Der Anlass, sich mit dem Alkoholkonsum bei Bienen zu befassen, war ein Forschungsprojekt über das Sammeln von natürlicherweise giftigem Nektar durch Asiatische Honigbienen (Tan et al., 2012). Diese Bienen kommen mit den leicht giftigen Alkaloiden im Nektar zurecht (siehe dazu auch S. 68). Doch wie verhält es sich mit Alkohol?
Im Prozess der alkoholischen Gärung verwandeln Mikroorganismen Kohlenhydrate in Ethanol und Kohlendioxid. Ethanol kann im Zuge von Abbauprozessen in Obst entstehen. So können verdorbene Früchte zum Teil beachtliche Mengen an Alkohol enthalten. Wird im Herbst die Blütentracht knapp, interessieren sich Bienen auch für reifes und überreifes Obst. Dann sammeln sie Saft an aufgeplatzten Äpfeln, Kirschen oder Weintrauben. In den Waben im Bienenstock kann Honig mit höherem Fruchtsaftanteil zu gären beginnen, Alkohol entsteht.
Nicht nur alte Früchte, sondern auch Bier übt auf die winzigen Taufliegen eine starke Anziehung aus, man kann sie in Massen in einem Bierglas ertrunken finden. Dabei geht es den Taufliegen nicht um den Alkohol, sondern um die süßlich schmeckende Verbindung Glycerin, die ebenfalls bei der Gärung entsteht. Bekommen die Fliegen in einem Versuch Alkohol verabreicht, können sie erstaunliche Mengen vertragen, bevor sie reagieren wie betrunkene Menschen. Sie verlieren das Gleichgewicht und torkeln. Dabei wurde im Erbgut dieser Fliegen ein Gen entdeckt, dass es den Insekten möglich macht, mit immer mehr Mengen Alkohol zurecht zu kommen, sie vertragen im Laufe einer „Trinkerphase“ immer höhere Alkoholdosen.
Es gibt eine natürliche Bedeutung eines Alkoholgehaltes im Fliegenblut, allerdings nur bei deren Larven: Haben Fliegenlarven Alkohol konsumiert, haben sie eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit gegenüber parasitischen Wespen, deren Larven sich ansonsten wiederum in den Fliegenlarven entwickeln.
Und es gibt einen interessanten experimentellen Befund: Werden Taufliegenmännchen am Sex gehindert, bevorzugen sie in einem Auswahlversuch Nahrung mit einem Alkoholanteil von 15 %. Der Grund: Sex und Alkohol aktivieren das gleiche Belohnungszentrum im Gehirn der Fliegen.
Werden Honigbienen unter Laborbedingungen mit alkoholhaltiger Nahrung gefüttert, reagieren sie erkennbar betrunken. Sie schwanken beim Stehen, sie verzichten auf Körperpflege und fallen im Extremfall einfach auf den Rücken. Auch lernen sie das Lösen neuer Aufgaben deutlich schlechter.
Bienen besitzen wie alle Insekten kein spezifisches Enzym zum Abbau von Alkohol im Blut, bei den Insekten der Hämolymphe, die alle Organe umspült. Man war lange Zeit davon ausgegangen, dass auch Insekten alkoholabbauende Enzyme besitzen, was aber nun revidiert wurde. Trotz der molekularen Unterschiede zwischen Biene und Mensch erhoffen sich Forscher aus dem Studium der Alkoholwirkung auf Honigbienen Einsichten in die molekularen Mechanismen und Folgen von chronischem Alkoholgenuss. Honigbienen sind aber noch aus einem weiteren Grund für die Alkoholforschung sehr spannende Versuchstiere: Honigbienen sind genau wie wir Menschen hoch soziale Lebewesen, und es wird sehr interessant sein, weiter vertieft zu studieren, ob auch die Bienen unter Alkoholeinfluss ihr Sozialverhalten ändern – vor allem auch, ob sie gegenüber ihren Stockgenossinnen aggressiver werden.
Eine Sammelbiene bedient sich an gärenden, ausgepressten Weintrauben.