42

Willow

Mammon und Asmodeus tauchten aus der Grube auf, während ich Charlotte anstarrte und versuchte, ihre Worte zu erfassen. Ihre Lippen waren zu einer dünnen Linie gepresst, als Gray seine Hand auf meine Schulter legte und dabei das Auge des Teufels auf meiner Haut streifte. Ich zuckte zusammen und lehnte mich nach vorne, um der Berührung zu entgehen, während ich mich umwandte und ihn über die Schulter hinweg ansah.

In seinen stahlblauen Augen lag keine Entschuldigung, als er mich ansah, als er zusah, wie Verstehen in mir dämmerte. »Du hast mich einmal nach meinem wahren Namen gefragt«, sagte er und die Grausamkeit in diesen Worten bohrte sich bis in mein Inneres. »Bist du schon bereit für die Antwort, Ehefrau?«

Ich drehte mich nach vorne und starrte Charlotte an, mein Kiefer spannte sich an und ich knirschte mit den Zähnen.

Nein.

Charlotte lächelte wieder und drückte mit ihren Fingern auf meine Hände. »Es ist Zeit, loszulassen«, sagte sie und starrte in die Grube hinunter. Mittlerweile kletterten geringere Dämonen die Treppe hinauf und versammelten sich an der Oberfläche, jetzt, da die Erzdämonen nicht mehr da waren, um sie abzuwehren. Die Seelen der Verdammten würden sich über die Erde ausbreiten, wenn ich die Magie nicht losließ, aber ich wusste nicht, wie.

Charlottes Beine lösten sich langsam in Nebel auf, der wegwehte, obwohl es im Tribunalraum gar keinen Wind gab.

»Ich weiß nicht, wie«, sagte ich und schüttelte den Kopf. Immer mehr von ihr löste sich auf, bis sie nur noch aus Armen, einem Kopf und einem Hals bestand, die in der Luft schwebten.

All die Opfer, um sie zurückzubringen, und sie verschwand in der Magie des Spiegels.

»Bitte geh nicht«, flehte ich und klammerte mich an die einzige Freundlichkeit, die mir gewährt worden war. An die einzige Person, die mir helfen würde.

Ich wusste nicht, warum ich mir so sicher war, dass sie mir helfen würde, nach allem, was man gegeben hatte, um sie überhaupt hierherzubringen. Ich wusste nur, dass es so war.

»Ich bin immer bei dir«, sagte sie. Sie nahm ihre Hand von meiner, ihr Fleisch zerfiel zu Staub.

»Nein«, rief ich und starrte auf die andere Hand, als sie schließlich auch verschwand.

»Jetzt, Willow!«, schrie sie.

Ich zog eine Grimasse, als ich mit aller Kraft an meinen Händen zog. Das Siegel hielt mich fest. Mein Schrei ertönte zusammen mit ihrem, als Gray seine Arme um meine Taille schlang. Er zerrte mich zurück und riss meine Hände von dem Glas, als es sich zurückwandelte.

Charlotte verblasste und lächelte friedlich, als sie zu Asche im Wind zerstob.

Ich kroch von Gray weg und starrte auf das wiederhergestellte Glas des Spiegels, in dem ich nur meine eigene Reflexion sah. Die Knochen um meinen Hals klapperten, als spürten sie Charlottes Abschied und entrangen mir ein ersticktes Schluchzen.

Ich zog meine Knie unter den Körper und rollte mich eng zusammen. Ich wagte es nicht, hinter mich zu schauen, um die sieben Monster zu sehen, die ich auf die Welt losgelassen hatte.

Das erste von ihnen trat neben mich und hielt mir eine Hand hin, die ich ignorierte.

»Komm, Willow«, sagte Gray. Der stählerne Ton in seinem Befehl ließ meine Wut hochkochen und verbrannte mein Entsetzen.

»Das werde ich dir niemals verzeihen«, fauchte ich.

»Doch, das wirst du«, sagte er leise, strich mit seinen Fingerknöcheln über meine Wange und lenkte meine Aufmerksamkeit auf ihn. »Mit der Zeit wirst du erkennen, wie vergänglich das menschliche Leben ist. Wie wenig es zählt. Wenn alle, die du kennst, gestorben sind und in der Erde verrotten, werden du und ich übrig bleiben. Du wirst feststellen, dass alles verziehen werden kann, wenn man der Erinnerung die Zeit gibt zu verblassen.«

»Ich bin ein Mensch. Ich werde sterben wie alle anderen auch«, gab ich zurück und rappelte mich auf die Beine.

»So wirst du nicht lange bleiben«, sagte er und griff nach unten, um meine Hand zu nehmen.

Ich schaffte es nicht, über das Versprechen nachzudenken, das in diesen Worten lag, und darüber, was sie für meine Zukunft bedeuteten, während er mich zu der Trage führte, auf der Lucifer schlief. Sie hatten Ihn auf den Rücken gedreht, nachdem sie Ihn aus der Hölle getragen hatten. Sein schlafendes Gesicht war jetzt zu sehen, als wir uns Ihm näherten.

Er trug nur eine einfache schwarze Hose, und mein Blick wanderte über die schimmernden, schweißglänzenden Muskeln Seines Oberkörpers, um dann bei Seinem Gesicht anzuhalten. Seine Schultern waren breit, Seine Taille lief V-förmig zu.

Das Gesicht kam mir bekannt vor, als wäre Grays Hülle nach Seinem Abbild geformt worden. Es zerstörte jede Hoffnung, dass ich der Wahrheit entkommen könnte, die mir ins Gesicht starrte.

Dass ich den verdammten Teufel persönlich gevögelt hatte.

Ich schluckte, schlug mir die Hand vor den Mund und ignorierte die sechs anderen Erzdämonen, die uns umringten.

Wozu die Hülle nicht in der Lage gewesen war, war, die übernatürliche Schönheit des Erzdämons vor mir genau zu erfassen. Sie war nicht in der Lage gewesen, die Kraft Seiner Ausstrahlung wiederzugeben, die Er selbst in diesem bewusstlosen Zustand noch verströmte.

Gray nahm meine Hand und legte sie auf seine Brust. Ich bemerkte, dass er sein Hemd aufgeknöpft hatte, sodass ich seine nackte Haut berühren konnte.

»Wandel mich zurück«, sagte er, die Worte waren Befehl und Aufforderung zugleich, während er auf seinen Körper hinunterblickte.

Ich zog meine Hand zurück. »Hast du den Verstand verloren? Nein«, fauchte ich und zuckte zusammen, als er meine Hand an seine Brust presste und meine Knochen dabei aneinander knirschten.

»Mehr als ein Dutzend sind heute schon gestorben«, sagte er und deutete mit der Hand auf den größtenteils leeren Tribunalraum. Die Leichen der Hexen lagen noch immer auf dem Boden, aber von meinem Vater, dem Covenant oder Charlotte gab es keine Hinweise auf deren Tod. »Was glaubst du, wie viele ich noch hinterherschicke, damit du tust, was man dir sagt?«

»Bitte, Gray«, murmelte ich, auch wenn sich der Name falsch anfühlte. Als ob ich mich immer noch selbst belügen würde.

Das war nicht sein Name.

»In dieser Form kann ich dich nicht lieben«, sagte er und seine Stimme wurde weicher, als er auch noch meine andere Hand nahm und sie auf die Brust seines anderen Körpers legte. Seines wahren Körpers. »Aber ich kann es in meiner eigenen Gestalt. Lass mich dich so lieben, wie du es verdienst, kleine Hexe.«

Ich schnaubte und glaubte keinen Moment lang, dass ihn das wirklich kümmerte. Was auch immer er sich davon versprach, seinen Körper zurückzubekommen, hatte nichts mit mir zu tun.

Trotzdem fielen mir die Augen zu, als die Magie der Knochen zwischen meinen Fingern anschwoll und sich in meinem Körper ausbreitete. Ich konnte nicht mit ansehen, wie sie das taten, wofür sie geschaffen worden waren, und hoffte nur, dass es Leben retten würde, wenn ich ihm gab, was er wollte.

Gray brach an meiner Seite zusammen, seine Hülle fiel zu Boden, und ich schlug die Lider auf. Ich drehte mich um und sah auf den Körper auf der Trage hinunter und wartete auf den Moment, in dem das Leben in Ihn zurückkehrte.

Sein Brustkorb dehnte sich mit Seinem ersten Atemzug.

Und Lucifer Morningstar öffnete Seine goldenen Augen.

D AS E NDE VORERST .