Kapitel 3

»Gestern gab es geschmorten Ochsenschwanz, heute die leckeren Pfannkuchen – woher kennst du eigentlich all diese Rezepte? Maman hat immer nur dieselben Gerichte gekocht, bei dir jedoch kommt ständig etwas anderes auf den Tisch«, sagte Lily.

Es war Mittagszeit, und wie jeden Tag hatte Fabienne für die Familie gekocht. »Oh, einen Teil meiner Rezepte habe ich tatsächlich von Maman«, erwiderte sie. »Aber in meiner Zeit als Küchenhilfe habe ich den Köchen auch so manches abgeschaut. Und dann in Narbonne …« Sie schluckte. Noch immer durchfuhr sie ein Schmerz, wenn sie nur an Noé dachte. »Ich hatte einen guten Lehrmeister«, sagte sie mit betont lockerem Ton.

»Bessere Pfannkuchen als du kann niemand backen!«, sagte Yves und gab einen großen Klacks Pflaumenmarmelade auf seinen, bevor er ihn zusammenrollte.

»Pierre hat sich oft darüber beschwert, dass ich immer dasselbe koche. Bei unserer mageren Haushaltskasse hätte er froh sein müssen, dass ich überhaupt etwas auf die Teller gebracht habe! Sehr viel mehr als Kartoffeln und Rüben konnte ich mir nicht leisten.« Lily schauderte.

Fabienne warf ihrer Schwester einen mitfühlenden Blick zu. »Dass du es überhaupt noch geschafft hast, dich und die Kinder zu verpflegen, war bewundernswert. Aber die Männer im Bistro jammerten auch immer, dass sie daheim stets dasselbe zu essen bekämen. Ehrlich gesagt verstehe ich das gar nicht – es würde mich langweilen, immer gleich zu kochen. Und Abwechslung ist auch keine Frage des Geldes. Allein aus Kartoffeln lassen sich so viele unterschiedliche Speisen kochen – ein Kartoffelkuchen mit Speck, Bratkartoffeln, ein lockerer Kartoffelbrei, ein Gratin aus hauchdünnen Kartoffelscheiben mit viel Knoblauch und –«

»Hmmm …«, machten die Kinder und verdrehten die Augen.

»Hörst du jetzt augenblicklich auf, uns den Mund mit deiner Aufzählung deftiger Speisen wässrig zu machen, während wir Pfannkuchen mit Marmelade auf dem Teller haben?«, sagte Yves mit gespieltem Ärger.

Fabienne hob lachend die Hände, als wollte sie kapitulieren. »Ich bin ja schon still. Bon appétit!«

Da die Abende Mitte Mai noch kühl waren, machte Yves ab und an ein kleines Feuer im Kamin, so auch an diesem Tag. Danach verabschiedete er sich. An Gregorys Leiterwagen war ein Rad gebrochen, das wollten sie reparieren.

Nachdem die Schwestern ihre Kinder ins Bett gebracht hatten – alle drei schliefen in einem Zimmer –, setzten sie sich wie jeden Abend noch in die warme Stube. Manchmal unterhielten sie sich, manchmal las eine von ihnen und die andere stopfte Strümpfe. Die Stimmung war stets friedvoll und entspannt.

Während Lily nun ihr Strickzeug in die Hand nahm und sich in einen alten Sessel am Fenster setzte, kramte Fabienne aus einer Schublade ein altes Notizbuch und einen Stift hervor und ließ sich damit am Tisch nieder. »Unser Gespräch vorhin hat mich auf eine Idee gebracht. Ich werde spaßeshalber einmal die Namen aller Rezepte aufschreiben, die mir mit Kartoffeln einfallen«, sagte sie.

»Warum nur die Namen? Schreib doch gleich die ganzen Rezepte auf! Aber bitte so einfach wie möglich«, erwiderte Lily. »Damit ich sie nachkochen kann. Dann könnten wir uns in der Küche auch mal abwechseln.«

Fabienne schaute Lily erstaunt an. »Du willst kochen?«

»Ja, warum nicht? Wenn ich es irgendwann einmal richtig lernen würde …« Sie verzog den Mund, dann nahm sie ihre Handarbeit wieder auf. »Was ist, warum schaust du so?«, fragte sie, als Fabienne reglos mit dem Stift in der Hand verharrte und in die Ferne sah.

»Ich muss nur gerade an etwas denken.« Fabienne winkte ab. Sie hatte keine Lust, Lily von Stéphanie zu erzählen – sie wollte nicht einmal an Stéphanie denken! Und doch fiel ihr gerade jetzt ein Gespräch ein, das sie beide an ihrem allerersten Abend geführt hatten, damals, als Stéphanie sie mit auf das Weingut ihrer Familie genommen hatte.

Sie waren in der Küche gewesen, Fabienne war hungrig und hatte aus Essensresten, die sie in der Küche des Châteaus gefunden hatte, eine kleine Mahlzeit bereitet. »Woher zum Teufel kannst du kochen?«, hatte Stéphanie verwundert von ihr wissen wollen. Naiv, wie sie mit ihren siebzehn Jahren gewesen war, hatte Fabie geantwortet, dass der liebe Gott das Kochen den Frauen doch in die Wiege gelegt habe. Stéphanie hatte schallend gelacht und gemeint, dies wäre das Lustigste, was sie seit Langem gehört habe.

Jetzt legte Fabienne den Kopf schräg. »Deine Nachbarinnen in Narbonne – konnten die eigentlich kochen? Oder die weiblichen Hausangestellten der Herrenhäuser, wo du als Magd gearbeitet hast?«

Lily prustete laut auf. »Spinnst du? Woher soll eine Wäscherin denn kochen können? Oder eine Zofe? Wenn wir uns überhaupt mal darüber unterhalten haben, dann habe ich herausgehört, dass es bei ihnen genauso lief wie bei mir: Es wurden abends schnell ein paar Kartoffeln und Rüben in den Topf geworfen, und dann wartete man, bis sie gar waren.« Sie zog die Augenbrauen hoch und sagte: »Nicht jede hat so viel Glück wie du und lernt das Kochen bei seiner Maman …«

Pochierte Eier mit Kartoffeln, ein einfaches, schmackhaftes Gericht. Rührei, wie es in Katalonien gemacht wurde, mit Paprika und Tomaten – das bekam auch jede Frau hin. Und Brioche! Die Gäste im Bistro hatten es immer geliebt, wenn sie ofenwarme Brioche zum Salat serviert hatte. Die Stirn vor lauter Konzentration in eine steile Falte gelegt, fügte Fabienne »Brioche« ihrer immer länger werdenden Liste hinzu.

Was für ein Durcheinander!, dachte sie im selben Moment. Da stand eine Suppe über einem Fleischgericht, als Nächstes kam eine Süßspeise, und jetzt auch noch ein Backrezept!

Eins hatten die aufgeschriebenen Gerichte jedoch gemeinsam: Ihre Zutaten waren günstig zu bekommen und die Zubereitung einfach. Wenn sie für Lily später ein paar Gerichte heraussuchte, um die vollständigen Rezepte aufzuschreiben, dann würde sie sich einzelne Rubriken dafür ausdenken: Kalte Speisen. Suppen und Eintöpfe. Fleischgerichte. Gemüse und Eierspeisen. Ein paar Fischrezepte würde sie auch aufschreiben müssen, hier in den Dombes gab es schließlich eine Fischzucht neben der anderen. Schon notierte Fabienne die berühmte Marseiller Fischsuppe auf ihrer Liste, darunter Wolfsbarsch mit Weißweinsoße und gebratene Krevetten. Als Beilage zu all dem eigneten sich kleine Kartoffeln mit Oliven aus dem Ofenrohr …

»Was war das wieder ein langer Tag! Ich geh jetzt ins Bett.«

Lilys Gähnen riss Fabienne aus ihrer Konzentration. Ihr Blick fiel auf die Wanduhr. »Du liebes bisschen – es ist schon nach elf?«

Lily dehnte ihre vom Stricken verspannten Arme. »Du hast fast drei Stunden in dein Buch gekritzelt, und du warst dabei wie in einer anderen Welt«, sagte sie mit vorwurfsvollem Unterton. »Immer, wenn ich dir eine Frage gestellt habe, hast du lediglich mit Ja oder Nein geantwortet.«

Fabienne lachte. »Dafür habe ich aber auch einiges geschafft! Schau mal …« Sie legte das Notizbuch so auf den Tisch, dass Lily darin lesen konnte.

»Fischpastete, eine Tomatentarte, Kartoffelomelette … Mir läuft das Wasser im Mund zusammen! Ich hätte schon Mühe, die ganzen Namen der Gerichte fehlerfrei zu schreiben, geschweige denn sie zu kochen«, sagte Lily und schaute Fabienne fasziniert an. »Und all diese Rezepte hast du im Kopf?«

»Ja, ich glaube schon«, antwortete Fabienne. »Ehrlich gesagt bin ich selbst ein wenig erstaunt darüber, wie vielfältig mein Kochrepertoire ist.« Sie lachte verlegen.

Da ging die Haustür, und im nächsten Moment stand Yves im Zimmer. »Ihr seid noch wach? Das trifft sich gut. Gregory hat mir eine Flasche uralten Apfelschnaps geschenkt, unser Großvater hat ihn einst gebrannt. Ich überlege ernsthaft, ob wir das Schnapsbrennen nicht wieder aufnehmen sollen. Habt ihr Lust, ein Gläschen zu verkosten?«

Die beiden Schwestern schauten sich an. Na, und ob!

Die nächsten Tage verliefen wie so oft in einem angenehmen Gleichklang. Tagsüber arbeiteten sie auf den Obstplantagen und passten auf, dass die Kinder nicht allzu viel Unsinn anstellten. Abends machte sich Yves, der an der Idee des Schnapsbrennens Feuer gefangen hatte, auf die Suche nach alten Gerätschaften seines Großvaters. In einem Anbau, zwischen halb zerfallenen rostigen Gerätschaften, hatte er schon einen Gärbehälter und eine Destille gefunden.

Fabienne schrieb derweil Rezepte für Lily auf.

»Wenn du so über dein Heft gebeugt dasitzt, erinnerst du mich sehr an Lucy. Immer wenn es etwas für die Schule vorzubereiten gab, war unsere liebe Schwester auch so fleißig und strebsam«, sagte Lily einmal grinsend, woraufhin Fabienne ihren Stift nach ihr warf.

Eines Abends war sie gerade dabei, das Rezept für eine Knoblauchsuppe mit Käse aufzuschreiben, die sie schon mehrmals gekocht hatte und die alle in der Familie liebten, als Elena ohne Anklopfen oder ein Wort des Grußes hereinstürmte.

»Ich bin so wütend!«, rief die Schwägerin aufgebracht. »Da komme ich von der Arbeit nach Hause und mache mir die Mühe, einen Hasen zuzubereiten, und dann wird das Mistvieh zäh wie eine Schuhsohle! So etwas bräuchte ich ihm nicht noch mal servieren, hat Gregory gesagt. Ist das nicht frech?«

Lily und Fabienne schauten sich an, dann lachten sie los. Elenas Vater war Tierarzt und sie seine Helferin. Gemeinsam fuhren sie täglich von Hof zu Hof, um kranke Ziegen, Enten und Gänse und das eine oder andere Pferd zu versorgen. Als Tierarzthelferin war Elena äußerst patent, mit ihren Kochkünsten hingegen war es nicht weit her, das hatte Fabienne inzwischen mitbekommen.

»Ein Hasenbraten braucht viel Zeit, damit er schön zart wird. Wahrscheinlich hat deine hungrige Meute aufs Essen gedrängt, und du hast ihn zu früh aus dem Topf geholt«, sagte Fabienne.

»Genau so war es!«, rief Elena. »Wenn ich das nächste Mal einen Hasen von einem der Bauern geschenkt bekomme, dann bereite ich ihn in aller Ruhe als Sonntagsschmaus zu. Aber vorher hole ich mir bei dir ein paar Tipps, in Ordnung?«

»Ich weiß was Besseres«, sagte Fabienne und tippte auf ihr Notizbuch. »Ich kenne zufällig ein Rezept, mit dem jeder Hasenbraten garantiert gelingt – wenn du magst, schreibe ich es gern für dich auf.«

Keine Nachtfröste. Kein Hagel. Und auch sonst kein Unbill – deshalb waren Mitte Juni die ersten Kirschen reif. Saftig und prall hingen sie an den Bäumen und wollten gepflückt werden. Fabienne, Lily und Yves waren überglücklich. Lily ließ sich sogleich von Yves’ Mutter erklären, wie man Kirschsaft herstellte. Und Fabienne hatte schon den Duft von samtiger Kirschmarmelade in der Nase. Doch Yves bestand darauf, den größten Teil der Früchte in Villars-les-Dombes, der nächstgelegenen Stadt, auf dem Markt zu verkaufen. Die ersten reifen Kirschen waren immer etwas Besonderes, dafür gaben die Marktbesucher gern etwas mehr Geld aus, erklärte er den beiden Schwestern. Kirschen für den Hausgebrauch würde es in den nächsten Wochen noch reichlich geben!

Fabienne war das nur recht. Marmelade und Kirschsaft waren schön und gut, aber es geisterte eine Idee durch ihren Kopf, die schmackhafter war als die süßesten Kirschen …

»Es gibt etwas, worüber ich gern mit dir sprechen möchte«, sagte sie ein paar Tage später zu Yves, als sie in den Obstplantagen waren, um wie jeden Tag Kirschen zu pflücken. Obwohl Fabienne versuchte, ihre Stimme so normal wie möglich klingen zu lassen, war die Aufregung, die sie innerlich verspürte, nicht zu überhören.

Yves, der gerade auf einer Leiter stand, schaute zu ihr hinunter. »Leg los!«

Noch am Morgen hatte Fabie sich alle möglichen guten Gründe zurechtgelegt, mit denen sie dieses Gespräch beginnen wollte. Doch nun platzte es einfach aus ihr heraus: »Was würdest du davon halten, wenn ich ein Kochbuch schreibe?«

»Ein Kochbuch?« Emsig pflückte Yves weiter Kirschen, immer darauf bedacht, die Stiele mitzunehmen.

»Ja, und zwar für alle Frauen«, sagte Fabienne, während sie Yves eine Ladung Kirschen abnahm und vorsichtig in einen Korb legte – die empfindlichen Früchte durften weder geworfen noch gedrückt werden. »Früher habe ich gedacht, dass jede Frau kochen kann, aber dem ist gar nicht so! Nur die allerwenigsten haben das zu Hause gelernt – so gesehen hatte ich richtig Glück, dass meine Mutter mir so viel beigebracht hat.« Sie warf Violaine, die sich gerade eine Kirsche in den Mund steckte, einen liebevollen Blick zu. Sie würde ihrer Tochter auch alles beibringen!

»Ein Kochbuch für Frauen – gibt es so etwas nicht längst?«, fragte Yves und kletterte noch einen Ast höher.

»Kochbücher gibt es schon, aber sie sind von Männern für Männer geschrieben – für Restaurantköche, um genau zu sein«, erwiderte Fabienne. Auf dem Weg vom Markt zurück ins Le Miroir hatte Noé öfter in einer Buchhandlung vorbeigeschaut, und wann immer ein neues Kochbuch erschienen war, hatte er es mitgebracht. Ein Kochbuch für Frauen war nie dabei gewesen. »Als wir im Herbst in Lyon waren, habe ich in dem großen Buchladen am Place Bellecour nach einem Kochbuch für Frauen gefragt. Ich hätte es gern Mia geschickt. Damals wusste ich noch nicht, dass sie gar nicht lesen kann. Aber der Buchhändler hatte eh nichts in dieser Art.« Sie grinste. »Du siehst, es wird höchste Zeit, dass ein solches Kochbuch erscheint!« Und wenn sich das Buch gut verkaufte, würde es ihr sogar ein Extraeinkommen bescheren, frohlockte sie im Stillen, schalt sich jedoch sogleich für ihre Träumereien. »Ich will den Frauen einfache Rezepte an die Hand geben, mit denen sie aus preiswerten Lebensmitteln nahrhafte Speisen zubereiten können. Viele Frauen glauben beispielsweise, dass die Blätter von Kohlrabi nur als Hasenfutter taugen, dabei kann man aus ihnen auch eine schmackhafte Suppe kochen. Wenn eine Frau solche kleinen Tricks kennt, kann sie ihre Familie doch viel besser versorgen!«

»Ich weiß nicht …«, sagte Yves skeptisch. »Erinnere dich mal daran, unter welchen Umständen Lily in Narbonne leben musste. Da hätte ihr ein Kochbuch auch nicht weitergeholfen.«

Fabienne schwieg. In Lilys Speisekammer hatte gähnende Leere geherrscht, da hatte es außer ein paar verrunzelten Kartoffeln nichts gegeben.

»Außerdem können viele Frauen in den Armenvierteln gar nicht lesen – was sollten sie also mit einem Kochbuch anfangen?«

Fabienne schaute ihn ärgerlich an. »Willst du mir meine Idee ausreden? Ja, es stimmt, den Frauen in den Armenvierteln vermag ich mit meinen Rezepten wahrscheinlich nur bedingt zu helfen. Und dass jemand lesen kann, ist nun einmal die Grundvoraussetzung dafür, ein Buch zu kaufen. Aber vor meinem inneren Auge sehe ich vor allem auch Frauen wie Elena – Frauen, die tagsüber arbeiten –, Fabrikarbeiterinnen, die Damen vom Amt, Verkäuferinnen, aber auch Mägde, die sich nach der Arbeit im Herrenhaus todmüde zu ihrer Familie schleppen und dann noch kochen müssen! Mit meinen Rezepten hätten sie es leichter, ihre Familie gut zu versorgen. Wenn man es geschickt anstellt, dann kann man aus ein paar Kartoffeln, Möhren und einem gekochten Suppenhuhn gleich drei Speisen auf einmal zubereiten. Ein solches Vorgehen in der Küche spart immens viel Zeit, verstehst du? Das alles möchte ich in dem Buch vermitteln.« Fabienne spürte, wie sie immer aufgeregter wurde. Bisher hatte sie nur ein paar Rezepte für Lily und Elena aufgeschrieben. Für ein Kochbuch würde sie jedoch mindestens hundert aufschreiben müssen, und alles fein säuberlich in einzelne Rubriken unterteilt! Und für Küchentipps würde sie ein extra Kapitel einplanen … Am liebsten hätte sie gleich losgelegt.

Yves schaute sie einen Moment lang schweigend an. »Wann immer du übers Kochen sprichst, bist du wie verwandelt! Ich glaube, für dich gibt es wirklich nichts Schöneres auf der Welt …«

Fabienne glaubte, nicht nur Amüsement, sondern einen Hauch Ärger in seiner Stimme zu hören. Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. Irgendwie fühlte sie sich nicht nur ertappt, sondern auch bemüßigt, etwas zu sagen wie: »Das Schönste ist natürlich, eine gute Mutter zu sein.« Oder: »Das Schönste ist es, eine gute Ehefrau zu sein.« Aber in beidem war sie schon kläglich gescheitert – das wusste niemand so gut wie Yves. Es war sinnlos, ihm etwas vormachen zu wollen, von daher sagte sie nur leise: »Ja.«

»Du hast doch schon immer das getan, was du wolltest. Tief drinnen hast du längst beschlossen, dieses Kochbuch zu schreiben. Warum fragst du mich dann überhaupt noch nach meiner Meinung?«

Da war er schon wieder, dachte Fabienne, dieser leicht ärgerliche Unterton. Warum war es einer Frau nicht erlaubt, zu tun, was sie wollte? Warum war sie dadurch unwillkürlich jemand, den man für seltsam, wenn nicht gar verrückt hielt?

»Mir ist deine Meinung nun mal wichtig!«, sagte sie und klang nun selbst ein wenig ungehalten. »Und auf deinen guten Rat lege ich auch viel Wert. Im Gegensatz zu mir bist du weit gereist, hast als Kellner schon viel mit hochgestellten Persönlichkeiten zu tun gehabt. Mir hingegen wird jetzt schon schlecht vor Angst, wenn ich daran denke, dass ich eines Tages mit meinem Manuskript in der Hand bei einem Pariser Verleger vorsprechen muss. Aber bitte – wenn es dir lästig ist, dann mache ich halt alles mit mir selbst aus.« Sie wollte sich gerade beleidigt wegdrehen, als Yves mit einem Sprung vom Baum hüpfte und neben ihr stand. Bevor sie etwas dagegen tun konnte, fasste er sie an den Schultern.

»Ich will, dass du glücklich bist, Fabienne. Und ich habe deinem Glück noch nie im Weg gestanden, das weißt du ganz genau!« Er schaute sie durchdringend an.

Verflixt, warum musste er sie gerade jetzt an ihre Affäre mit Noé erinnern? »Ich will deinem Glück nicht im Wege stehen«, hatte er auch damals gesagt, dann war er gegangen …

Peinlich berührt kickte sie wie ein trotziges Kind mit der Schuhspitze ein kleines Steinchen weg. »Tagsüber würde ich natürlich weiterhin auf dem Hof mitarbeiten wie bisher auch, für euch würde sich also nichts ändern. Lediglich abends würde ich mich an das Kochbuch setzen und in den Wintermonaten, wenn es eh ruhig ist auf dem Hof«, sagte sie und konnte nichts gegen den flehentlichen Ton in ihrer Stimme tun. Es war ihr wichtig, dass Yves ihr seinen Segen gab, das spürte sie. Ein Ehepaar waren sie zwar nur noch auf dem Papier – aber dafür war Yves ihr bester Freund!

»Dann wäre doch alles besprochen«, sagte er leichthin und drückte ihr einen leeren Korb in die Hand. »Du fängst an, und wenn ich dich irgendwie unterstützen kann, sagst du Bescheid, in Ordnung?«

Fabienne nickte dankbar. So war Yves … immer hilfsbereit und gutherzig.

Er war schon ein paar Schritte in Richtung des nächsten Kirschbaumes gegangen, als er sich noch mal zu ihr umdrehte. »Nur eins muss klar sein!«, sagte er streng.

»Ja?«, sagte Fabienne zögerlich.

»Nach Paris komme ich mit! Ich lasse mir doch nicht die Gelegenheit entgehen, mal wieder ins Moulin Rouge zu gehen! Und wenn du lieb bittest, nehme ich dich sogar mit.« Er grinste sie verschmitzt an.

»Abgemacht, wir fahren gemeinsam.« Fabienne lachte laut auf. »Aber in diesen Sündentempel komme ich nur mit, wenn es dort auch etwas Gutes zu essen gibt!«