(Josh)
»Ausziehen!«
Dieses eine Wort reicht aus, um mich so effektiv wie ein Eimer Eiswasser in die Realität zurückzubringen. In diesem Moment wird mir bewusst, dass ich gerade mein Leben – und auch Melinas – in die Hände von Alec Black gelegt und ihm meinen Körper verkauft habe.
Heilige Scheiße! Ich muss wahnsinnig geworden sein.
Anders lässt sich auch nicht erklären, dass ich die Berührungen meines Feindes genossen habe und mich auch jetzt neben Angst, eine gewisse Vorfreude erfüllt.
»Plötzlich schüchtern?«, zieht der Vampir mich auf.
Leicht benommen schüttle ich den Kopf, dann beuge ich mich herunter, um Schuhe sowie Hose und Unterwäsche auszuziehen. Als Nächstes folgen Lederjacke und T-Shirt. Alecs Augen verdunkeln sich, bevor ihre Farbe von Graublau zu Blutrot wechselt.
Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, als ich mit dem wahren Wesen des weltmännisch wirkenden Geschäftsmannes konfrontiert werde. Begierig und eindeutig hungrig wandert sein Blick über meinen Körper.
»Dreh dich um. Ich will sehen, was ich gerade gekauft habe.«
Seine Worte verdeutlichen, wie beschissen meine aktuelle Lage wirklich ist.
Nun bin ich ein Spielzeug des mächtigsten Kriminellen der Region. Und noch etwas fällt mir siedend heiß ein: Was hindert ihn daran, mich zu umzubringen, nachdem er seinen Spaß hatte?
»Gar nichts, außer meiner Ehre«, beantwortet Alec die unausgesprochene Frage. Blitzschnell hat er den Abstand zwischen uns überwunden und mein Kinn umfasst. »Ich sollte dich töten, weil ihr Cops alle Rassisten seid, die sich daran aufgeilen, wenn sie einen von uns foltern können.«
Nervös schlucke ich. Nur zu gern würde ich widersprechen, doch es ist leider die Wahrheit. Allerdings stimmt eine Sache nicht.
»Ich bringe nur Xenos hinter Gitter, die es verdient haben.«
Alec lacht bitter. »In euren Augen reicht es schon aus, ein übernatürliches Wesen zu sein, um unter Generalverdacht zu stehen.«
»Aber nicht in meinen«, widerspreche ich. »Töte mich ruhig, doch sorge wenigstens dafür, dass meine Schwester die Medikamente bekommt.« Ich balle die Hände zu Fäusten. »Allerdings kann ich dir garantieren, dass es dann niemanden mehr gibt, der Morde an Xenos aufklären will.«
Alecs Blick scheint mich durchbohren zu wollen. Plötzlich dreht sich alles in meinem Kopf und ich taumle. Es fühlt sich an, als würde der Vampir mein komplettes Hirn durch den Mixer drehen. Auf einmal ist es vorbei. Benommen ringe ich um Luft und schwanke leicht.
»Vielleicht hast du Glück und erlebst den morgigen Tag.« Mit diesen Worten neigt er meinen Kopf nicht gerade sanft zur Seite und vergräbt seine spitzen Zähne in meinem Hals.
Schmerz durchzuckt mich, doch als Alec zu trinken beginnt, fühlt es sich beinahe so an, als würde er mich in den unteren Gefilden verwöhnen. Stöhnend klammere ich mich an ihn.
»O Gott!«
Der Vampir zieht mich näher und lässt seine Hände aufreizend über meinen Körper gleiten. Scham steigt in mir auf, denn mir gefällt viel zu gut, was er tut. Ich spüre sein leises Lachen mehr auf meiner Haut, als ich es höre. Er leckt über meinen Hals, bevor er seinen Mund auf den meinen presst. Überrascht erstarre ich. Um Sex zu haben, braucht es keine Küsse, vor allem nicht, wenn man mit dem Feind ins Bett steigt. Doch Alec ist das offensichtlich egal. Seine Lippen sind weich und äußerst geschickt, was mir ein leises Seufzen entlockt.
Ach, scheiß drauf! , denke ich, bevor ich meine Finger in der dunklen Mähne des Vampirs vergrabe und ihn noch näher ziehe. Hinterher ist noch mehr als genug Zeit, um mich dafür zu verachten, dass ich das hier genieße.
Wir küssen uns hungrig und bevor ich weiß, was ich da tue, zerre ich an Alecs edlem Hemd. Ich will seine Haut unter meinen Händen spüren und ihn schmecken. Der Vampir knurrt leise, was mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagt.
Verdammt! Eigentlich sollte mir das hier eine Scheißangst machen, realisiere ich, kann jedoch nichts gegen diese berauschenden Gefühle tun, die Alec in mir auslöst.
Plötzlich liege ich unter ihm. Ich spüre etwas Weiches und gleichzeitig Kühles an meinem Rücken.
Ein Ledersofa?, vermute ich leicht benommen.
Allerdings entfällt mir jeder sinnvolle Gedanke, als Alec sich an mich drängt. Er ist verdammt sexy und eindeutig nackt. Wie auch immer er es geschafft hat, sich von einer Sekunde auf die andere auszuziehen.
Der Vampir ist etwas schmaler gebaut als ich, scheint jedoch nur aus wohlproportionierten Muskeln zu bestehen. Seine Haut ist einige Nuancen heller als meine und fühlt sich unter meinen Fingerspitzen unglaublich weich an. Als sich seine Hände auf meine Pobacken legen, halte ich gespannt den Atem an.
»Eigentlich müsste ich dich leiden lassen«, sagt er mit rauer Stimme. »Es sollte ein Vergnügen für mich sein, dich vor Schmerz schreien zu lassen, während ich mich deiner bemächtige ...«
Instinktiv zucke ich zusammen und versuche, mich für das Kommende zu wappnen, denn Alec hat recht. Er ist der Kopf der hiesigen Unterwelt und ich ein menschlicher Cop. Wir müssten uns bis aufs Blut bekämpfen, und doch ... Und doch ist das Letzte, was ich gerade empfinde, Hass oder Furcht.
Der Vampir angelt nach einem kleinen Fläschchen. Er gibt etwas davon auf seine Handflächen, bevor er sich und mich damit einreibt. Ich erzittere vor Verlangen, als ich seine Erektion an meinem Hintern spüre, dann dringt er quälend langsam in mich ein.
Stöhnend lege ich den Kopf in den Nacken. Ich schließe die Augen und gebe mich ihm vollkommen hin. Alec zieht sich zurück, bevor er kraftvoll in mich stößt. Immer wieder und wieder, bis ich in einem Strudel aus Lust versinke und komme. Kurz darauf erreicht der Vampir ebenfalls seinen Höhepunkt.
Für einen Moment verharren wir in dieser intimen Position. Kurz wirkt es, als wollte Alec mich küssen, doch dann geht ein Ruck durch seinen Körper und ein kühler Ausdruck erscheint auf seinem Gesicht. Er zieht sich aus mir zurück und steht auf.
»Das war ganz passabel«, meint er beiläufig und verschwindet im Nebenraum.
Ich fühle mich, als hätte er mich geohrfeigt. Das wäre mir gerade allerdings deutlich lieber als die Wahrheit.
Fuck! Was habe ich nur getan?! Nun bin ich der Lustsklave von Alec Black. Schlimmer noch – ich habe es sogar genossen.
Schnell richte ich mich auf und versuche, nicht darüber nachzudenken, was eben passiert ist.
»Hier, mach dich sauber«, weist Alec mich an und wirft mir einen feuchten Lappen zu.
Peinlich berührt entferne ich die Spuren unseres Liebesspiels und bekomme den nächsten Schock.
»Wir haben kein Kondom benutzt!«
Der Vampir zuckt mit den Schultern, als wäre es ein unwichtiges Detail. »Ich übertrage keine Krankheiten und kann auch nicht infiziert werden.«
Erleichtert atme ich auf. Immerhin eine Sache, weswegen ich mir keine Sorgen machen muss. »Gut zu wissen.«
Alec deutet auf den Raum, in dem er gerade war. »Du kannst dort duschen. Ich habe noch zu tun.«
Damit dreht er mir den Rücken zu und schlüpft in seine Kleidung. Kurz verweilt mein Blick auf seinem muskulösen Körper.
Dieser Vampir ist viel zu anziehend für mein Seelenheil.
Ich schlucke und bemühe mich, den Kloß in meinem Hals zu ignorieren. Wie ferngesteuert gehe ich zu der Tür, die er mir gezeigt hat.
Das hier war rein geschäftlich. Sex und Blut im Tausch gegen Melinas Medikamente. Nur weil er mich nicht misshandelt oder gefoltert hat, heißt es nicht, dass er irgendetwas außer Verachtung für mich empfindet – oder ich für ihn.
Besagter Raum entpuppt sich als erstaunlich großes und modern eingerichtetes Badezimmer, das eine geräumige Dusche beherbergt. Kurz bin ich versucht, mich unter den eiskalten Wasserstrahl zu stellen und jegliche Hinweise auf den Sex mit Alec zu vernichten. Doch alles in mir drängt mich zur Flucht – vor Alec, mir und diesen verrückten Gefühlen.
Ich muss hier weg!
Deshalb wasche ich mich nur schnell und schlüpfe eilig in meine Sachen. Dabei vermeide ich es tunlichst, das Sofa oder den Vampir anzusehen, der konzentriert die vor ihm liegenden Dokumente studiert. Offenbar ist er wirklich altmodisch, denn dabei handelt es sich um echtes Papier. Zwar befinden sich allerlei technische Geräte im Raum, doch diese nutzt er gerade nicht. Noch während ich meine Lederjacke überziehe, laufe ich zur Tür.
»Hast du nicht etwas vergessen?« Alecs amüsierte Stimme lässt mich zusammenzucken.
Widerwillig drehe ich mich um. »Was denn?«
Der Vampir zieht eine dunkle Augenbraue in die Höhe und deutet auf die Medikamente, für die ich meinen Körper verkauft habe – oder war es doch meine Seele?
»Oh.«
Am liebsten würde ich im Boden versinken, doch ich straffe die Schultern und gehe zu ihm, um die Schachteln einzustecken.
»Danke«, murmle ich.
Alec mustert mich scheinbar unbeteiligt, bevor er nickt. »Ich melde mich bei dir, wenn ich das Bedürfnis nach deinen Qualitäten verspüre.«
Ich schlucke geräuschvoll. »Okay.«
Schnell wende ich mich ab und laufe zur Tür.
»Wenn es soweit ist, solltest du mich besser nicht warten lassen, Josh. Du gehörst mir und ich verlange Gehorsam. Ist das klar?«
»Ja«, antworte ich, obwohl ich am liebsten schreien und toben würde.
Ich hasse den Vampir für seine Arroganz und mich für meine Schwäche. Doch so gern ich ihm die Schuld für alles geben würde, in diese beschissene Lage habe ich mich selbst manövriert.
Ohne mich umzusehen, fliehe ich aus dem Red Moon . Erst als ich bei meinem Motorrad ankomme, wage ich es, innezuhalten und mir mit zitternden Händen eine Zigarette anzuzünden.
Shit! Worauf habe ich mich da eingelassen?