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Gray

Ich sah unverwandt aus dem Fenster hinunter auf das Blut, das aus Willows Handfläche tropfte, und schüttelte den Kopf. In der anderen Hand hielt sie ein Messer und presste ihre Finger in den frischen Schnitt, damit das Blut weiter auf die sterbenden Pflanzen tropfen konnte.

Mehr hatte ich nicht tun können, um überhaupt meine Instinkte zu kontrollieren und es ihr zu erlauben, den Raum zu verlassen. Ich hatte sie schlafen lassen und sie dann mit meinem Schwanz zwischen ihren Beinen geweckt. Die Schmerzen, die sie von der Nacht zuvor noch gespürt haben mochte, ließen sich leicht mit einem einzigen Biss vertreiben, bis sie sich nur noch in meinem Schoß wand, als ich sie ins Büro führte und dazu brachte, mich auf dem Sofa zu reiten.

Ich wollte, dass ihr Duft überall war. Dass alle, die zu mir kamen, ihren Duft an mir und um mich herum riechen konnten.

Ich wollte, dass mein Besitzanspruch bekannt wurde, jetzt da Willow selbst wusste, dass ich mich in der Nacht der ersten Ernte von ihr ernährt hatte. Sie mochte noch nicht wissen, dass ich ein Dominium für sie aufgerufen hatte, doch das war kaum von Bedeutung.

Das seltsame kleine Hexenmädchen dürfte ohnehin nicht einmal wissen, was das bedeutete, trotz all des Wissens, das ihre Mutter ihr eingeträufelt hatte.

Kairos kam herein. »Du brauchst mich?«, fragte er und zwang mich damit, den Blick vom Fenster abzuwenden, damit ich ihn ansehen konnte.

»Ich muss heute für eine Weile in die Stadt«, erklärte ich und bat ihn ans Fenster. »Ich möchte, dass du sie sehr genau im Auge behältst. Zu deinem eigenen Besten empfehle ich dir allerdings, dass sie nicht mitbekommt, dass du sie beobachtest.«

»Hat sie die Knochen schon?«, fragte er mit erschrockener Miene in meine Richtung. Wir sprachen nicht sehr oft von ihnen, abgesehen von dem Moment, in dem ich meinen Leuten mitgeteilt hatte, dass eine Hecate-Hexe nach Crystal Hollow zurückgekehrt war.

»Noch nicht.« Bei dem Gedanken daran, was sie alles schon getan hatte, um sie zu finden, geschweige denn, was sie noch alles dafür tun würde, atmete ich schwer aus. »Was aber nicht heißt, dass sie uns beide nicht übel zurichten würde, sollte sie erfahren, dass ich einen Babysitter für sie organisiert habe.«

Kairos kicherte in sich hinein und ich hatte das deutliche Gefühl, er nahm mich nicht ernst genug. Wenn er mir nicht glaubte, würde er es schon sehr bald selbst zu spüren bekommen.

Willow würde ihn zu Kleinholz machen, sollte er sie unterschätzen, doch ich war ziemlich sicher, dass Kairos nicht an ihren Fähigkeiten zweifelte. Nicht nach dem, was wir an jenem Tag hatten mitmachen müssen, an dem wir sie eingesammelt hatten.

»Was denkst du, wie lange du weg sein wirst?«, wollte er wissen, während ich durchs Fenster wieder Willow zusah.

Es hätte mich nicht wütend machen sollen, dass sie das Messer in die offene Wunde drückte, um das getrocknete Blut abzuschaben, das den Blutfluss verhinderte. Ich hatte sie vom Angriff in der Nacht zuvor zwar geheilt, mich aber zugleich auch von ihr ernährt.

Mehr als nötig gewesen wäre, um ehrlich zu sein.

»Höchstens ein paar Stunden«, gab ich zurück.

Willow stolperte auf ihrem Weg über eine Baumwurzel, als sie ihr Blut auf den Boden tropfen ließ. Ihre Lippen bewegten sich in der leisesten Andeutung eines Zauberspruchs, die Pflanzen hinter ihr erblühten und in einer Welle neuen Lebens brachen überall frische Zweige und Blüten hervor. Willow blieb stehen und steckte ihr Messer in das Futteral, das sie irgendwann in der letzten Stunde, seit sie mich verlassen hatte, an ihrem Hüftgürtel befestigt hatte. Neben dem Pfad kniend, hielt sie ihre Handfläche ruhig, damit sich unter ihr eine kleine Blutpfütze bilden konnte.

Ich sah zu, wie sich die Pflanzen in ihre Richtung reckten, und ein Blatt berührte das Blut und trank. Vorsichtig fuhr Willow mit dem Finger über die Rosenknospe, die unter ihrem Blick erblühte. Die Ironie des Augenblicks entging mir nicht.

Willow war die letzte der Hecate-Hexen – die als Hüterinnen der Knochen vorgesehen waren und zu sehr mächtigen Totenbeschwörerinnen werden konnten, sobald sie die Knochen besaßen. Doch zugleich folgte ihr das Leben , wohin auch immer sie ging. Ich konnte mich nicht erinnern, dass bei einer anderen früheren Madizza dies je so ausgeprägt gewesen wäre.

»Das ist wirklich faszinierend. Zuzusehen, wie sie mit den Pflanzen interagiert«, beobachtete Kairos mit schräg gelegtem Kopf. Ich knurrte und wendete mich von dem Hexenmädchen ab, um der Hülle damit eine Warnung auszusprechen, die er nicht ignorieren konnte. Er rollte die Augen. »Nein, nicht so. Sie ist das Leben, aber sie ist auch der Tod. Es gab noch nie eine Hexe wie sie. Wozu sie alles in der Lage ist …«

Er schluckte und ich erkannte, dass er Willow nicht unterschätzen würde. Kairos hatte eine gesunde Angst vor ihr und seine Augen wurden immer größer, als Willow nun eine Hand hob und den Rosenbusch damit zum Wachsen brachte. Die Kletterpflanze streckte sich, wurde immer länger und strebte auf das Gebäude zu, wo sie an einer vernachlässigten Rankhilfe emporkletterte. Willow erhob sich, sah zu dem Fenster, aus dem wir sie beobachteten, und kontrollierte, wie die Rosen knapp unterhalb des Fensterbretts ihr Wachstum einstellten.

Okay, habe verstanden.

Ich drehte dem Fenster den Rücken zu und führte Kairos mit mir, um Willow den Abstand zu geben, den sie brauchte. Fürs Erste durfte sie ein wenig Privatsphäre haben.

Sie würde einige Zeit brauchen, um sich damit abzufinden, was wir füreinander waren, um sich mit der Tiefe der Besessenheit abzufinden, die sie noch dadurch verstärkt hatte, dass sie mir ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte. Bis sie so weit war und es verstanden hatte, würde es zu spät für sie sein.

»Jemand hat ihr letzte Nacht wehgetan. Ich erwarte, dass Juliet bei meiner Rückkehr eine Antwort für mich hat«, erklärte ich und nahm sein Nicken als Bestätigung dafür an. Willow mochte nicht bereit sein, die abzuurteilen, die das getan hatten.

Aber ich war es verdammt noch mal.