Raku hatte seine Füße im warmen Sand vergraben, wackelte träge mit den Zehen und ließ mit gesenkten Lidern den Blick über das Meer schweifen. Die flachen, türkisfarbenen Wellen glichen einem wogenden Seidentuch. Noa war bis zur Hüfte hineingelaufen und strich mit den Fingerkuppen vorsichtig über die schimmernde Oberfläche des Wassers. Seine Lippen umspielte ein verträumtes Lächeln und er schien ganz in dem Moment verloren zu sein.
Es war zu einer von Rakus Lieblingsbeschäftigungen geworden, seinen Geliebten einfach nur zu beobachten. Das Licht auf seiner Haut schmeichelte seinen Muskeln und verwandelte die feinen Härchen scheinbar in Gold. Sein Mund war leicht geöffnet und zeigte ein entspanntes Schmunzeln. Seine blauen Augen reflektierten das Licht der Wasseroberfläche und schauten verträumt durch ein paar lose Haarsträhnen. Tiefe Atemzüge weiteten seinen Brustkorb und die salzige Meeresluft schien auf seiner Zunge zu zergehen.
Ich brauche sonst nichts , stellte Raku fest. Ein einfacher, klarer Gedanke.
Er wollte einfach nur mit Noa sein. Konnte das Leben so einfach und wunderbar sein? Scheinbar schon.
Sein Freund richtete sich auf und watete durch das flache Wasser Richtung Strand. Einige Passanten warfen ihm interessierte Blicke zu. Noa hob spitzbübisch einen Mundwinkel, ignorierte sie dann jedoch, um sich ihm zuzuwenden. Raku grinste stolz.
»Hey!«, rief er und richtete sich auf. »Hast du Lust auf eiskalte Wassermelone?«
Noa nickte eifrig und machte sich daran, ihm entgegenzulaufen, doch Raku schüttelte lachend den Kopf und machte eine Geste zu einem der Verkaufsstände in den Dünen.
»Ich geh schon!« Er rappelte sich auf und spazierte davon.
Schmunzelnd blickte Noa ihm hinterher und ertappte sich dabei, wie er Gefallen an Rakus breiten Schultern und den Bewegungen seiner Schulterblätter fand. Ein warmes Kribbeln wirbelte durch seinen Bauch und die Vorstellung, ihn die Wirbelsäule hinabzuküssen, fand sein Körper ziemlich aufregend.
Noas Lächeln erstarb.
Er wandte sich ab und blickte zum fernen Horizont. Die Nahtstelle, an der sich Ozean und Himmel miteinander zu verbinden schienen, jedoch niemals Eins sein konnten, lenkte seine Gedanken auf seine wahre Natur.
Noa beugte sich vor und blickte auf sein Spiegelbild im Meer. Es war nur ein undeutlicher Schemen, dennoch zeigte es die ungeschönte Wahrheit.
Ein grünes und ein graues Auge sahen ihm entgegen.
Lenns Gesicht.
Es wirkte zufrieden, aber war das nicht nur Noa?
»Nein«, wisperte die KI. »Auch du bist glücklich.«
Das Antlitz seines Körpers zeigte keine Regung.
»Ich kann es spüren«, sprach Noa leise weiter und legte sich eine Hand auf seinen Bauch. »Du bist genauso zufrieden wie ich … aber gleichzeitig …«, seine Finger bohrten sich in seine Haut, »… leidest du schreckliche Qualen.«
Das Gesicht im Wasser verzog schmerzerfüllt die Augenbrauen. Die Iriden schienen zu flackern, wie eine defekte Lampe. Blau verblasste und gewährte Grün und Grau ein wenig Raum. Der Körper schnappte nach Luft, verharrte jedoch an Ort und Stelle.
»Ich kann dich mehr teilhaben lassen«, murmelte Noa, dessen Stimme plötzlich einen raueren, tieferen Klang angenommen hatte – nur eine Nuance, aber Lenns etwas ähnlicher. »Mich ein wenig zurückziehen. Im Gegenzug gibst du mir …«, er hielt kurz inne und Rakus Gesicht blitzte in seinen Gedanken auf, »… gibst uns mehr Zeit.«
Lenns Augen zeigten Überraschung, Argwohn und so etwas wie … Hoffnung. Noa streckte seine Hand aus und strich erneut sanft mit den Fingerkuppen über die Wasseroberfläche – dort, wo Lenns Wangen sich reflektierten. Sein Kopf neigte sich. Das Spiegelbild schien sich der Hand entgegenzulehnen.
»Wir beide sind eins«, murmelte die Persona der KI. »Meine Gedanken und Wünsche ebenfalls, aber die Gefühle … mehr als die Hälfte davon gehören dir.« Mit dem Zeigefinger strich er über die Brust des Abbilds hinab bis zum Nabel. Das Wasser warf flache Ringe, die von einer Welle hinfortgetragen wurden »Wie sollte eine KI sexuelle Bedürfnisse haben? Die Handlung fühlt sich gut an, aber die Sehnsucht danach, ist nicht meine … es ist deine.«
Noas Hand glitt wieder nach oben und legte sich flach auf die Wasseroberfläche, wo sich Lenns Brust zeigte. Die andere ruhte auf dem Brustkorb aus Fleisch und Blut. Spiegelbild und Körper reichten einander die Hand.
»Wir teilen uns diesen Körper und … ihn.« Noas Iriden huschten kurz zur Seite. »Sein Geld kauft uns beiden eine würdige Existenz, seine Gefühle geben uns ein echtes Leben.«
Dann blickte er über die Schulter zurück zum Strand, nur im Winkel des rechten Auges.
Öliger Schlick verklebte den Sand und brauner Müll bedeckte die aschefarbenen Dünen, hinter denen fensterlose Wohnblöcke wie tote Zähne in den Himmel aufragten. Verdorrte Palmwedel wehten an toten Stämmen. Kränklich gelbe Schwaden zogen träge am Himmel entlang und entzogen dem Sonnenlicht jegliche Kraft. Zweibeinige Kreaturen mit fleckiger Haut, schlaffen Muskeln und tiefschwarzen Ringen um die sinnentleerten Augen spazierten am schaumigen Wasser entlang – träumten einen endlosen, fernen Traum von Hoffnung.
Dazwischen bewegte sich eine Gestalt des Friedens.
Rakus glanzloses Haar hing über seine Augen, während er mit einem echten Lächeln auf den Lippen und einer Schale mit Melonenecken in den schlanken Fingern zurückkehrte. Nicht ideal, aber genau deswegen viel schöner, als er es selbst erkennen konnte.
Noa lächelte und wandte sich ganz dem Strand zu. Der lichte Vorhang glitt erneut über die Welt. Mit langsamen Schritten kehrte er zum Strand zurück, vorbei an den ideal geformten Menschen, hin zu dem Mann, der ihm mit lebhaften Augen die kalten Früchte präsentierte. Raku ließ sich auf seinem Handtuch nieder und schaute auffordernd zu ihm auf.
Noa setzte sich ganz nah neben ihn, legte den Arm um seine Schultern und zog ihn an sich. Raku schaute ihn kurz überrascht an, doch dann schmunzelte er zufrieden und lehnte sich ihm ein wenig entgegen.
Nur so wenig ist nötig , dachte Noa und schnappte sich spielerisch mit dem Mund ein Stück Melone aus Rakus Fingern.
Lenn genoss die kühle Frische auf seiner Zunge.
Raku lachte auf.
Wir lieben sein Glück.
•
Es war für Lenn noch immer seltsam, durch die schicken Straßen der Hauptstadt zu laufen. Nur vage konnte er sich noch an die Zeit erinnern, als er ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft gewesen war – schön und interessant, wichtig und beachtet. Ein Mensch wie jeder andere auch. Jemand, der mit ganzer Kraft versuchte, den Kreis derer zu erreichen, die in der Welt wirklich etwas bewirken konnten – ganz gleich, was es auch sein mochte.
Die Kluft zwischen der unbedeutenden Herde und den strahlenden Eliten war groß. Der Mythos einer Mittelklasse war gemeinsam mit dem Traum von Gerechtigkeit gestorben. Die meisten Menschen waren arm, doch Bequemlichkeit verdeckte ganz hervorragend diese Wunde. Es war eine nette Idee gewesen, das Konzept von Armut und Reichtum mit materiellen Werten gleichzusetzen. Um die Sinnleere im Leben zu füllen, ergriff man eine zeitgemäß passende Moral und trat als schillernde Paladin für dessen Umsetzung in die Öffentlichkeit. Narzisstische Moralapostel fanden immer wieder neue Sündenböcke für die Übel der Welt. Herrlich einfach – solange man nicht die falschen Fragen stellte.
Lenn stoppte und musterte sein Spiegelbild in einem Schaufenster. Er war ungewohnt sauber. Seine kinnlangen, zerwühlten Haare wirkten auf wirre Art sympathisch. Sein Gesicht bekam durch die heterochromen Augen und herben Züge einen interessanten Touch – trotz der groben Narbe. Seine Hautfarbe erschien immerzu von der Sonne geküsst – ganz im Gegensatz zu der fahlen Färbung, bevor er Raku mit dem Dive als Kunden gewonnen hatte. Die Kosten für die Heilung seines Armes waren schnell zusammengespart gewesen. Mit ein paar Optimierungen durch Holos könnte er mittlerweile wieder eine recht brauchbare Partie sein.
Allerdings reizte ihn nichts mehr daran, sich hübsche Hologramme wie Kleidungsstücke überzustreifen. Früher hatte er gedacht, Erfolg und Ansehen würde die Leere in seinem Herzen füllen können. Doch je einnehmender und strahlender die Welt des Holonets geworden war, desto kürzer währten die Perioden, in denen er sich glücklich gefühlt hatte. Seine daraufhin tägliche Jagd nach Anerkennung fand sein jähes Ende, als er das erste Mal sein Selbst für einen Dive in eine kleine, mentale Zelle wegsperrte. Danach ging es nur noch um das nackte Überleben.
Doch die Zeit mit Raku und Noa war anders. Dieser Dive bot ihm mehr Leben, als es jeder Komfort der normalen Holo-Welt vermocht hatte – und das, obwohl Lenn kaum etwas davon mitbekam. Das sanfte Glimmen in seinem Herzen nach ihrem Zusammensein war ein Leuchtfeuer, dass jede falsche Versprechung der digitalen Welt wie Nebel in der Sonne auflöste.
Lenn lachte bei dem verklärten Gedanken kalt auf.
»Erbärmlich«, knurrte er sein Spiegelbild an. »Ich bin genauso armselig wie die Leute, die ihr Leben im Holonet verheizen. Nichts hat sich geändert.«
Er war ein Voyeur, der sich am Leben anderer ergötzte, weiter nichts. Mit mahlenden Zähnen starrte er sich im Glas an und sah nur Abschaum, der nach einem neuen Kick gierte.
Plötzlich verzerrten sich seine Gesichtszüge. Ein kurzes Flackern verschob seine Nase, als hätte man die Szenerie in einem Film abrupt gewechselt. Es war nur kurz, aber er kannte diese Formen mittlerweile genau.
»Noa«, hauchte Lenn verblüfft.
Die KI kontaktierte ihn ohne Dive ?
Er gab vor, sich genauer für den Inhalt des Schaufensters zu interessieren, und griff sich am Hinterkopf in das dunkle Haar. An der Schädelbasis fand er die Schnittstelle aus Metall und Kunststoff, die das Dive überhaupt ermöglichte. Das mit Narben verwachsene Modul war sorgsam unter einer Schicht aus Kunststoffhaut und -haar verborgen. Lenns Finger rutschten mit einem geübten Handgriff darunter und aktivierten es.
Übelkeit stieg in ihm auf und Hitze schien seine Wangenknochen schmelzen zu wollen. Er drängte das Empfinden mit purer Willenskraft in den Hintergrund, starrte in das Schaufenster und wartete. Nach ein paar Wimpernschlägen blickten ihm Noas himmelblaue Augen in seinem eigenen Gesicht entgegen. Er hätte Lenn komplett überlagern können, wollte aber wohl offenbar nur mit ihm sprechen.
»Danke«, sprach sein eigener Mund, allerdings in Noas Stimmlage.
»Was gibt's«, murmelte Lenn und nahm eine betont lässige Körperhaltung ein, damit niemand der Passanten Verdacht schöpfte.
»Ich … fühle mich schrecklich«, sagte Noa leise.
»Bist du unzufrieden mit unserem Deal?« Lenn steckte seine Hände in die Hosentaschen seiner Jeans und ballte sie zu Fäusten, um das Kribbeln in den Nervenenden der Finger erträglich zu halten. »Es war dein Vorschlag und …«
»Das ist es nicht«, fiel ihm Noa ins Wort und die plötzliche Übernahme inmitten des Satzes, ließ Lenn kurz schwindeln. Nichts, was ein tiefer Atemzug nicht lindern konnte.
»Wie kannst du dich schlecht fühlen?« Ein spöttisches Lächeln stahl sich auf Lenns Lippen. »Du bist nur ein Programm.«
»Ich bin eine KI«, korrigierte Noa ohne jede Verärgerung. »Mir ist daran gelegen, dass es Menschen gut geht. Nur ihr wünscht euresgleichen Schlechtes.«
Lenn schaute schweigend sein Gesicht an, dessen Augen nicht die seinen waren. Dieser simplen Wahrheit hatte er nichts entgegenzusetzen.
»Warum?« Noa stellte eine Frage, die womöglich so alt wie die Menschheit war.
»Tja …« Lenns neues Lächeln zeigte nur Traurigkeit. »Die Antwort ist so einfach, wie sie schwer ist. Menschen sind immer der Meinung, im Recht zu sein. Nur andere machen schwere Fehler und es ist die Pflicht eines jeden guten Menschen, andere an Fehlern zu hindern. Und wenn man doch einen Fehler macht, dann hält man verdammt nochmal die Klappe, damit man sein Gesicht wahrt.«
»Aber … wieso ist ein Mensch sich so sicher, dass seine Ansicht die richtige ist?«, hakte Noa mit aufrichtiger Neugier nach. »Selbst ich als KI muss erkennen, dass die Vorgaben meiner Programmierung vielleicht zweckmäßig, aber nicht immer korrekt sind.«
»Das Gegenteil von gut, ist gut gemeint.«
Mehr hatte Lenn dazu nicht zu sagen.
Noa antwortete nicht und als Lenn schon weitergehen wollte, lähmte ihn plötzlich eine unsichtbare Kraft – die KI hatte offenbar nicht vor, das Gespräch nun zu beenden.
»Ich will nicht, dass du leidest«, sprach sein Spiegelbild mit Noas Stimme.
»Was interessiert es dich, wie es mir geht?« Er schüttelte den Kopf, hob sein Kinn und schaute sich verächtlich an. »Raku hat ein Abo auf dich.«
Die kalte Wahrheit, so scharf wie eine Klinge.
»Ich bin mehr als nur ein Abonnement!«, fuhr Noa auf und zerrte Lenns Körper mit seinen Willen so nah an das Glas, dass dessen Atem es beschlagen ließ. Doch die wütend aufblitzenden Augen weiteten sich auf einmal vor Erkenntnis. »Du denkst, Raku will mich nur, weil ich ideal auf ihn abgestimmt bin. Aber ich habe meine Charaktereigenschaften selbst festlegen dürfen!«
»Klar, im Rahmen deiner Programmierung – und die besagt, dass du ihn glücklich machen willst.« Lenns Worte waren wie Peitschenhiebe auf nackter Haut.
Ätzend kroch Lenns Einsamkeit durch die Venen des geteilten Körpers und warf sich Noa als Waffe entgegen. Diesmal schien es die KI wirklich zu verletzen, denn das fremde Blau flackerte ängstlich in Lenns Augen. Die Persona hielt den Körper jedoch weiterhin eisern im Griff. Sein Mund öffnete und schloss sich wieder, doch kein Wort drang hervor. Lenns Gesichtszüge verformten sich, wurden mehr wie Noas – sanft und traurig.
»Trotz aller Fehler und der Grausamkeiten, die du von dir gibst, will er dich«, flüsterte er. Jede Silbe schien vor Leid zu vibrieren.
Lenn wollte den Kopf schütteln, aber der Willen der KI hielt ihn wie in einem Schraubstock gefangen. Dennoch spürte Noa wohl, dass er anderer Meinung war.
»Wie kannst du das nicht sehen? Ich habe keinen Körper. Der Geruch der Haare, der Geschmack der Lippen, die Wärme der Haut – das alles gehört dir«, sprach Noa mit schwankender Stimme weiter. »Bevor ich in dich krieche wie ein Parasit, spricht er mit dir. Manchmal lädt er dich noch auf eine Kleinigkeit zu essen ein.« Noa hob Lenns Hände und blickte auf dessen Flächen hinab. »Ich mag es nicht, mehreren zu dienen. Es ist wunderbar, allein mit Raku zu sein. Ich brauche dieses Dauer-Abonnement.« Er hob seinen Blick und in seinen Augen lag Bestimmtheit. »Und Raku braucht mich für sein Glück.«
»Na dann ist doch alles geritzt«, erwiderte Lenn, als er spürte, dass Noa ihn wieder zu sprechen gestattete. »Eine wunderbare Zweckgemeinschaft. Manche nennen es wahre Liebe, ich sehe eindeutigen Besitz. Mir einerlei, was ihr miteinander teilt. Ist doch großartig, wenn meine Körperchemie Raku gefällt. Ich verdiene gutes Geld und bin bald raus aus dem Drecksloch, in dem ich lebe.«
Er lächelte grimmig und hob bestätigend einen Daumen. Dennoch wagte er es in diesem Moment nicht, zu atmen. Jedes Wort fühlte sich an wie ein altes Skalpell, das brutal sein Herz aus der Brust sägte.
»Du stirbst«, warf ihm sein eigenes Spiegelbild schonungslos an den Kopf.
Lenn starrte es einfach nur an. Er wagte es nicht zu blinzeln – oder war das Noa, der ihn daran hinderte, seinen Blick auch nur eine Sekunde abzuwenden?
»Bei einer KI sind Analysen an der Tagesordnung. Denkst du, ich hätte nicht bemerkt, dass dich der Dive langsam aber sicher zerstört? Elektrische Impulse, indiziert von etwas anderem als dem eigenen Hirn, können nicht ohne Spuren bleiben.« Noa zwang Lenn unerbittlich ihn weiter anzuschauen, auch wenn dessen Herz plötzlich so schnell schlug, als würde er davon sprinten. »Selbstverständlich landet so eine lukrative Technik ausschließlich auf dem Schwarzmarkt. Verdammt schlechte Publicity für Tech-Firmen, wenn es Menschen die Synapsen aus dem Hirn brennt und Leute den fortschrittlichen Kram nutzen, um notgeile Vergewaltigungsfantasien auszuleben.«
Noas Stimme war eiskalt und berechnend, seine Wortwahl wie die von Lenn.
Hatten beide Persönlichkeiten eine gemeinsame Stimme gefunden?
Die KI-Persona ließ Lenn los, doch der schaute einfach weiter geradeaus und rührte sich nicht. Seine Kiefermuskulatur zuckte, als er mit den Zähnen knirschte.
»Egal«, zischte er.
Noa hob eine seiner Augenbrauen.
Lenn packte sein Shirt vor der Brust und zog heftig daran, sodass die Nähte des Kragens knackten. Sein Atem rasselte und das Weiße seiner Augen nahm eine rötliche Färbung an. Blinzelnd kämpfte er das Brennen darin nieder.
»Lass mich … Raku einfach weiter spüren … lass mich dich weiter fühlen«, sprach er heiser und presste fest seine Lider zusammen, um sein elendes Gesicht nicht sehen zu müssen – das Antlitz eines erbärmlichen Bittstellers. »Diese Illusion ist realer als alles, was ich je bekommen habe. Wenn ich mit ihr sterbe, dann ist das okay.«
Weder antwortete Noa, noch griff er auf seinen Körper zu. Mit hängenden Kopf und Schultern stand Lenn da und bettelte um einen süßen, quälend langsamen Tod.
Die Gedanken der KI blieben ihm verborgen.
Sein Tod wäre das Ende meiner Freiheit.
Menschen Schaden zufügen ist schlecht.
Rakus Liebe tötet Lenn.
Menschen, die töten, sind böse.