Zwei Wochen lang vergrub ich mich in diesem Zimmer und nutzte jede freie Minute, um von den Regalen Wissen zu saugen – Wissen über Journalismus, das Schreiben, Afrika, Verlagswesen, Druck und Textredaktion. Die meisten Bücher waren von längst verstorbenen Autoren geschrieben und Jahre zuvor in England erschienen; trotzdem fand ich Nuggets von nützlichen Fakten.
Die Ankunft der Sekretärinnen zwang mich ins große Büro mit meinen Kollegen zurück, aber inzwischen hatte ich mir einiges an Journalistenjargon draufgeschafft. Ich begann, ein paar Nachrichten frisch aus dem Telex miteinander zu kombinieren und mit obskuren, halbwegs relevanten Hintergrundinformationen anzureichern, dann setzte ich eine neue Überschrift drüber und meinen Namen drunter.
Ich blieb über ein Jahr beim Arab Observer, und mit der Zeit nahm meine Ahnungslosigkeit ab. Von Abdul Hassan lernte ich, wie man einen meinungsstarken Artikel so subtil anlegt, dass der Leser die Meinung für seine eigene hält. Der Layouter Eric Nemes brachte mir bei, dass die Platzierung eines Artikels auf der Seite, der Satz, ja, sogar die Farbe der Tinte genauso viel zählen wie ein gut geschriebener Text. David Du Bois demonstrierte, wie man sich eine Geschichte greift und so lange dranbleibt, bis man das letzte Fitzelchen an Info in Händen hält. Vus lieferte mir die Einzelheiten zu den politisch instabilen, vor kurzem unabhängig gewordenen afrikanischen Staaten. Am Ende sprangen eine Gehaltserhöhung von Dr. Nagati, der Respekt meiner Kollegen und Komplimente von Wildfremden heraus.
Die Wochentage begannen mit einem von Omanadia servierten Familienfrühstück. Vus las Zeitung, Guy hatte seine Nase in einem Buch, und ich ging irgendwas für die Arbeit durch, das ich grundsätzlich mit an den Tisch brachte. Wenn wir dann aus dem Haus waren und unserer getrennten Wege gingen, dachte ich oft, dass uns die Kunst des Miteinanderredens schon wieder abhandengekommen war. Wir fanden einfach keine Freude mehr aneinander.
Guys Leben wurde allmählich richtig kompliziert. Er musste mit seiner jugendlichen Sexualität, der rätselhaften arabischen Sprache, einem Körper, der in den Himmel wuchs, und schon wieder mit einem freudlosen Zuhause zurechtkommen. Im Versuch, sich zu schützen, zog er sich in seine Bücherwelt zurück oder stürzte sich in die rauen, lärmigen Kairoer Straßen.
Ich bot ihm an, Partys für seine arabischen Freunde zu geben, damit er öfter zu Hause sein könnte. Höflich, aber kühl lehnte er ab; weder er noch seine Bekannten seien gern drinnen eingesperrt, sondern lieber in den Suks und Gässchen, der Altstadt und auf dem großartigen Tahrir-Platz unterwegs, ich solle mir bloß keine Sorgen machen, ihm gehe es bestens.
Weder er noch ich konnten unser Unglück erfolgreich vor dem anderen verbergen – zu lange waren wir uns zu nahe gewesen. Unter gegenseitiger Achtung akzeptierten wir, dass der andere so tat, als sei alles in Ordnung.
Vus’ Arbeit verdoppelte sich.
Die Anzahl der Männer, die aus Südafrika flohen, wurde immer höher. Manche kamen nur bis Nordrhodesien, wo sie sich versteckten, bis Vorkehrungen für ihre weitere Flucht getroffen werden konnten. Ein paar hatten in Äthiopien Unterschlupf gefunden, mussten aber von dort weggebracht werden, und Vus hatte die Aufgabe, freundlich gesinnte Nationen ausfindig zu machen, in denen die nun heimatlosen Wanderer bleiben konnten. Alle Geflüchteten brauchten Kleidung, Nahrung und Unterkunft. Manche wollten militärische Schulung, andere baten um eine medizinische oder juristische Ausbildung. Vus kümmerte sich stets um alle Belange.
Auch wenn die Romantik in unserer Ehe verpufft war, so bewunderte und schätzte ich ihn doch nach wie vor. Ich liebte ihn sogar, ich war nur einfach nicht mehr verliebt. Es gab genügend Beweise, dass er ohnehin andere romantische Interessen verfolgte. Oft kam er erst sehr spät nach Hause, nach Parfum riechend, mit schweren Augenlidern und ohne jede Erklärung. Ein paar Mal kam er überhaupt nicht nach Hause. Ich schwieg. Ich hatte meine Arbeit, meinen Haushalt und zwei neue Freundinnen: A.B. Williamson, die dralle, hübsche Frau des liberianischen Chargé d’Affaires, und Kebidetch Erdatchew, Frau des Ersten Sekretärs der Äthiopischen Botschaft. Oberflächlich betrachtet hatten wir nichts gemein außer unserem Geschlecht und der Tatsache, dass wir Schwarz sind. Kebidetch war schmal, zierlich und mit einem Sohn der Selassie-Dynastie verheiratet. Sie war schön wie antikes Gold und so reserviert wie eine Schatzkammer, und sie war der lebende Beweis für den in Afrika sprichwörtlichen Liebreiz der äthiopischen Frauen.
Ihre Schönheit war regelrecht legendär. Eines Tages hatte der königliche Jarra Mesfin sie in Addis Abeba vom Auto aus erblickt und auf der Stelle beschlossen, nach diesem einen flüchtigen Blick, sie zu finden, zu freien und zur Frau zu nehmen. Das darauffolgende Werben und die Heirat wurden sogar zum Stoff für Popsongs, die man auf den Straßen und in den Cafés von Äthiopien hörte. Sieben Jahre später warfen sich die beiden immer noch quer durch überfüllte Räume lange, sinnliche Blicke zu. Sie waren kinderlos und wohnten in einem ruhigen Luxusapartment in Zamalek, zusammen mit einem uralten Diener, den sie aus Äthiopien mitgebracht hatten.
A.B. (von Freunden Bahnti genannt) war in der unterentwickelten Grand-Bassa-Region in Liberia aufgewachsen. Für die höhere Schulbildung schickte ihre Familie sie in die Hauptstadt Monrovia, und durch ihr souveränes Auftreten und ihren Mutterwitz fand sie schnell Freunde und schließlich in einem hochintelligenten jungen Anwalt, dessen Karriere gerade Fahrt aufnahm, ihren Mann.
Das Paar wohnte mit seinen eigenen drei Kindern, Bahntis jüngerer Schwester, der Teenager-Tochter einer Freundin, zwei liberianischen Dienstmädchen, einem Kindermädchen, einem ägyptischen Wäscher, einem Pförtner und einem Koch in der Residenz des Botschafters. Das ganze Haus bebte nur so vor Lautstärke. Lärmende Kinder spielten auf der eleganten Treppe Fangen, aus dem überdimensionalen Plattenspieler dröhnten westafrikanische High-Life-Klänge, im Prunk-Salon kicherten junge Mädchen über Jungmädchengeheimnisse, und die kleine, pummelige Bahnti sauste durchs Haus und fügte mit ihrem Gelächter der Katzenmusik noch eine Melodie hinzu.
Kebi, Bahnti und ich hatten uns schon mehrmals bei diplomatischen Empfängen und bei einer unserer kostspieligen Partys bei uns zu Hause getroffen, doch erst eines Abends in der Liberianischen Residenz, als das dortige Erdgeschoss bis auf den letzten Zentimeter mit Gästen bestückt war, machten wir den Sprung von einer Höflichkeitsbekanntschaft hin zu herzlicher Freundschaft. Afrikanische, asiatische und europäische Diplomaten mit ihren Frauen hatten sich unter ägyptische Regierungsvertreter mit deren Frauen gemischt. Extra angeheuerte Kellner drückten sich durch die Menge und schoben den Gästen Tabletts mit Drinks unter die Nase.
Ich saß gerade mit einer Jugoslawin in der informellen Lounge, als ich aus einem anderen Zimmer über das Stimmengewirr hinweg Vus’ Stimme hörte.
»Ich spreche hier für die Xhosa, die Zulu, die Shona und die Lesotha. Ihr seid ein törichtes Volk. Töricht.« Ich sprang auf, erinnerte mich gerade noch rechtzeitig an meine Manieren und entschuldigte mich. (Vus war damals gerade dabei, sich bei den Jugoslawen einzuschmeicheln.) Ich drängte mich durch die Menge. Vus’ Stimme wurde lauter.
»Eine törichte, kleingeistige, gierige Nation. Schäbig und dumm. Dumm.« Schneller als erwartet hatte ich ihn erreicht, denn die Leute in seinem Dunstkreis hatten sich in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Vus stand einem Weißen gegenüber, an dem das rote Gesicht und die aufgerissenen Augen das einzige Lebenszeichen waren. Stocksteif stand er da; man hatte den Eindruck, ihn hätte der Schlag getroffen und man hätte ihn einfach als Statue so stehenlassen. Vus’ Gesicht dagegen strotzte höchst lebendig vor Verachtung; er hatte den Arm gehoben und stieß dem Weißen nun seinen Zeigefinger vor die Brust.
»Sagen Sie den Wilden in Ihrem Land, dass Mutter Afrika sie nicht länger am Busen nähren wird.«
Vus musste entweder Alkohol getrunken oder die nackte Wut im Blut haben, vielleicht auch eine gefährliche Mischung von beidem. Die Geräuschkulisse hatten sich zu einem andauernden, missbilligenden Unterton reduziert. Ich kam mir so machtlos vor, als wäre ich stumm oder hypnotisiert.
»Ich spreche für Südafrika, Südwestafrika, Mosambik, Angola …«
»Und für Äthiopien.« Das kam aus dem Hintergrund, und während sich der Sprecher Vus näherte, wurde der Ton lauter. »Er spricht für die Amharen, die Gula und die Eritreer.« Jarra, der sich durch die Gruppe gekämpft hatte, tauchte auf und stellte sich neben Vus. Erneut gab es ein Geschiebe, die Menge öffnete sich wieder, und neben Jarra trat Kebi. Das gab mir den Mut, näher an Vus heranzurücken, auch wenn wir beide aus unterschiedlichen Motiven handelten. Sie demonstrierte ihre Unterstützung für Jarra; ich hoffte, dass Vus sich durch meine Anwesenheit vor Schreck zusammenriss. Zu fünft standen wir da wie kriegführende Stämme auf einer Lichtung. Da erhob sich über den Lärm Joe Williamsons ohnehin hohe Stimme.
»Brüder. Brüder.« Leichtfüßig wie ein stolzer Bantamhahn hüpfte Joe neben Vus und Jarra. »Streit ist das eine, Krawall das andere. Hier gehört beides nicht her.«
In unverändertem Tonfall wechselte er ins liberianische Patois. »Sagen bei uns die Alten: ›Schnellschnell dauert bis morgen, immer mit der Ruhe geht bis heute.‹ Oder noch besser: ›Im Krieg zeigst du Waffen, auf Party zeigst du Lachen.‹«
Vus wandte sich zu Joe, und ich hielt den Atem an. Joe war der Doyen des afrikanischen diplomatischen Korps; er hatte Vus und all die anderen Freiheitskämpfer immer unterstützt und genoss in Kairo großen Respekt; und ich mochte ihn. Wenn Vus Joe jetzt die Meinung sagte, konnte ich ihn von der Liste unserer Bekannten streichen, denn Vus’ Zunge konnte spitz sein wie ein Assagai, und Joe war ein stolzer Mann. Vus schüttelte lachend den Kopf. »Bro Joe, warum bist du nicht Präsident von ganz Afrika!«
Jarra nahm Vus’ entspannte Haltung als Stichwort: »Sprich für den Rest von Afrika, Vusumzi, ohne Äthiopien. Aber vielleicht macht unser Kaiser ihn ja zum Ras.« Sie lachten.
Die ganze Gesellschaft schien gleichzeitig aufzuatmen. Plötzlich ertönte Musik, die Menschentrauben lösten sich auf, Vus, Joe und Jarra zogen gemeinsam von dannen, und der Mann, der Vus’ Tirade abgekriegt hatte, war verschwunden. Nur Kebi, Bahnti und ich standen noch da. Kebi blickte uns an, lüpfte die Augenbrauen und zuckte fast unmerklich die zarten Schultern. Bahnti hatte die Hände in die Hüften gestemmt und grinste diebisch. Für mich waren wir plötzlich die Nachhut in einem Krieg, dessen Erklärung wir nicht mitbekommen hatten, und jetzt gestrandet auf dem Schlachtfeld nach einem Friedensschluss, zu dem wir nichts beigetragen hatten. Ich musste schallend lachen; Bahnti und Kebi kicherten. Wir rückten zusammen und strichen uns freundlich über Arme, Hände, Schultern, Wangen. Zusammengebracht vom ersten Mann und von der schlauen, humorvollen Mediation des dritten, sollten wir drei Frauen die nächsten anderthalb Jahre unzertrennlich sein.
Ich kam nie dahinter, welche Sicherung den Flächenbrand verursacht hatte. Meine Fragen beantwortete Vus später mit einem: »Er war im Unrecht und zu feige, zu sagen, was er wirklich meinte.«
»Hat er dich beleidigt? Ich meine uns, als Schwarze?«
»Nicht direkt. Wie die meisten weißen Rassisten war er einfach herablassend. Wenn er mich nur ins Gesicht geschlagen hätte, hätte ich mich wenigstens revanchieren können.«
Ich konnte ihm nur beipflichten. Manche Weiße geraten in Gegenwart von Schwarzen über den Widerspruch zwischen ihrem angelernten, tiefsitzenden Rassismus und dem Gebot der Höflichkeit so in Panik, dass sie vor lauter Verzweiflung sämtliche Schwarzen in Hörweite beleidigen. Das stereotype »Manche meiner besten Freunde …« und andere hilflose Stolperer in Richtung dessen, was sie für Anstand halten, lösen bei Schwarzen eine Wut aus, die Weiße nicht begreifen und schon gar nicht aus der Welt schaffen können.
Meine Unfähigkeit, fließend Arabisch zu sprechen, und der kulturelle Unterschied machten Freundschaften mit arabischen Frauen schwierig. Die Sekretärinnen in meinem Büro hatten weder den Mut (ich verstand durchaus, dass ich als gut eins achtzig große Schwarze amerikanische Mitherausgeberin eine Seltsamkeit darstellte) noch die Zeit (die meisten arbeiteten, um ihren bedürftigen Eltern oder Geschwistern unter die Arme zu greifen) noch das Interesse (manche waren bereits verlobt und verdienten sich das Geld für ihre Aussteuer), um auf meine Avancen einzugehen.
Ich hatte von Hanifa Fathy schon gehört und bemerkt, mit welchem Respekt ihr Name ausgesprochen wurde. Hanifa Fathy, die Dichterin. Dann: Hanifa Fathy, die Frau eines Richters. Dass bei einer Ägypterin die eheliche Verbindung nicht als ihre Spitzenleistung genannt wurde, war ungewöhnlich. Als wir uns schließlich auf einer Konferenz kennenlernten, war Hanifa Fathy zu meiner Verblüffung auch noch hübsch. Auf ihr Aussehen war bisher niemand eingegangen. Sie trug ihr hellbraunes Haar wie Lauren Bacall, und auch ihre charaktervollen, weiblichen Züge erinnerten mich an die mutige amerikanische Schauspielerin.
Als wir uns die Hand gaben (ein fester Händedruck bei ihr), meinte sie, sie habe meine Artikel im Arab Observer gelesen und mich daraufhin unbedingt kennenlernen wollen. Ich nahm ihre Einladung, ein paar ägyptische Schriftstellerinnen, Akademikerinnen und Lehrerinnen kennenzulernen, gern an.
In Hanifas modischem Wohnzimmer begegnete ich dann Ägypterinnen, die an europäischen Universitäten promoviert hatten, und ernstzunehmenden Künstlerinnen und talentierten Schauspielerinnen, aber irgendwie kamen sie mir zu gebildet, zu sehr auf den Beruf fixiert vor, als dass sie auf den kumpelhaften Kontakt einer Freundschaft aus gewesen wären. Hanifa dagegen war so geistreich wie warmherzig, und wir verbrachten Samstagnachmittage mit herrlichem Klatsch auf der Veranda des Kairoer Country Clubs.
Meine Ehe bot mir Struktur und Verantwortung minus Verliebtheit, und trotz meines zehnstündigen Arbeitstags beim Arab Observer zerrann mir das Geld zwischen den Fingern. Vus brauchte immer noch mehr Garderobe, noch mehr Reisen, noch mehr Partys. Guy brauchte neue Kleider und mehr Taschengeld. Ich brauchte von allem noch mehr, jedenfalls wollte ich mehr von dem, was ich schon hatte, und dazu kamen ganz neue Begehrlichkeiten.
Von außen betrachtet war unsere Lage nicht rosig, aber ich konnte mich einer Fröhlichkeit nicht erwehren, die mir auf dem Schoß saß, sich über meine Schultern räkelte und mir bis in die Handflächen prickelte. Immerhin lebte ich in Kairo und verdiente mein Geld; meinem Sohn ging es gut, und dann waren da noch David Du Bois, Bahnti, Kebi und Hanifa. Ich hatte einen potenziellen Bruder und drei potenzielle Schwestern. Es hätte wesentlich schlimmer sein können.
Bahnti schmiss eine herrliche Party, zu der nur Frauen eingeladen waren: Anlass war der Geburtstag einer bedeutenden liberianischen Ärztin. Livrierte Diener servierten raffinierte Speisen und eine große Auswahl an Getränken, das Wohnzimmer war geschmückt wie für einen festlichen Botschaftsempfang, und ein Musikertrio spielte bekannte Melodien.
Die Frauen und Sekretärinnen aus den afrikanischen Botschaften sowie vereinzelte Ägypterinnen und ich fühlten uns wunderbar wichtig. Wir aßen, tranken und unterhielten uns, bis die halbe Gästeschar schließlich auf Bahntis poliertem Parkettboden tanzte. Jede Frau hielt sich dabei an die Schrittfolge ihres Landes. Kebi glitt, Hände an den Hüften, in winzigen Schritten über die Tanzfläche, hob erst die eine, dann die andere Schulter und ließ beide sinnlich kreisen. Bahnti und Mrs Clelland von der ghanaischen Botschaft tanzten High Life: kleine Schritte, die Knie leicht gebeugt, das Hinterteil ein wenig nach links, ein wenig nach rechts und direkt nach hinten geschwenkt. Ich kombinierte Twist und Swim und erntete damit beifälliges Gelächter und Applaus von den umsitzenden Nichttänzerinnen.
Als die Party sich schon ihrem Ende zuneigte, schwang sich eine junge Frau in westafrikanischer Nationaltracht auf die Tanzfläche. Der lange bedruckte Rock und die dazu passende Bluse umschmeichelten einen bemerkenswerten Körper. Sie hatte breite Schultern, große, straffe Brüste, ausladende Hüften und eine Kindertaille. Sämtliche Tänzerinnen wichen zurück und suchten sich einen Sitzplatz, während die bildschöne Frau sich zur Musik bewegte. Begleitet von den Anfeuerungsrufen und dem Gelächter des Publikums schwang und schwenkte sie die Hüften, zuckte und zitterte, rempelte und rüttelte.
»Schwing die Beine, Mädchen! Schwing sie!«
»Zeig, was du draufhast, Kind.«
»Juhu!«
Sie setzte eine durchtriebene Miene auf, wissend, lasziv, und ihre voluminösen Hüften flatterten, als wollte sich ein in ihrem Becken eingekeilter Vogel freifliegen.
Die Wonne, die die Zuschauerinnen bekundeten, erinnerte mich an das Wohlwollen, mit dem ältere Schwarze Frauen in Amerika die Sexiness anderer Frauen betrachteten. Jahre zuvor, als ich mein Geld als Showtänzerin verdiente, hatte mir manch eine Dame die Hüften getätschelt und mir zugerufen: »Du hast es drauf, Baby! Schwing das Teil!« Ihre Begeisterung war pur, sinnlich und beifällig. Ältere blickten auf die Sinnlichkeit einer Jüngeren als Erweiterung ihrer eigenen und fühlten sich an ihre Jugend erinnert, Jüngere dachten an ihren letzten Sex oder ließen sich von weiblicher Sexiness zur Vorfreude auf das nächste befriedigende Encounter inspirieren.
Ich fand es schön, dass Afrikanerinnen und Schwarze Amerikanerinnen diese Sitte gemeinsam hatten.
Als Musik und Tanz vorbei waren, mischte ich mich unter die Frauen, die die Tänzerin umringten und unter fröhlichem Gelächter streichelten und tätschelten.
»Ich komme aus Nordnigeria.« Sie hatte eine leise Stimme und hielt aus Respekt vor dem Alter und der Stellung der älteren Frauen den Blick gesenkt. »Ich bin unverheiratet und habe eine gute Mitgift. Ich wohne hier bei arabischen Freunden und lerne Arabisch.«
Sie hieß Mendinah und war eindeutig auf Männersuche.
Wir machten ihr Komplimente, hießen sie in Kairo willkommen, und ich wünschte ihr im Stillen Glück.