Wie von Cavelli gewünscht, hatte der Bootsführer gewartet. Er schnippte seine Zigarette ins Wasser und kratzte sich an seinem unrasierten Kinn. »Wohin, Signore?«
»Einen Moment bitte.« Cavelli wandte sich an Cecilia Volpi. »Ich denke, wir sollten erstmal hier übernachten.«
»Find ich keine gute Idee. Ich will zurück nach Rom.«
»Ein Grund mehr, es nicht zu tun. Genau damit rechnen unsere Verfolger. Die denken, jetzt wo Chiozzi tot ist, gibt es für uns keinen Grund mehr zu bleiben.«
»Und in diesem Punkt bin ich mit den Leuten ganz einer Meinung«, stellte Cecilia Volpi fest.
»Die ganze Organisation, falls es eine ist, wird in Rom residieren«, beharrte Cavelli. »Schließlich haben sie mit der Vatikanbank zu tun. Wahrscheinlich ist der Killer, der Chiozzi ermordete, extra aus Rom gekommen. Diese Leute wissen zwar wahrscheinlich, dass wir bei Chiozzis Palazzo waren, aber jetzt haben sie unsere Spur verloren und sie werden annehmen, dass wir nach Rom zurückkehren, und folglich ihren Mann von hier abziehen. Vielleicht sind es auch mehrere. Natürlich werden sie vorher noch nach uns suchen. Und wo werden sie das tun? Ganz sicher am Bahnhof und am Flughafen. Glauben Sie mir, in einem Hotel in Venedig vermuten sie uns zuletzt.«
»Ich muss schon in Rom ein Hotelzimmer bezahlen, ich kann mir nicht noch eins in Venedig leisten.«
»Die Kosten übernehme ich.«
»Das kommt nicht in Frage.«
»Es ist wirklich kein Problem, Signora Volpi.«
»Doch, ist es. Ich zahle Ihnen das zurück. Es kann allerdings ein bisschen dauern.«
»Das überlegen Sie sich lieber nochmal. Sie wissen ja noch nicht, in welches Hotel wir ziehen.«
»Bitte kein teures.«
»Doch, die teuersten sind am sichersten, haben gute Beziehungen zur Polizei und können einem auch am besten helfen. Besonders dann, wenn man, wie wir, sich möglichst wenig in der Öffentlichkeit zeigen will. Und dass Sie sich das nicht leisten können, wissen diese Leute auch. Umso weniger werden die Sie da vermuten.«
Cecilia Volpi startete noch einen letzten Versuch: »Ich hab überhaupt nichts dabei für eine Übernachtung.«
»Kein Problem, wir schicken jemanden vom Hotel los, der für Sie einkauft.«
»Geht das denn?«
»Ja, das ist der Vorteil solcher Hotels.«
»Und wie lange bleiben wir dort?«
»Das überlegen wir uns nachher beim Abendessen.«
Offenbar fielen ihr keine Gegenargumente mehr ein. Sie machte eine freudlose Handbewegung. »Meinetwegen.«
Cavelli wandte sich an den Bootsführer: »Zum Danieli.«
»Si, Signore!«
Cecilia Volpi seufzte resigniert und sah aufs Wasser.
Zehn Minuten später kam der Landungssteg des Hotel Danieli etwas oberhalb des Markusplatzes in Sicht. Mit der gelangweilten Lässigkeit vieler Berufsjahre manövrierte der Skipper sein Boot mit einen sanften Rumms an den Steg und befestigte mit einer fließenden Bewegung ein Tau an dem abgeschabten Poller.
»Da wären wir.« Cavelli zeigte auf die rotbraune Fassade im byzantinisch-gotischen Stil. Er nahm seine Reisetasche und half ihr aus dem Boot, dann betraten sie zügig das Gebäude. Wie auch auf jeden anderen, der die Lobby des Hotel Danieli mit seinem unglaublichen Marmortreppenhaus zum ersten Mal sah, verfehlte es auch auf Cecilia Volpi seine Wirkung nicht, und für einen kurzen Moment schien sie alle Sorgen vergessen zu haben. »Wow! Das ist unglaublich schön.«
Cavelli wandte sich an die elegante Rezeptionistin. »Wir hätten gerne zwei Zimmer. So weit wie möglich oben und wenn’s geht mit Blick auf den Kanal.« Gleichzeitig schob er seinen Pass mit dem Vatikanischen Emblem über den Tresen. Er wusste, dass Hotels dieser Kategorie sich ihre Gäste aussuchen konnten und Personen ohne Voranmeldung, die direkt von der Straße reinmarschierten, normalerweise keine Chance hatten; das war man schon dem exklusiven Ruf schuldig. Doch auch dieses Mal verfehlte die Magie des Vatikanischen Passes seine Wirkung nicht. Die Rezeptionistin, die schon den Mund für einen abschlägigen Bescheid geöffnet hatte, klappte ihn wieder zu, nur um ihn gleich darauf zu einem gesäuselten »sehr gerne« wieder zu öffnen. »Allerdings sind alle unsere Einzel- und Doppelzimmer belegt. Wir hätten nur noch eine Junior-Suite und eine Signature-Suite. Beide mit Blick auf die Lagune.«
Cavelli ließ Cecilia Volpi keine Zeit zu protestieren. »Nehmen wir.«