VIERZEHN

(Josh)

 

Schweißgebadet schrecke ich hoch und stöhne leise vor Schmerz.

»Vorsichtig, Josh«, ermahnt mich eine wohlbekannte Stimme.

Verwundert drehe ich den Kopf und entdecke meine Schwester auf dem Stuhl neben mir.

»Melina, was machst du hier und wo bin ich?«, frage ich verwirrt.

»Du bist im Krankenhaus, Josh. Beim Einsatz wurdest du schwer verletzt.« Nun treten Tränen in ihre Augen. »Die Ärzte wussten nicht, ob du es schaffst«, schluchzt sie.

Geschockt sehe ich sie an, dann erinnere ich mich langsam an das, was passiert ist. Der Schlachthof, die Mädchen an den Fleischerhaken, wie sie auf die Sägen zusteuern. Der Schmerz, als dieses Höllenteil mich erwischt.

»Geht es den Kindern gut?«

Melina nickt. »Soweit ich weiß, ja.«

Erleichtert lasse ich mich zurück in die Kissen sinken. »Ein Glück!«

Ich schließe die Augen und mache eine kleine Bestandsaufnahme. Zwar fühle ich mich noch beduselt und mein Rücken pocht, doch es könnte schlimmer sein.

Offenbar haben sie mir gute Drogen in den Tropf getan.

Ich drehe den Kopf und blicke zu meiner Schwester. »Wie lange war ich weg und haben sie schon gesagt, wann ich nach Hause kann?«

»Ein paar Stunden und das zweite entscheidet sich morgen nach der Visite.«

»Stunden ?!«, echoe ich ungläubig.

Das kann nicht sein!

Mich hat eine Kreissäge erwischt und obwohl ich leichte Schmerzen habe, passt mein Zustand eher zu einer Genesungszeit von einigen Wochen.

»In welchem Krankenhaus bin ich eigentlich?«, frage ich, um mich abzulenken.

»East Side Hospital.«

Meine Augen müssen groß wie Untertassen sein, zumindest fühlt es sich so an.

»Wie bitte? Warum bin ich ausgerechnet hier gelandet? Behandeln die nicht nur Xenos?«

»Ich weiß es nicht, Josh.« Melina zuckt mit den Schultern und wirkt ebenfalls ratlos. »Mister Black meinte, dass du nur hier diese Spezialbehandlung bekommen konntest. Er hat aber nicht gesagt, was das gewesen sein soll.«

Black?!

Mein Mund klappt auf, es kommen allerdings keine Wörter heraus. Mir hat es schlicht die Sprache verschlagen und gleichzeitig bekomme ich gerade Panik, weil meine Schwester ausgerechnet ihm über den Weg gelaufen ist.

»Josh, alles okay? Du bist ganz blass. Soll ich eine Krankenschwester rufen?«, erkundigt Melina sich besorgt.

»Ich, ähm. Nein, alles okay.« Ich räuspere mich. »Wo hast du denn diesen Mister Black getroffen?«

Meine Schwester zieht die Augenbrauen in die Höhe.

»Hier in deinem Zimmer. Er hat neben dem Bett gesessen, als ich hereingekommen bin, ist dann aber sofort gegangen.« Misstrauisch mustert sie mich. »Habt ihr etwas miteinander? Er sagte, dass ihr Geschäftspartner wärt – oder ähnliches. Was machst du neuerdings für Geschäfte?«

O fuck! Danke Alec, dass du mich auch in dieser Hinsicht in die Scheiße geritten hast!

Stöhnend schließe ich die Augen. »Können wir bitte ein anderes Mal darüber reden? Ich wurde beinahe von einer Kreissäge filetiert. Gerade habe ich wirklich keine Kraft für ausführliche Erklärungen.«

Kurz wirkt es, als wollte Melina nachhaken, aber dann besinnt sie sich und drückt meine Hand.

»Du hast recht. Tut mir leid. Ich bin noch so durch den Wind.« Sie schnieft. »Ich hatte solche Angst, dass ich zu spät kommen könnte. Die Ärzte hatten keine großen Hoffnungen, dass du bald aufwachst. Dich hier zwischen all den Geräten und Schläuchen zu sehen, war einfach schrecklich.«

»Es tut mir leid. Ich wollte dir keine Sorgen bereiten«, antworte ich und streiche über ihre Hand. »Diese verdammten ‚Priests‘ haben uns in eine Falle gelockt. Weißt du, ob es noch mehr Verletzte gab?«

Melina schüttelt den Kopf. »Nein. Aber im Moment wird wohl auch noch nichts an die Öffentlichkeit gegeben.«

»Mhm. Morgen frage ich einfach bei den Ärzten nach. Wie geht es dir? Schlagen die Medikamente an?«

»Ja, alles okay.« Sie lächelt mich dankbar an. »Es ist immer noch ein kleines Wunder, dass du welche bekommen hast. Angeblich soll der Engpass eine Weile andauern und die meisten Ärzte haben nichts mehr.«

Unbehaglich zucke ich mit den Schultern. »Ein glücklicher Zufall. Ich hoffe, dass sich die Situation entspannt, bis dein Vorrat zur Neige geht.«

»Ich auch.« Melina küsst mich auf die Wange. »Danke, Brüderchen! Scheint, als ob ich in nächster Zeit auf dich aufpassen müsste.«

»Vielleicht.« Ich zwinkere ihr zu. »Ein bisschen umsorgt zu werden, ist auch mal nett.«

 

 

Als die Krankenschwester einige Zeit später kommt, bin ich wieder alleine. Ihr Mund klappt vor Überraschung auf, als sie mich wach im Bett sitzen sieht.

Was hast du mit mir angestellt, Alec? Offensichtlich sollte ich mich nicht so gut fühlen.

»Mister McGee, Sie sind ja munter!« Eilig läuft sie zu mir und überprüft meine Werte. »Wie geht es Ihnen? Haben Sie starke Schmerzen?«

»Nein, eigentlich nicht. Die Stelle, an der ich Bekanntschaft mit der Säge gemacht habe, tut weh, aber nicht sehr.«

»Wundersam ...« Die Schwester kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Darf ich Ihren Verband überprüfen?«

Ich zucke mit den Schultern und drehe mich zur Seite.

»Klar.«

Kühle Finger streichen über meine Haut, dann spüre ich, wie der Verband entfernt wird.

»Das ist doch nicht möglich!«, keucht die Krankenschwester.

»So schlimm?«, frage ich bang.

»Schlimm?«, echot sie verständnislos. »Ihre Verletzung ist so gut wie verheilt!«

»Wie bitte?! «

Sie drückt einen Knopf an meinem Bett. »Das muss sich der Doc ansehen. Ich verstehe das nicht. Sie sind doch ein Mensch ...«

Wenig später trifft ein junger schwarzer Mann im weißen Kittel ein.

»Was gibt’s, Liane?«, fragt er, dann stutzt er, als er mich sieht.

»Eine wundersame Spontanheilung«, informiert sie ihn. »Mister McGee heilt schneller als ein Werwolf.«

»Das kann nicht sein!«, widerspricht der Arzt.

»Sehen Sie selbst«, fordert die Schwester und deutet auf meinen Rücken.

»Das ...« Der Arzt stockt. Er läuft ums Bett herum. »Können Sie sich an etwas Besonderes erinnern? War jemand hier, seit Sie erwacht sind?‘

Ich schüttle den Kopf. »Nein, ich habe keine Ahnung, warum das passiert ist. Als ich aufgewacht bin, war es schon so. Und nein, ich heile eigentlich nicht schnell.« Dann fällt mir ein, was Melina gesagt hat. »Meine Schwester traf hier auf Alec Black. Vielleicht weiß er etwas?«

Als ich die verblüfften Mienen der beiden Xenos sehe, bereue ich meine letzten Worte.

»Der Alec Black?«, hakt der Arzt nach.

»Gibt es hier denn mehr als einen?«, antworte ich leicht säuerlich.

Was zur Hölle hast du mit mir angestellt, Alec?

»Mhm«, nachdenklich reibt der junge Arzt sich über das Kinn. »Was auch immer er getan hat, es hat Ihnen wahrscheinlich das Leben gerettet. Ihre Heilungsprognosen waren leider nicht rosig.«

Mein dummes Herz macht einen aufgeregten Satz, doch ich unterdrücke das alberne Gefühl der Freude sowie die völlig unpassende Sehnsucht nach diesem abgebrühten Vampir.

Alec hat das nur getan, weil er seine Marionette nicht verlieren wollte. Immerhin bin ich sein neues Spielzeug – im Bett und offensichtlich auch außerhalb.

»Dann muss ich ihm wohl danken, falls ich ihn noch einmal sehe«, murmle ich.

»Das sollten Sie.«

Beide wuseln noch eine Weile um mich herum, nehmen mir Blut ab und tauschen den Tropf aus. Mit einem frischen Verband auf den Rücken liege ich schließlich im Bett und versuche zu verstehen, was hier passiert ist.