Vor vielen Jahren hatte eine Boulevard-Zeitung einmal, groß aufgemacht, getitelt wie folgt: „Summ Summ Bumm“. Seitdem geistert dieses Projekt mit konstanter Regelmäßigkeit durch Sommerlöcher, Krisengebiete und auch in immer wieder neue Forscheraktivitäten.
Was steckt dahinter? Es ist die nicht aus der Welt zu schaffende Idee, mithilfe dressierter Honigbienen Landminen und andere gefährliche Objekte lokalisieren zu können. Hinter dieser Idee stecken a) das alte Modell zum Informationsgehalt der Bienentänze und b) eine überragende Fähigkeit der Bienen. Zu a): Gemeint ist die Vorstellung, Honigbienen teilten sich über den Bienentanz die genaue Lage auch weit entfernter Orte in der Umgebung des Bienenstockes mit, zu b): Honigbienen lernen rasch und nachhaltig für sich relevante Düfte kennen, normalerweise Blütendüfte.
Der Gedanke ist bestechend: Haben Honigbienen gelernt, den Geruch von TNT (einem Sprengstoff) mit Futter zu verbinden, so finden sie in der Umwelt verborgene Quellen dieses Geruches und locken durch den Tanz weitere Sammelbienen dorthin. Man braucht nun nur noch auf die klassische Art die Tanzinformation (die Vektorangabe zum Zielpunkt, siehe dazu auch altes Modell, S. 49) auszulesen, und schon weiß man, wo die Biene den Sprengstoff gefunden hat. Oder man schaut, wo im Feld sich mehrere rekrutierte Bienen räumlich konzentriert versammeln und schon weiß man, wo die durch eine dressierte Biene entdeckte Landmine vergraben liegt.
Richtig ist: Honigbienen haben, wie viele Insekten, einen überragend empfindlichen Geruchssinn. Ermöglicht durch viele Tausend Sinneszellen auf den beiden Fühlern am Kopf der Bienen sind diese für Düfte so empfindlich wie Spürhunde. Bienen leben in einer Duftwelt, die wir Menschen mit unseren dafür groben Sinnen nicht nachvollziehen können. Normalerweise sind es die Blütendüfte und Kommunikations-Botenstoffe, die für Honigbienen interessant sind. Und weil es mehr als Hunderttausend unterschiedliche Blütendüfte gibt, auf welche die Bienen treffen könnten – also zu viele, um alle kennen zu können – hat die Natur die Bienen mit einer überragenden Lernfähigkeit für Düfte ausgestattet (siehe auch S. 20). Einmal auf einer Glockenblume gelandet, vergessen die Bienen diesen Duft nie mehr, wenn sie dort auf Nektar, also eine Belohnung, gestoßen sind. Bereits die alten Griechen wussten, dass sich Honigbienen nach Düften richten, und die moderne Verhaltensforschung hat uns geholfen zu verstehen, wie einfach Bienen auch auf nicht-natürliche Düfte dressierbar sind, also selbstverständlich auch auf Sprengstoffdüfte. So kann man in einem Versuch eine solche Belohnung in Form eines Zuckerwassertropfens mit jedem beliebigen Duft verbinden (Abb. S. 21). Die Biene merkt sich diesen Duft wie einen Blütenduft.
Nun zu der Idee, derart vorbereitete Bienen draußen im Feld nach Landminen (TNT-Duft) suchen zu lassen. Als Bienenbiologe muss man fürchten, dass hier mit zu viel Optimismus herangegangen wird. Man muss sich einmal die Biene im Feldeinsatz vorstellen. Falls in dem Gelände, in dem die Bienen nach Minen suchen sollen, irgendetwas Bienenattraktives wie Blüten oder bei Bedarf auch Wasser zu finden ist, wird auch der Nichtfachmann vorhersagen können, was passieren wird, da natürliche Blütendüfte für futtersuchende Bienen unwiderstehlich sind.
Es darf auf keinen Fall eine Blüte in der Gegend sein, in der die Minen vermutet werden und die Bienen suchen sollen. Grundsätzlich ausgehebelt wird die Minenaufspür-Idee durch die Tatsache – noch immer nicht von jedem Bienenbiologen akzeptiert –, dass die Tanzinformation höchst ungenau ist (Tautz, 2021) und somit wenig hilfreich im hier besprochenen Zusammenhang. Dazu kommt, dass eine Sammelbiene erst dann zu tanzen beginnt, nachdem sie eine bestimmte attraktive Futterquelle 5- bis 10-mal hintereinander besucht hat und dort eine Belohnung wie Nektar gefunden hat. Über einer Mine findet sie nichts, sie wird dort nicht wiederholt hinfliegen und schon gar nicht zu tanzen beginnen.
Bienen sind für uns Menschen unverzichtbare Helfer, aber leider nicht bei „Summ Summ Bumm“.