12

Gray

Meine Nächte waren stets schlaflos.

Ich irrte durch die Gänge von Hollow’s Grove und verzichtete auf das Angebot einer nächtlichen Begleitung von einer der weiblichen Hüllen, die mein Bett schon früher einmal gewärmt hatte. Gemma hatte die zornige Antwort nicht verdient, die sie bekam, nachdem sie sich mir angeboten hatte, doch das hinderte mich nicht daran, ihrer Berührung auszuweichen.

Selbst Stunden später ärgerte ich mich noch über meine Reaktion. Das Mädchen war ein Nichts. Nur irgendeine Hexe, die schon bald auf das vorbereitet werden würde, was der Coven auch immer mit ihr vorhatte, und deren Herz voller Hass auf meinesgleichen war. Hexen sorgten bei mir dafür, dass ich nichts als Dankbarkeit für die Tatsache verspürte, dass in meiner Brust kein blutiger Fleischbrocken pumpte.

Besser gar keinen zu haben, als einen, der unter meiner Haut verrottete.

Aber es war schon Jahrzehnte her, dass jemand nach Crystal Hollow gekommen war, dem Covenant ins Gesicht gesehen und sich ihm wo immer möglich widersetzt hatte. Das Mädchen war eigensinnig und schwierig, unhöflich und schlecht gelaunt.

Doch während ich das Spalier betrachtete, an dem ihre Magie den Hofgarten wieder ins Leben zurückgerufen hatte, erkannte ich eine Wahrheit.

Das Hexenmädchen war mir unter die Haut gegangen.

Die Kletterpflanzen waren zu neuem Leben erwacht und hatten sich in den Stunden, die vergangen waren, seit ich Willow ins Bett geschafft hatte, über den Hofgarten ausgebreitet. Die Rosenbüsche trieben aus und neue Blüten tauchten zwischen den kräftigen grünen Blättern und scharfen, spitzen Dornen auf. Dort, wo vor Kurzem nichts als eine schwache Erinnerung an das Gewesene gehangen hatte, pulsierte nun das Leben. In einer Intensität, wie sie dem Hexenzirkel seit sehr, sehr langer Zeit gefehlt hatte.

Mit herabhängenden, verkrampften Händen wendete ich mich von dem Anblick ihrer Schöpfung ab. Der Coven hatte das Opfer nicht verdient, das sie zu bringen bereit war, um das vom Hexenzirkel genutzte und missbrauchte Land mit frischem Leben zu erfüllen. Susannah und George hatten die Hexen von all dem weggeführt, was sie einst angetrieben hatte. Das Paar drängte die Hexen immer weiter hinein in den Egoismus, der die Politik innerhalb der Familien bestimmte.

Heute interessierte sie das Gute der Hexerei nicht mehr und das war bei den ursprünglichen Familien zu Beginn noch ganz anders gewesen. Wir hatten diese Stadt errichtet und sie vor den ängstlichen Menschen aus Salem versteckt, um Lucifers Magie zu beschützen, die er den Hexen als Gegenleistung für ihren Dienst verliehen hatte.

Die Türen zum Tribunalraum schimmerten in goldenem Licht, als ich mich von ihnen abwendete und die Stufen zu den Schlafsälen der Schülerinnen und Schüler hinaufstieg. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Zeit für die erste Ernte gekommen war, und ich zusammen mit den anderen Hüllen durch die Räume ziehen würde, um mir Hexen für die Nacht auszusuchen.

Ich eilte die Stufen hinauf und erfreute mich an den leeren Fluren. Es kam so selten vor, dass die Schule nicht voller Betriebsamkeit war, dass sich das Lehrpersonal und die Schülerinnen und Schüler trafen, sich kennenlernten und auf das bevorstehende Schuljahr vorbereiteten. Da der Unterricht am nächsten Tag beginnen sollte, waren zu dieser späten Uhrzeit alle bereits in ihren Zimmern.

Ich zog den Zweitschlüssel für Willows Zimmer aus meiner Tasche, drehte ihn leise im Schloss und trat in den verdunkelten Raum. Am anderen Ende des Gemeinschaftsraums schienen der Mond und die Sterne durch das einzige Fenster, dessen massive, kreisrunde Öffnung wegen des Kamins, der sich in der Ecke gegenüber von Willows Tür befand, nicht in der Mitte lag.

Ihr Türknauf hatte sich leicht drehen und öffnen lassen. Willow hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Vorhang zuzuziehen, bevor sie sich auf ihr Bett gelegt hatte. In ihrer Erschöpfung hatte sie nicht einmal die bequemen Schlafshorts und das Oberteil angezogen, die ich durch Juliet in ihr Zimmer hatte bringen lassen.

Den Pullover hatte sie achtlos über das Bettende geworfen und lag in ihrem Tanktop und der Jeans auf der Decke, was fürs Schlafen ziemlich unbequem aussah. Ich trat neben das Bett, in dessen Mitte sie friedlich schlummerte. Ihr Kopf war leicht zu meiner Seite geneigt, sodass ich ihre weichen Gesichtszüge studieren konnte.

Die harten Kanten ihrer Persönlichkeit waren im Schlaf verschwunden, ihre spitzen Bemerkungen und vernichtenden Blicke fehlten. So sah sie jünger aus, von einem Leben im Verborgenen weniger abgehärtet. Ich verstand nicht, warum ich ihr Zimmer betreten hatte, zumal ich in der Vergangenheit noch nie die Privatsphäre eines Schlafzimmers verletzt hatte. Auch wenn ich keine Erlaubnis brauchte, um irgendeinen Raum der Schule zu betreten, schließlich stand auch mein Name auf der Besitzurkunde, so war der Umgang mit der Schule doch eine heikle Angelegenheit.

Meine Allianz mit den Hexen hielt boshafte Kommentare und passiven Hass aus. Nachts in ihre Zimmer zu schleichen, war jedoch etwas ganz anderes.

Und doch stand ich nun hier, ausgerechnet am Bett der Enkelin von Susannah Madizza. Irgendetwas an Willow sprach jenen Teil von mir an, den ich offenbar nicht kontrollieren konnte, und brachte mich an den Rand dessen, was noch akzeptabel war.

Nur für sie würde ich die Grenzen überschreiten, die ich noch nie überschritten hatte. Ich konnte mich nicht davon abhalten, jenen Impulsen zu folgen, die, trotz all der jahrhundertelangen Erfahrung, neu für mich waren.

Ich ließ mich langsam und vorsichtig auf der Bettkante nieder. Willow rührte sich nicht, ihre Atmung und ihr Herzschlag blieben gleichmäßig und langsam.

Mit einer Hand fuhr ich eine Linie auf ihrer Wange nach und folgte der kaum mehr sichtbaren Spur getrockneten Blutes. Der aufsteigende Geruch war eine unwillkommene Ablenkung, eine Versuchung zu Dingen, die ich auf meinem Weg hierher noch nicht im Sinn gehabt hatte.

Ich wusste nicht, was ich geplant hatte, als ich herkam, und als ich dies ganz plötzlich verstand, wurde ich heftig. Was sie anging, so kannte ich keine Kontrolle, als würden mein Körper und mein Geist nicht länger zu mir gehören.

Doch das boshafte kleine Hexenmädchen schlief friedlich weiter, ganz unbekümmert davon, was sie mir antat.

Die letzten Überreste auf ihren Armen und Händen waren der einzige Hinweis darauf, dass sie die verbotene Magie angewandt hatte, dass sie sich der dem Hexenblut innewohnenden Macht bewusst war. Ihre Mutter hatte die alten Methoden nicht praktiziert, als sie noch in Crystal Hollow gelebt hatte. Flora war von ihrer Mutter erzogen worden, wobei sich Susannah bis zum Tod von Floras Mutter unablässig in die Erziehung eingemischt hatte. In der Nacht, in der sie noch als Teenagerin ihren eigenen Tod vorgaukelte, entkam Flora der Möglichkeit, dass Susannah zu ihrem einzigen Vormund wurde.

Ich hatte sie nicht gut gekannt. Ich hatte keine der damals angehenden Hexen gekannt, da Hollow’s Grove nach dem Massaker fünfzig Jahre zuvor bereits geschlossen war. Meine Berührungspunkte mit ihnen hatte ich anfangs so klein wie nur möglich gehalten und Flora war noch nicht einmal volljährig gewesen, als sie verschwand.

Was war mit Flora Madizza geschehen, nachdem sie Crystal Hollow verlassen hatte? Und warum hatte sie das Erlebte dazu gebracht, zu den alten Wegen der Magie zurückzukehren? Ich vermutete, das hier so friedlich schlummernde kleine Hexenmädchen wusste weit mehr, als sie zugab, und ich wünschte, ich könnte ihr das Amulett entreißen und die Antworten verlangen, die ich brauchte.

Stattdessen sah ich zu, wie sie sich im Schlaf bewegte und ihre Beine aneinander rieb, als suche sie nach einer bequemeren Position. Ich seufzte, warf einen Blick auf den Stapel an Pyjamas, der auf der Kommode auf der gegenüberliegenden Zimmerseite lag. Langsam hob ich ihr Shirt an, bis eine hauchzarte Linie auf der Haut ihres Bauchs zu erkennen war. Ruhig öffnete ich den Knopf ihrer Jeans, ohne den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden. Ich war zwar recht sicher, dass die magische Erschöpfung ausreichte und sie nicht aufwachen würde, wollte aber doch sichergehen, das erste Zeichen eines Erwachens zu erkennen, das ich für meine Flucht aus ihrem Zimmer brauchte. Sie sollte mich hier nicht erwischen.

Das Hexenmädchen würde mir das ansonsten für immer vorhalten.

Jetzt öffnete ich den Reißverschluss; das Geräusch hallte in der Stille des Raums wider. Willow rührte sich noch immer nicht, nicht einmal, als ich meine Finger in den Hosenbund grub und ihn langsam über ihre Hüfte nach unten zog. Ihre Haut fühlte sich an meinen Fingern ganz weich an, und als die Jeans langsam nach unten rutschte, kamen ihre runden Oberschenkel zum Vorschein.

Ich hielt inne, als ich die Knie erreicht hatte, um auf dem Bett nachzurücken, damit ich den engen Stoff vorsichtig über ihre Unterschenkel und Knöchel streifen konnte. Ich zog die Hose über ihre Füße und warf sie auf den Boden neben das Bett.

Sie trug schwarze Unterwäsche, ein kurzes Spitzenhöschen, das sich in einem tiefen V über ihren Bauch wölbte und bis zu ihren Hüften reichte. Es passte perfekt zu ihrem Körper und lenkte meinen Blick auf die weichen Rundungen ihrer Figur.

Ich ließ meine Finger über die leichte Wölbung von Willows Bauch kreisen und erfreute mich an dem leisen Stöhnen, das als Antwort auf meine Berührung aus ihrer Kehle aufstieg. Sie rollte den Kopf weiter zur Seite und drückte den Rücken nach oben, sodass sie sich gegen meine Finger presste.

»Scheiße«, zischte ich durch zusammengebissene Zähne, zwang mich selbst, vom Bett aufzustehen und Abstand zu gewinnen, da sich mein Schwanz versteifte und meine Zähne vor Begierde nach Nahrung zu pochen begannen.

Ich durfte Crystal Hollow und meine Fähigkeit, bei den Hexen zu verweilen, nicht aufs Spiel setzen, schon gar nicht für ein Hexenmädchen, das ich gerade erst kennengelernt hatte.

Eines stand fest. Ich wollte Willow Madizza ficken.

Sie musste nur wach sein, wenn ich es tat.