Gray
Von der Decke hängend, wartete sie.
Sie atmete ein. Sie atmete aus.
Alles, was ich hören konnte, war ihr Herz, dessen Pochen den Raum erfüllte. Ich trat ein und bemerkte, wie das Geräusch meiner Schritte sie zusammenzucken ließ. Im nächsten Moment drückte der Wind Äste von außen gegen die Fensterscheibe und Willow riss den Kopf in die andere Richtung herum.
Sie krümmte sich dort, wo die andere Hexe ihr beim Fesseln geholfen hatte, und ich konnte mir den Schmerz vorstellen, der sich in ihren Schultern aufgebaut haben musste. Ich hatte sie warten lassen, wollte ich sie doch von Furcht erfüllt. Die Anspannung sollte in ihrem Blut hochkochen, bevor ich zu ihr kam.
Das machte alles nur noch süßer.
Dieses eine Mal hatte das Hexenmädchen nicht alles unter Kontrolle. Sie trug nicht mehr diese sorgsam aufgebaute Fassade zur Schau, die nichts von ihrer Angst verriet, sondern hing für mein Vergnügen vor mir an der Decke fest, und jede ihrer Bewegungen zeigte, wie nervös sie war. Es gefiel mir, sie bei ihrem Kampf zu beobachten, endlich miterleben zu können, wie sie ihre Selbstkontrolle verlor. Seit ihrer Ankunft hatte sie nichts anderes getan, als mich fast in den Wahnsinn zu treiben und meine sorgfältig zurechtgelegte Beherrschung herauszufordern.
Es schien nur passend, dass ich ihr dasselbe antat.
Sie hatte vergessen, was die Hüllen waren, oder was sie sein sollten. Willow musste daran erinnert werden, zu was ich in der Lage war und zu was nicht. Eine Hülle würde sie niemals lieben können. Sie würde nie etwas anderes sein als ein Spielzeug.
Sie schluckte laut vernehmlich und zappelte, als ihre Zehen wegrutschten. Sie schnappte nach Luft und ihr Atem ging in tiefen, zittrigen Zügen. Panisch öffnete sie den Mund.
Was zur Hölle?
Ich war gerade einen Schritt auf sie zugegangen, als ihr Körper plötzlich ganz ruhig wurde. Ich widerstand dem Drang zu sprechen und schwieg in dem Wissen, sie würde meine Stimme wiedererkennen. Obwohl ich sie trösten und ihr rasendes Herz beruhigen wollte, war mir klar, dass das Spiel vorbei wäre, sobald ich den Mund öffnete.
Und ich wollte so gerne weiter mit ihr spielen, bevor sie realisierte, wer es war, der sie berührte.
Trotz all ihrer Anstrengungen saß die Augenbinde weiterhin fest um ihren Kopf. Ich stellte mich hinter sie und ließ sie das Gewicht meiner Gegenwart spüren. Es gelang ihr, sich wieder auf die Zehenspitzen zu stellen und sie drückte sich leicht nach oben in die Hände, um ihre Schultern zu entlasten.
Ich legte eine Hand auf ihre Hüfte und meine Finger strichen langsam über den Seidenstoff ihres Nachthemds. Sie hielt still. Es gefiel mir, dass sie nicht das Spitzenhemd gewählt hatte und damit einem Fremden das verweigerte, was mir gehörte. Es machte mir nichts aus, dass ich es gewesen wäre, der sie gefickt hätte, trotz ihrer Absichten.
Allein das Vorhaben, ihren Körper einem anderen hinzugeben, wäre ausreichend gewesen, dass ich sie hätte bestrafen wollen.
Ich wollte, dass sie so besessen von mir war wie ich von ihr. Das wäre das perfekte Schicksal für die Art und Weise, wie sie unter die Oberfläche dessen kroch, was mich ausmachte, um sich in meiner Seele einzurichten.
Ihr Atem raste und sie keuchte wie wild, als eine Panikattacke sie zu überwältigen drohte. »Bringe es hinter dich«, knurrte sie und versuchte sogar noch in diesem Moment, etwas von der Kontrolle zurückzugewinnen, die ich ihr genommen hatte. Ihr Herz pochte im Gleichklang mit ihren Worten – so stark und schnell hämmernd, dass ich es noch in ihrer Hüfte spürte.
Ich führte meine Hand um ihren Körper herum und legte die Handfläche auf die nackte Haut ihrer Brust, um ihren Puls zu spüren. Ihren Herzschlag.
Ihr Körper schwankte und sie zitterte aus Angst vor dem, was sie nicht sehen konnte.
Seit ich Willow kannte, hatte ich sie nur in dem Moment ängstlich gesehen, als die Covenant drohte, sie in den Tiefschlaf zu versetzen. Ich schwor mir herauszufinden, was immer auch diese Angst verursachte.
Eine Frau wie Willow sollte sich vor niemandem fürchten, außer vor mir.
Ich löste die zweite Hand von ihrer Hüfte und trat neben sie und ließ meine Finger sacht ihre Wirbelsäule hinaufspazieren. Ich zeichnete das süchtig machende Baumtattoo nach und kroch den Baumstamm entlang über die Seide bis dorthin, wo der Stoff endete. Ich berührte nun nackte Haut und ihre Wärme kroch in mich hinein, obwohl sie doch ausgesprochen kühl war.
Sie seufzte und atmete langsam aus. Ihr nächster Atemzug war zittrig und ihre Lunge füllten sich schließlich vollständig. Ich schob ihr Haar beiseite und legte eine Schulter und den Nacken frei, während ich meinen Körper um ihren Rücken wand und die Hand von ihrer Brust nahm.
Ich vergrub meine Finger in ihrem Haar und zog ihren Kopf kräftig nach hinten. Sie schnappte nach Luft. Für einen Augenblick fuhr ich mit der Nase über ihren Unterkiefer, um ihr einen Moment der Zuneigung zu gönnen und die letzten Reste ihrer Panik zu vertreiben.
Die letzten Reste der Angst, die ich nicht verstand.
Man hatte sich schon einmal von ihr ernährt. Sie hatte bereits Blut gegeben.
Das alles ergab keinen Sinn, doch ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass ich dem Grund dahinter bis zum Ende nachgehen würde.
Mit den Händen in ihren Haaren führte ich ihren Kopf zur Seite. Ihn so zu kippen, verschaffte mir einen besseren Winkel, um an ihren Nacken zu gelangen. Mein Atem strich über ihre Haut und ließ ihren Körper erzittern. Meine Reißzähne fuhren kurz über ihre Haut.
Spottend. Neckend.
Ich bohrte mich in sie, und ihr süßer Geschmack überschwemmte meine Zunge. Ich trank, während sie in meinem Griff lockerer wurde und genüsslich stöhnte.
Ein Genuss, den ich ihr nicht erlauben wollte, solange sie dachte, ich wäre ein Fremder. Ich biss fester zu. Ich konnte meinen Zorn nicht bändigen, dass sie bei einem anderen erregt sein könnte. Das war die Erinnerung, die ich gewollt hatte.
So sehr ich auch vorgab, diese Mahnung sei für Willow, so war sie schlussendlich doch an uns beide gerichtet. Alle Hexen waren gleich und nur für eines zu brauchen.
Je mehr von ihrem Blut ich in mir spürte, umso stärker fühlte ich mich neu belebt.
Erweckt, irgendwie, und ich wollte, dass es nie endete.