(Josh)
Als ich meine Wohnungstür aufschließe und Melina hinter mir eintritt, kann ich es immer noch nicht fassen.
Sie haben mich nach nur zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen! Weil ich wieder gesund bin!
Eher aus Gewohnheit, denn aus Notwendigkeit gehe ich in die Küche und koche Kaffee. Kurz überlege ich, ob ich mir die Episode mit der Säge nur eingebildet habe, doch die rötliche Narbe auf meinem Rücken ist der Beweis dafür, dass es wirklich passiert ist. Nur, dass ich jetzt schon wieder so gut wie beschwerdefrei bin, kann ich einfach nicht glauben.
Schweigend mustert meine Schwester mich und ich spüre genau, dass sie darauf brennt, mich zu löchern. Gern würde ich mich in mein Bett verkriechen und mir die Decke über den Kopf ziehen, dann könnte ich sicherlich wenigstens für kurze Zeit das Chaos vergessen, das neuerdings mein Leben ist.
Ich hätte das ›Red Moon‹ niemals betreten sollen!
Dann wäre alles beim Alten und ich wüsste zumindest wer – oder eher was – ich bin. Allerdings würde Melina sich dann wahrscheinlich vor Schmerzen krümmen und mit ihren Entzugserscheinungen kämpfen, während die verrückten ‚Priests‘ drei kleine Kinder auf dem Gewissen hätten und sich ihr nächstes Opfer suchen würden.
Nein. So beschissen wie diese Ungewissheit gerade ist, besser das als die Alternative.
Der vertraute Geruch von Kaffee hilft mir, nicht durchzudrehen. Ständig taucht diese eine Frage in meinem Kopf auf: Was hat Alec mit mir angestellt, und warum? Die Ärzte im Krankenhaus sind sich einig, dass er mir das Leben gerettet hat, nur wie konnten sie sich nicht erklären.
»Josh, ist alles okay bei dir?«, fragt Melina besorgt.
»Keine Ahnung«, gebe ich zu und trage die zwei Tassen mit dampfendem Kaffee zu ihr. »Lass uns hinsetzen, ja?«
Sie nickt. »Okay.«
Als wir uns auf meinem alten Sofa in der Wohnküche niedergelassen haben, schlägt Melina ihre Beine unter und trinkt einen Schluck. Währenddessen mustert sie mich aufmerksam.
»Wer ist Alec Black?«, fragt sie nach einem Moment der Stille.
»Ein Vampir, wahrscheinlich der mächtigste Xeno weit und breit«, antworte ich wahrheitsgemäß.
Meine Schwester schaut mich überrascht an. »Oh. Wie kommt es, dass ihr euch kennt?«
»Du meinst wohl eher, warum er mich nicht umgebracht hat, als er die Chance dazu hatte?«
Melina schneidet eine Grimasse. »Übertreib mal nicht. Du bist zwar ein Cop, aber kein Xenophobiker. Außerdem leitest du eine gemischte Einheit. Er wäre schön blöd, wenn er dich töten würde.«
»Stimmt, nachdem er mich auf den Posten gesetzt hat«, brumme ich.
»Wie bitte?!«
Ich blicke meine Schwester ernst an. »Du glaubst doch nicht, dass die Obrigkeit ein ehrliches Interesse an einer Kooperation mit Xenos oder deren Schutz hat, oder?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, es hat mich auch sehr gewundert, aber wie passt dieser Black hinein?«
»Alec ist mächtig, sehr mächtig und gefährlich«, sage ich. »Er hat Mittel und Wege, um bestimmte Dinge zu erzwingen, wenn es ihm zu bunt wird. Meistens interessiert ihn nicht, was wir Menschen treiben, aber das mit den entführten Mädchen hat wohl das Fass zum Überlaufen gebracht.«
»Und da ist er einfach zum Bürgermeister marschiert oder gleich zum Polizeipräsidenten und hat denen gesagt, was sie machen sollen, oder was?«, meint Melina scherzhaft.
»So in etwa«, gebe ich todernst zurück.
»Du … du willst mich verarschen, oder?«
»Nein«, antworte ich und trinke meinen Kaffee.
»Aber …« Meine Schwester sieht mich fassungslos an. »Wenn er das kann, warum hat er nicht eher dafür gesorgt, dass etwas in dieser Richtung passiert?«
»Keine Ahnung. So wie ich die Xenos verstanden habe, machen die ihr Ding und sind damit auch zufrieden. Nur der Bereich, in dem es Überschneidungen mit uns Menschen gibt, sorgt für Ärger.« Sehr deutlich erinnere ich mich an die Anfeindungen, die Matt und die anderen übernatürlichen Wesen allein in unserer kurzen Zeit im Dezernat erdulden mussten. »Ehrlich gesagt grenzt es an ein Wunder, dass sie noch nicht mordend und brandschatzend durch die Straßen ziehen. Offensichtlich sind die Xenos friedliebender und vernünftiger als wir Menschen.«
»Mhm. Du klingst versöhnlicher als sonst«, stellt Melina fest.
»Möglich. Bisher hatte ich kaum Berührungspunkte mit ihnen. Auf mich als Cop reagieren sie ohnehin ein bisschen empfindlich. Vorgestern musste ich dann mit ihnen zusammenarbeiten und sie haben mich schlicht vom Hocker gehauen. So engagierte und fähige Leute hatte ich ewig nicht mehr um mich.«
»Das ist doch etwas Gutes.«
»Ist es. Ich mag die meisten sogar, auch wenn ich mich an ein paar Eigenheiten noch gewöhnen muss.«
Als meine Schwester mich irritiert anschaut, erkläre ich kurz das mit den deutlich sensibleren Sinnen und der internen Hierarchie unter einigen der Xenos.
»Mhm, verstehe. Wie bist du nun an Alec Black geraten?«
Kurz zögere ich, denn ich möchte Melina eigentlich nicht anlügen. Allerdings kann ich ihr auch nicht sagen, was genau mich an den Vampir bindet.
»Alec hat Zugriff auf die Immunsuppressiva und kontrolliert den Schwarzmarkt.«
Ihre Augen weiten sich entsetzt. »Du bist wegen mir zu ihm gegangen. O Josh!« Sie ergreift meine freie Hand und ist den Tränen nah. »Es tut mir so leid! Ich wollte nicht, dass du …«
»Alles gut. Alec und ich konnten uns einigen und du bist versorgt«, wiegle ich ab und hoffe, dass Melina niemals erfährt, wie ich ihre Medikamente tatsächlich bezahle.
»Also musst du nun für die Xenos arbeiten?«
Ich nicke. »Im Prinzip unterscheidet es sich nicht so sehr von dem, was ich vorher getan habe. Mit der neuen Abteilung sind wir nur besser aufgestellt und werden mit etwas Glück deutlich effektiver sein.«
•
Nachdenklich blicke ich in den dunkler werdenden Abendhimmel. Melina ist wieder zu Hause und glücklicherweise nicht mehr beunruhigt wegen meiner Verbindung zu Alec.
Wenigstens eine von uns darf in der seligen Unwissenheit verweilen.
Ich seufze und gehe ins Bad. Irgendwie habe ich das Gefühl, noch nach Krankenhaus und Schweiß zu riechen. Das Licht flackert kurz, als ich es einschalte, dann erhellt es die winzige Nasszelle, die gut zum Rest meiner kleinen Wohnung passt. Alecs Büro im Red Moon ist viel größer und luxuriöser, was verdeutlicht, wie unterschiedlich unsere Welten sind. Mechanisch ziehe ich mich aus und komme nicht umhin, im Spiegel einen Blick auf die lange Narbe auf meinem Rücken zu werfen. Sie schimmert mittlerweile rosa und ist wundersamerweise noch weiter geheilt.
Wie ist das möglich? , frage ich mich nicht zum ersten Mal.
Kopfschüttelnd steige ich in die Dusche und lasse mich von dem heißen Wasser berieseln. Ich schließe die Augen und lehne meine Stirn gegen die kühle Oberfläche der Kabine. Eine Sache lässt mir keine Ruhe:
Wann wird Alec mich wieder zu sich ins ›Red Moon‹ zitieren?
Zu meiner Schande spüre ich neben der Sorge um meine Reputation und dem Stich, den mir sein geschäftsmäßiges Verhalten versetzt hat, auch eine gewisse Vorfreude.
Wie kann ich mich nach ihm sehnen? Er benutzt mich doch nur und ich brauche ihn für Melinas Medikamente.
»Nur dafür? Jetzt bin ich tief getroffen«, ertönt es plötzlich hinter mir.
Ich zucke zusammen und reiße die Augen auf.
»Alec!«
Bevor ich mich jedoch umdrehen kann, spüre ich schon einen warmen Körper an meiner Rückseite.
»Entspann dich, Josh«, antwortet der Vampir amüsiert.
Einfacher gesagt als getan. »Was machst du hier und wie bist du in meine Wohnung gekommen?«
Seine Hände streichen über meinen Leib und heizen mir gehörig ein.
Alec lacht leise. »Muss ich dir wirklich erklären, was ich tue?«
Bei diesen Worten umfasst er meine beginnende Erektion und gleitet mit seiner Hand daran hoch und herunter. Stöhnend lege ich den Kopf in den Nacken und lasse die berauschenden Gefühle zu, die der Vampir in mir auslöst. Ein tiefes Knurren erklingt, bevor Alec seine Lippen auf meinen Hals presst. Ein Schauer läuft über meinen Rücken, als das Raubtier in ihm so deutlich zutage tritt.
»Ein Jammer, dass ich in nächster Zeit nicht von dir trinken darf«, beschwert Alec sich.
Trotzdem spüre ich seine spitzen Fänge, die über meine empfindliche Haut kratzen.
»Warum nicht?«, keuche ich und schäme mich, weil ich diese Tatsache tatsächlich bedaure.
»Du hast zu viel Blut verloren, Josh. Wenn ich jetzt von dir trinke, würde ich dich zu sehr schwächen. Noch bist du nicht vollständig genesen.«
Das leuchtet ein. Allerdings vergesse ich dieses Detail bald darauf, weil der Vampir seine Liebkosung intensiviert und sich an mir reibt. Verlangend drückt sein bestes Stück gegen meinen Hintern.
»Fühlst du dich stark genug oder möchtest du dich lieber schonen?«
Überrascht drehe ich den Kopf und blicke Alec an. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er Rücksicht auf mich nimmt.
»Ich … weiß es nicht«, gestehe ich. »Der Vertrag …«
Weiter komme ich nicht, denn schon im nächsten Moment werde ich herumgewirbelt und unsanft gegen die Wand gedrückt.
»Scheiß auf den Vertrag!«, knurrt Alec und funkelt mich wütend an.
»Aber …« Verwirrt halte ich inne.
Könnte es sein, dass da mehr zwischen uns ist? Quatsch! Jemand wie Alec hätte doch nie ernsthaftes Interesse an mir. Oder?
»Wenn du jetzt behauptest, dass du nur mit mir schläfst, weil du musst, dann verschwinde ich auf der Stelle«, droht mein Gegenüber.
»Nein! Ich …«
Ja, was will ich eigentlich? , frage ich mich.
Auf jeden Fall nicht, dass Alec geht und mich allein lässt. Nervös befeuchte ich meine plötzlich trockenen Lippen mit der Zunge. Der Vampir steht mit rot glühenden Augen vor mir und doch fürchte ich gerade mehr, dass er mich verlassen könnte als seine blutrünstige Natur. Wasser prasselt auf uns herab, durchnässt seine schwarzen Haare und rinnt seine muskulöse Brust hinunter über das Sixpack, bevor … Schnell reiße ich meinen Blick von seinem besten Stück los und schlucke.
»Ich … ich will dich«, flüstere ich schließlich.
Alec kommt näher und lockert seinen Griff um meine Schultern. »Gute Antwort, Sergeant McGee.«
Dann küsst er mich so stürmisch, dass mir Hören und Sehen vergehen. Haltsuchend klammere ich mich an ihn, nehme gierig, was er mir zugesteht und gebe ihm alles, was er verlangt. Als Alec mich umdreht, so dass ich mit dem Rücken zu ihm stehe, zittere ich vor Verlangen. Aufreizend streichen seine Hände über meinen Körper. Seinen Mund spüre ich ebenfalls auf meinem Rücken. Überrascht zucke ich zusammen, als seine Zunge über die Narbe an meiner linken Flanke gleitet. Die Haut ist empfindlich, doch obwohl es seltsam anmutet, fühlt es sich erstaunlich gut an.
»Was machst du?«, frage ich verunsichert.
»Deine Wundheilung beschleunigen. Es sieht zum Glück deutlich besser aus«, antwortet er mit rauer Stimme. Dann packt er meine Hüften und zieht mich schwungvoll an sich. »Wehe, du setzt dein Leben noch einmal so leichtsinnig aufs Spiel!«, knurrt der Vampir.
Seine Hände massieren meinen Hintern, bevor er sich langsam in mich schiebt. Ich keuche überrascht, dann strecke ich mich ihm entgegen und stöhne, während er mich mit langen Stößen in Besitz nimmt. Als er mich vollständig ausfüllt, verharren wir kurz in dieser Position. Mein Herz rast und die Lust vernebelt meinen Verstand. Nur eine Sache ist klar: Ich will Alec Black, und das hat rein gar nichts mit irgendeinem bescheuerten Vertrag zu tun.
»Gut so«, murmelt der Vampir und küsst mich.
Dann bewegt er sich endlich wieder und raubt mir den Verstand. Als eine seiner Hände nach vorne wandert und meine Erektion massiert, ist es um mich geschehen. Ich erzittere unter meinem Höhepunkt. Alec folgt mir kurz darauf.
Schweratmend stehen wir in meiner winzigen Dusche. Noch immer prasselt das heiße Wasser auf uns herunter, wodurch es sich gerade ein wenig wie Dampfbad anfühlt. Ich schließe die Augen und lehne mich gegen Alec. Gerade bin ich sehr froh, dass er einen Arm um meine Taille geschlungen hat und mich festhält. Meine Knie sind so weich, dass ich wahrscheinlich nicht alleine stehen könnte.
»Alles okay?«, erkundigt er sich leise.
Ich nicke und beiße mir auf die Lippe.
Wird er mich jetzt wieder fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel, nachdem er hat, was er wollte? , frage ich mich bang.
Dieses Verhalten hat mich damals mehr verletzt, als es sollte. Schließlich habe ich einen Vertrag zu erfüllen. Ohne diesen würden wir wohl kein einziges nettes Wort miteinander wechseln. Alec und ich stehen immerhin auf verschiedenen Seiten.
Tun wir das wirklich?
»Schsch. Gönn dir ein paar Minuten Ruhe, Josh«, brummt er und trennt unsere beiden Körper.
Ich spüre oder höre vielmehr, dass er sich wäscht, und tue es ihm gleich. Unterbewusst warte ich darauf, dass Alec mich nun kühl abfertigt, so wie beim letzten Mal. Stattdessen dreht er mich sanft um und blickt mich ernst an.
»Ich war ein Arsch und das tut mir leid, Joshua. Niemand hat es verdient, so behandelt zu werden, auch kein vermeintlicher Feind.«
Bei seinen Worten hüpft mein Herz aufgeregt. »Entschuldigung angenommen.«
Der Vampir lächelt. »Jetzt ab ins Bett mit dir. Du musst dich ausruhen.«
Ich nicke und schalte das Wasser aus.
»Bleibst du noch ein bisschen hier?«, frage ich zu meiner eigenen Überraschung.
»Wenn du möchtest. Ein paar Stunden kann ich erübrigen, dann muss ich zurück.«
Mein Herz schlägt schneller.
»Das wäre schön.«