Prolog

(Alec)

 

Bemüht beherrscht lege ich mein Telefon zur Seite. Die Wut brodelt in mir wie ein Vulkan, doch ich darf die Kontrolle nicht verlieren, bis ich an einem sicheren Ort bin.

»Diese verdammten ‚Priests‘!«, fluche ich und balle die Hände zu Fäusten. Wie gern würde ich diese Verrückten einfach abschlachten. So wie die es mit Xenos oder Menschen tun, die uns freundlich gesonnen sind.

Am Anfang dachte ich noch, dass diese Fanatiker schnell wieder in dem Loch versinken würden, aus dem sie gekrochen sind. Leider halten sie sich hartnäckig und scheinen zunehmend organisiert zu agieren. Wirklich frustrierend ist es, dass die menschliche Polizei rein gar nichts gegen die ‚Priests‘ unternimmt. Das muss man allerdings auch wollen, und dort hakt es gewaltig. Schließlich kann man sich nicht selbst verhaften oder vor Gericht stellen.

Ich stampfe aus meinem Büro in Richtung des einzigen Ortes, an dem mein Wutausbruch kein Blutbad anrichten würde – der Trainingsraum. Dort angekommen, entledige ich mich des Hemdes, Anzugs sowie der guten Schuhe und suche mir aus meinem Waffenschrank ein passendes Werkzeug.

Ich entscheide mich für ein Kurzschwert, eine meiner Lieblingswaffen. Das liegt vielleicht auch daran, dass diese für Menschen antiquarischen Dinge in den Händen eines Xenos weitaus tödlicher sein können als ihre neumodischen, kleinen Spielzeugschusswaffen. Obwohl sie es seit fast fünf Jahrzehnten versuchen, ist es den Menschen noch nicht gelungen, wirklich effektive Waffen gegen Vampire, Werwölfe und andere Xenos zu entwickeln.

Wir sind schließlich nicht so dumm, die Sterblichen unbeobachtet zu lassen.

In den meisten Firmen und Behörden sitzen Leute von uns und mit den Regierenden gibt es in der Regel Abkommen, an die sich beide Seiten zu halten haben. Nur habe ich das Gefühl, dass die Menschen Letzteres aus den Augen verlieren, und das könnte sehr gefährlich für alle werden.

Ich balanciere das Schwert kurz in meiner Hand, bevor ich zu dem massiven Holzblock gehe, der Arme in mehreren Richtungen und Positionen hat. Tiefe Kerben zeichnen sich darauf ab. Ein Zeugnis meiner vergangenen Trainingseinheiten. Ich gehe in Stellung und atme noch einmal tief durch, dann kanalisiere ich meine Wut und hacke, steche auf meinen hölzernen Gegner ein. Es kracht, Splitter fliegen davon und Schweiß bildet sich auf meiner Haut, während ich den Block so schnell attackiere, dass es für Menschen kaum wahrnehmbar wäre.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ist die Mordlust verraucht. Meine Brust hebt und senkt sich in schnellem Takt und für einen Augenblick kann ich sogar meinen Herzschlag spüren.

»Wer auch immer dich wütend gemacht hat, hatte sehr viel Glück, dass er nicht in Reichweite war«, stellt Maeve, mein vampirischer Zögling, mit erhobenen Augenbrauen fest.

»Mhm?«, frage ich verständnislos und folge dann mit dem Blick ihrem ausgestreckten Zeigefinger. »Oh!«

Rings um den Trainingsblock liegen Holzsplitter, teils sogar große Stücke herum. Einen der Holzarme habe ich in meinem kleinen Exzess vom Block abgespalten. Sogleich inspiziere ich mein Schwert. Zum Glück hat es keine Kerben davongetragen, allerdings sollte ich es wohl lieber noch einmal schärfen, bevor ich es wieder benutzen kann.

»Gibt es Ärger?«, erkundigt sich Maeve.

»Schon wieder eine neue Leiche, die wir diesen verdammten ‚Priests‘ zu verdanken haben.«

»Mist!«, flucht sie und wirft ihre langen schwarzen Haare energisch über ihre Schulter. Trotz ihres roten Hoodies und der schwarzen Yogapants wirkt sie, als wäre sie einer der Holo-Werbetafeln entsprungen. Nur der mordlustige Blick passt nicht dazu. »Ich wollte dich fragen, ob wir zusammen auf die Jagd gehen wollen. Keine Sekunde zu früh wie es aussieht.«

Ich lege das Schwert zurück an seinen Platz und schließe den Waffenschrank sorgfältig ab.

»Gute Idee. Ich habe Hunger«, stimme ich zu und schlüpfe in meine Kleider.

Maeve grinst mich an. »Super! Aber nur trinken, kein Blutbad. Das Gemetzel heben wir uns für den Tag auf, an dem wir den ‚Priests‘ gegenüberstehen.«

Ich seufze. »Na gut, wenn es denn sein muss …«

Sie wackelt mahnend mit dem Zeigefinger. »Du bist unser Oberhaupt, Alec. Wenn du einen Haufen Leichen hinterlässt, wollen alle anderen mitspielen.«

»Spielverderberin«, grummle ich, weiß jedoch, dass sie recht hat. »Dann nur trinken und die Nacht genießen.«

»Los geht’s!«

Freudig hakt sie sich bei mir unter und kurz darauf sind wir schon in der Nacht verschwunden.