen, um »die zweite Lektion zu lernen«, wie sie es letzte Nacht bereits einmal geschrieben hatte.
Was er aber sah, war ein Foto von Danuta neben einem Seziertisch, auf dem der Oberkörper einer Frau zu erkennen war. Er vermutete, dass es sich um Caroline Ahrens handelte. Darunter stand eine kurze Nachricht:
»Gerade ein paar interessante Dinge entdeckt. Und ich meine nicht die Schusswunden. Außerdem wurde mit ziemlicher Sicherheit eine Hymenrekonstruktion vorgenommen. Wir sollten telefonieren. Oder besser noch, du kommst vorbei.«
Ole starrte auf sein Handy und versuchte zu verstehen, was Danuta mit dieser WhatsApp sagen wollte. War das eine neue Strategie, oder hatte sie bei der Obduktion von Caroline Ahrens’ Leiche tatsächlich etwas so Interessantes gefunden, dass sie unbedingt mit ihm sprechen musste? Und was zum Himmel war eine Hymenrekonstruktion?
»Ole, es geht los.« Ida-Marie warf ihm einen strengen Blick von der Seite zu. Er hatte nicht einmal mitbekommen, dass Solveig Schröder und die Oberstaatsanwältin sich bereits neben sie gesetzt hatten.
»Ja, natürlich«, sagte er leise, noch immer irritiert von dem, was Danuta ihm eben geschrieben hatte. »Ich bin bereit.« Er steckte das Handy weg, um seiner Chefin zuzuhören.
Nach ein paar einführenden Worten der Polizeipräsidentin, die Ole als seltsam distanziert und bürokratisch empfand, übernahm Ida-Marie das Wort. Sie begrüßte die anwesenden Medienvertreter mit dem notwendigen Ernst, aber auch einer gewissen Emotionalität, die er bei ihr bislang selten erlebt hatte. Es dauerte nicht lange, bis sie zur Sache kam und von dem Mord an Caroline Ahrens berichtete. Ohne zu viele interne Informationen aus den Ermittlungen preiszugeben, präsentierte sie ihren aktuellen Erkenntnisstand und klärte darüber auf, dass sie eine grenzübergreifende Großfahndung nach dem potenziellen Täter ausgerufen hatten. Mit der Begründung, dass der Verdächtige sich womöglich ins Ausland abgesetzt habe.
Ida-Marie endete schließlich mit dem Hinweis, dass die Ermittlungen gerade einmal einen Tag liefen und vieles sich noch in einem dynamischen Prozess befinde. Neben der Suche nach dem Verdächtigen würden sie weiteren Spuren nachgehen, auch um die Motivlage abzusichern.
Während Ole noch darüber nachdachte, ob sie nicht vielleicht etwas zu viel verraten hatten, was unweigerlich zu Nachfragen führen würde, hob einer der Journalisten in der ersten Reihe die Hand. Ida-Marie nickte ihm zu.
»NDR, Studio Lübeck«, sagte der Mann. »Verstehe ich das richtig, bei der Toten, die heute Morgen in ihrem Auto gefunden wurde, handelt es sich um die Schwester von Jan Ahrens, dem bekannten Gastronomen?«
»Das ist richtig.«
»Gehen Sie denn davon aus, dass das Ganze eine familiäre Angelegenheit ist?«
»Das ist sicherlich ein Ansatz, den wir verfolgen. Neben einigen anderen.«
»Da Sie bereits einen mutmaßlichen Täter im Visier haben, denken Sie offenbar in eine ganz bestimmte Richtung. Können Sie mehr dazu sagen?«
»Es gibt immer Spuren, die vielversprechender sind als andere. Das muss aber nichts heißen, Ermittlungen können ständig die Richtung wechseln. Wir bekommen laufend neue Hinweise herein, die wir prüfen, und richten unsere Arbeit entsprechend aus.«
»Was heißt ›grenzübergreifend‹?«, fragte eine Frau um die fünfzig, die schräg hinter dem Mann vom NDR saß. Mit ihrem gewellten dunkelblonden Haar, dem eleganten beigen Hosenanzug und den weißen Absatzschuhen passte sie nicht richtig hierher, fand Ole. Eher wirkte es, als würde sie üblicherweise von Filmpremieren oder Galas auf dem roten Teppich berichten.
Er erwischte sich dabei, sie ein paar Sekunden zu lange anzustarren. Hatte sie ihm daraufhin gerade etwa ein Lächeln zugeworfen? Ole schüttelte sich innerlich und wandte seinen Blick von der Frau ab.
»Aktuell bedeutet das, wir suchen in erster Linie in Deutschland und Dänemark«, antwortete Ida-Marie geduldig.
»Weshalb in Dänemark?«, fragte eine Frau, die recht weit hinten saß.
»Die schon wieder«, murmelte Ida-Marie und räusperte sich anschließend, um Zeit für eine Antwort zu gewinnen.
Ole hätte gern nachgefragt, wer diese Journalistin mit den langen dunkelbraunen Haaren und den auffallend großen grünen Augen war und weshalb Ida-Marie sich offenbar an ihrer Anwesenheit störte, aber dafür war nicht die Zeit.
»Dazu können wir aus ermittlungstaktischen Gründen nichts sagen«, antwortete Ida-Marie schließlich im Polizeijargon.
»Hängt es etwa damit zusammen, dass Jan Ahrens’ Bruder Henning in Kopenhagen lebt?«, fragte die Frau.
»Kein Kommentar.«
»Aber stimmt es nicht, dass die beiden zerstritten waren?«
Ole beobachtete abwechselnd Ida-Marie aus dem Augenwinkel und die Journalistin, die er auf höchstens Anfang dreißig schätzte. Sie schien bestens informiert zu sein. Offenbar hatte sie eigene Erkundungen im Umfeld der Familie Ahrens angestellt.
»Wir würden Sie bitten, mit dieser Art von Vermutungen sehr vorsichtig umzugehen«, reagierte Ida-Marie nun deutlich schärfer. »Die Motivlage ist derzeit noch vollkommen unklar. Hier gehen wir mehreren Ansätzen nach.«
»Ist es richtig, dass Caroline Ahrens als Betriebsleiterin im Stammhaus von Kutterfutter gearbeitet hat?« Jetzt war es wieder die ältere Frau, von der Ole eben so gefangen gewesen war, die ihre Frage in den Raum warf.
»Das stimmt, soweit wir wissen, allerdings nur aushilfsweise, weil die bisherige Betriebsleiterin gekündigt hatte.«
»Dann besteht also die Möglichkeit, dass sich die Morde auch direkt gegen die Restaurantkette richten?«, fragte ein angegrauter Mann, der hinter der Stuhlreihe an der Wand lehnte und einen Notizblock in der Hand hielt. Er trug ein altmodisches Sakko mit Ellenbogenpatches und eine Cordhose. »Vielleicht steckt eine Tierschutzorganisation dahinter, die gegen die Überfischung eintritt. Immerhin wird in den Restaurants jede Menge Fisch angeboten, der eigentlich nicht mehr auf die Teller kommen darf, weil er kaum noch in der Ostsee vorkommt.«
»Auch eine Theorie, der wir nachgehen. Aber aktuell nicht die wahrscheinlichste.«
Ole blickte wieder zur Seite. Ida-Marie machte das wirklich professionell. Obwohl sie nicht ein einziges Mal darüber gesprochen hatten, dass die Taten vielleicht von militanten Tierschützern begangen worden waren, tat sie so, als würden sie ernsthaft darüber nachdenken. Aber auch ein riskantes Spiel, wenn jemand sie durchschaute.
»Noch einmal zu dem Mord an Caroline Ahrens«, setzte der Mann vom NDR an. »Habe ich Sie vorhin richtig verstanden, dass die tödlichen Schüsse bereits gestern Abend gefallen sind?«
»Davon gehen wir aus.«
»Und das Ganze fand auf offener Straße statt?«
»Das Opfer wurde hinter dem Steuer seines Wagens erschossen. Wir wissen nicht, ob der Täter mit im Wagen gesessen hat. Aber wir sind uns sicher, dass nicht durch die geschlossene Tür geschossen wurde.«
»Können Sie denn aktuell ausschließen, dass es zu weiteren Morden kommt?«
Die Fragen kamen jetzt aus allen Richtungen. Diesmal war es der Mann von der Hamburger Boulevardzeitung.
»Wir können derzeit leider nichts ausschließen«, antwortete Ida-Marie ehrlich. »Aber es existiert auch keine akute Gefahrenlage.«
»Gab es die denn, bevor Caroline Ahrens ermordet wurde?«
»Nein, so wie sich die Lage dargestellt hat, konnten wir nicht davon ausgehen, dass es zu einem weiteren Mord kommt.«
»Das klingt nicht gerade beruhigend.«
Ole spürte, dass die Situation sich anders entwickelte, als sie sich das vorgestellt hatten. Die Fragen wurden zunehmend kritisch, und vielleicht waren sie doch nicht gut genug vorbereitet.
»Es gibt keinerlei Grund für die Bevölkerung, sich Sorgen zu machen.« Ida-Maries Worte, mit denen sie eigentlich klarmachen wollte, dass sie die Lage unter Kontrolle hatten, schienen das Gegenteil zu bewirken. In den Gesichtern der anwesenden Journalisten waren mehr Fragezeichen und Verunsicherung zu sehen als zu Beginn der PK.
Ole überlegte einzugreifen. Nur wie, wenn er seine Chefin nicht bloßstellen oder ihr sogar in den Rücken fallen wollte? Er würde es sehr vorsichtig formulieren. »Wir arbeiten gerade –«
»Wenn es keine weiteren Fragen gibt, schlage ich vor, dass wir die Pressekonferenz an dieser Stelle beenden«, fuhr Solveig Schröder ihm barsch über den Mund. »Sobald neue Erkenntnisse vorliegen, die wir mitteilen können, werden wir Sie kurzfristig informieren.«
»Eine Frage noch«, meldete sich erneut die Journalistin mit den braunen Haaren zu Wort. »Glauben Sie, dass Malin Klein, die Ex-Freundin von Jan Ahrens, etwas mit der Sache zu tun hat?«
Jetzt war es Ida-Marie, die zu Ole herübersah. Ihr Blick verriet, dass sie keine Ahnung hatte, worauf diese Frau hinauswollte. Und was sie womöglich noch alles wusste.
»Im Rahmen der Ermittlung beschäftigen wir uns selbstverständlich mit allen Personen, die den Opfern nahestanden«, antwortete Ole nun und hoffte, einigermaßen überzeugend zu klingen. »Aber das bedeutet natürlich nicht, dass sie irgendetwas mit den Taten zu tun haben. Darf ich fragen, wie Sie darauf kommen?«
»Nun, wenn ich mich nicht völlig irre, habe ich einen Ihrer Kollegen gesehen, als ich mich dort ein wenig umgesehen habe. Ich empfehle Ihnen, mal ein Auge auf den aktuellen Freund von Malin Klein zu werfen. Irgendetwas stimmt mit ihm nicht, wenn Sie mich fragen.«
Wieder blickte Ida-Marie zu Ole rüber. Er zuckte mit den Schultern, weil er nicht wusste, welchen Kollegen sie meinte. Aber eine Ahnung hatte er schon. Und Ida-Marie mit Sicherheit auch. Morten hatte ihnen die Erkenntnisse eben in der Besprechung doch selbst präsentiert. Natürlich hatte er eine andere Quelle genannt, aber in Wahrheit war er offenbar selbst bei Malin Klein gewesen und hatte dort wahrscheinlich auch ihren Freund kennengelernt.
»Vielen Dank für den Hinweis«, sagte Ole nun rasch. »Auch diese Tatsache ist uns bekannt. Wir beobachten die Situation ganz genau. Momentan besteht jedoch kein Anlass, diesen Mann wegen irgendetwas zu verdächtigen, was im Zusammenhang mit den beiden Mordfällen steht.«
»Gut, dann machen wir hier jetzt aber wirklich Schluss«, sagte die Polizeipräsidentin und nickte den anwesenden Medienvertretern zu. Dann stand sie auf und warf Ida-Marie einen Blick zu, den Ole nicht deuten konnte. Zufriedenheit, da war er sich sicher, sah allerdings anders aus.
Wortlos verließen sie den Raum im fünften Stockwerk des Behördenhochhauses in Richtung Flur, vorbei an den Journalisten, die sie allzu gern noch weiter gelöchert hätten. Ole warf der Frau mit dem Hosenanzug ein Lächeln zu, aber sie schien ihn komplett zu ignorieren. Sogleich schämte er sich. Diese Frau war bestimmt zwanzig Jahre älter als er. Was stimmte eigentlich nicht mit ihm, seit Danuta sich vor ihm entblößt hatte?
Er versuchte, sich zu sammeln, während er weiterging, und rief sich die letzten Minuten der PK noch einmal in Erinnerung. Tatsächlich war er überrascht, wie offensiv die Journalisten ihre Fragen gestellt hatten. Es schien ihnen längst nicht mehr nur um reine Berichterstattung zu gehen, er hatte mehr denn je das Gefühl, sie wollten ihre eigenen Ermittlungen führen. Vor allem diese Frau mit den braunen Haaren und den riesigen grünen Augen war auffallend forsch und verfügte über Informationen, die bislang nur der Kripo bekannt sein sollten.
Solveig Schröder, die neben der Oberstaatsanwältin vor ihnen herging, drehte sich kurz um und raunte Ida-Marie etwas zu, das Ole nicht verstehen konnte, weil er ein paar Meter hinter ihnen lief. Wahrscheinlich hatte sie gerade zum Rapport in ihr Büro gebeten, weil sie von der PK alles andere als begeistert war. Und wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass sie recht hatte. Sie hatten ab einem bestimmten Punkt keine gute Figur mehr abgegeben und auf die meisten Fragen ziemlich ausweichend reagiert.
Ein wenig hatte Ida-Marie aber auch dazu beigetragen, dass die Stimmung im Raum argwöhnischer wurde, je länger die PK andauerte. Sie hätten sich gründlicher vorbereiten müssen. Noch besser wäre es wohl gewesen, sie hätten heute ganz auf diesen Termin verzichtet.
Er sah, wie Ida-Marie ihr Handy zückte, jemand schien sie anzurufen. Im nächsten Augenblick meldete sie sich mit einem kurzen »Ja?«.
Sie blieb stehen und hörte zu. Das Telefon dicht ans Ohr gepresst. »Absolut sicher?«, fragte sie.
Es folgte eine kurze Stille, in der nur noch die Schritte der Polizeipräsidentin und der Oberstaatsanwältin auf dem Linoleumboden zu hören waren.
»Okay, sie sollen sich nicht vom Fleck rühren. Wir schicken alle verfügbaren Einheiten.« Dann bedankte sie sich und legte auf. Langsam drehte sie sich zu Ole um.
»Was ist los?« Ole, der ebenfalls stehen geblieben war, sah sie mit einem mulmigen Gefühl an.
»Das Auto von Henning Ahrens wurde gefunden.«
»Und wo?«
»Auf dem Priwall.«