Der Test

Am Abend saßen Bert und Lizzy auf der Terrasse.

Zu zweit.

Von hier aus konnten sie den Schutzkeller sehen.

Im Dunkeln sah er aus wie ein großes Grab.

„Ich fliege morgen nach Dänemark“, sagte Lizzy.

„Mit Annette.

Eine Studienreise über die Gefahren der Atombombe.“

 

Bert schaute kurz auf.

Er nahm einen Schluck Likör.

Und nickte mit dem Kopf.

„Diese Annette“, sagte er.

„Bekommt sie auch einen Platz im Keller?“

Lizzy schüttelte den Kopf.

„Nein. Das will Annette sicher nicht.

Lieber stirbt sie“, antwortete Lizzy.

„Sie glaubt nicht an ein Leben nach der atomaren Katastrophe.

Sie würde eher Selbstmord begehen.

Denn nach einem Atomangriff ist alles futsch.

Menschen, Tiere, alles verbrennt bei lebendigem Leib.“

 

Er nickte wieder.

„Das ist eine kluge Entscheidung.

Eine gute Wahl“, sagte Bert.

„Wenn ich wählen müsste:

Jahrelang in einem Keller zuzubringen …

Oder bei lebendigem Leib zu verbrennen …

Dann würde ich auch Selbstmord begehen.“

Er stellte das Likörglas auf den Tisch.

Lizzy schaute ihn überrascht an.

„Aber Bert, daran glaubst du doch gar nicht.“

 

Das war sein erster Test.

Er wollte sehen, ob Lizzy ihm glaubte.

Sie glaubte ihm.

Er ergriff ihre Hand und sagte:

„Ich muss dir etwas sagen.

In den letzten Wochen …

In den letzten Wochen hab ich deine Geschichten gelesen.

All die Broschüren in deinem Arbeitszimmer.

Und ich muss dir ehrlich sagen:

Ihr habt mich überzeugt.“

 

„Warum hast du mir das nicht früher gesagt?“, fragte Lizzy.

„Ich hatte Angst“, sagte er.

„Dass du mir nicht glaubst.

Ich, der reiche Geschäftsmann …“

Er umschloss ihre Hand noch fester.

Lizzy nickte.

Sie wollte etwas sagen.

Aber er sah Tränen in ihren Augen.

Lizzy drückte seine Hand an ihre Wange.

 

Später im Bett legte sie den Kopf an Berts Schulter.

„Was machst du?

Wenn es so weit ist?“, flüsterte sie.

„Zusammen mit dir sterben“, sagte er so sanft er konnte.

 

Sie schmiegte sich noch enger an ihn.

Wie ein kleines Mädchen.

„Gibt es Lebensmittel im Keller?“, fragte er.

„Noch nicht“, antwortete sie.

Er lächelte im Dunkeln.

„Aber es gibt Pillen“, sagte sie.

„Die reichen für uns zwei.

Wenn wir nicht mehr raus können.“

„Aber jetzt schlaf erst mal“, sagte Bert.

Er dachte an Rosalind.

Und an ihr gemeinsames Leben.

Bald.