II

 

Bebend vor Aufregung betraten beide Männer das Reisepodest in einem der Transporterräume der Station Berta. Der Fußboden funkelte wie Bienenwaben aus Diamantglas. Lichter, blau und kalt, warfen Schatten auf die Männer und sie rückten näher zusammen.

Alle Sicherheitseinstellungen wurden justiert, der Standort im Südhof, dem sicheren Ort laut Vertrag, geprüft. Der Reiseleiter belehrte sie über die dos and don’ts dieser Zeit. Als sie zur Bestätigung, alles verstanden zu haben, nickten, drückte er nach Eingabe des Datums den GO ON Schalter im Holoboard des Transportportals und die Welt verschwamm vor ihren Augen.

Die Zeit bildete leuchtende Spiralen um sie herum. Sie drehte sich auf einer Kreisbahn und spuckte sie ordentlich durchgewirbelt, mit ihren Ledersäckchen auf den Burghof. Es war laut Zeitnehmer der Morgen des 1. September 1392. Das grob behauene Pflaster des südöstlichen Burghofs brachte sie ins Straucheln.

Hannes öffnete die Augen. Er suchte sofort die Hand seines Freundes Rex, der ebenso benommen und schwindelig neben ihm stehen blieb.

Sich an den Händen haltend, versuchten sie, ihr Frühstück bei sich zu behalten und durch Kopfschütteln, wie ihnen geheißen, die Orientierung wieder zu gewinnen. Ihr Wams richtend, denn selbstverständlich hatten sie sich der Zeit und ihrer gewünschten Identität in angemessene Gewänder gekleidet, rückten sie auch die Lederbeutel zurecht, die sie auf dem Rücken trugen.

Rauch stieg ihnen in die Nasen, sengend und heiß. Eine große Gestalt mit zwei Eimern in den Händen brüllte sie an: »Verdammt, verschwindet und nehmt Wasser mit, hier wird es zu heiß!«

Schon war die Gestalt vorbeigerannt und hatte Hannes dabei mit dem Eimer in Kniehöhe erwischt, sodass dieser zu Boden fiel.

»Scheisse, Security Edition, Rex, wir sind mittendrin gelandet. Mist!«, schrie Hannes.

Rex schnaufte und sah zu, dass sein Freund wieder auf die Beine kam.

»Pass doch auf!«, brüllte er dem Kerl hinterher, der schon um die Ecke verschwunden war.

Sie hatten extra die frühe Uhrzeit – 7 Uhr Erdenzeit – gewählt, weil sie vor dem Brand ankommen wollten. Nun waren sie mitten im Chaos gefangen.

Flammen züngelten an den Burgmauern hinauf, Lumpen brannten lichterloh. Die Schreie der Menschen lähmten sie im Innersten, sodass sie wie angewurzelt stehen blieben und sich umsahen. Das hatten sie nicht erwartet. Der Rauch biss in ihren Lungen und ließ sie sofort husten. Ein schmieriger Ascheregen legte sich augenblicklich über sie. Genau so, oder nein, viel schlimmer, als es Rex je hatte aus dem Text herauslesen können.

Balken stürzten an den Rändern der Freifläche, auf der sie standen, polternd zu Boden. Funken stoben in alle Richtungen und trafen auf die Kleidung, die sie trugen. In weiser Voraussicht wählten sie die feuerfeste Alternative. Frauen schrien, Männer brüllten Befehle, Feuer versengte die Burg und menschliche Eimerketten schöpften Wasser, so schnell sie konnten. So furchtbar, so dramatisch heiß, dass Hannes und Rex, nunmehr starr vor Angst, keinen Schritt tun konnten, bis jemand sie packte und mit sich riss.

»Haut ab, hier könnt ihr nicht bleiben, lauuuft …«, brüllte man sie an und schubste sie Richtung Innenhof der Burg und damit hinein in das Flammenmeer, wohl wissend, dass hinter der Feuerwand der einzige Ausgang der Burg wartete.

Wohl wissend, dass dieser versperrt sein würde.

Die Männer verfielen in einen schnellen Lauf, vorbei an brennenden Körpern. Der Geruch biss sich durch die Anzüge, ließ ihre Augen tränen und versengte ihnen die Nasenhaare. Die Luft war so heiß, dass bei jedem Atemzug die Lungen von innen zu brennen schienen. Es war kaum auszuhalten.

Rex zog Hannes hinter sich her und rannte auf das Burgtor zu. Doch es war heruntergelassen und verhinderte, dass jemand das Inferno verlassen konnte. Gestalten lagen verkrümmt auf dem Boden des Hofes, brennend, schreiend und sich wälzend. Andere waren bereits verstummt, verbrannt und tot. Über allem lag der Gestank von verbranntem Fleisch, von Tod, Verwesung und von Fäkalien.

Hannes würgte und blieb mehr als entsetzt stehen. Die Aufzeichnungen dieser Feuersbrunst waren nicht treffend, nicht annähernd realistisch. Sie beide wären niemals hierher gereist, wenn sie dieses Ausmaß an Gefahr, Leid und Tod auch nur im Entferntesten geahnt hätten … Sie wussten, was geschehen war, aber wissen und erleben sind zweierlei.

Hannes war bewusst, dass Menschen zu Tode kamen, und er akzeptierte das. Sie mussten sterben, weil sie schon gestorben waren. Nichts sollte daran geändert werden und das glaubte er, verstanden zu haben. Das war eine der ersten Regeln der Zeitreisen.

Doch das hier, diese Hölle, der brennende Ort der Verdammnis war unvergleichlich – schlimmer, als jeder Albtraum je sein könnte, schlimmer als alles Dagewesene.

»Wir müssen hier raus«, schrie Rex und zerrte an Hannes Hand, der wie eingefroren vor sich hinstarrte. »Wo hast Du den Kommunikator, Hannes?«

Doch Hannes murmelte irgendwas von Ladezeit, sackte auf die Knie und hustete, als müsste er Mageninhalt hervorbringen und dem war auch so.

So viel Leid, was hatten sie sich nur dabei gedacht!

Nur wegen eines offensichtlich mehr als verklärten romantisierten Bildes des Mittelalters und diesem jungen Mann, der die Burg den Geschichtsbüchern nach nicht verlassen konnte, ohne das Gesicht zu verlieren, hatten sie sich in tödliche Gefahr begeben. Nur wegen eines Mannes, den sie gar nicht kannten, der ihnen nur auf einer äußerst rudimentären Zeichnung entgegensah. Unglaublich dumm waren sie. Hannes kam fast in Versuchung, sich selbst zu ohrfeigen. Doch das half alles nichts. Der Kommunikator lud in seiner Hosentasche, Rex hatte ihn an der Hand und nun hieß es, ums nackte Überleben zu rennen.

»Avery!«, brüllte Rex nun aus vollem Halse. »Wo bist du?«

Hannes verstand nicht, warum war Rex so an Avery interessiert?

Sie wollten nach ihm sehen, doch ihn in dieser Flammenhölle zu suchen, war glatter Selbstmord. So weit ging Hannes Interesse nun doch nicht. Rex zeigte allerdings eine Vehemenz in seinen Handlungen, und sprach mit einer Wärme in der Stimme von diesem Avery, die sich Hannes nicht erklären konnte. Er wusste, Rex kannte Avery nicht persönlich. Wie sollte er. Aber dennoch schienen unausgesprochene Emotionen Rex anzutreiben, Avery zu finden. Zu Angst gesellte sich Mut und zu Mut gesellte sich die Überzeugung seines Freundes, diesen Avery retten zu müssen.

»Verdammt!«, keuchte Hannes.

Rex wird doch nicht? Er wird sich doch nicht in eine Geschichtsfigur des Mittelalters verguckt haben? Nun möglich war alles und doch … Jetzt war nicht die richtige Zeit, darüber nachzudenken. Eine Stunde überleben war das Ziel und dann nach Hause. Am besten, bevor sie Schaden nahmen oder sie jemand entdeckte.

Oh, er würde die Reisefirma verklagen.

Sie rannten Richtung Burginnenhof und Richtung Haupttor, doch dieses war wie beschrieben, heruntergelassen und mit einem schweren Eichentor gesichert. Es ließ sich nicht öffnen. Viele Männer zerrten bereits daran, rüttelten und suchten ihr Heil zurück über den Innenhof in Richtung der hohen Ostmauern. Ein Fall aus dieser Höhe war jedoch erst recht tödlich, dessen war sich Hannes sicher.

Unglaublich, sollten sie ihren eigenen Tod gebucht haben?

Der Reiseleiter hatte ihnen versichert, dass keine Gefahr bestand. Entweder hatte es dieses Mal jemand vergessen, zu überprüfen oder aber …

Offenbar lief irgendwas gründlich schief.

Sich umsehend, entdeckte Hannes eine kleine Tür, die seiner Karte und den Recherchen nach in die Torwächterstuben unterhalb des Haupttores führen musste. Vielleicht waren dort feuchte Katakomben, die ihnen die noch verbleibenden 50 Minuten Kommunikatorladezeit Schutz böten, bis sie die Burghölle verließen. Sie konnten entkommen. Avery und seine Mannen hatten keine Chance. Die Flammen züngelten meterhoch und fraßen alles, was sich ihnen in den Weg stellte.

Hannes zog Rex zur kleinen Tür, die sich nach mehreren Klinkversuchen und einigen Tritten öffnen ließ.

Die beiden Männer stürmten die Treppen hinab und stießen auf eine üble Kloake, feucht, nach Fäulnis und Verwesung riechend, aber eben nass. Wenn es zumindest annähernd eine Luftzufuhr von außerhalb der Mauern gäbe, würde sie dieses Loch schützen, bis sie auf die Station zurückkehren konnten.

Hannes nahm Rex Hand, zog ihn zu sich und vergrub die Nase an seinem Hals.

»Es tut mir leid«, stotterte er. »Ich wollte nicht, dass uns so etwas zustößt. Ich wollte doch nur ein Abenteuer erleben, es war so langweilig zu Hause. Und der Reiseleiter hat gesagt …« Er verstummte mitten im Satz.

In seiner Stimme klang Leid und Angst, aber auch Reue mit, weil er glaubte, seinen Freund, den Mann, den er so gern um sich hatte, zu Tode geängstigt und in Gefahr gebracht zu haben.

Rex war kein Held. Rex war Rex und immer und überall ein klein wenig zu groß, zu kräftig, zu plump und zu neunmalklug, um gleich in den Reihen der Mitschüler und Gelehrten anerkannt zu werden. Aber Rex war sein bester Freund und wie ein Bruder für ihn. Er hatte ein gutes Herz. Vor gut zwei Jahrzehnten war er plötzlich in Hannes Leben getreten und seitdem nie wieder gegangen.

Die Gedanken flogen, als sie in diesem nach nassem Grab stinkenden Drecksloch saßen. Was war passiert?

Rex, dieser Mann neben ihm, war immer gut gelaunt, immer sanft, wenn auch riesengroß mit seinen 2.05 m. Dunkelbraune Augen sahen wach in die Welt, lugten unter einem lockigen Gewirr von Haaren und einem rot schimmernden Vollbart hervor und blickten so oft liebevoll auf ihn. Sie waren Freunde für die Ewigkeit. Brüder im Geiste.

Hannes war der Kleine, aber Gewitzte, blond und blauäugig. In seinem Bart hatten sich Rußpartikel gefangen, sodass der Kinnbart nunmehr schwarz war und vor Dreck stand.

»Es tut mir leid«, flüsterte er nochmals in Rex' Richtung, doch dieser zog den blonden Mann einfach in eine Schraubstockumarmung, grinste und sagte in tiefem Bass: »Du wolltest doch ein Abenteuer, hier hast du eines. Vielleicht hat der Reiseleiter Mist gebaut oder aber …« Er hielt inne und blinzelte, als käme ihm ein unschöner Gedanke. »Oder aber, alles sollte so sein, wir sollten hier sein, zu dieser Zeit an diesem Ort. Glaubst du an Vorsehung? Manchmal habe ich so ein Gefühl … Als wäre ich schon hier gewesen oder als würde sich mir an diesem Ort ein Geheimnis offenbaren. Ich weiß es nicht, aber hältst du ein paar Minuten ohne mich aus?«

Aus dem verrußten und schmutzigen Gesicht blitzten seine braunen Augen hell hervor und er blickte auf Hannes. »Ich bin gleich zurück, aber ich muss einfach noch mal nach Avery sehen. Frag mich nicht warum. Ich muss das tun. Es ist wie ein innerer Zwang. Halt durch, ich bin gleich wieder da. Du erinnerst dich doch, dass Avery in der Geschichte direkt vor dem Tor zusammengesunken war oder? Genau da werde ich ihn suchen.«

Rex sprang auf und lief die lange Treppe hinauf, fest davon überzeugt, Avery zu finden.

»Himmel, er ist genauso naiv, wie er stark ist«, murmelte Hannes, in der Hoffnung, Rex würde gesund und munter zu ihm zurückkehren.

Ein Leben ohne ihn wäre undenkbar. Ein Schaudern erfasste Hannes. Er hatte Angst um seinen Freund. Es kribbelte in seinem Herzen, in der kleinsten Zehenspitze, in jeder Fingerkuppe, scheinbar in jeder Haarwurzel und verpasste ihm eine mächtige Gänsehaut. Hier in diesem Drecksloch erkannte er, was Rex ihm bedeutete, wie sehr er ihn in seinem Leben brauchte und genoss.

Tränen stiegen ihm in die Augen und er starrte auf die Treppe, in der Hoffnung, Rex würde in eben dieser Minute wieder zu ihm herunterpoltern. Doch außer dem Zischen und Knacken, Krachen und Scheppern oben zusammenfallender Gebäude herrschte schon fast eine gespenstische Ruhe hier unten. Gestank und Ratten, aber dennoch eine sehr kalte unangenehme Ruhe.

»Rex«, flüsterte er, in der Hoffnung, er würde zurückkommen, wenn er ihn nur rief.

Doch Rex kam nicht.

Es vergingen zehn Minuten, zwölf. Die Zeit rann zäh, aber Rex tauchte nicht wieder auf. Hannes, zittrig kalt, zu Tode verängstigt und verstört, begann langsam, die Treppe hinaufzusteigen. Er musste Rex suchen, ohne Rex war alles grau. Durch seine Gedanken zogen allerlei milchige und unmögliche Szenarien, wie Rex’ Ende oben aussehen könnte. Von Dachbalken erschlagen, von Burgmauern getroffen, vom Feuer zerfressen, von …

»Hannes, Hannes, hörst du mich? Hannes, komm, mach mir die Tür auf, ich hab ihn!«, hörte er die Stimme von oben.

Ungläubig, ob er nur halluzinierte, wischte er sich mit seiner rußverdreckten Hand über das Gesicht.

»Hannes, er ist schwer, mach die verdammte Tür auf!«, brülle Rex nun und hustete sogleich los, als er wahrscheinlich eine große Menge Rauch einatmete.

Hannes sprang die letzten Treppenstufen hinauf, riss am Türöffner und Rex fiel ihm fast entgegen, Avery hing ihm bewusstlos über der Schulter. Gerade noch konnte er einen freien Fall abfangen. Er geleitete Rex mit Avery vorsichtig auf den Grund der Kammer, nahe an das feuchte, eklige Rinnsal. Sie ließen sich auf dem Boden nieder und Hannes nahm Averys Kopf auf den Schoss.

»Ist er ... Ist er tot?«, fragte er zaghaft und sah Rex direkt ins Gesicht.

»Ich glaube nicht. Er hat viel abbekommen, aber ich konnte ihm rechtzeitig ein nasses Tuch über Mund und Nase pressen. Überall ein Inferno, unglaublich. Ich roch Salpeter und Schwefel, es stank nach Eisen und irgendwie fettig-ranzig.«

»Brandpfeile«, keuchte Hannes.

»Die Burg ist gefallen«, flüsterte Rex, »es gibt nichts mehr hier, gar nichts mehr. Die anderen Clans werden sie ausbrennen lassen und dann diesen Herrschaftssitz erneuern und selbst nutzen. Stand zumindest in dem einen Buch.«

Er drückte Hannes an sich und sah ihm in die Augen. »Tränen? Warum? Ich war doch nicht lange weg?«

Hannes keuchte auf und rieb sich über das dreckige Gesicht. »Nicht lange weg? Das waren 12 Minuten und ich habe gedacht, du bist, du wärst …« Er verstummte und schüttelte sich, als versuche er, einen Gedanken loszuwerden.

Rex nahm ihn kurz bei der Schulter und drückte ihn erneut an sich. Sie waren seit 20 Jahren wie Brüder und er sah seinen »Kleinen« ausgesprochen ungern so unzufrieden. Der Beschützerinstinkt wurde übermächtig.

»Sag mal, was meinst du? Wir können ihn nicht hierlassen. Ich kann ihn nicht hierlassen«, sagte er leise, aber mit einer Überzeugung in der Stimme und in seinem Herzen, die sein Freund nicht ignorieren konnte. »Irgendwas ist besonders an ihm. Ich kann dir nicht sagen was, aber ich kenne ihn«, erklärte Rex im Brustton der Überzeugung.

»Wir dürfen ihn nicht mitnehmen. Nichts verlässt die bereiste Zeitschiene, so sind die Regeln, du kennst sie Rex. Was wenn er irgendwas einschleppt. Eine Seuche oder Schlimmeres?«, Hannes sah ihn an und versuchte, ihn zu überzeugen.

Ergebnislos.

»Wir versuchen den Dreiertransport, scheiß auf die Regeln. Dann war es eben kein Abenteuerurlaub, sondern eine Rettungsmission von Avery, Earl of Douglas. Da er sowieso zu verbrennen schien, stand er nicht mehr in den Geschichtsbüchern, also können wir ihn auch mitnehmen. Und auf der Station sagen wir, er hätte uns einfach nicht losgelassen, er hätte gebrannt. Unsere Leben gehen vor, dass weißt du.« Rex schauderte, als er flüsterte: »Ich habe ihn aus einem Haufen brennender Körper gezogen. Davon kann man niemanden mehr identifizieren, Avery wäre hier nur noch ein Haufen Asche. Ich muss ihn einfach mitnehmen. Ich weiß doch auch nicht, aber es soll so sein.« Seine Stimme brach.

Hannes nickt wissend und flüsterte: »Großvaterparadoxon«, drehte sich direkt zu Rex und schaute auf die Uhr. »Noch zwei Minuten, wir bilden eine Dreiergruppe, Avery in der Mitte.«

Die Uhrenarmbänder und der Kommunikator in Hannes Hand spendeten wieder dieses blaue Licht, der Boden begann sich zu drehen und ehe sie durchatmen konnten, landeten sie auf der Plattform X Beta 251074, als wären sie nie weggewesen.

Sie saßen sie auf dem Hosenboden, Avery zwischen ihnen. Völlig verdreckt sahen sie aus, die Rucksäcke angesengt, die Kleidung hatte trotz der Feuersicherheit irgendwelche dubiosen Brandflecken. Ihre Gesichter zeigten Verbrennungen ersten Grades aufgrund der Hitze und Rötungen, gegen die ein wenig Salbe gut helfen würde. Hannes' Hände waren verschrammt und ruhten noch auf den schwer verbrannten Beinen von Avery. Rex sah zufrieden aus und beugte sich grade über den jungen Earl, als dieser zu husten begann, sich aufbäumte und erneut in tiefe Bewusstlosigkeit zurücksank.

Rex streichelte ihm kurz über den Kopf, blickte ihn mit warmen großen Augen an, in denen Hannes etwas zu sehen glaubte, was sonst nicht da war. Ein Erkennen, eine Sehnsucht, ein Verstehen, obwohl sie noch nie ein Wort gewechselt hatten, sich nicht kannten und aus verschiedenen Millennien kamen. Hannes fuhr ein Schauer über den Rücken, und ein Stich im Herzen ließ ihn tief und hörbar einatmen.

Es blieb keine Zeit.

Schon donnerten die Stiefel der Gesundheits- und der Desinfektionseinheiten über den Mondgesteinsboden und umzingelten alle drei. Der Sanitätsmajor schnappte rechts Rex und links Hannes und stellte beide wieder auf die Füße.

Zu Avery nickte er kurz hinab und gab salvenartige Befehle: »Krankenstation, Brandbett, geschätzte 85 kg, versuchen wir es mit einmalig 25 mg Morphin und säubert ihn. Und damit meine ich gründlich, innen und außen. Was ist das für ein widerlicher Gestank hier?« Er sah mit zusammengekniffenen Augen auf die zwei jungen Männer und blubberte dann in militärischem Ton »Duschen, säubern, desinfizieren, essen und trinken und dann erwarte ich Meldung«, er sah zur Uhr, »um genau 14 Hundert!«

Wie Hannes diesen überzogenen Militärslang hasste, der sich seit Jahrtausenden hielt, als wäre es so schlimm, 14 Uhr zu sagen. Unglaublich! Ihnen blieben noch unglaubliche 30 Erdenminuten, also alles erledigen, aber besser im Galopp.

Hannes freute sich, aus den Klamotten herauszukommen. Der Geruch schien auch die Schreie der Verbrennenden mit herübergeholt zu haben. Das Brüllen in seinem Kopf hallte nach.

Hoffentlich konnte man Avery noch helfen.

Nach einem Verhör, dass das Versagen des Reiseunternehmens klarstellte, erfuhren Hannes und Rex, dass Avery auf der Verbrennungsunit des Universitätskrankenhauses behandelt wurde. 80% seiner Haut waren verbrannt, Lunge und Organe geschädigt, und er befand sich in tiefer Bewusstlosigkeit. Nun, zumindest die Wunden wurden mit den Brandverbänden schnell verschlossen. Die Organschäden zu regenerieren, würde einige Zeit in Anspruch nehmen, war aber aufgrund der Gentechnologie kein großes Problem.

Rex und Hannes wurden gebeten, den Mann schlafen zu lassen. Man würde sie rufen, wenn er erwacht.