FÜNFZEHN

(Alec)

 

Als der Anruf vom Krankenhaus kommt und mir berichtet wird, dass Josh bei Bewusstsein ist und sehr gut heilt, fällt mir ein Stein vom Herzen.

Prima. Da muss ich mir doch kein neues Spielzeug suchen.

Kurz bin ich versucht, mich selbst für diese verlogene Aussage zu ohrfeigen, doch ich unterlasse es.

Ja, Joshua McGee ist eine wichtige Figur in einem gefährlichen Spiel, aber da ist noch mehr. Ich mag den jungen Mann und offenbar bin ich nicht der Einzige, denn Matt und einige meiner Leute haben sich Sorgen um den Sergeant gemacht. Innerhalb eines Tages hat er sich den Respekt der Xenos verdient, was eine starke Leistung ist. Dafür wird er sich unter den Menschen wohl ein paar neue Feinde gemacht haben.

Ich sollte besser ein wachsames Auge auf ihn haben.

Nachdenklich betrachte ich die Informationen, die ich von Matt erhalten habe. Die gezielte Diskriminierung der Xenos ist überdeutlich. Erst durch Joshs Eingreifen kam Bewegung in den Fall und während ich die Vernehmungsprotokolle lese, knurre ich vor Wut. Diese Securityleute haben eindeutig Dreck am Stecken und waren sehr dreist. Ganz offensichtlich hatten sie keine Angst, erwischt zu werden.

Könnte es sein, dass die ‚Priests‘ auch Leute bei der Polizei haben?

Wundern würde es mich nicht. Allerdings bedeutet das nicht nur ein erhebliches Maß an Korruption und Doppelmoral in der Polizei, sondern gleichzeitig auch, dass Sergeant McGee auf der Arbeit in Gefahr ist. Indem ich ihn an die Spitze der neuen Abteilung gesetzt habe, ist er zur perfekten Zielscheibe für die Xenophobiker geworden.

Dann braucht der sexy Sergeant vielleicht Personenschutz. Nachdenklich streiche ich mir über das Kinn und muss schließlich grinsen. Ab jetzt werde ich Josh wohl etwas öfter sehen, um sicherzustellen, dass seinem Knackarsch nichts zustößt.

Dieser Gedanke erheitert mich und löst eine gewisse Vorfreude aus. Tatsächlich kann ich es kaum erwarten, den jungen Polizisten bald wieder zu vernaschen. Nur leider werde ich in nächster Zeit nicht von ihm trinken können. Der Blutverlust war einfach zu groß. Bis sein Körper sich davon erholt hat, wird es einige Wochen dauern. Allerdings werde ich demnächst wahrscheinlich zu meinem Gespielen gehen müssen, statt ihn ins Red Moon zu beordern. Das ist ein bisschen unpraktisch, jedoch sicherer für Joshua. Dort oder generell mit mir gesehen zu werden, dürfte seinem Ruf schaden.

Vielleicht fühlt Josh sich dann auch weniger wie ein kleiner Stricher, der zu seinem Herrn gerufen wird.

Wobei mir die Vorstellung durchaus gefällt, den jungen Polizisten vor mir auf den Knien rutschen zu lassen, damit er seinen Teil der Abmachung erfüllt. Nur hat das selbst in meiner Fantasie einen faden Beigeschmack. Ich will Josh nicht demütigen, nicht mehr. Beim Sex mag ich der dominante Part sein, doch deswegen respektiere ich mein Gegenüber und möchte ihm nicht schaden.

Ich habe sehr wohl gemerkt, wie heftig Joshua mein abweisendes Verhalten nach dem Sex getroffen hat. Ja, uns bindet nur der Vertrag aneinander. Doch anscheinend entwickelt sich daraus mehr. Auch wenn wir es beide nicht wirklich wahrhaben wollen, spüren wir doch, dass wir unsere Feindbilder nicht aufrechterhalten können, wenn wir zusammen sind.

Sergeant McGee ist verdammt lecker und menschlich sowie moralisch vollkommen in Ordnung. Er hätte sich nicht in Lebensgefahr begeben oder die Abteilung in Eigeninitiative zum Laufen bringen müssen. Josh wollte es, weil es das Richtige war.

Seufzend lehne ich mich auf meinem Stuhl zurück. Indem ich Josh mein Blut gab, habe ich unsere Beziehung zueinander verkompliziert. Vampire tun so etwas eigentlich nur, wenn sie jemanden verwandeln wollen. Dafür müsste das Opfer jedoch viel mehr Lebenssaft von mir bekommen und wäre gestorben, um kurz darauf als Vampir zu erwachen. Dass mein Blut schwerwiegende Wunden heilen kann, ist ein Geheimnis, das nur sehr wenige kennen. Vielleicht liegt es daran, dass in meinen Adern ein winziges bisschen Hexenblut fließt.

Tatsächlich bin ich in den alten Aufzeichnungen meiner Urgroßmutter auf diese Information gestoßen. Von ihr stammt auch der Hauch Magie, den ich in mir trage. Ich gehöre zu einer sehr kleinen Gruppe geborener Vampire. Die Mehrheit von uns wird gewandelt, so wie ich es bei Maeve getan habe. Doch ganz selten passiert das eigentlich Unmögliche und ein Kind wird geboren.

Meine Familie scheint dafür prädestiniert zu sein oder es ist das Blut der anderen übernatürlichen Wesen, das mittlerweile in unseren Adern fließt. Wir bleiben im Grundsatz Vampire, die sich von menschlichem Blut ernähren, doch wir tragen auch andere Fähigkeiten in uns, die normale Vampire nicht haben. Anfangs musste unsere Existenz geheim gehalten werden, weil die anderen Vampire Mischlinge fürchteten, doch mit dem Outing den Menschen gegenüber beendeten auch wir unser Schattendasein und mischten uns unters Volk.

Trotzdem ist es nicht ratsam, damit hausieren zu gehen. Zum Glück unterscheide ich mich so geringfügig von normalen Vampiren, dass sie es nur selten bemerken. Je älter ich werde, desto mehr kommt mein vampirisches Erbe durch. Besaß ich als Kind noch einen normalen Herzschlag, so verlangsamte er sich mit jedem Jahrzehnt immer mehr, bis er schließlich kaum wahrnehmbar war.

Auch mein Blutdurst nahm mit der Zeit zu und leider ebenfalls die Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht. Doch das alles ist ein geringer Preis für ewige Gesundheit und ein beinahe unendliches Leben.

Möglicherweise habe ich auch deswegen eine Schwäche für Joshua McGee, denn seine Loyalität und unerschütterliche Liebe erinnern mich an meine eigene Familie. Zwar leben die meisten von uns in Europa, doch trotz der Entfernung stehen wir uns nahe.

Vielleicht sollte ich sie mal wieder besuchen, wenn sich die Situation hier etwas beruhigt hat.

Ich weiß genau, dass ich mir für die Sache mit Josh und vor allem Heather eine gehörige Gardinenpredigt von meiner Mutter anhören werde. Wobei ich zu meiner Verteidigung sagen muss, dass ich in der entsprechenden Situation keine andere, effektive Option hatte und beide Menschen wohlauf sind.

Dass ich mich in mehrfacher Hinsicht an Joshua gebunden habe und ihn an mich, ist ein anderes Problem. Wenn Urgroßmutter Valeria recht behält, dann wird mein Blut den jungen Polizisten verändern, ihn widerstandsfähiger machen. Ob er das allerdings zu schätzen weiß, werde ich herausfinden müssen.

Trotzdem verspüre ich eine gewisse Vorfreude bei dem Gedanken daran, Josh wiederzusehen, am besten gesund und munter.