Kapitel 7

Paris, Januar 1894

Monsieur Eduard Rosset, einer der Mitbegründer und Verleger des Verlagshauses Éditions Grasser et Rosset, blätterte kopfschüttelnd durch die fast dreihundert Seiten von Fabiennes handschriftlichem Manuskript. »Wie lange haben Sie an diesem Werk gearbeitet, Madame Mazeau?«

»Gut eineinhalb Jahre«, sagte Fabienne, die gespannt wie eine Feder auf der Kante ihres Stuhles saß. Eine blasse Januarsonne fiel durch die hohen Fenster des Patrizierhauses auf den Schreibtisch des Verlegers. Im Sonnenlicht wirkten die dreihundert Seiten jungfräulich weiß – gerade so, als habe sie noch niemand in der Hand gehabt, dachte Fabienne.

Seit drei Tagen waren Yves und sie nun schon in Paris und putzten die Klinken aller namhaften Verlagshäuser. Meist waren sie schon vom Pförtner oder der Rezeptionistin, so es denn eine gab, wieder weggeschickt worden. Ein Termin ohne vorherige Anmeldung? Unmöglich!

Ein paar Mal hatten sie aber auch Glück gehabt, und Fabienne hatte bei einem Verleger vorsprechen dürfen. Jedes Mal, wenn ein Verleger ihr Manuskript durchblätterte, wurden die Seiten knittriger. Bei jeder Absage wurde Fabienne verzweifelter. Ob sie heute Glück hatten?

»Erstaunlich …« Nachdenklich strich sich Eduard Rosset durch seinen gepflegten Bart. »Einer Frau hätte ich solch einen langen Atem gar nicht zugetraut – das weibliche Geschlecht ist doch eher kurzweiligen Vergnügungen zugeneigt.«

Fabienne knirschte mit den Zähnen.

»An eine Kapitelaufteilung haben Sie auch gedacht – Vorspeisen, Hauptgänge, Desserts und Gebäck, nützliche Tipps für die sparsame Hausfrau und Mutter …« Monsieur Rosset nickte. »Erstaunlich, für eine Frau ist das gar nicht schlecht …«

Fabienne runzelte die Stirn. »Für eine Frau« – warum betonte er das ständig? Waren Frauen in seinen Augen Menschen zweiter Klasse? Waren sie geistig beschränkter? Vielleicht hätte sie sich im Vorfeld informieren müssen, ob in den Verlagen, die sie aufsuchte, überhaupt Schriftstellerinnen verlegt wurden. Dass dies eher die Ausnahme als die Regel war, hatte sie inzwischen gelernt. Und sie wusste inzwischen auch, dass sich die meisten Verlage auf eine Sorte Bücher – romantische Geschichten zum Beispiel oder Bücher über Kunst – spezialisiert und deswegen kein Interesse an einem Kochbuch hatten. Es gab natürlich auch Verlage, die Sachbücher und Enzyklopädien im Programm hatten – dort hätte ein Kochbuch gut gepasst. Doch auch diese hatten ihr Werk bisher alle abgelehnt. »Eine gute Hausfrau kann von Natur aus kochen, dafür braucht es kein Buch« – so lautete die Begründung der Verleger. Fabiennes Argumente für ein solches Kochbuch hatten sie erst gar nicht hören wollen. Wie damals, als sie sich als Köchin bewarb und keiner sie hatte nehmen wollen, hatte sie mit sinkendem Herzen gedacht. Aber deshalb gleich die Flinte ins Korn werfen? Die gens de l’eau, also die Menschen, die vom Canal du Midi stammten und zu denen Fabienne sich zählte, waren zäh – aufgeben war für sie keine Option!

Eduard Rosset war der erste Verleger, der sich ihr Manuskript zumindest anschaute. Wie schade, dass ausgerechnet heute Yves nicht dabei war …

»Mousse au Chocolat mit Zimtbirnen … köstlich! Ich würde einen starken Mokka dazu nehmen«, murmelte der Verleger vor sich hin und leckte sich unwillkürlich die Lippen.

Fabienne hielt die Luft an. Mit seiner korpulenten Figur und den vollen Wangen erinnerte der Mann sie an ihren früheren Arbeitgeber in Lyon, den Geigenbauer Armand Nivet, der ein großer Genießer gewesen war.

»Soufflé aus Äpfeln und Calvados …« Eduard Rosset nickte träumerisch. »Und dazu ein gut gereifter Calvados im Glas – das könnten Sie vielleicht noch anfügen!«

Sie solle ruhig ein wenig ihren weiblichen Charme spielen lassen, hatte Yves am Morgen zu ihr gesagt und sich dann zu einem Stadtbummel aufgemacht. Lust, sie erneut zu begleiten, hatte er keine mehr gehabt. Er betonte zwar immer, wie sehr er sie in Bezug auf ihr Kochbuch unterstützte, doch Fabienne spürte, dass er insgeheim eher nicht an eine Veröffentlichung glaubte.

»Ein guter Hinweis, vielen Dank! Für einen so gebildeten Mann wie Sie liest sich mein Kochbuch vielleicht ein wenig banal«, sagte Fabienne in schmeichlerischem Ton, klimperte unbeholfen mit ihren Wimpern und kam sich schrecklich dämlich dabei vor.

Der Verleger runzelte die Stirn. »Haben Sie etwas im Auge, Madame Mazeau?«

So viel zu ihrem weiblichen Charme!, dachte Fabienne selbstironisch und beschloss, ihr Glück lieber mit guten Argumenten zu versuchen. »Viele Männer nehmen ja an, dass uns Frauen das Kochen in die Wiege gelegt sei. Oder dass jedes junge Mädchen das Kochen von ihrer Mutter lernt. Doch dem ist nicht so! Vielmehr –«

»Sprechen Sie nicht weiter!«, unterbrach der Verleger sie theatralisch. »Ich weiß genau, worauf Sie hinauswollen. Meine Frau zum Beispiel hat das Kochen nie gelernt. Eine Köchin möchte sie jedoch auch nicht einstellen, fragen Sie mich nicht, warum.« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Wenn ich es recht überlege – von den Damen, die ich kenne, kann eigentlich keine kochen. Der Schwerpunkt in der Erziehung junger Mädchen in unseren Kreisen liegt eher auf dem Balletttanz, den schönen Künsten oder Feinstickereien. Wenn man den jungen Frauen ein solches Werk wie dieses hier schenken würde, könnte sie ihren zukünftigen Ehemann auch mit ihren Kochkünsten beglücken.«

Fabienne nickte eifrig. »Denken Sie aber auch an die Töchter von Fabrikarbeiterinnen!«, sagte sie. »Wenn die Mutter frühmorgens das Haus verlässt und nach zwölf Stunden harter Arbeit nach Hause kommt – wann soll sie dann ihren Töchtern noch das Kochen beibringen?«

Eduard Rosset schaute sie an. »Madame Mazeau, ich bin ganz ehrlich mit Ihnen – noch vor einem Jahr hätte ich Ihr Kochbuch ablehnen müssen. Mein Kompagnon Monsieur Grasser – Gott hab ihn selig – legte eher Wert auf ein konservatives Verlagsprogramm. Er hätte sich nie auf ein Kochbuch eingelassen. Aber die verstaubten Zeiten sind vorbei, ich möchte unser Programm neu und modern gestalten! Ihr Kochbuch passt da vorzüglich, deshalb werde ich gleich mit einer größeren Auflage starten und …« Sein Blick wanderte zu der ziselierten Uhr, die auf dem Schreibtisch stand. »Schon fünf vor elf! Um elf erwarte ich meinen nächsten Besucher – übrigens auch eine Dame, was für ein Zufall! Sie hat mir erst kürzlich ebenfalls eine sehr fortschrittliche Idee für ein Buch präsentiert, und heute wollen wir den Vertrag finalisieren.« Er lächelte Fabienne freundlich an. »Am besten notiere ich mir noch kurz Ihre Adresse, und wir senden Ihnen dann ein Angebot zu. Einverstanden?«

Fabienne schluckte hart. »Heißt das … Sie wollen … mein Kochbuch drucken?«

»Was denken Sie denn? Eine solche Chance lasse ich mir nicht entgehen!« Eduard Rosset überlegte kurz. »Oktober, November … Ich könnte mir vorstellen, dass wir es schaffen, Ihr Werk noch in diesem Jahr zu veröffentlichen. Dann könnte es schon als Weihnachtsgeschenk gekauft werden.«

*

In Stéphanie de Carneval tobte ein Zweikampf.

Die weinroten Ledersessel. Der vergilbte Perserteppich, über den schon Millionen Füße getrampelt waren. Die langweiligen gestreiften Tapeten, in deren Rillen der Staub von Jahrhunderten hing … Wohin Stéphanie auch schaute – das Vorzimmer des Verlegers Eduard Rosset, in dem sie nun schon seit zehn Minuten saßen, wirkte so muffig und verstaubt wie Oscars Büro in der Bank. Und auch die in rotes Leder gebundenen Bücher, die auf einem raumhohen Regal ausgestellt waren, sahen einfach nur sterbenslangweilig aus. Ein »Lexikon der Antike« stand da. »Universale Enzyklopädie«, las Stéphanie auf einem anderen Buch. Die meisten Bücher handelten von der Geschichte des Landes. Wie bei ihrem ersten Besuch hier in der vergangenen Woche fehlte Stéphanie auch heute die Fantasie, sich ihren modernen Restaurantführer in diesem Regal vorzustellen.

»Und du denkst wirklich, das Verlagshaus Éditions Grasser et Rosset ist die richtige Adresse für unseren Restaurantführer?«, flüsterte sie Oscar zu, der sie zu diesem Termin begleitete.

»Zumindest haben sie uns bei der allerersten Verhandlung sogar einen ziemlich hohen Vorschuss angeboten. Das heißt doch, dass sie sich von deinem Restaurantführer einen Erfolg versprechen«, raunte er. »Außerdem gehört Éditions Grasser et Rosset zu den renommiertesten Verlagshäusern Frankreichs!«

Renommee. Manchmal hatte Stéphanie das Gefühl, das Wort würde sie verfolgen wie ein böser Fluch. Hatte man kein Renommee, waren einem ziemlich viele Wege im Leben verbaut. Hatte man zu viel davon, lief man Gefahr, vor Langeweile zu sterben!

Renommee – nur darauf war es ihr angekommen, als sie Oscars Antrag angenommen hatte. Denn ohne einen guten Namen konnte sie ihr Vorhaben vergessen. Wenn heute jedoch alles nach ihren Vorstellungen verlief, dann stand einer Veröffentlichung ihres Restaurantführers nichts mehr im Weg. Und wenn nicht? Stéphanie zupfte nervös einen Faden aus ihrem wollenen Schal. Die Vorstellung, dass ihr Restaurantführer keinen Anklang fand, war fast unerträglich. Denn dann wäre die Heirat umsonst gewesen …

»Du kannst den Namen meiner Bank für deinen Restaurantführer verwenden«, hatte Oscar verkündet, als sie ihn vor knapp eineinhalb Jahren in seinem Stadtpalais besucht hatte.

Stéphanie hatte geglaubt, nicht richtig zu hören. So einfach war das? Am Tag davor hatte er sich doch noch so geziert! Doch dann hatte Oscar weitergesprochen und Stéphanie war aus allen Wolken gefallen.

»Es gibt allerdings eine Bedingung. Ich möchte, dass wir das nachholen, wozu es im Januar 1882 nicht mehr gekommen ist: unsere Eheschließung!«

»Du willst mich heiraten? Aber … warum?« Die Worte waren aus ihr herausgeplatzt, bevor sie sich hatte zügeln können.

»Die Frage ist berechtigt.« Er hatte sie amüsiert angeschaut. »Du bist ein ruchloses, eigensinniges und nur auf seinen Vorteil bedachtes Wesen, Stéphanie. Aber was will ich machen? Ich habe nun mal Gefallen an dir gefunden.« In einer lässigen Geste, die so gar nicht zu seinem sonstigen Auftreten passte, hatte er beide Hände in die Luft geworfen. »Daran hat sich in all den Jahren nichts geändert.«

»Du liebst mich … immer noch?« Stéphanies Ungläubigkeit hatte sich ins Unendliche gesteigert. Sie hatte nicht gewusst, ob sie sich geschmeichelt fühlen oder in ein hysterisches Lachen ausbrechen sollte.

Doch Oscar hatte seine dünnen grauen Augenbrauen gehoben und gesagt: »Liebe? Wie kommst du darauf?«

In diesem Moment hätte sie ihn am liebsten geohrfeigt. »Verzeih, ich vergaß, dass für euresgleichen die Liebe bei einer Eheschließung die geringste Rolle spielt«, sagte sie mit leicht abfälligem Unterton. »Allerdings – wegen meines guten Rufes kannst du mich nicht heiraten wollen. Und Geld hast du selbst genügend … Warum also, Oscar?« Sie hatte ihn mit zusammengekniffenen Augen angeschaut, um keine noch so kleine Regung in seiner Miene zu übersehen. Sei auf der Hut!, hatte alles in ihr geschrien.

Doch Oscar hatte nur gelächelt. »Das hast du mich damals auch schon gefragt. Und meine Antwort ist heute noch dieselbe: Mein Leben ist von öden Zahlen geprägt, daran hat auch die Tatsache, dass ich die Führung unseres Bankhauses übernommen habe, nichts geändert. Damals wie heute wärst du eine Garantie dafür, dass ich kein langweiliges Leben führe.«

Das war es also. »Darauf antworte ich dasselbe wie seinerzeit – was du brauchst, ist ein Hofnarr!«, hatte sie ihm entgegengeschleudert und dann peinlich berührt gemurmelt: »Und ich dumme Kuh fasele etwas von Liebe …« Mit dem letzten bisschen Stolz, das sie in diesem Moment aufbringen konnte, hatte sie ihn angeschaut und mit Härte in der Stimme geantwortet: »Danke, aber an dieser Position habe ich weiterhin kein Interesse.«

Oscar hatte umso sanfter geantwortet: »Wenn es dir um Liebe geht – so etwas kann sich entwickeln, oder nicht? Denk doch wenigstens nach, bevor du meinen Vorschlag ablehnst. Wir sind beide nicht mehr jung, haben schon viel erlebt – du unbestritten mehr als ich!« An dieser Stelle hatte er ihre Hand ergriffen. »Wir sind füreinander kein unbeschriebenes Blatt, im Gegenteil. Du weißt genau, was du bekommst, und umgekehrt gilt das auch.«

Stéphanie hatte traurig aufgelacht. Einen langweiligen Banker mit viel Renommee und noch mehr Geld würde sie bekommen! Sie hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als ihr ein weiterer, wesentlich aufregender kam: Vielleicht war doch viel mehr für sie drin?

»Unter Umständen wäre ich einverstanden«, hatte sie geantwortet. »Unter Umständen« – ganz bewusst verwendete sie dieselbe Redewendung wie er am Tag zuvor. Wenn, dann begegneten sie sich in diesem Spiel auf Augenhöhe, wollte sie ihm damit signalisieren.

»Wie lautet deine Bedingung?«, hatte er nur gefragt.

»Wie kommst du auf eine Bedingung?« Stéphanie, nun schon wieder Oberwasser witternd, lachte auf. Vielleicht war es wirklich eine gute Idee, alles als eine Art »Spiel« zu betrachten? »Ich möchte, dass du Château Morel auf meinen Namen umschreibst. Ich möchte dort wohnen und nicht in Narbonne! Auf dem Land habe ich die nötige Ruhe, um meine Notizen in Buchform zu bringen.«

»Und?«

»Und ich will in unserer Ehe kommen und gehen können, wie es mir beliebt«, hatte sie hinzugefügt und den Atem angehalten. Mit dieser Forderung hatte sie bestimmt den Bogen überspannt. Doch Oscar erwiderte, dass dies alles kein Problem sei. Und dann hatte er seine Bedingungen genannt …

Die Standuhr hinter der Vorzimmerdame begann die volle Stunde zu schlagen. Im selben Moment ging die Tür zum Büro des Verlegers auf.

Jetzt galt es! Stéphanie stand auf und strich sich ihren Rock glatt. Im nächsten Moment wurde ihr so schwindlig, dass sie zu taumeln begann.

»Du?«

»Stéphanie …« Fabienne schaute sie mit fassungslosem Blick an. »Dass wir uns ausgerechnet in Paris über den Weg laufen …«

»Was hat es zu bedeuten, dass du hier bist?«, fragte Stéphanie misstrauisch. Was führte Fabienne im Schilde?

Fabienne schaute sie unsicher an. »Ich … ich habe ein Kochbuch geschrieben …«

Was sonst?, dachte Stéphanie. Außer Kochen hatte Fabienne ja noch nie etwas im Sinn gehabt. Allem Anschein nach war dieses Zusammentreffen wirklich rein zufällig. Sie entspannte sich ein wenig.

Der Verleger, der den kurzen Wortwechsel offenbar mitbekommen hatte, trat hinter seinem Schreibtisch hervor und steckte seinen Kopf zur Tür heraus. »Die Damen kennen sich? Nun, kein Wunder, schließlich arbeiten Sie in einem ähnlichen Metier!« Er lächelte wohlwollend. »Madame de Carneval, Monsieur – wenn Sie bitte eintreten wollen?«

Sie und Fabie in einem ähnlichen Metier? Der Mann konnte doch nicht allen Ernstes ihr großartiges Werk mit einem … Kochbuch vergleichen wollen? Stéphanies Kiefer schmerzte, als sie sich zu einem Lächeln zwang. »Wenn die Herren schon vorangehen wollen … Ich komme gleich nach.«

Die schwere Eichentür von Rossets Büro war hinter den beiden Männern ins Schloss gefallen, als Stéphanie bis auf eine Handbreit an Fabienne herantrat. »Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinem Kochbuch! Hoffentlich kommt deinen schönen Plänen nichts in die Quere, wie das manchmal im Leben so passiert«, flüsterte sie so leise, dass die Vorzimmerdame, die neugierig zu ihnen herüberlinste, sie nicht verstehen konnte. »Adieu, meine Liebe!« Abrupt wandte sie sich um, dann betrat sie hoch erhobenen Hauptes das Büro des Verlegers. Vielleicht war es an der Zeit, Fabienne eine kleine Lektion zu erteilen?, dachte sie im selben Moment.

»… noch ist der Automobilmarkt überschaubar, aber er wächst stark. Ich möchte sogar sagen: Dem Automobil gehört die Zukunft! Bald wird man gar keine Pferdekutschen mehr auf den Straßen sehen, dafür immer mehr Automobile. Sogar ich habe mir eins dieser Gefährte zugelegt und bin äußerst zufrieden damit«, sagte Monsieur Rosset. »Am liebsten würde ich neben Ihrem Restaurantführer auch noch einen Reiseführer auf den Markt bringen, in dem sämtliche Straßen verzeichnet sind, vielleicht auch das eine oder andere Hotel …« Der Verleger klang schwärmerisch.

Oscar nickte zustimmend. »Mir scheint, Sie denken da sehr fortschrittlich.«

»Und ob! Das Haus Éditions Grasser et Rosset wird bald zu den modernsten Verlagen Frankreichs gehören – Ihr Restaurantführer ist somit bei uns bestens aufgehoben!« Monsieur Rosset klang sehr selbstzufrieden.

Stéphanie runzelte die Stirn. Dass der Verlag sich modernisieren wollte, hätte er genauso gut ihr erzählen können. Stattdessen unterhielten sich die beiden Männer, als wäre sie gar nicht da. Ja, es war ihr Wille, dass »Carneval« als Autor auf dem Restaurantführer stand und ihr Vorname nirgendwo auftauchte. Ja, sie wollte sich im Hintergrund halten, wollte weiterhin inkognito agieren können. Aber musste man sie deswegen bei diesem Gespräch derart ignorieren? Die Unterschrift würde immer noch sie unter den Buchvertrag setzen und nicht Oscar – zumindest war das so abgemacht.

Sie räusperte sich. »Meine Herren, da wäre noch etwas …«

Monsieur Rosset zog eine kleine Grimasse. »Verzeihen Sie, Madame, wie unhöflich von uns, so über Ihren Kopf hinweg zu plaudern. Wenn es um Zukunftsvisionen geht, lässt man sich als Mann leicht hinreißen … Doch kommen wir zum Wesentlichen!« Schwungvoll legte er ihr den Vertrag vor, den er anscheinend schon vorab hatte anfertigen lassen. »Darf ich Sie bitten, als Repräsentantin des Bankhauses de Carneval auf der letzten Seite zu unterschreiben? Meine Unterschrift habe ich mit Freude schon geleistet, wie Sie sehen.«

Stéphanie schaute den Verleger an. »Ich unterschreibe auch mit Freude, allerdings – wie gerade gesagt – nur unter einer Bedingung!« Mit den erstaunten Blicken der beiden Männer hatte sie gerechnet.

»Und die wäre …?«

Stéphanie reckte das Kinn nach vorn. »Ich möchte, dass Sie Madame Mazeau, der Dame, die vor mir bei Ihnen war, eine Absage erteilen. Leider weiß ich aus eigenen Erfahrungen, dass sie mehr zu sein vorgibt, als sie wirklich ist. Es wäre mir zuwider, im selben Verlag zu veröffentlichen wie … diese hochtrabende Person, die sich völlig überschätzt.«

Der Verleger schaute sie verdutzt an. »Selbstüberschätzung? Madame Mazeau hat ein stattliches Werk von dreihundert Seiten vorgelegt …«

Stéphanie beugte sich über den Schreibtisch, schaute den Verleger scharf an. »Ein lächerliches kleines Kochbuch oder unser renommierter Restaurantführer, hinter dem eins der größten Bankhäuser Frankreichs steht – die Entscheidung, womit Sie Ihren Verlag in die Moderne führen, liegt ganz bei Ihnen!«