(Alec)
Mit einem dumpfen Geräusch landet der Wachmann, der so dumm war, auf mich zu schießen, reglos auf dem Boden. Der Mensch lebt – noch. Genüsslich lecke ich mir das Blut von den Fingern, bevor ich mich auf den übergewichtigen Mittfünfziger konzentriere, der mich ängstlich mustert. Seine Frau ist offenbar ausgeflogen, was alles einfacher macht.
»M-m-mister B-black, w-w-was wollen Sie von mir?« Zitternd klammert er sich an seine Bettdecke.
Ich mime den Nachdenklichen. »Mhm, lieber Donald, was könnte mich nur veranlassen, meinen gemütlichen Club zu verlassen?« Blitzschnell habe ich den Menschen am Kragen gepackt und reiße ihn in die Höhe. Ein erschrockenes Quieken erklingt, dann zappelt er in der Luft. »Ich habe lange genug zugesehen, wie ihr Menschen uns denunziert und nichts gegen die Verrückten unternehmt, die unsereins abschlachten.«
Der Bürgermeister wird blass. »I-ich w-weiß nicht, wer dahinter steckt.«
»Dann sollten Sie es schnellstmöglich herausfinden«, schlage ich ihm beinahe liebenswürdig vor. »Heute wurden drei Mädchen entführt und ihr unternehmt einen Scheißdreck.« Langsam erhöhe ich den Druck meiner Hand auf seine Kehle. »Beten Sie, dass meine Leute sie lebend finden, sonst ...«
Bedeutungsvoll sehe ich zu Maeve, die eben in den Raum spaziert und ein schlafendes Kind in den Armen hält. Der Bürgermeister folgt meinem Blick und beginnt, panisch zu zappeln.
»Heather!«
»Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich sie nicht auf der Stelle töten sollte. Wobei, das wäre Verschwendung.« Ich mache eine Kunstpause. »Die Kleine ist ganz niedlich. Maeve, du wolltest doch schon immer ein Haustier haben.«
Die Vampirin schenkt mir ein strahlendes Lächeln. »Oh, danke! Ich bin mir sicher, dass wir sehr viel Spaß miteinander haben werden!«
»Nein! Ich mache alles, was ihr verlangt, aber tut meiner Tochter nichts«, fleht der Bürgermeister.
»Ab morgen gibt es eine neue Einheit bei der Polizei, die zu gleichen Teilen aus Menschen und Xenos besteht und sich um die Aufklärung der Verbrechen kümmert, die mit übernatürlichen Wesen zu tun haben.«
Unvermittelt lasse ich den Mann los, der kraftlos zu Boden sinkt. »A-aber wie soll ich das umsetzen? Der Polizeichef wird sich weigern und über Nacht finden sich auch keine geeigneten Kandidaten für so eine Sondereinheit.«
»Er wird begeistert von dieser Idee sein«, sage ich selbstsicher. »Morgen früh stehen euch zwanzig fähige Leute von uns zur Verfügung. Sorgt besser dafür, dass es bei den Menschen auch so ist.« Ich nicke Maeve zu. »Lass uns gehen, Liebes.«
Mit dem schlafenden Kind läuft sie zum Ausgang.
»Stopp! Sie können Heather doch nicht einfach mitnehmen«, ruft der Bürgermeister entsetzt.
»Irrtum. Wir können und wir werden«, korrigiere ich ihn. »Es liegt an Ihnen, wie Heathers Aufenthalt bei uns verläuft.« Ich blicke ihn kalt an. »Wenn ihr euch an unseren Kindern vergreift, hört der Spaß auf. Wir haben die Füße lange genug still gehalten, aber jetzt ist das Maß voll.«
»Aber ... Wer soll das alles bezahlen?«
»Überlegen Sie sich etwas. Wir übernatürlichen Wesen zahlen Steuern wie jeder andere auch. Es wird Zeit, dass dieses Geld sinnvoll verwendet wird.« Mahnend sehe ich ihn an. »Falls Sie es wagen sollten, uns anzugreifen, wird es ungemütlich. Wenn alles nach meinen Vorstellungen läuft, ist ihre Tochter in wenigen Tagen wieder hier. Falls nicht ...« Ich zucke mit den Schultern. »Für Heather findet sich eine sinnvolle Verwendung.«
»Bitte tun Sie meiner Tochter nichts!«
»Das habe ich nicht vor. Im Gegensatz zu unseren Familien haben allein Sie in der Hand, was mit ihr passiert. Bis jetzt macht Ihr Kind Urlaub bei Freunden. Das sollte besser so bleiben.« Damit drehe ich mich um und gehe zur Tür, durch die Maeve bereits verschwunden ist. Bei dem verletzten Wachmann bleibe ich kurz stehen. »Ach, den hier müssen Sie verarzten lassen, wenn er überleben soll.«
Geschockt starrt der Bürgermeister mich an. Ich winke ihm zu und lasse ihn allein zurück.
»Hier ist es wirklich ganz nett«, flötet Maeve, während wir zum Auto laufen.
Umsichtig wie sie ist, hat sie eine kleine Reisetasche für unseren unfreiwilligen Gast gepackt, die ich ihr abnehme. Desinteressiert betrachte ich die Einrichtung der protzigen Villa und ignoriere die ohnmächtigen Sicherheitsleute, die vereinzelt herumliegen.
»Meins wäre es nicht«, antworte ich und rümpfe die Nase. »Zu viele Menschen.«
Die Vampirin lacht. »Das stört dich doch sonst auch nicht.« Sie zieht eine schwarze Augenbraue in die Höhe. »Wer war eigentlich der Kerl, den du vernascht hast? Du stinkst regelrecht nach ihm.«
Ich will schon ‚niemand‘ antworten, als mir eine Idee kommt.
Wer wäre besser für die Leitung der neuen Einheit geeignet, als mein neues Spielzeug?
»Später. Ich verspüre gerade das dringende Bedürfnis, dem Polizeichef einen Besuch abzustatten.«
»Was machen wir mit ihr?«, fragt Maeve und blickt auf das etwa zehnjährige Mädchen in ihren Armen.
Mit den blonden Locken und dem geblümten Schlafanzug wirkt es unschuldig und zerbrechlich. Kurz verspüre ich einen Anflug von schlechtem Gewissen, doch der Kleinen wird nichts geschehen, selbst wenn ihr Vater es verbocken sollte. Ich bin skrupellos, wenn es erforderlich ist, aber ich würde niemals einem Kind wehtun.
»Sie kann erst einmal im Gästezimmer schlafen. Paula wird sich freuen, wenn sie jemanden zum Verhätscheln hat. Mit etwas Glück wird ihr Aufenthalt von kurzer Dauer sein und den gewünschten Effekt haben.«
•
Kurz vor dem Morgengrauen bin ich endlich zu Hause. Unser Besuch beim Polizeichef war kräftezehrend, aber erfolgreich. Diesmal habe ich es auf Vampirart geregelt und dem Herrn einfach die nötige Begeisterung für die neue Einheit eingepflanzt. Das hätte ich auch beim Bürgermeister tun können, doch ich will, dass er dieselbe Angst um sein Kind hat wie die Familien der vermissten Mädchen. Nun ist alles in die Wege geleitet und ein paar Asse habe ich noch, die ich ausspielen kann, wenn sich jemand querstellen sollte. Trotzdem komme ich nicht zur Ruhe.
Ich greife zum Telefon und wähle Matts Nummer.
»Wie ist der Status?«
Ein Seufzer erklingt am anderen Ende. »Wir arbeiten daran, aber diese verdammten ‚Priests‘ sind erschreckend gut darin, ihre Spuren zu verwischen.«
Ich fluche leise, reiße mich dann jedoch zusammen. »Wenn alles nach Plan verläuft, dann bekommt ihr in ein paar Stunden zusätzliche Unterstützung. Triff dich bitte gegen sechs Uhr im Dezernat mit Sergeant McGee.«
»Der Kerl, den wir für dich im Auge behalten sollten?«, fragt Matt erstaunt.
»Ja, er könnte uns wirklich nützlich sein.«
»Alec, was hast du vor?«
»Eine kleine Revolution«, scherze ich. »Wir können einfach nicht weitermachen wie bisher. Es läuft langsam aus dem Ruder und ich möchte vermeiden, dass es zu blutigen Auseinandersetzungen kommt.«
»Das könnte komplizierter werden als gedacht«, meint Matt.
»Ich weiß. Doch jetzt ist erst einmal wichtig, dass ihr die Kinder gesund zu ihren Familien zurückbringt. Um den Rest kümmere ich mich Stück für Stück.«
»Wir geben unser Bestes.«
»Danke, Matt. Halte mich auf dem Laufenden.«
»Mach ich, Alec.«