XLVI

Es hatte so harmlos angefangen, aber es war alles genau geplant gewesen, das hatte Yanara inzwischen erkannt. Sie war in einem Schuhgeschäft zufällig mit einer jungen Frau ins Gespräch gekommen. Eine Amerikanerin. Eigentlich mochte sie keine Amerikaner. Die jahrzehntelange kubanische Propaganda, die diese Menschen als Teufel in Menschengestalt darstellte, hatte auch bei Yanara ihre Spuren hinterlassen. Diese Frau allerdings wirkte so freundlich und sympathisch, dass Yanara gar nicht auf die Idee verfallen war, es könnte etwas nicht stimmen. Irgendwie waren sie ins Gespräch gekommen – die Amerikanerin sprach ausgezeichnet Spanisch – sie hatten sich sofort fantastisch verstanden und viel gelacht und keine Viertelstunde später saßen sie in einem Café und unterhielten sich wie alte Freundinnen. Natürlich war es kein Zufall gewesen; die junge Frau, die für das FBI-Büro in Miami arbeitete, hatte ein teures Trainingsprogramm durchlaufen, das man Social Engineering nannte. Eine Technik, die dazu diente, Menschen nach Belieben zu manipulieren. Die Amerikanerin, die sich als Julie vorstellte, hatte ganz offen über die Probleme gesprochen, die sie mit ihrem Freund hatte, und Yanara war vieles davon sehr vertraut vorgekommen. Sie hatte Ähnliches erlebt. Dann hatte sie der jungen Frau von Dante erzählt. Die neue Freundin hatte viele Fragen gestellt – besonders nach seinem gegenwärtigen Aufenthaltsort – und in Nachhinein konnte Yanara nicht mehr fassen, dass ihr das überhaupt nicht seltsam vorgekommen war. Offenbar war es zu gut in Gelächter und beiläufige Bemerkungen verpackt gewesen. Yanara hatte ein bisschen mit ihrem Freund Dante angegeben, der zwar Ausländer und mehr als doppelt so alt wie sie selbst war, aber auch so anders als die kubanischen Männer, die sie bisher kennengelernt hatte. Dante betete sie an und tat alles, um sie glücklich zu machen. Es war von Heirat die Rede. Dann hatte das Gespräch plötzlich eine scharfe Wendung genommen. Julie hatte ihr Dokumente und Fotos gezeigt. Von schlimmen Dingen war die Rede gewesen. Von Dingen, die ihren Dante in einem ganz neuen Licht zeigten. Yanara hatte sich geweigert, etwas davon zu glauben, hatte versucht zu gehen, aber Julie hatte immer weitergeredet und eine Antwort auf alles gehabt.

Schließlich war Yanara in Tränen ausgebrochen, aber das hatte die Frau, die sich Julie nannte, nicht daran gehindert, sie weiter zu bearbeiten, und irgendwann hatte Yanara zugestimmt, alles zu tun, was man von ihr verlangte. Julie brauchte fast eine Stunde, um ihr zu erklären, um was es sich handelte.